Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Mittelalter – ein Zeitüberblick
3 Die Zeit des Reinhart Fuchs
4 Heinrich der Glîchezâre – eine Satirekoryphäe
5 Zur Entwicklung einer mittelalterlichen Lachkultur - Satire als realistisches Prinzip des Humors im Mittelalter
5.1 Gesellschaftskritik und Geschichtspessimismus – die skeptische Entlarvung der Welt durch die Satire
5.2 Zur Technik und Verfahrensweise des satirischen Erzählens
5.3 Die Parodie als besondere Form der Satire
6 Satire und Parodie in Bezogenheit auf den „Reinhart Fuchs“
6.1 Das Meisenabenteuer (V. 177 – 312)
7 Fazit
8 Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Die Verssatire zählt zu den zentralen Gattungen mittelalterlicher Literatur. Dabei werden die Begriffe Satire und Parodie in der heutigen Gesellschaft oftmals in synonymischer Bedeutung verwendet, obwohl sie schon seit dieser Zeit unterschiedliche Bedeutungshorizonte aufweisen. Im Allgemeinen galt die Satire bzw. die Parodie als Form um Zeit- und Kunstkritik zu äußern indem man sarkastischen oder ironischen Spott betrieb. Um jedoch die Komplexität dieser Begriffe weiterführend darzustellen bedarf es Grundkenntnissen gattungsübergreifender literarischer, sowie sprachlicher Merkmale. Im Besonderen wenden wir uns dabei der Literatur von Heinrich dem Glîchezâre oder auch „Heinrich dem Betrüger“ zu, welcher als Koryphäe der damaligen Satirekunst galt. Anhand des Werkes „Reinhart Fuchs“ wird die satirische und parodische Ebene des Mittelalters näher beleuchtet um nachfolgend in analytischer Weise Belege für satirische Verwendungen an einem Textausschnitt zu finden. Basieren wird dies auf einem Ausblick über die Zeit des Mittelalters, speziell die Zeit des Reinhart Fuchses, Satire und Parodie, welcher definitorischen Zwecken dient. Ziel der Arbeit ist es die Arten der satirischen Verwendungsweisen und dessen interpretatorische Bedeutung am Reinhart Fuchs aufzuzeigen und durch eine nähere Analyse zu untermalen.
2 Das Mittelalter – ein Zeitüberblick
Das Zeitalter des Mittelalters ist kulturgeschichtlich gesehen sehr weitläufig und umfassend. Es wurde kein fester Zeitpunkt des Beginns definiert, jedoch gilt der Antritt des Kaisers Konstantin um 306 n. Chr. als grobe Richtlinie. 1 Auch das Ende des Mittelalters lässt sich an vielen geschichtlich relevanten Ereignissen festmachen. Dazu gehört u. a. die Erfindung des Buchdrucks um 1450 oder der Untergang des römischen Reiches um 1453. Der Begriff des Mittelalters lässt daher nur eine grobe Zeitdefinition zu und ist sehr problematisch einzugrenzen. Die Literaturgeschichte des Mittelalters wird in verschiedene Phasen unterteilt. Zum einen in den althochdeutschen Zeitabschnitt, welcher sich von 750 bis ca. 1050 erstreckte. 2 Ein literarisch bekanntes Werk aus diesem Zeitraum sind die Merseburger Zaubersprüche. Weiterhin erfolgt eine Unterteilung des Frühmittelhochdeutschen von ca. 1050 bis 1170, welchem die mittelhochdeutsche Klassik von 1170 bis 1230 folgte. In dieser Zeit sind die wohl bekanntesten Werke, wie das „Nibelungenlied“ oder „Erec“ entstanden. Ebenso war der Minnegesang populär und die Gattung der Heldendichtungen. Der mittelhochdeutschen Klassik folgte die nachklassische Zeit von 1230 bis 1300, an welcher sich das Spätmittelalter anschließt und bis etwa 1450 andauerte. Danach wird die frühe Neuzeit eingeleitet, begleitet durch den Humanismus. 3 Alle Abschnitte des Mittelalters haben jedoch eine Gemeinsamkeit: während des Fortlaufens der Jahrzehnte, erfolgte ein Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit. 4 Viele mündliche Erzählungen und Dichtungen wurden von Gelehrten aufgeschrieben und somit weitergegeben. Diese Art von Texten bezeichnet man als mediale Schriftlichkeit. 5 Beispiele dafür, sind u. a. das „Hildebrandslied“ und „Nibelungenlied“. Dabei wurden viele Einzelheiten umgeändert und das einst mündlich Überlieferte auf eine neue Ebene gehoben. Viele Erzählungen erfuhren eine Überarbeitung, weshalb es nun mehrere Fassungen und Handschriften einer Dichtung gibt. Auch die Texte zugehörig zur Gattung der konzeptionellen Schriftlichkeit nahmen zu. Ein Grund hierfür ist die steigende Bereitschaft des Volkes sich weiterbilden zu wollen und unterhalten zu werden. Es wurden Texte, wie z. B. das „Nibelungenlied“ gedichtet und konzipiert und dann vor dem höfischen Publikum präsentiert und vorgetragen.
