Wie Home-Office die Innovationskraft von Unternehmen beeinflusst


Fachbuch, 2019

124 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einführung
1.1 Einordnung der Thematik
1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit

2 Theorie: Geographien der Innovation und des Wissens
2.1 Die Relevanz von Innovation und betrieblichem Wissen
2.2 Bestandteile unternehmensinterner Gemeinschaften und Netzwerke
2.3 Die Rolle der räumlichen Nähe

3 Methodik
3.1 Das leitfadengestützte Experteninterview
3.2 Auswahl der Experten
3.3 Der Interviewleitfaden
3.4 Transkription und Auswertung

4 Empirische Ergebnisse

5 Synthese

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang: Interview-Leitfaden

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © Science Factory 2019

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Arten der Experteninterviews.

Abbildung 2 Ablauf der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Informationsübertragung nach Form und Inhalt der Nachricht

Tabelle 2: Inhärente Charakteristika unterschiedlicher Kommunikationsmedien.

Tabelle 3: Übersicht der Experten inklusive Position und Unternehmensbranche

1 Einführung

„Innovation is more the product of group efforts than the result of solitary genius“

Die Aussage der Innovationsforscherin Maryann P. Feldman (1994: 23) stützt die Gründe, weshalb IT-Betriebe wie IBM die Kollaboration ihrer Angestellten an einem zentralen Unternehmensstandort gegenüber dem Arbeiten im Home-Office vorziehen. Anfang des Jahres 2017 sprach Michelle Peluso, Marketingchefin von IBM, im Zusammenhang des Unternehmenserfolgs neben tollen Mitarbeitern auch von wahrhaft kreativen und inspirierenden Örtlichkeiten und beorderte so die Mitarbeiter größtenteils zurück in die Büros (Kessler 2017). Dies stieß in der Folge bei zahlreichen Angestellten allerdings auf Verärgerung, Enttäuschung und letztlich auch zur Suche nach neuen Jobs bzw. zur Beendigung der Mitarbeit in langzeitlich angelegten Projekten (ebd.). Damit stellt sich ein Dilemma zwischen einerseits zufriedenen Mitarbeitern, die Privatleben und Arbeit im Zuge der Home-Office-Praktik besser miteinander vereinbaren können und andererseits der Fähigkeit des Unternehmens gegenüber Konkurrenten durch Synergieeffekte in Arbeitsteams innovationsfähig bleiben zu können.

In einer „new ecology of business“ (Thrift 2000: 688) sind es nicht einzig die reine Ansammlung von Akteuren mit unterschiedlich hoch ausgeprägtem Fachwissen, sondern zwischenmenschliche Prozesse und neuartige Kommunikationstechnologien, die Kreativität, Ideen sowie Wissen generieren, weitergegeben und -entwickeln und somit Innovation vorantreiben. Unter den Bedingungen der zunehmenden Komplexität und des rapiden Wandels der Technologien und der Märkte besteht eine immer stärkere Notwendigkeit des Austausches unter den Angestellten (Nooteboom 2000: 88). Obwohl steigende Zahlen von Organisationen auf technologiebefähigte geographisch verteilte Teams setzen, bestehen oftmals Probleme des Managens und der nicht erfüllten, erhofften Performanceerwartungen der Gruppen. Gründe dafür sind nach Hinds und Mortensen (2005: 290) beispielsweise Koordinationsprobleme, Vertrauenskrisen oder schädliche Untergruppendynamiken. Forscher im Bereich des Human Ressource Managements fanden hingegen heraus, dass flexible Arbeitsmethoden die Firmenperformance nicht direkt beeinflussen, sondern stattdessen zunächst das soziale Klima fördern, das wiederum die Entwicklung der Fähigkeiten der Angestellten begünstigt und damit einen Wettbewerbsvorteil generieren kann (Martínez-Sánchez et al. 2008: 9).

Es wird deutlich, dass auf der Unternehmensebene weder rein positive noch rein negative Effekte mit der modernen, flexiblen Arbeitsform des Home-Office einhergehen und somit eine genauere Auseinandersetzung mit bestimmten Aspekten der Thematik einen relevanten Beitrag leisten kann.

1.1 Einordnung der Thematik

Unter anderem aufgrund steigender Treibstoffpreise, erhöhtem Druck, den Konflikt zwischen Familie und Arbeit zu reduzieren und fortschreitenden betrieblichen Initiativen, wie etwa die Einsparung von Büroimmobilienkosten, wird der Trend zu mehr Home-Office wohl auch weiterhin anhalten und somit die Dinglichkeit der Frage nach den möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung vorantreiben (Golden & Raghuram 2010: 1062). Das Gelingen von Home-Office und somit das Aufrechterhalten des Erfolgs eines Betriebs ist demnach auf das Bestehen unterschiedlicher Rahmenbedingungen und Dimensionen gebunden. Dazu zählen im Sinne eines reibungslosen Ausführens des Arbeitspensums eine unter den Kollegen verbreitete Wissensbasis, ein ausreichendes Angebot an Kommunikation sowie funktionierende Netzwerkstrukturen, die allesamt ineinandergreifen.

In der Summe betrachtet nimmt gemeinschaftliche Arbeit gegenwärtig in vielen Organisationen, vor allem im Bereich der Wissensgenerierung und des -transfers eine steigende Bedeutung ein (Golden 2007: 1658). Die Produktion und Verteilung von Wissen sind in informellen Kontexten und Strukturen eingebettet. Eine der Aufgaben des Betriebs ist es, einen Zusammenhang zwischen den Interaktionen der verschiedenen Gemeinschaften herzustellen (Amin & Cohendet 2012: 415). Insgesamt besteht auch in Hinblick auf die Zukunft die Gefahr eines „networked individualism“ (Quan-Haase & Wellman 2006: 321). Dieser spiegelt die Verlagerung von Arbeits- und Gemeinschaftsstrukturen weg von solidarischen, umfassend gebundenen Gruppen hin zu spärlich verbundenen, teilweise sozialen Netzwerken wider.

In vorliegender Arbeit steht weniger der regionale Bezug im Zentrum des Interesses, sondern vielmehr ein lokaler organisationsinterner Zugang. Das bedeutet, dass vor allem akteurszentrierte anstelle von zwischenbetrieblichen Dynamiken untersucht werden. In der Folge gelten beispielsweise Interaktionen, die Schaffung von Netzwerken, Kooperationen oder die räumliche Distanz von wirtschaftlichen Akteuren allesamt als formende Elemente des kollektiven Lernprozesses, der letztlich die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Firmen fördert (Asheim et al. 2007: 657).

1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Durch das gemeinsame Arbeiten der Angestellten in Büros am Unternehmensstandort auf der einen Seite und dem isolierten Arbeiten zu Hause auf der anderen Seite ergibt sich in vorliegender Thesis folgende Haupt-Forschungsfrage:

Inwiefern und auf welche Weise kann Home-Office die Innovationskraft von Unternehmen beeinflussen?

Aufgrund der Tatsache, dass innovativer Output schwer messbar ist, soll sich dieser Fragestellung mithilfe der Dimensionen Wissen, Arbeitsgemeinschaften und Kommunikation angenähert werden. Dabei soll nicht gegen oder für die Praktik des Home-Office als Ganzes argumentiert werden. Stattdessen werden die Auswirkungen der räumlichen Trennung von Angestellten in Bezug auf Lern- und Wissensprozesse sowie das Soziale diskutiert. Zur Beantwortung der oben genannten Fragestellung sollen folgende untergeordnete Forschungsfragen einen Beitrag leisten:

- Was sind die Unterschiede der genutzten Kommunikationsmittel im betrieblichen Alltag?
- Inwiefern werden Lernprozesse und der Wissensaustausch unter der Angestellten durch Home-Office Tendenzen beeinflusst?
- Welche Auswirkungen hat das räumlich getrennte Arbeiten auf die sozialen Strukturen innerhalb des Unternehmens?

