Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung.
2.Historischer Hintergrund – der politische Konflikt.
3.Die Gegenspielerinnen
3.1.Maria Stuart
3.2.Elisabeth
4.Die Begegnung der beiden Königinnen – der persönliche Konflikt
5.Elisabeths Entscheidung
6.Fazit
7.Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Friedrich Schillers Trauerspiel Maria Stuart zählt zu seinen bühnenwirksamsten Werken und gilt als Paradigma der virtuosen Dramaturgie.1 In diesem Stück geht es hauptsächlich um den Konflikt der beiden Gegenspielerinnen Maria Stuart, die frühere schottische Königin, die seit Jahren in England ihr Leben in Gefangenschaft fristet. Und um Königin Elisabeth von England. Die Protagonistinnen durchleben eine dramaturgische Umkehrung ihrer psychologischen Ausgangskonstellation2, so durchlebt die Gefangene, von Schuldgefühlen sowie Schwermut beladene Maria Stuart, eine innere Wandlung. Sie akzeptiert ihr Schicksal und befreit sich von allen inneren Zwängen. Ihre Kontrahentin Elisabeth hingegen, sichert sich mit der Hinrichtung ihrer Rivalin zwar ihre politische Machtposition, lädt daraufhin aber schwere Schuld auf sich und endet in einer selbstherbeigeführten Isolation. Da sich der Verlauf des Dramas am geschichtlichen Hintergrund der real existierten Monarchinnen orientiert und Friedrich Schiller die Auseinandersetzung „der beiden Königinnen historisch korrekt in das Netz religiöser, dynastischer und außenpolitischer Zwänge und Interessen verstrickt“3 hat, war ein anderer Abschluss des Werkes nicht möglich. So setzt das Stück bereits nach der Urteilsverkündung ein, es geht also nicht mehr darum, ob Maria Stuart zum Tode verurteilt werden soll oder nicht, sondern es stellt sich die Frage, ob das Urteil vollstreckt werden soll oder nicht.4 Allerdings ist die im dritten Akt beschriebene Begegnung der beiden Königinnen, die den Wendepunkt des Werkes darstellt und letztendlich den Untergang der ehemaligen schottischen Königin einleitet, eine reine Fiktion des Autors. Um nun die Zutaten, die nötig waren, um den bereits bestehenden Konflikt der beiden Frauen eskalieren zu lassen, näher beschreiben und analysieren zu können, müssen mehrere Faktoren beleuchtet werden. So gibt diese Arbeit zuerst einen Überblick über die historischen Begebenheiten der beiden Königinnen, vor allem über deren Herrschaftsanspruch auf England und der damit verbundenen Entstehung des politischen Konflikts. Danach folgt eine Charakterbeschreibung der beiden Gegenspielerinnen, in der es um mögliche persönliche und weiterhin dynastische Spannungen geht, die zur weiteren Entwicklung des Zwists führten. Daran anknüpfend schließt sich die Betrachtung der Begegnung der Gegenspielerinnen im dritten Akt, und der daraus folgenden Auflösung des Konflikts, der Katastrophe, an. Einen weiteren Einblick in die Faktoren, die zur Hinrichtung führten, soll die Betrachtung des Entscheidungsmonologs von Elisabeth sein. Die gewonnenen Erkenntnisse werden am Ende noch einmal in einem kurzen Resümee zusammengefasst.
2. Historischer Hintergrund – der politische Konflikt
Um die Umstände zu verstehen, weshalb Elisabeth jederzeit um ihre Position als Herrscherin fürchtete, ist es unumgänglich ein paar Auszüge aus ihrer Biographie, besonders was ihren Herrschaftsanspruch auf die englische Krone betrifft, zu erläutern. Aufgrund des Themenfeldes und des Umfanges der Arbeit, können hier nicht alle historischen Fakten berücksichtigt werden. Der rechtmäßige Anspruch von Elisabeth der I. auf den Thron von England wurde nie endgültig geklärt. Denn sie war die Tochter des Königs, Heinrich des VIII, aus zweiter Ehe mit Anna Boleyn. Zwar wollte sich der König von seiner ersten Gemahlin Katharina von Aragon scheiden lassen, jedoch wurde diese Scheidung vom Papst verweigert. Aus Sicht der katholischen Kirche war er also stets mit seiner ersten Frau verheiratet und Elisabeth folglich ein Bastard, ohne rechtliche Ansprüche auf den Thron.5 Der König erklärte seine Ehe mit Anna Boleyn im Jahre 1536 sogar selbst als illegal und schloss seine Töchter Elisabeth und deren große Schwester Maria Tudor aus