3 Die Zeit des Reinhart Fuchs
Um den Roman Reinhart Fuchs von Heinrich der Glîchezâre zeitgeschichtlich einzuordnen bedarf es einer Unterteilung des Mittelalters in verschiedene geschichtliche Epochen. Zunächst begann das Frühmittelalter, dem folgte das Hochmittelalter, schließlich wurde das Spätmittelalter eingeleitet und dauerte bis ca. 1450 an. Abhängig von den jeweils regierenden Herrschergeschlechtern, sind die einzelnen Abschnitte noch in Perioden zu unterteilen, z. B. in die Periode der Karolinger, der Ottonen, der Merowinger oder die der Staufen. Das Werk Reinhart Fuchs ist der staufischen Periode zuzuordnen und fällt in die Zeit des staufisch- welfischen Thronstreits. Diesbezüglich herrschte ein Disput zwischen Philipp von Schwaben, ein geborener Staufer, und Otto IV, ein geborener Welfe. Heinrich der IV verstarb, weshalb eine Unsicherheit über die Thronfolge entstand, da der Sohn Heinrichs, Friedrich, erst drei Jahre alt und somit zu jung für den Thron war. Daher wurde u. a. Otto IV, welcher der Sohn Heinrich de Löwen war, und Philipp von Schwaben, der jüngere Bruder Heinrich des IV, vorgeschlagen. Philipp wurde aus Angst vor den Ansprüchen der Welfen auf den Thron, im März 1198 zum König gekrönt. Fast zeitgleich erfolgte jedoch eine Gegenkrönung Otto IV im Juni 1198 Geschichtlich gesehen bedeutet dies, dass man parallel zwei Könige gekrönt hatte und nun der Streit um die Krone ausbrach. Ebenso ein geschichtlich wichtiger Aspekt ist die Weiterentwicklung der Ritterkultur aufgrund des Thronstreits. Sie begann sich voll zu entfalten und zählte zu den wesentlichen gesellschaftlich-konventionellen Inhalten. 6 Für die damalige Gesellschaft war es wichtig hoch angesehen zu sein und dem Rittertum anzugehören. Einem Ritter wurden bestimmte Tugenden, wie Ehre, Stärke oder Kampfbereitschaft zugeordnet, weshalb er eine sehr hohe gesellschaftliche und höfische Stellung genoss. Dieses Idealbild spiegelte sich auch in der Thematik der Literatur wider. Höfische Ritter, schöne Damen, Tugenden und die Bedrohung dieser wurden oftmals in den Dichtungen und Minnegesang dargestellt. Besonders die Ritter gingen als Helden hervor, nachdem sie sich beweisen mussten und als Helden aus einem erbitterten Kampf um die Ehre, hervorgingen. Die Autoren der damaligen Zeit nahmen sich dabei die französische Adelskultur zum Vorbild und richteten ihre Minne und Literatur auf die Sprache, die Mode, die Musik und die Architektur der französischen Kultur aus. Erstaunlich dabei war jedoch, dass die meisten Texte ohne Autoren gekennzeichnet und daher oftmals überarbeitet und umgedichtet wurden. Es gibt heutzutage viele Handschriften bezüglich eines Textes.
4 Heinrich der Glîchezâre – eine Satirekoryphäe
In der Schreibform waren sich die Autoren und Dichter ebenso einig. Sie gebrauchten keine vulgäre Sprache, dafür aber viele Fremd- oder Lehnwörter, vor allem aus dem Französischen. Man charakterisiert diese Art von Dichtersprache heute noch als höfisch-stilisiert. Ebenso verwendeten man nur reine Reime also jene, die über eine genaue Übereinstimmung der Laute verfügen. Auch Heinrich der Glîchezâre verwendete diese Reimform, was an seinem Werk „Reinhart Fuchs“ ersichtlich ist:
„Scantecler bi der want slief, vor Pinte schre: ‚er!‘ vnde rief vnde vloch bi eine swellen mit andern iren gellen. […]“ (V. 55-58)
Reinhart Fuchs ist gegen Ende des 12 Jahrhunderts entstanden und publiziert worden und gilt daher als mittelhochdeutscher Text. Zu dieser Zeit erlebte die Literatur einen grundsätzlichen Wandel, dessen Gründe sehr vielschichtig und als schwer zu beschreiben gelten. Die literarische Dichtung und Kunst wendete sich von dem geistlichen Einfluss der gelehrten Autoren ab und widmete sich mehr der weltlichen Literatur. 7 Es folgte also eine Verweltlichung der Literatur, sodass auch das Bürgertum nun Interesse an Dichtungen und Minnesang zeigte. Mittlerweile gibt es so viele Fassungen von Reinhart Fuchs, dass es notwendig geworden ist die Auflage des Buches, auf das wir uns im Weiteren beziehen werden, mitanzugeben. Der Grund hierfür ist sehr simpel: die Geschichte vom Fuchs Reinhart fand großen Anklang und Widerhall und wurde daher in vielen Variationen weitererzählt. 