Im Zuge des theoretischen Hintergrundes widmet sich die Arbeit zunächst den Geographien des Wissens sowie der Innovation und somit der Erforschung, weshalb Wissen und Innovation einen wesentlichen Anteil am Erfolg eines Unternehmens einnehmen. In diesem Zusammenhang ist die Beschreibung unterschiedlicher Industrietypen und Wissensarten von großer Bedeutung. Anschließend werden unternehmensinterne Arbeitsgemeinschaften näher betrachtet. Dabei ist vordergründlich, welche zwischenmenschlichen Prozesse sowie Arten der sozialen Bindung innerhalb des Unternehmens relevant sind und wie Wissensgemeinschaften und Projektteams charakterisiert werden. Den Abschluss des Theorieteils bildet die Ergründung der Bedeutung der geographischen Nähe wirtschaftlicher Akteure und welchen Stellenwert folglich unterschiedliche Kommunikationsarten im Büroalltag einnehmen. Nach der breiten theoretischen Erkenntnisbasis wird, die für die empirische Erhebung angewandte Methodik, beschrieben und diskutiert sowie Ergebnisse der Erhebung selbst dargestellt. Bevor die Arbeit schließlich zu einem Fazit kommt, führt die Synthese die Erkenntnisse aus Theorie und Empirie zusammen und bringt infolgedessen Hypothesen hervor.

Zu Beginn des Hauptteils wird im Folgenden eine Einordnung des Themas Innovation in regionalwissenschaftliche Hintergründe vorgenommen.

2 Theorie: Geographien der Innovation und des Wissens

Der Wissensaufbau ist einer der treibenden Kräfte hinter der Etablierung, dem Wachstum und der Reproduktion von industriellen Clustern (Bathelt 2007: 1290). Seit Mitte der 1990er Jahre wurde die Zentralität von Wissen, Lernen und Innovation für den wettbewerblichen Erfolg von Firmen in größerem Ausmaß anerkannt und somit Teil des knowledge managements innerhalb der Betriebe (Gertler 2003: 79; Moodysson et al. 2008: 1040). Knowledge management ist nach Brown und Duguid (2000: 117) der Gebrauch von Technologie, um Informationen relevant und erreichbar zu machen. Die Aneignung von Wissen, wie Basisfähigkeiten oder geteilte Sprache die Cohen und Levinthal (1990: 128) „absorptive capacity“ nennen, gewährt einer Organisation die Fähigkeit, den Wert von neuer Information zu entdecken und auf dem Markt anzuwenden.

Dem überwiegenden Anteil der Literatur zu Innovationsprozessen nach, entwickelt sich ein bestimmter örtlicher Dynamismus inmitten räumlich geclusterter Firmen durch starke technologische, ökonomische und soziale Verbindungen (Bengtsson & Söderholm 2002: 265; Crescenzi et al. 2016: 188). Clustering hilft zudem bei der Steigerung der Produktivität durch die Reduktion von Transport- und Transaktionskosten, stimuliert Ökonomien und Wissensflüsse durch die Formation von Bindungen zwischen Firmen und steigert die Nachfrage. Es erhöht Know-how durch das Zusammenbringen von Arbeitsfeldern und Produktspezialisierung, es erlaubt die Zirkulation von Ideen und Know-how durch örtliche Arbeitsmobilität und zwischenbetrieblichen Kontakt sowie die Generierung von Wissens-Spillovern in der lokal-industriellen Atmosphäre (Amin & Cohendet 2004: 88f.).

Wird dem Konzept der Territorial Knowledge Dynamics gefolgt, so sind Organisationen, die mit Wissensaustausch konfrontiert sind, dem Risiko ausgesetzt, dass viel Wissen zu anderen Organisationen teilweise ungewollt transferiert wird. Zwischen einer komplett verbundenen und einer hochgradig nicht-verbundenen Struktur, ist es möglich, dass dazwischenliegende Zusammensetzungen ein hohes Level an Wissenszirkulation ermöglichen können (Crespo & Vicente 2015: 208). Verschiedene Wissenstypen sind für unterschiedliche Innovationen und für unterschiedliche Phasen in einem Innovationsprozess erforderlich. Einige Innovationen werden überdies am besten virtuell weiterentwickelt, während andere leichter in Allianzen und anderen Netzwerkgefügen zu entwickeln sind (Bengtsson & Söderholm 2002: 265). In der Summe beziehen sich die verschiedenen Agglomerationstheorien und die Beständigkeit der Städte auf Transaktionsstrukturen und Umstände, die einen engen Kontakt zwischen Personen erforderlich machen (Storper & Venables 2004: 353).

Teile der Industrie sind mit einer Steigerung bezüglich der Entwicklung neuer Produkte oder Systeme und einer Erhöhung in der Diversität von Wissensquellen, die in jedem erfolgreichen Innovationsprozess mobilisiert werden müssen, konfrontiert. Zusammen mit kürzeren Produktlebenszyklen folgt daraus einerseits die Weiterentwicklung organisationaler Formen, die die Lernfähigkeit der Betriebe erhöhen sowie andererseits das Eintreten in Kooperationen und Allianzen mit anderen Firmen. Letzteres dient dazu, finanzielle Risiken zu teilen sowie Zutritt zu diversifizierteren Wissensbasen zu erlangen (Lundvall & Johnson 1994: 25). Knoben und Oerlemans (2006: 75) gehen gemeinhin davon aus, dass der Erfolg des Unternehmens steigen kann, wenn der organisationale Kontext zweier miteinander interagierender Partner ähnlich ist. Wechselseitiges Verständnis generiert demzufolge eine Kapazität, Informationen und Wissen kombinieren sowie transferieren zu können.

Innerhalb der wirtschaftsgeographischen Forschung herrscht somit zu großen Teilen die Erkenntnis, dass Wissensschaffung und Lernen wichtig für den Wettbewerbsvorteil von Firmen und Regionen sind (Boschma 2005: 62). Es kann jedoch auch argumentiert werden, dass Wirtschaftsgeographen die Rolle der Wissensschaffung und des -transfers als Basis von technologischem Wandel und Innovation auf Kosten von Fragen zur Bedeutung des Raumes überbetonen (Taylor & Asheim 2001: 324). Feldman (1994: 4) geht davon aus, dass Innovation ein komplexer geographischer Prozess mit multiplen räumlichen Determinanten ist. In der Regionalentwicklung bezieht sich Innovation letztlich auf regionale innovative Kapazität, die das Ergebnis eines kumulativen Prozesses ist. Dieser Prozess basiert auf dem steigenden Nutzen der geographischen Konzentration von Ressourcen und den externen Diversifikationsvorteilen, welche durch räumliche Nähe von sich gegenseitig ergänzenden Ressourcen generiert werden (Feldman 1994: 8). Strategien fokussieren sich demzufolge darauf, die Dichte an Wissensinteraktionen als eine Ressource von regionaler Performance zu erhöhen. Crespo und Vicente (2015: 216) nach ist diese Lösung jedoch zu kurz gegriffen, denn in der Tat können genauere Interventionen, die sich auf einige bestimmte näher oder weiter weg gelegene fehlende Verbindungen fokussieren, regionale Dynamiken als Ganzes begünstigen.

2.1 Die Relevanz von Innovation und betrieblichem Wissen

Der große wirtschaftliche Erfolg der Industrialisierung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Lernen und Innovation als Teile des organisational-institutionellen Rahmens zu einem universellen Prozess wurden. Der technische Wandel vollzog sich sowohl für Ingenieure als auch für einfache Arbeiter und so stieg in jeder Unternehmensbranche die Nachfrage nach Management- und Koordinationsfähigkeiten und die Prämisse der Skalenvorteile wurde eines der leitenden Paradigmen. Während der postfordistischen Ära entwickelten sich neue Konstellationen des Wissens und Lernens in der Wirtschaft. Dazu zählen Lundvall und Johnson (1994: 24f.) drei miteinander verbundene Phänomene: Zum einen ist die Weiterentwicklung der Informations-, Computer- und Telekommunikationstechnologien zu erwähnen. Zum anderen gelten die Bewegung in Richtung flexibler Spezialisierung sowie letztlich der Wandel innerhalb des Innovationsprozesses als maßgebende Einschnitte.

Der Begriff der Innovation beschreibt bewusste Versuche voraussichtliche Vorteile eines Wandels herzuleiten. Eine neue Idee wird dabei nicht immer nur für eine Gruppe oder Organisation definiert, sondern um die weitere Gesellschaft zu begünstigen (West & Altink 1996: 5). Innovation kann jedoch auch als ein an sich ungewisser Problemlösungsprozess, der privates Wissen mit öffentlichem Wissen vermischt, gedeutet werden. Die Wissensquellen – die öffentlichen und privaten Institutionen in einer Region – bilden eine technologische Infrastruktur, die wiederum Wissenstransfers fördert, Problemlösung vereinfacht und die Risiken und Kosten der Innovation reduziert (Feldman 1994: 2). Die Innovation selbst bezieht sich jedoch nicht nur auf den technischen Wandel, sondern auch auf neue Ideen und Prozesse in der Administration oder im Mitarbeitermanagement. Die Definition hat außerdem eine Anwendungskomponente, das heißt der Innovationsbegriff umspannt auch das wichtige soziale Element des Innovationsprozesses selbst (West & Altink 1996: 5).