der Thronfolge aus, da er einen männlichen Nachfolger wollte. Erst acht Jahre später wurden diese durch Parlamentsbeschluss wieder in die Thronfolge mit aufgenommen, was auch im Testament des Königs bestätigt wurde. Jedoch wurde im Zuge dessen, die Ehe mit der Mutter von Elisabeth nicht legalisiert, somit blieb sie weiterhin ein nicht legitimes Kind und hatte keinen gefestigten Anspruch auf den Thron. Da Maria Stuart die Enkelin von Margarete Tudor, der Schwester von Heinrich des VIII war, hätte sie einen legitimen Anspruch, nach dynastischen Recht, gehabt.6 Allerdings schloss Heinrich der VIII alle ausländischen Mitglieder der königlichen Familie Tudor, also die Stuarts, aus der Thronfolge aus. So war Elisabeth nun, nach englischem Recht, eine Thronanwärterin, nach kanonischem, allerdings nicht. Zwar hatte Maria Stuart einen Anspruch, nach dynastischem Recht, juristisch war dieser aber zweifelhaft.7 Doch das Hin und Her auf den Anspruch der Regentschaft, hatte für Elisabeth selbst nach dem Tod ihres Vaters kein Ende. So folgte ihm sein Sohn Eduard der VI auf den Königsstuhl, dieser verstarb allerdings in frühen Jahren und vermachte noch auf dem Sterbebett seiner Schwester Jane Grey die Nachfolge. Zudem schloss er per Testament seine beiden Halbschwestern Elisabeth und Maria Tudor aus der Thronfolge aus. Maria Tudor schaffte es allerdings sich gegen dieses Testament aufzulehnen. So wurde sie nun Königin von England. Als sie dann im Jahre 1558 verstarb, wurde Elisabeth zur Regentin gekrönt. Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen und des ständigen Entsagens ihres Machtanspruchs, musste sie fortan auf der Hut sein und duldete keine weiteren Bedrohungen. Maria Stuart tat indes nichts was diese angespannte Situation hätte entschärfen können. So erkannte sie Elisabeth nicht als englische Herrscherin an, sondern erhob selbst diesen Anspruch. Sie weigerte sich den Vertrag von Edinburgh anzuerkennen, der nach Beendigung des Krieges, Elisabeth als Herrscherin über Schottland anerkannt hätte.8 Und sie nahm zusätzlich als sie Königin von Frankreich9 wurde, das englische Wappen als Viertel in ihres auf, um ihr Recht deutlich zu machen.10 Des weiteren musste sich Maria Stuart nie mit den Sorgen der Thronfolge herumschlagen. So wurde sie nach dem Tod ihres Vaters, im Alter von nur fünf Tagen, zur Königin gekrönt. Ihr eigenes Verhalten, sowie ihr unumstrittenes Geburtsrecht sorgten für große Spannungen zwischen ihr und Elisabeth. Denn diese musste es nicht nur als großes Unrecht gesehen haben, sondern fühlte sich durch ihre Rivalin massiv in ihrer Position gefährdet. Dieses Wechselspiel aus Angst vor Machtverlust einerseits und Provokation auf Seite Marias Stuarts, sorgte für einen unüberwindbaren Konflikt. Auch spielte es in der Geschichte immer wieder eine große Rolle, dass Elisabeth Protestantin war und Maria Katholikin. Denn so wurden beide auch in die Kämpfe der Vormachtstellung der Kirche mit hineingezogen und standen, aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen, auf verschiedenen Seiten. Das religiöse Motiv des Konflikts wird an gegebener Stelle noch einmal aufgegriffen.
3. Die Gegenspielerinnen
Die beiden Monarchinnen sind gedanklich vom ersten Akt an, sehr aufeinander fixiert, so wird deren untrennbare Abhängigkeit voneinander nur allzu deutlich.11 Der Großschatzmeister Burleigh bringt es im zweiten Akt auf den Punkt, als er sagt: „Ihr Leben ist dein Tod! Ihr Tod ist dein Leben!“ (II/3, V. 1294)12
Die Darstellung der politischen und auch persönlichen Kontroversen der Rivalinnen soll nun näher betrachtet werden. Dafür wird zunächst die Figur der Maria Stuart und danach die der Elisabeth fokussiert. Wobei aufgrund der bereits genannten Bedingungen, für die Entstehung des Streits auf Seiten von Maria Stuart, eher Elisabeth in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit genommen wird. Zudem sie die ausführende und aktive Rolle in diesem Stück einnimmt, denn die große Frage der Durchführung der Tötung von Maria Stuart, und der damit verbundenen moralischen und rechtlichen Konsequenzen, obliegt allein ihr.