8 Dieser mittelhochdeutschen Fassung liegt folgende Fassung zu Grunde: Das mittelhochdeutsche Gedicht vom Fuchs Reinhart, nach den Casseler Bruchstücken und der Hs. Cod. Pal. germ. 341 hrsg. Von Georg Baesecke, 2. Auflage bes. von I. Schröbler.9 Diese Literatur ist sehr zeitkritisch zu sehen und hat eine gewisse Lehrmotivation in sich. Zitiert man hierbei die Rückseite des Bucheinbandes, wird diese Absicht ersichtlich: „der im Ränkespiel der Tiere die fatalen Folgen unredlicher Gesinnung und törichten Verhaltens darstellt […] und unerbittlicher Kritiker seiner Zeit übt.“ Das Werk gilt als Tierepos bzw. als Zusammensetzung des sogenannten Roman de Renart , was so viel bedeutet wie Fuchsroman. Heinrich der Glîchezâre gilt als erster, der Teile des Roman de Renart zu einer zusammengesetzten Geschichte verband 10 und somit die erste zusammenhängende Fuchserzählung niederschrieb. Im Allgemeinen gilt der Roman de Renart als Parodie der französischen Dichtung zu mittelalterlicher Zeit.11 Auch Heinrich der Glîchezâre bediente dich der satirischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und der damals herrschenden Politik. Dabei kritisierte er offensichtlich das herrschende Regierungsgeschlecht der Staufer.12 Ein Leser eines Roman de Renart ist sich immer im Klaren darüber, dass die sprechenden Tiere keine Parallelen zu Menschen aufweisen und ihnen somit keine tierischen Eigenschaften nachgesagt werden. 13 In einem Tierepos können die Hauptfiguren lediglich sprechen und bewohnen Bauden die als „Höhlen“, „Burgen“ oder „Stallungen“ betitelt werden. Die Tiere sind selten bekleidet, wenn jedoch dann dient es einer Kostümierung. 14 Während diese Textsorte eigentlich für die mündliche Überlieferung gedacht ist, verwendet sie Heinrich der Glîchezâre auf schriftlicher Ebene und reflektiert somit das listige und untreue Verhalten des Fuchs. Dies geschieht häufig durch Vorausdeutungen und Kommentare des Erzählers. 15 Auch verstärkt Heinrich der Glîchezâre seine antihöfische Satire mit vielen Kontrasten und verzichtet bewusst auf Wiederholungen, sowohl von Wörtern als auch von Taten des Fuchses.16
Seine Version vermittelt das Schwankgeschehen […] ständig aus der kritischen Distanz eines Erzählers, der sich nicht mit dem bloßen >fere rire< und mit der natürlichen Moral begnügt, die aus dem Geschehen selbst entspringt, sondern sein Publikum am Ende zur Reflexion über den Zustand einer Welt erheben will, in der einem solches widerfahren kann, wie Ysengrin geschah.17
[...]
1 Als Quelle diente hierbei der Reader für das Basismodul Germanistische Mediävistik. Bezogen wurde sich hierbei auf die Einführung und Fachgeschichte (1. Sitzung).
2 vgl. Ruffing, Reiner. Deutsche Literaturgeschichte. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 23.
3 Als Quelle diente hierbei der Reader für das Basismodul Germanistische Mediävistik. Bezogen wurde sich hierbei auf die Einführung und Fachgeschichte (1. Sitzung).
4 vgl. Bahr, Ehrhard (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zum Barock. Tübingen. Francke Verlag 1987, S.10.
5 Als Quelle diente hierbei der Reader für das Basismodul Germanistische Mediävistik. Bezogen wurde sich hierbei auf die Heldenepik (3. Sitzung).
6 vgl. Bahr, Ehrhard (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zum Barock. Tübingen. Francke Verlag 1987, S.104.
7 vgl. Schlosser, Horst Dieter: dtv- Atlas. Deutsche Literatur. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1983, S. 48.
8 vgl. Zumbült, Beatrix. Die europäischen Illustrationen des „Reineke Fuchs“ bis zum 16. Jahrhundert. Band 1. Münster: Westfälische Wilhelms-Universität Münster 2011, S. 107.
9 Der Glîchezâre, Heinrich: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch. Neuhochdeutsch. Stuttgart: Reclam 2005, S. 2.
10 vgl. Zumbült, Beatrix. Die europäischen Illustrationen des „Reineke Fuchs“ bis zum 16. Jahrhundert. Band 1. Münster: Westfälische Wilhelms-Universität Münster 2011, S. 23.
11 vgl. ebd., S. 108.
12 vgl. ebd., S. 23.
13 vgl. ebd., S. 108.
14 vgl. ebd.
15 vgl. Bahr, Ehrhard (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zum Barock. Tübingen. Francke Verlag 1987, S.103.
16 ebd.
17 Bahr, Ehrhard (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zum Barock. Tübingen. Francke Verlag 1987, S.103.