Der Austausch des Wissens wird u.a. von Nooteboom (2000: 70) als ein zentraler Bestandteil von Innovation identifiziert. Die Zusammenarbeit in Innovationsprozessen hängt dabei von einer gemeinsamen Sprache, von einem geteilten grundlegenden Verständnis und von wechselseitig kompatiblen interpretativen Schemen ab (Bathelt 2007: 1292). Innovationsbezogenes Wissen wird eher auf einem hoch selektiven und unebenen Weg verteilt und ausgetauscht (Martin 2013: 1419). Es wird dabei auch teils von ökonomischen Aktivitäten, die nicht explizit oder primär innerhalb der Erzeugung beabsichtigt waren, gewonnen. In diesem Fall ist Wissen dann eher ein Nebenprodukt von Aktivitäten, die ursprünglich mit anderen Zielsetzungen initiiert wurden (Lundvall & Johnson 1994: 32).

2.1.1 Innovation und Wissensbasen in unterschiedlichen Industrien

Um die Komplexität moderner Produkte und deren Innovationsprozesse zu verstehen, bedarf es einer differenzierten Wissensgrundlagen-Perspektive (Asheim & Parrilli 2012: 2). Diese ist nach Martin (2013: 1422) in analytische, synthetische sowie symbolische Wissensbasen, die sich im Wissensaufbau, der Dominanz von stillschweigenden und kodifizierten Wissensinhalten (Näheres in Kapitel 2.1.3.3) und der Dominanz von verschiedenen Formen der Innovation und des Lernens unterscheiden (Cooke 2012: 101).

In analytischen Industrien ist das Wissen darauf ausgerichtet, Merkmale der natürlichen Welt zu verstehen und zu erklären (Asheim et al. 2007: 660f.). Es tritt in Industrien auf, in denen wissenschaftliches Wissen wichtig ist und wo Innovation hauptsächlich auf formalen Modellen, kodifiziertem Wissen und rationalen Maßstäben basiert. Innovation und Wissensaufbau folgen in diesen Industrien einer deduktiven Logik des Begründens durch die Anwendung des eben erwähnten wissenschaftlichen Wissens. Fachbereiche analytischer Industrien bestehen aus einer relativ kleinen Anzahl an Akteuren in firmeneigenen Forschungseinheiten und sind von einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den Akteuren geprägt. Neben kodifiziertem Wissen sind auch interaktives Lernen und der Austausch von stillschweigenden Formen des Wissens zwischen Wissenschaftlern wichtig, um neue Informationen und Erkenntnisse zu gewinnen und zu verstehen. Da wissenschaftliches Wissen nicht abhängig von einem bestimmten geographischen oder sozio-kulturellen Kontext ist, können Kooperation und Wissensaustausch zwischen Wissenschaftlern und Forschungseinheiten, die über eine große Distanz verteilt sind, stattfinden. Das impliziert, dass Innovationsnetzwerke global aufgebaut werden können und dass intensiver Wissensaustausch nicht immer an ein spezifisches geographisches Gebiet gebunden ist (Martin 2013: 1422f.).

Synthetische Industrien bauen auf Wissen, das im Design und der Konstruktion von Lösungen menschlicher Probleme, die oft instrumentell, kontextspezifisch und praxisbezogen sind, beinhaltet ist (Asheim et al. 2007: 661). In diesem Industrietyp liegt die Konzentration auf dem Gebrauch und der Neukombinierung von existierendem Wissen sowie auf dem Anwenden von Ingenieursfähigkeiten, mit der Intention, konkrete, praktische Probleme zu lösen. Akteure kooperieren in relativ kleinen Gruppen und tauschen Wissen in Form von learning-by-using, learning-by-doing, learning-by-interacting und oftmals auch durch die Zusammenarbeit mit dem Kunden aus. Die Arbeitsgruppe besteht meist aus einer Mischung zwischen beruflichen und persönlichen Beziehungsgeflechten sowie aus Leuten, die regelmäßig miteinander über ihre Aktivitäten kommunizieren ihre Expertise und ihr Wissen teilen, voneinander lernen und Lösungen für Probleme entwickeln. Die Wichtigkeit des stillschweigenden Wissens und interaktive Wege des Lernens implizieren, dass räumliche Nähe eine wichtige Rolle für Zusammenarbeit und Wissensaustausch spielt (Martin 2013: 1424f.).

In symbolischen Industrien basiert Innovation auf Kreativität und kulturellem Wissen. Symbolisches Wissen setzt sich demnach mit der Schaffung von kultureller Bedeutung durch Übermittlung in ein affektives sinnliches Medium auseinander (Asheim et al. 2007: 661). Wichtig ist in diesem Zusammenhang zudem die Errichtung von Begehrlichkeit, ästhetischen Qualitäten, Effekten, Symbolen und Vorstellungen. Innovation und Wissensaufbau sind kreative Prozesse, die künstlerische Fähigkeiten und Vorstellungen einbeziehen. Individuen kommen zusammen und arbeiten in Projektteams, die sich wieder auflösen können, nachdem ein bestimmtes Problem gelöst oder umbenannt wurde. Arbeitsgruppen in symbolischen Industrien sind insofern geprägt, als sie einen gemeinsamen Weg des Verständnisses für ein kulturelles Produkt teilen. Die Bedeutung von kulturellem Wissen und Zeichenwerten suggeriert, dass Kooperation und Wissensaustausch in erster Linie innerhalb des regionalen Milieus stattfinden und eher seltener in nationalem oder internationalem Kontext (Martin 2013: 1425f.).

2.1.2 Wissen innerhalb des Unternehmens

Amin und Cohendet (2012: 403) sehen Unternehmen als Depots von Kompetenzen, Wissen und Kreativität sowie als Verarbeiter von Information, die externen Zeichen und Faktoren (z.B. Marktpreisen) folgen. Sie werden überdies von Brown und Duguid (2000: 133) als Orte des kollektiven Wissens in Form von inkorporiertem Teilen und kollaborativen Lernens gesehen, das heißt Mitarbeiter lernen von- und miteinander. Die Ressourcen des Lernens liegen nicht einfach in der Information, sondern in der Praktik, die es Menschen erlaubt, von der Information Sinn zu gewinnen und diese zu nutzen. Beispiele dafür sind zum einen das Erlernen einer Sprache, wobei regelmäßiges Sprechen wichtig ist oder das Führen von Verhandlungen, wobei Erfahrung einen zentralen Part einnimmt (Näheres dazu in Kapitel 2.1.3.2). Ein Vorteil aus Unternehmenssicht ist die Tatsache, dass das Wissen als Input im Produktionsprozess sich von den anderen Inputs durch seine Bedürfnislosigkeit auszeichnet, das heißt, dass die Nutzung von Wissen nicht die Lagerbestände des Betriebs reduziert (Maskell & Malmberg 1999: 169f.). Während die meisten Ressourcen im Zuge ihrer Nutzung an Wert abnehmen, werden viele Formen des Wissens im Produktionsprozess ausgeweitet (Lundvall & Johnson 1994: 30). Betriebe kennen ferner nur einen minimalen Teil dessen, was sie als nützlich erachten könnten und so hat der Prozess der Wissensaneignung kein Limit nach oben (Maskell & Malmberg 1999: 170).

Nachdem Wissen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte bis heute immer häufiger als wichtiges Gut in modernen Produktionssystemen angesehen wird, wurde der Wissensaufbau somit zu einem Schlüsselprozess, um Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten oder zu erweitern (Martínez-Sánchez et al. 2008: 7). In den letzten Jahrzehnten ist daher auch eine Verschiebung des wirtschaftswissenschaftlichen Denkens in Richtung der Investition in Menschen, anstelle von bloßem fixem Kapital, festzustellen (Brown & Duguid 2000: 121). Organisationen realisierten infolge der Bedeutung des Menschen als Schöpfer und Träger von Wissen, dass dieses weniger in den Datenbanken, als vielmehr in den Angestellten selbst liegt (Brown & Duguid 2000: 121f.). Wichtige Aufgabe des Unternehmens ist es somit, verschiedene Teile des Wissens, die von unterschiedlichen Hintergründen geprägt sind, zu verteilen und zu kombinieren (Bengtsson & Söderholm 2002: 264).

