Die der Arbeit zu Grunde liegende Problematik ist die Darstellung der inquisitorischen Institutionalisierung, id est die prozessuale Ausbildung administrativer Exekutivorgane, mit besonderem Augenmerk auf das Frankreich des 11. bis zum 13. Jahrhundert. Wenn Henri Maisonneuve in seiner Schrift über die Inquisition derselben "l’acte de naissance" bescheinigt, so konstatiert er damit zugleich auch, dass es einen festen Termin, ein konkretes Ereignis oder ein gedrucktes Wort in päpstlichen Dekretalen oder kaiserlichen Statuten gibt, das sine dubio auf "Geburtsjahr" oder gar "Geburtstag" der inquisitio haereticae pravitatis schließen ließe. So befriedigend ein solches, greifbares Datum, das in diesem Kontext als Mutter der Inquisition zu verstehen wäre, auch sein mag, lässt man auf diese Weise doch zu Unrecht die Jahrzehnte andauernden Qualen von Schwangerschaft und "Geburtsvorgang", um an dieser Stelle noch einmal das so treffliche Bild von Peter Segel zu bedienen, außer Acht.
Immerhin in einem Punkt fällt das Urteil der Forschung weitestgehend homogen aus: Wenn man einen Zeitpunkt determinieren müsste, läge dieser zwischen 1231 und 1233. Begründet wird diese Festlegung anhand diverser Schriftstücke Papst Gregors IX., an deren Ende die Dominikaner als inquisitores haereticae pravitatis mit päpstlichen Vollmachten agierten. Doch dies soll uns erst an späterer Stelle im Detail beschäftigen. Zunächst gilt es festzuhalten, dass in der Wissenschaft offenbar Uneinigkeit darüber besteht, was man als "Inquisition" bezeichnen darf, ab wann man das darf und was dieser Begriff dann genau umfasst. Nicht grundlos schreiben so manche Publizisten, dass man gar nicht von "der mittelalterlichen Inquisition" sprechen dürfe, sondern dabei lediglich das Verfahren per inquisitionem gemeint sei. Es bedarf also einer konkreten Definition dessen, was jeweils unter "der Inquisition" verstanden werden soll.
In dieser Arbeit soll sich der vertretene Ansatz nach dem Grad der Institutionalisierung richten. Ihre wissenschaftliche Daseinsberechtigung ist demnach darin begründet, dass problematische Begrifflichkeiten wie "die Geburtsstunde der Inquisition" belanglos werden, da der Institutionalisierungsprozess mit seinen rudimentären Anfängen bis zum organisierten Endzustand dafür substituierend ins Zentrum des Interesses gerät. Es wird gewissermaßen der Entstehungsprozess per se zur Mutter der mittelalterlichen Inquisition erklärt.
Inhaltsverzeichnis
- Einführendes zur institutionalisierten Verfolgung (S. 3)
- Inquisitio institutio est?
- Zu Literatur und Quellenlage
- Vorgehensweise und Methodik in Hinblick auf das Erkenntnisziel
- Weltlich-geistliche Kooperation im Namen der organisierten Verfolgung (S. 6)
- Anfänge und Entwicklung des inquisitorischen Verfahrens hin zur behördlich-strukturierten Ketzerverfolgung
- „Phase der Unsicherheit“: Die allmähliche Ausbildung der Kanonistik
- Von Lucius III. bis Innozenz III.: Die Dekretale ad abolendam (1184) Innozenz III. und das Vierte Laterankonzil (1215)
- Gregor IX.: Das Ende des Krieges und die Wende in der Ketzerbekämpfung
- Perfektionierung und Entartung unter Innozenz IV.: Die Dekretale ad extirpanda (1252)
- Schlussbetrachtungen: Die 10 Stufen der Institutionalisierung (S. 12)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Institutionalisierung der Inquisition, insbesondere im Hinblick auf die prozessuale Ausbildung administrativer Exekutivorgane in Frankreich vom 11. bis 13. Jahrhundert. Sie analysiert die Entwicklung des inquisitorischen Verfahrens, die Rolle päpstlicher Dekrete und Statuten sowie die Wechselwirkung zwischen weltlichen und geistlichen Akteuren.
- Die Entstehung und Entwicklung des inquisitorischen Verfahrens.
- Die Rolle von Päpsten und deren Dekrete in der Etablierung des Inquisitionsverfahrens.
- Die Bedeutung der weltlich-klerikalen Interaktion für die Institutionalisierung der Inquisition.
- Der Einfluss von Kanonistik und Rechtsprechung auf die Ausbildung der inquisitio haereticae pravitatis.
- Die Entwicklung von der "Phase der Unsicherheit" zur organisierten Ketzerverfolgung.
Zusammenfassung der Kapitel
Einführendes zur institutionalisierten Verfolgung
Dieses Kapitel beleuchtet die Frage nach der Existenz einer mittelalterlichen "Inquisition" und diskutiert die Schwierigkeiten bei der Definition des Begriffs. Der Fokus liegt auf dem Prozess der Institutionalisierung und der Herausbildung der inquisitio haereticae pravitatis. Es wird erläutert, warum die Betrachtung des Entstehungsprozesses im Mittelpunkt steht und welche bereits existierenden Einrichtungen und Verfahren die späteren inquisitorischen Praktiken beeinflussten.
Zu Literatur und Quellenlage
Dieses Kapitel diskutiert die einseitige Quellenlage zum Thema Ketzerverfolgung und die Schwierigkeiten, einen neutralen Blick auf dieses komplexe Thema zu gewinnen. Es wird die Notwendigkeit einer kritischen Analyse der Quellen betont, die größtenteils von den Inquisitoren selbst stammen. Der Schwerpunkt liegt auf den wichtigsten Originalquellen, die der Zusammenstellung von Johannes Dominicus Mansi entnommen wurden.
Weltlich-geistliche Kooperation im Namen der organisierten Verfolgung
Dieses Kapitel analysiert die Anfänge und die Entwicklung des inquisitorischen Verfahrens hin zur behördlich-strukturierten Ketzerverfolgung. Es werden die wichtigsten Meilensteine in persona der Päpste und deren Dekrete, Statuten und Beschlüsse behandelt, die entscheidend für die rechtliche Etablierung des Inquisitionsverfahrens waren. Der Fokus liegt auf der allmählichen Ausbildung der Kanonistik, den Dekreten von Lucius III. bis Innozenz III. und dem Vierten Laterankonzil, Gregor IX. und dem Ende des Krieges gegen die Ketzerei, sowie der Perfektionierung und Entartung unter Innozenz IV. und der Dekretale ad extirpanda.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen dieser Arbeit sind die inquisitorische Institutionalisierung, die Ausbildung administrativer Exekutivorgane, das inquisitorische Verfahren, die Rolle päpstlicher Dekrete, die weltlich-klerikale Interaktion, die Ketzerverfolgung, die Kanonistik und Frankreich im 11. bis 13. Jahrhundert.
- Quote paper
- Sebastian Daniel (Author), 2019, Inquisitio Ac Territio. Weltlich-geistliche Kooperation im Namen der organisierten Verfolgung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491143