3.1. Maria Stuart
Im ersten Akt steht diese Figur im Mittelpunkt. In der Retroperspektive wird das bisherige Leben von ihr betrachtet. So plagen die einstige Königin von Schottland schwere Schuldgefühle und ein damit, verbundener Schwermut, was im Dialog mit Kennedy zu Tage tritt. So fragt diese sie: „Wie? So gebeugt, so mutlos, teure Lady? Wart ihr doch sonst so froh, I Ihr pflegtet mich zu trösten, I Und eher musst ich Euren Flattersinn I Als Eure Schwermut schelten.“ (I/4, V.268f.)13 Woraufhin Maria mit der Begründung es sei der „blut´ge Schatten König Darnleys, I Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt, […]“ antwortet. Sie plagen schwere Schuldgefühle für die Zulassung der Ermordung ihres zweiten Ehemannes, denn sie gibt zu, davon gewusst und ihn aus Rache in „das Todesnetz“ (I/4, V293)14 gelockt zu haben.15 Im Zuge ihrer Vergangenheit kommen zwei Begrifflichkeiten auf, die im starken Kontrast zu Elisabeth stehen. So ist von „Weltlust“ (I/2, V. 143) und „Leichtsinn“ (I/4, V. 362) die Rede. Aufgrund der Tatsache das Maria ihren Neigungen nachgeben konnte, was im nächsten Kapitel noch ausführlicher betrachtet wird, zog sie großen Argwohn ihrer Gegenspielerin auf sich, eine weitere Zutat im Zwist der Kontrahentinnen. Dieses Leben nach persönlichen Neigungen, diese „Leichtigkeit“ wird auch noch einmal im Dialog des ersten Aufzugs deutlich. So wird in ihm vermittelt, dass Maria den vermeintlichen Mörder ihres zweiten Ehemannes heiratete, aufgrund ihrer eigenen Schwäche.16 Diese pikante Situation, als weitere politische Verstrickung führte am Ende in Schottland sogar zum Aufstand des Adels, durch dessen Folge deren Königin unterlag und zur Abdankung gezwungen wurde. Daraufhin floh sie nach England.17 Dadurch saß Elisabeth, ganz abgesehen von ihren persönlichen Motiven, in einer Zwangslage. Sie konnte als Protestantin, keine katholische Königin in Schottland zurücklassen, eine Weiterreise nach Frankreich war ebenso wenig möglich18 und im eigenen Land behalten, schon gar nicht. Denn als legitime Anwärterin auf den Thron, hätte die bloße Anwesenheit von ihr, den katholischen Adel des Nordens aktivieren können, der diese als Regentin einsetzen würde, um den Katholizismus wieder nach England zu holen.19 So tat Elisabeth das einzig ihr mögliche, sie setzte ihre Gegnerin fest und versuchte sich ihrer mit einer Intrige zu entledigen. Selbst ihre Amme Kennedy stellt diese Willkür fest und sagt Maria zu, dass England kein Recht hätte diese festzuhalten und für den Mord an ihrem Gatten zu richten. Sie sagt: „Was Ihr auch zu bereuen habt, in England I Seid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth, I Nicht Englands Parlament ist euer Richter. I Macht ist´s, die Euch hier unterdrückt, […]“ (I/4, V. 373f.)20 Allzu deutlich tritt hier das Bestreben der Macht, um die Herrschaft des Landes, als Ingrediens des Konfliktes der Königinnen hervor.
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1 Vgl. Norbert Oellers: Schiller. Geschichte seiner Wirkung bis zu Goethes Tod. 1805-1832. Bonn 1967, S. 340, 255, 409.
2 Vgl. Barbara Neymeyr: Macht, Recht und Schuld. Konfliktdramaturgie und Absolutismuskritik in Schillers Trauerspiel Maria Stuart, S. 106.
3 Wolf Wucherpfennig: Maria Stuart oder die Kunst des Sterbens. In: Friedrich Schiller Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse Band 35, S.269.
4 Vgl. Ebd., S.281.
5 Vgl. Friedrich Schiller: Maria Stuart, Anhang, S. 156.
6 Friedrich Schiller: Maria Stuart, Anhang, S.169.
7 Vgl. Friedrich Schiller, Maria Stuart: Lektürehilfe. Hrsg. v. Hansjürgen Popp. Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung. Stuttgart 1995, S. 111.
8 Vgl. Friedrich Schiller: Maria Stuart, S. 153.
9 (1558 heiratete sie den Dauphin, der ein Jahr später zum König von Frankreich gekrönt wurde.)
10 Vgl. Friedrich Schiller: Maria Stuart, Anhang, S. 159.
11 Vgl. Barbara Neymeyr: Macht, Recht und Schuld. Maria Stuart. In: Schiller Werk-Interpretationen, S. 109.
12 Friedrich Schiller: Maria Stuart, S. 46.
13 Friedrich Schiller: Maria Stuart, S. 13.
14 Ebd., S. 14.
15 Ebd., S. 14.
16 Vgl. Ebd., S. 15.
17 Vgl. Ebd., Anhang, S. 171ff.
18 Vgl. Ebd., Anhang, S.171.
(In Frankreich wäre es Maria Stuart möglich gewesen die anti-englische Politik zu aktivieren)
19 Vgl. Ebd., Anhang, S. 171.
20 Friedrich Schiller: Maria Stuart, Anhang, S. 171.