Wesentlich für die individuelle Innovation ist, dass das menschliche Wesen davon getrieben ist, seine Umwelt auf kreative Weise zu entdecken und zu manipulieren. So haben Erkundungsverhalten, Neugier und intrinsische Motivation einen starken Einfluss auf Beziehungen mit der Umwelt. Die Chance auf innovatives Denken ist höher, wenn Menschen Aufgaben bearbeiten, die für sie interessant sind und einen ganzheitlichen, bedeutungsvollen Teil der Arbeit repräsentieren. Weitere wichtige Punkte für Angestellte sind eine ausreichend bestehende Autonomie und Kontrolle über ihre Arbeit (West & Altink 1996: 6). Wissen als eine der Kernkompetenzen des Unternehmens erzeugt die Fähigkeit, neue Produkte und Technologien, neue Anwendungen oder Technologieverknüpfungen zu entwickeln. Aufgrund des steigenden Wettbewerbs, erhöhter Produktdifferenzierung und zunehmender Geschwindigkeit des Produkt- und Technologiewandels ist dies von hoher Bedeutung für Unternehmen (Nooteboom 2000: 70). Es wird somit zu einem Schlüsselthema für die Wettbewerbsfähigkeit, die Marktposition und das Überleben eines Unternehmens. Profitable Wissensbünde erfordern dabei ein Gleichgewicht zwischen neuem Wissen und Verständnis (Crespo & Vicente 2015: 205).

2.1.3 Akteure und Routinen im Unternehmen

Die wirtschaftlichen Akteure innerhalb eines Clusters und noch stärker auf Unternehmensebene teilen ähnliche Traditionen und Ansichten, die sich über die Zeit hinweg entwickelt haben und auf analogen alltäglichen Routinen und Problemlösungsaktivitäten basieren, womit neue Informationen und Technologien einfach verständlich werden (Bathelt 2007: 1290). Das Akteurskonzept der Social Study of Technology sieht Akteure als beschränkt rational sowie Routinen, Gewohnheiten und Regeln folgend. Diese sind aber nicht exogen gegeben, sondern müssen durch die Akteure in ihrem Alltag fortwährend geschaffen und wiederaufgebaut werden (Truffer 2008: 977). Yeung (2005: 41) sieht wirtschaftliche Akteure ebenso in Diskursen und Praktiken eingebunden und zugleich als weder rational noch mechanisch geprägte, wirtschaftliche Gebilde, sondern beeinflusst von hybriden Beziehungen, deren Handeln von multiplen Logiken geleitet wird.

Der zuvor erwähnte Wissensaufbau ist eine Aktivität mit einem grundlegenden Charakter der Unsicherheit und einer Abwesenheit der notwendigen relevanten Informationen, um die rationale Entscheidungsfindung zu erleichtern. Unternehmen scheinen dem entgegenzutreten, indem sie interne Prozesse und Routinen während der Suche nach möglichen Lösungen weiterentwickeln (Maskell & Malmberg 1999: 169). Auch dem evolutionär-ökonomischen Ansatz zufolge sind Routinen, im Sinne kognitiver Mechanismen, von großer Bedeutung, um interne und externe Kompetenzen gegenüber einer schnell wechselnden Umwelt zu integrieren, aufzubauen und umzugestalten (Amin & Cohendet 2012: 404f.). Die Generierung von Wissen ist stark pfadabhängig, nachdem heutige Praktiken, Routinen und Wissenstypen diejenigen von gestern betreffen, genauso wie die morgigen diejenigen von heute betreffen (Maskell & Malmberg 1999: 169).

2.1.3.1 Der Faktor Wissen

Die örtliche bzw. eingegrenzte Natur von Wissen kann als die Verknüpfung von menschlichen und nicht-menschlichen, den Alltag ausmachenden Praktiken gesehen werden, die auf einer variierenden räumlichen Umwelt aus Impulsen und Inputs beruhen. Daraus lässt sich folgern, dass Wissen eine immanente und zirkulierende Kraft ist. Es bedingt für gewöhnlich einen Wissenden, ist im Gegensatz zur reinen Information schwerer aufzunehmen und zu transferieren und insgesamt eher etwas, das einverleibt anstatt nur besessen wird (Brown & Duguid 2000: 119f.). Es ist nach Davenport und Prusak (1998: 5) ein fluider Mix aus gerahmten Erfahrungen, Werten, kontextueller Information und Experteneinsichten, der ein Rahmenwerk für das Bewerten und Verkörpern neuer Erfahrungen und Information bereitstellt. Die Aufgabe des Unternehmens ist es, dieses Gut mit unterschiedlichen Mitteln, speziell mit diversifizierter Infrastruktur des weltweiten Reisens (regelmäßige Flug- und Zugverbindungen, Treffpunkte für Geschäftsreisende) und der Kommunikation (Zugriff auf eine Vielfalt an interaktiven Echtzeitkommunikationsmedien und neue Möglichkeiten für visuellen und stimmlichen Kontakt aus der Distanz) aufrechtzuerhalten (Amin & Cohendet 2004: 103ff.). McLure Wasko und Faraj (2000: 157ff.) unterscheiden drei unterschiedliche Perspektiven des Wissens. Erstens führen sie das Wissen als Objekt an, wonach es unabhängig von menschlicher Handlung und Wahrnehmung existieren kann. Dem zweiten Strang nach ist Wissen in Individuen eingebettet und schließlich besteht eine Art des Wissens, die in der Gemeinschaft eingebettet ist. In vorliegender Arbeit ist vor allem die letzte Perspektive von Relevanz.

Eine „corporate culture“ (Amin & Cohendet 2012: 421) drückt dabei die Qualität dieses gemeinsamen Wissens aus, das von den unterschiedlichen Gruppen geteilt wird. Akteure müssen fähig sein, das Wissen in ihrer näheren Umgebung anzunehmen und es zu nutzen. Dies erfordert wiederum ein ausreichendes Niveau an Aufnahmefähigkeit, das interaktives Lernen begünstigt. Aufnahmefähigkeit benötigt einen gewissen Grad an kognitiver Gemeinsamkeit, um wechselseitiges Verständnis zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch einen gewissen Grad an kognitiver Verschiedenheit, um Redundanz und Ähnlichkeit von Gedanken und Ideen zu umgehen (Martin 2013: 1419). Boschma (2005: 63) deutet dies wie folgt: Zum einen erfordert der Wissensaufbau unähnliche, sich gegenseitig ergänzende Wissenskörper, denn eine Neuheit an Quellen erzeugt neue Ideen und Kreativität. Zum anderen kann kognitive Nähe zu einem kognitiven lock-in führen, in dem Sinne, dass Routinen innerhalb einer Organisation die Sicht auf neue Technologien oder neue Marktmöglichkeiten verdecken.

Wenn von lokalem, situativen oder eingebettetem Wissen die Rede ist, ist nach Harris (1998: 296) ein kleiner Ort, nicht im Sinne einer geographischen Metrik, sondern einer begrenzten sozialen, kulturellen und temporären Metrik, gemeint. Das bedeutet auch, dass Wissen nicht an bestimmte Standorte fixiert ist. Die Tatsache, dass Wissen hin und wieder an gewissen Standorten ‚haftend‘ ist, stammt von den jeweils ansässigen Interaktionen und Kombinationen von Körpern, Gedanken, Technologien und Objekten.

2.1.3.2 Wissensschaffung durch den Prozess des Lernens

Die Verteidigung von intellektuellem Eigentum, das Weitergeben und Erhalten von Information und die Ausweitung von intellektuellem Kapital sind allesamt wichtige Teile des Wissensmanagements. Unter all diese Aspekte fällt der Prozess des Lernens, der die Ausweitung kognitiver Funktionen bedingt. Um komplexe Sätze verstehen zu können, muss ein großer Teil des Wissens zunächst angeeignet bzw. die Denkweisen Anderer absorbiert werden (Nooteboom 2000: 73ff.). Ein Wort ist demnach nur ein Label für ein Set an Strukturen innerhalb des Gedächtnissystems und somit müssen die Strukturen erst existieren, bevor das Wort als gelernt erachtet werden kann (Lindsay & Norman 1977: 517). In der Wissensschaffung steht das Lernen als Ausgangspunkt, welches intellektuelles Eigentum, Kapital und Ziele erst anwendbar macht (Brown & Duguid 2000: 124).

Mitte der 1990er Jahre sahen Lundvall und Johnson (1994: 23) Wissen als die fundamentalste Ressource in der Wirtschaft und Lernen damit einhergehend als den wichtigsten Prozess an. Lernprozesse wurden somit nach und nach institutionalisiert und Feed-Back-Runden für die Akkumulation von Wissen im unternehmerischen Handeln installiert, damit sich die Wirtschaft als Ganzes – sowohl Produktions- als auch Konsumbereiche – in einem ständigen Prozess des „learning by doing“ und „learning by using“ befindet (Lundvall & Johnson 1994: 26). Menschen nehmen die Welt wahr, interpretieren und bewerten sie infolge mentaler Kategorien bzw. Denkweisen, die sie durch Interaktion mit ihrer physischen und sozial-institutionellen Umwelt entwickelt haben. Wissen und Bedeutung sind demnach kontextabhängig (Nooteboom 2000: 71). Cohen und Levinthal (1990: 131) gehen davon aus, dass Lernen kumulativ ist und dass die Lernleistung am höchsten ist, wenn das Lernobjekt ähnlich zu dem ist, was bereits bekannt ist. Es gibt gemeinhin einen Unterschied zwischen learning about, wie der größte Teil des Wissens im Wesen des Menschen erworben wird sowie auf der anderen Seite das learning to be, das den bedeutend kleineren Teil des Wissens ausmacht. Während Ersteres im Zeitalter der Internets nahezu an jedem Ort und zu jeder Zeit angeeignet werden kann, jedoch meist oberflächlich bleibt, setzt Letzteres mehr als nur Informationsbeschaffung voraus. Es erfordert die Fähigkeit sich mit besagten Praktiken zu beschäftigen (Brown & Duguid 2000: 128).

Dem Absender-Empfänger-Modell von Denzau und North (1994) nach, artikuliert und verschlüsselt der Absender einer Idee eine Information in eine Sprache auf der Basis mentaler Modelle. Der Empfänger entschlüsselt die Information daraufhin und integriert das Verständnis der Information in ein eigenes mentales Modell. Das heißt die Idee verändert sich infolge des Artikulations- und Entschlüsselungsprozesses. Je mehr sich die Ideen den mentalen Modellen des Empfängers ähneln, desto einfacher ist es, die Idee zu entschlüsseln und zu verstehen. Durch die Integration der Idee in seine eigenen mentalen Modelle, lernt der Empfänger vom Absender (Menzel 2015: 1894). Obwohl sich viele Menschen in Isolation zurückziehen, wenn sie etwas lernen müssen, ist Lernen nach Brown und Duguid (2000: 137) ein sozialer Prozess, denn soziale Gruppen liefern die Ressourcen für das Lernen ihrer Mitglieder. Partner sollten zum Wohle dieses Prozesses einerseits ausreichend kognitive Distanz, das heißt unterschiedliche kognitive Kategorien besitzen, um Wissen erfassen zu können, das sie nicht durch sich selbst hätten begreifen können. Andererseits müssen sie sich jedoch nah genug bezüglich der Kognition und der Sprache sein, um eine sinnvolle Kommunikation möglich zu machen (Nooteboom 1999: 14; Tranos & Nijkamp 2013: 863).

Im Gesamten betrachtet ist Lernen nachfragegetrieben oder anders gesagt, lernen Menschen oftmals in Antwort auf ein Bedürfnis. Wenn sie in dem, was gelernt werden soll, keinen Nutzen sehen, ignorieren sie es, lehnen es ab oder schaffen es nicht, es sich auf bedeutende Weise anzueignen. Wenn sie einen Nutzen darin sehen oder es brauchen, lernen Menschen meist effektiv und schnell (Brown & Duguid 2000: 136). Der nach Morgan (2004: 8) ausschlaggebendste Teil des Lernens kommt letztlich von direkter Erfahrung, von Face-to-Face-Kommunikation sowie von praktischer Anwendung.

2.1.3.3 Wissenstypen

Bevor auf die Unterscheidung des tacit knowledge, in der Folge als stillschweigendes Wissen bezeichnet und des codified knowledge, das kodifizierte Wissen, näher eingegangen wird, werden zunächst die von Lundvall und Johnson (1994: 27ff.) indizierten ökonomisch relevanten Wissensarten betrachtet: Know-what stellt sich ihrer Ansicht nach in Form des Wissens über Fakten dar, und kann somit auch Information genannt werden. Know-why bedeutet das wissenschaftliche Wissen von Grundsätzen und Gesetzen der Natur, des menschlichen Wesens und der Gesellschaft. Know-who bezieht sich auf spezifische und ausgewählte soziale Beziehungen. Es beschreibt Wissen, Informationsstand und die Fähigkeiten anderer. Know-how beruht schließlich auf Fähigkeiten, verschiedene Dinge auf praktischer Basis tun zu können. Know-who und know-how unterscheiden sich von den ersten beiden Arten insofern, als keines von beiden einfach in, für andere Akteure verständliche Codes übertragen werden kann. Daher sind sie keine Wirtschaftsgüter im herkömmlichen Sinne. Know-how gilt laut Lundvall und Johnson (1994: 29) als die wichtigste Art von Wissen und steht folglich im Zentrum des wirtschaftlichen Prozesses, denn zu wissen wie etwas zu tun und zu verändern ist, ist schwieriger zu erlernen als Fakten und einfache Informationen.

Bestimmte Wissenstypen können im Betrieb meist nur durch Erfahrung erlernt werden. Infolge der fortwährenden Globalisierung sind vielerlei ehemals lokalspezifische Fähigkeiten und Produktionsfaktoren universell geworden. Was nicht ubiquitär ist, ist das nicht-handelbare bzw. nicht-kodifizierte Ergebnis der Wissensschaffung, das eingebettete stillschweigende Wissen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt nur in der Praxis produziert werden kann (Maskell & Malmberg 1999: 170ff.). Es stellt sich also die Frage, weshalb dieses Konzept so viel Aufmerksamkeit erfahren hat und weshalb es für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit so wichtig geworden ist. Gertler (2003: 78f.) geht davon aus, dass in einem auf Wettbewerb beruhenden Zeitalter, in dem Erfolg zunehmend von der Fähigkeit neue oder verbesserte Produkte und Prozesse zu produzieren, abhängt, stillschweigendes Wissen die wichtigste Grundlage für innovationsbasierte Wertschaffung darstellt. Unterschiedliche Wissensstrukturen, die im selben Sinn nebeneinander existieren, rufen auch nach Cohen und Levinthal (1990: 133) eine Art des Lernens und Problemlösens hervor, das Innovation einbringt.

Betriebliches Wissen wird von Amin und Cohendet (2004: 96) als lose gehaltener Strang an Inseln gesehen, wobei jede Insel ihr eigenes Wissen generiert. Wichtig für Unternehmen ist es, die richtige Balance an kodifiziertem und stillschweigendem Lernen zu etablieren, denn die unterschiedlichen Wissensarten beeinflussen sich gegenseitig (Rallet & Torre 1999: 374). Stillschweigendes Wissen ermöglicht es Menschen zu erkennen, wann der explizite bzw. kodifizierte Teil des Wissens angewendet wird (Brown & Duguid 2000: 134).

Rallet und Torre (1999: 374) nach bestehen in der Literatur Definitions-, und Messbarkeitsprobleme in der Unterscheidung des kodifizierbaren und des stillschweigenden Wissens. Speziell ersterem Problem soll im Folgenden entgegengetreten werden.

2.1.3.3.1 Kodifiziertes Wissen

Der größte Teil des Wissens wird durch eine bestimmte Art sozialer Interaktion geschaffen und vervielfältigt. Obwohl davon ausgegangen wird, dass bestimmtes Wissen einfach zu lernen ist, ist es oftmals schwierig es zu beschreiben oder zu kodifizieren. Dennoch, einmal kodifiziert, kann alles Wissen mit der Hilfe von Symbolen und Sprache kommuniziert werden und hat so die notwendigen Eigenschaften um handelbar zu sein (Maskell & Malmberg 1999: 171; Takeuchi 2006: 4). Es ist eine Art des Wissens, das kombiniert, abgespeichert, zurückerlangt und mit relativer Leichtigkeit vermittelt werden kann (Ernst & Kim 2001: 12).

Zu den traditionellen Formen des kodifizierten Wissens, wie Bücher, Anleitungen und Verfahrensregeln, kamen zusätzliche kodifizierte und elektronisch vermittelte Informationen hinzu (Blackler 1995: 1025). Es kann ohne Rücksicht auf Distanz durch das Anwenden von Kommunikationstechnologien ausgetauscht werden (Rallet & Torre 1999: 373). Diese Art des Wissens kann also von seiner Ursprungsumgebung enträumlicht sein und durch dessen formale Verschriftlichung, Standardisierung und globale Übermittlung durch die Leistungen der fortgeschrittenen Kommunikationstechnologien und Medien universell gemacht werden (Amin & Cohendet 2004: 89). Ob Information, die auf diese Weise übermittelt wird, von denjenigen, die sie empfangen letztlich als sinnvoll erachtet wird, hängt davon ab, ob diese mit dem ausgewählten Code vertraut sind, wie auch von den verschiedenen Kontexten, in denen sie genutzt wird (Teece 1998: 63).

2.1.3.3.2 Stillschweigendes Wissen

Das nichtkodifizierbare respektive stillschweigende Wissen wurde aus wissenschaftlicher Sichtweise vor allem infolge der Arbeiten von Polanyi (1966), Nelson und Winter (1982) sowie Nonaka und Takeuchi (1995) zu einer zentralen Komponente der Lernökonomie und ein Schlüssel für Innovations- und Wertschaffung.

Wissen ist nicht komplett auf ein klar artikuliertes Set an Axiomen, Regeln, Algorithmen und Stellungnahmen reduzierbar. Polanyi (1966: 4) drückte dies mit den Worten „we can more than we can tell” aus, was nach Gertler (2003: 77) zwei klare Ideen mit sich bringt: Die stillschweigende Dimension des Wissens existiert im Unterbewusstsein und ermöglicht es somit die bewusste Aufmerksamkeit auf spezielle Aufgaben und Probleme zu richten (z.B. Schwimmen, Radfahren oder die Identifikation eines menschlichen Gesichts). Es kann also in den Worten von Nooteboom (2000: 75) als verdeckte Zuordnung gesehen werden, das heißt Wissen, das in der Kognition einer Person nicht spezifiziert werden kann. Der zweite Gedanke beinhaltet Kommunikationsschwierigkeiten und die Unzulänglichkeiten der Sprache im Ausdrücken bestimmter Formen des Wissens und der Erklärung. Dies bedeutet, dass symbolische Formen der Kommunikation – seien es gesprochene oder geschriebene Wörter – nicht das komplette Wissen, das für eine erfolgreiche Ausführung notwendig ist, ausdrücken können. Der beste Weg auch das unerklärliche Wissen zu vermitteln, erfolgt durch Demonstration und Praktik, wie es im klassischen Berufsausbildungsverhältnis, in dem Beobachtung, Imitation, Korrektur und Wiederholung im Lernprozess integriert sind, der Fall ist (Gertler 2003: 78). Stillschweigendes Wissen ist zusammenfassend betrachtet eine Wissensart, die nicht artikuliert werden kann. Indem es persönlich und kontextabhängig ist, repräsentiert stillschweigendes Wissen entkörperlichtes Know-how, das direkt durch interaktives Lernen angeeignet wird (Morgan 2004: 7).

Es stellt sich somit die Frage nach der Produktion dieser Wissensart. Dazu gibt es nach Gertler (2003: 80) eine private und eine soziale Dimension. In privater Hinsicht wird sich auf die Investments in individuelles Humankapital (Aus- und Weiterbildung), das notwendig ist, um leistungsfähige Wissensarbeiter zu schaffen, fokussiert. Die soziale Dimension spricht zunächst darauf an, dass viel von dem innerhalb von Organisationen produzierten stillschweigenden Wissen, im Prozess des Machens, also aus der sozialen Interaktion und Zusammenarbeit individueller Arbeiter heraus, entsteht. Wissen fließt dabei nicht einseitig von Produzenten zu Nutzern, sondern beide Seiten tauschen ihr jeweiliges stillschweigendes Wissen innerhalb der Interaktion aus, um eine Problemlösung zu erreichen. In der Folge begünstigt das Endprodukt sowohl Nutzer als auch Produzenten und verkörpert innerhalb dessen neues stillschweigendes Wissen, das nicht durch einen in Isolation arbeitenden Teil, hätte produziert werden können (Gertler 2003: 84f.). Die Gründe, weshalb es zu Übertragungsproblemen innerhalb der Produktinnovation kommen kann, sieht Hansen (1999: 87) in der Bereitwilligkeit und der Fähigkeit. Ersteres bedeutet, dass die Quelleinheit eventuell nicht gewillt ist, ihr Wissen zu teilen, aufgrund einer möglichen innerbetrieblichen Atmosphäre der Geheimhaltung und des Wettbewerbs. Letzteres bedeutet, dass auch im Falle des Einwilligens der Zusammenarbeit, möglicherweise eine Unfähigkeit der Übertragung infolge der inhärenten Schwierigkeit der Aufgabe besteht.

Ein großer Teil des Wissens bleibt also mehr oder weniger ausschließlich in einer sillschweigenden Form innerhalb eines Individuums, einer Gruppe oder einer gesamten Organisation (Maskell & Malmberg 1999: 172). Das stillschweigende Wissen, das stark kultur- und kontextabhängig ist, erfordert einen hohen Grad an Kommunikation sowie ein Teilen von gemeinsamen Arbeitserfahrungen und schafft so eine bedeutende Voraussetzung an Nähe (Rallet & Torre 1999: 373; Storper & Venables 2004: 367). Das bedeutet, dass diese Form des Wissens nur effektiv zwischen zwei oder mehr Personen geteilt werden kann, wenn sie auch einen gemeinsamen sozialen Kontext wie gemeinsame Werte, Sprache und Kultur teilen (Cohen & Levinthal 1990: 133; Gertler 2003: 78). Die Örtlichkeit selbst – nicht nur dessen Geschäftssystem – ist in der Mobilisation von stillschweigendem Wissen und sozialem Lernen involviert. Dies wird durch gemeinschaftlich-geteilte Traditionen, starkem Vertrauen und sozialem Austausch, institutioneller Konzentration und einem geteilten Sinn des Ortes sowie weiteren Vorteilen, die mit gemeinschaftlichem Vorsatz einhergehen, gewährleistet (Amin & Cohendet 2004: 90). Potenzielle Partner müssen sich, wie bereits deutlich wurde, kennen oder einen breiten gemeinsamen Hintergrund haben, der durch Sozialisation erlangt wird. Diese erfolgt in großem Ausmaß durch Face-to-Face-Kontakt über die Familie, die Schulausbildung und die Gemeinschaft sowie die Arbeitsplätze im sozialen Umfeld eines jedes Einzelnen (Storper & Venables 2004: 357). Auch Asheim et al. (2007: 659) gehen davon aus, dass stillschweigendes Wissen am einfachsten in einem Face-to-Face-Kontext vermittelt werden kann, da er multidimensionale Kommunikation ermöglicht. Diese Multidimensionalität umfasst die Fähigkeit, gleichzeitig sehen, berühren und zuhören zu können (Näheres dazu in Kapitel 2.3.3.2).

Stillschweigendes Wissen vereinfacht letztlich learning-by-doing, das Teilen von Information sowie kollektives Verstehen und Agilität, die allesamt wichtige Punkte für einen möglichen Wettbewerbsvorteil sind (Amin & Cohendet 2004: 89). Örtliche Cluster von Firmen sowie Unternehmen selbst bieten den eben erwähnten Vorteil von regelmäßiger Face-to-Face-Interaktion und sozialem Zusammenhang, womit Möglichkeiten, stillschweigendes Wissen zu transferieren, gefördert werden (Ettlinger 2000: 27). Gertler (2003: 79) betont schließlich, dass stillschweigendes Wissen eine Schlüsseldeterminante der Räumlichkeit von Innovationsaktivität ist. Die Argumente sind seiner Ansicht nach die folgenden: Da es sich einfacher Artikulation widersetzt und am besten experimentell anzueignen ist, ist es schwer stillschweigendes Wissen über lange Distanzen auszutauschen. Darüber hinaus macht es dessen kontextspezifische Natur räumlich fixierend, denn zwei Parteien können derartiges Wissen effektiv nur dann austauschen, wenn sie einen gemeinsamen sozialen Kontext teilen. Somit sind wichtige Elemente dieses sozialen Kontexts räumlich definiert. Zudem basierte Innovation in der näheren Vergangenheit immer mehr auf den Interaktionen und Wissensflüssen zwischen wirtschaftlichen Objekten wie Firmen, Forschungsorganisationen und öffentlichen Agenturen (Gertler 2003: 79). Amin und Cohendet (2003: 15) vertreten hingegen die Ansicht, dass relationale Nähe ausreicht, um stillschweigendes Wissen zu übermitteln.

2.1.3.4 Wissensaustausch im Büroalltag

Im Allgemeinen bezeugen nach Leamer und Storper (2000: 650) demzufolge akademische Sprechstunden, Seminare, Konferenzen und Kaffeeverabredungen die Wichtigkeit von Face-to-Face-Interaktionen in der Produktion und der Verteilung von neuen oder komplexen Ideen. Kraut et al. (1988: 9) stellen heraus, dass oftmals gewinnbringende Kommunikation zwischen aktuellen und potenziellen Forschungspartnern nicht geplant ist und nicht stattfinden würde, wenn sie geplant werden müsste. Während routiniertes Lernen und Training oftmals entfernt stattfinden können, ist das Ausbilden speziell von neu hinzugekommenen Angestellten eine ausgesprochen nahe und persönliche Aktivität (Leamer & Storper 2000: 650).

In Tabelle 1 sind unterschiedliche Klassifizierungen der Informationsübertragung nach Form und Inhalt dargestellt. Innerhalb des Unternehmens ist, hinsichtlich des arbeitsrelevanten Austauschs, speziell die Spalte der komplexen kontext-abhängigen interaktiven Nachrichten von Relevanz. Die Spalte der einfach kodifizierbaren Ein-Weg-Nachrichten richten sich eher an private informelle Gespräche unter Kollegen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Informationsübertragung nach Form und Inhalt der Nachricht, in Anlehnung an Leamer & Storper 2000: 650.

2.1.3.4.1 Formale Treffen

Formale Kommunikation fließt durch offizielle organisationale Kanäle, ist meist geplant und typischerweise in einem formalen Stil ausgeführt. Das Teilen von Informationen in Gruppen geschieht oft im Kontext eines Meetings oder einer Face-to-Face-Diskussion (Argote 2013: 121). Diese finden in einer Abteilung auf regelmäßiger Basis statt, entweder vorab geplant oder ad hoc, um auf Notfälle zu reagieren. Sie werden in Meeting-Räumen abgehalten, in denen zumeist alle Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe erscheinen (Quan-Haase & Wellman 2006: 310). In manchen Stadien der Zusammenarbeit, beispielsweise zur Erreichung eines Konsenses, wird das Face-to-Face-Meeting empfohlen, denn mit dieser Art des Treffens funktioniert der Austausch meist um einiges leichter und schneller als über entfernte Koordination durch elektronische Kommunikationsmittel. Meetings in einer virtuell geprägten Organisation haben immer mehr den Prozess als den Arbeitsauftrag selbst im Sinn, das heißt, die Bedeutung des Kennenlernens übersteigt in diesem Rahmen diejenige des bloßen Lieferns von Leistung (Handy 1995: 46). Die Videokonferenz ist unter den elektronischen Medien noch das nützlichste in dieser Hinsicht, kann persönliche Meetings für komplexe Diskussionen aber nicht gänzlich ersetzen (Rallet & Torre 1999: 376).

Die Stärke von Gruppenmeetings liegt nach Daft und Lengel (1986: 561) in der Fähigkeit, Unstimmigkeiten überwinden und Übereinkunft und Einverständnis schaffen zu können. Durch Gruppendiskussionen und Interaktion kann sich neues Wissen, das kein Mitglied im Vorfeld der Diskussion besaß, entwickeln. Dies kann letztlich für Aufgaben, die Kreativität und Innovation benötigen, sehr wichtig sein (Argote 2013: 127). Das Wissen kann einerseits infolge eines Kommentars eines Gruppenmitglieds, der wiederum einen anderen anregt und so eine neue Idee entstehen lässt, auftreten. Andererseits können Mitglieder konkurrierende Ansichten zur Schau stellen, die im Umkehrschluss zur Schaffung neuen Wissens führen (Argote 2013: 126). Während in offiziellen Meetings jedoch meist nur die wichtigsten Gesichtspunkte eines Projekts diskutiert werden, sind kleinere Probleme, die in allen Projekten vorkommen, vor allem durch Nähe und regelmäßigen Kontakt leichter zu besprechen (Kraut et al. 1988: 8).

2.1.3.4.2 Informelle Treffen

Trotz der eben betonten Wichtigkeit von formalen Meetings kommunizieren Angestellte gewöhnlich informell, um Wissen auszutauschen, Aktivitäten zu koordinieren und an einem Projekt zusammenzuarbeiten (Quan-Haase & Wellman 2006: 311). Informelle Kommunikation überschreitet die organisationalen Grenzen, geschieht oftmals spontan und ist bezüglich des Stils häufiger, ausdrucksstärker und interaktiver geprägt als formale Kommunikation. Organisationen setzen darauf, um Arbeit zu bewerkstelligen, die organisationale Kultur und das Wissen zu übermitteln und Loyalität und den guten Willen ihrer Mitglieder aufrechtzuerhalten (Fish et al. 1993: 50).

Schon Marshall (1920: 159) hat in seinem einflussreichen Werk Principles of Economics die Wichtigkeit von direktem, ungeplantem Kontakt betont. Kollegen grüßen einander und kommen hin und wieder in lockere Unterhaltungen, wenn sie auf den Beginn von Meetings, auf das Fertigwerden des Kaffees, bzw. auf die ankommende E-Mail warten oder bei vielen weiteren Gelegenheiten, wenn sie sich räumlich nah zueinander befinden und gemeinsam Zeit verbringen. Dabei kann das alleinige Grüßen des Kollegen auf dem Flur zu weiterer Konversation führen (Sarbaugh-Thompson & Feldman 1998: 693). Diese ermöglichen organisationalen Mitgliedern wiederum Gelegenheiten, ihre Kontakte und ihr Wissen über andere auszuweiten (Festinger et al. 1950: 169). Katz und Kahn (1978: 449) gehen davon aus, dass Flurfunk oder das Austauschen von Gerüchten bessere und schnellere Information als formale Kommunikation liefern. Sogenannte „on-the-fly“ (Kraut et al. 1988: 8) Interaktionen, das heißt Unterhaltungen auf dem Gang oder in der Kantine sind für Kollaborationen, die über Entfernung bestehen, unmöglich. Damit besteht zusammengefasst die Notwendigkeit des Existierens von Treffpunkten innerhalb des Unternehmens, also Einrichtungen in denen mehr oder weniger zufällige Treffen unter den Mitarbeitern ermöglicht werden (Törnqvist 2004: 233).

Im Gegensatz zu geplanter formaler Kommunikation (z.B. Meetings), in der sich Leute oftmals in vorbestimmten Themen und Zeitrahmen eingezwängt fühlen, ist spontane Kommunikation flexibler und erlaubt offenere, ungehemmtere Unterhaltungen über Themen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt hervorspringen (Hinds & Mortensen 2005: 294). Die Abwesenheit informeller, spontaner Kommunikation kann laut Sarbaugh-Thompson und Feldman (1998: 692) zu schwindender Wahrnehmung von Verbundenheit und Gemeinschaft führen.

Der hohe Stellenwert informeller Kommunikation basiert nach Kraut et al. (1988: 5ff.) letztlich auf drei verschiedenen Merkmalen. Zum einen ist die Kommunikationshäufigkeit als starke Funktion zu erwähnen. Zum anderen ist die Kommunikationsqualität von Bedeutung, die sich durch eine wechselseitige Interaktion, die mehr als einen sensorischen Kanal beansprucht, auszeichnet. Schließlich gelten die niedrigen Kommunikationskosten als Merkmal der informellen Kommunikation.

Der Hintergrund formaler und informeller Treffen und Gespräche setzt jedoch das Existieren relationaler Gruppen innerhalb des Büroarrangements voraus.

2.2 Bestandteile unternehmensinterner Gemeinschaften und Netzwerke

Relationalität bezeichnet Querverbindungen zwischen zwei oder mehreren Kategorien und Phänomenen. Sie besteht aus Interaktionen, Beziehungen, Spannungen sowie Heterogenität und beinhaltet verschiedene Machtformen, die in bestimmten Konfigurationen eingebettet sind. Der relationale Ansatz sieht Macht als Attribut, wonach die Summe heterogener Beziehungen viel größer ist, als die von individuellen Teilen (Yeung 2005: 44f.). Im Unternehmen wird versucht, relationale Nähe durch Übersetzung, Geschäftsreisen, geteilte Routinen, Gespräche, gemeinsame Leidenschaften und Standards sowie Ordnung und Orientierung mithilfe von Dokumenten, Codes und gemeinsamer Software herzustellen (Amin & Cohendet 2004: 99). Ein Aspekt relationaler Qualität ist der organisationale Einsatz (Meyer & Allen 1991: 61). Individuen mit hohen Niveaus an organisationalem Einsatz weisen einen Glauben an die Ziele der Organisation und somit eine Bereitschaft auf, uneingeschränkte Anstrengungen vorzunehmen sowie die organisationale Mitgliedschaft aufrechtzuerhalten (Golden & Raghuram 2010: 1066). In der Folge sind sie, Allen und Meyer (1990: 1) zufolge, letztlich auch weniger dazu gewillt, die Organisation zu verlassen.

Auf organisationaler Ebene stellt eine Gemeinschaft zuallererst eine soziale Struktur dar, die die Grenzen der Bezugsgruppen, die angemessenen Autoritätsformen und die Arbeitsteilung, definiert (Adler & Heckscher 2006: 16). Wissensschaffung, -anhäufung und -verteilung wird durch kollaborative Mechanismen innerhalb informeller Gruppen oder autonomer Gemeinschaften gewährleistet (Bellini & Canonico 2007: 45). Diese sind von freiwilligem Austausch und dem Respektieren sozialer Normen, die in den jeweiligen Gruppen eigens definiert sind, geprägt (Amin & Cohendet 2012: 406). Gemeinschaften sind demnach zum einen Entwickler und Speicher von gebräuchlichem Wissen, das in ihren täglichen Praktiken und Gewohnheiten eingebettet ist und zum anderen Zwischenglied der organisationalen Struktur (Amin & Cohendet 2012: 416). Harvey et al. (2015: 47) sehen sie als Schlüsselquelle von Kreativität, die einen bedeutenden Stellwert für Innovationsprozesse darstellt. Menschen mit ähnlichen Praktiken und ähnlichen Ressourcen entwickeln letztlich ähnliche Identitäten. Diese gemeinsamen Praktiken ermöglichen es Menschen soziale Netzwerke zu formen, innerhalb derer Wissen über diese Praktik sowohl schnell von einem zum anderen wandern, als auch ohne weiteres aufgenommen werden kann (Brown & Duguid 2000: 140f.). Bell und Daly (1984: 91) zufolge wenden Menschen bemerkenswert viel soziale Energie für den Versuch auf, anderen zu gefallen, von ihnen gemocht zu werden und folglich Teil einer Gemeinschaft oder eines Teams zu werden.

Teams, die es gelernt haben effektiv zusammenzuarbeiten, sind viel mehr wert, als ihre individuellen Komponenten. Ein Großteil des Lernens, das in Organisationen stattfindet, erfolgt deshalb in Arbeitsgruppen (Argote 2013: 115). Die Teaminnovation wird zum einen verbessert, wenn eine Gruppe klare Zielsetzungen hat und wenn die Gruppenmitglieder im Rahmen von diesen Zielsetzungen mitwirken. Je mehr Partizipation vorherrscht, desto eher wird Raum für Innovation geschaffen, wobei Interaktion zwischen den Mitgliedern wichtig ist. Zum anderen sind in diesem Zusammenhang Teamleader wichtig. Deren Verhalten soll Input und Diskussion anregen, was wiederum in einer gesteigerten Wahrnehmung psychologischer Sicherheit unter den Angestellten mündet (Edmondson 2002: 144). Insgesamt bedeutet dies, dass je mehr und je öfter Information geteilt wird, desto mehr Möglichkeit besteht, verschiedene Elemente der Intelligenz innerhalb eines Teams zu kombinieren und so neue und kreative Outputs zu generieren (Argote 2013: 118f; West & Altink 1996: 7f.).

2.2.1 Zwischenmenschliche Prozesse als wichtige Basis

Gruppenprozesse sind wechselseitig abhängige Handlungen von Teammitglieder, die Inputs zu Outputs durch kognitive, verbale und andere Verhaltensaktivitäten umwandeln. Sie werden in Richtung eines organisationalen Arbeitsauftrags für das Erreichen kollektiver Ziele gelenkt (Marks et al. 2001: 357). Spontane Kommunikation ist ein solcher Teamprozess, der in der Entwicklung einer geteilten Identität hilft und zu einem geteilten Kontext beiträgt sowie Konfliktidentifikation und -handhabung vereinfacht (Hinds & Mortensen 2005: 291). Sie schafft soziale Bindungen, erhöht das Bewusstsein für die Launen und Verfassungen Anderer und ermöglicht es, informell zu lernen was andere tun, womit wiederum Probleme vor ihrer Eskalation identifiziert und gelöst werden können (Prentice et al. 1994: 492). Im Büroalltag sehen die Leute woran Kollegen arbeiten, beobachten sie dabei, wie sie sich mit einer Aufgabe abmühen und bemerken, wann Mitarbeiter kommen und gehen. Zudem nehmen sie zufällig Aktivitäten im Hintergrund wahr und überprüfen unauffällig den Fortschritt im Team.

Vertrauen repräsentiert einen bilateralen, psychologischen Zustand, der ein Individuum in einer gegebenen Situation dazu führt, anzunehmen, dass ein anderes Individuum ein Verhalten annimmt, das seinem entspricht (Amin & Cohendet 2012: 412). Anders ausgedrückt ist es eine Erwartung oder der Glaube, dass die andere Seite wohlwollend agieren wird (Brockner et al. 1997: 558; Mayer et al. 1995: 712). Es ist nach Rousseau et al. (1998: 395) ein aus der Intention heraus gebildeter psychologischer Zustand, der auf Verwundbarkeit, die auf positiven Erwartungen der Intentionen oder des Verhaltens eines Anderen basiert, beruht. Nooteboom (2002: 192) zufolge ist Vertrauen die Erwartung, dass Dinge nicht misslingen bzw. das Vernachlässigen der Möglichkeit, dass Dinge scheitern werden. In einer wissensbasierten Gemeinschaft gilt: Je intensiver die kognitiven Bemühungen sind, ein gegebenes Wissensfeld aufzubauen und es zu festigen, desto höher ist das Niveau des kognitiven Vertrauens zwischen den Akteuren (Amin & Cohendet 2012: 412).

Wenn Vertrauen käuflich wäre, wäre es nicht so wertvoll, so Arrow (1971: 20). Damit stellt sich die Frage nach dem Wert und den Vorteilen von Vertrauen. Ein Vorteil des Vertrauens ist auf der einen Seite, dass Zeit und Mühen gespart werden, wenn sich ein Akteur auf den anderen verlassen kann. Auf der anderen Seite reduziert es Risiko sowie Unsicherheit und beschleunigt das Lernen. Letzteres gründet auf der Tatsache, dass Parteien in dichtere und reichhaltigere Informationsflüsse eingeweiht sind, denn letztlich geben Menschen denjenigen, denen sie vertrauen, mehr preis (Morgan 2004: 8).

2.2.2 Innerbetriebliche Netzwerke

Die Vielfalt an Beziehungen und Kontakten, wozu unter anderem Kollegen, Freunde oder Geschäftspartner zählen, begünstigt ein enges Netzwerk an Informationsflüssen, gemeinsame Problemlösung, die Entwicklung des eben erwähnten Vertrauens sowie einen Zugang zu relevanten Wissensquellen (Bathelt 2007: 1291). Die Wichtigkeit von Netzwerken liegt nach Hislop et al. (2000: 409), Martin (2013: 1421) sowie Uzzi (1997: 48) darin begründet, dass die Einbettung in Netzwerke den Fluss und Zugang zu Information und Wissen vereinfacht. Während Beziehungen Einfluss auf entscheidungstragende Akteure ausüben können, verfestigt eine Einbettung in soziale Netzwerke analog Identität, gemeinschaftliche Normen und Regeln und kann Anspruch eines Einzelnen auf spezielle Ressourcen ermöglichen. Während in traditionellen Arbeitsgruppen und Gemeinschaften Vertrauen und soziale Kontrolle von hierarchischem und kollektivem Charakter geprägt waren, beruhen vernetzte Gemeinschaften mehr auf dyadischen, zwischenpersönlichen Beziehungen (Quan-Haase & Wellman 2006: 284f.). Laut Forschungen zur Netzwerkeffizienz sind jedoch voll verbundene Netzwerke nicht effizient, da sie ein Übermaß an Redundanzen inkludieren (Crespo & Vicente 2015: 213).

Einer der bedeutendsten Stränge innerhalb der wissenschaftlichen Netzwerk-Literatur stellt das Konzept des Sozialen Kapitals dar. Während Bourdieu (1986: 51) eine strukturalistische Sicht vertritt, wobei Soziales Kapital als die Anzahl an Verbindungen, die ein Akteur innerhalb eines Netzwerkes besitzt, gesehen wird, ist die Sichtweise von Coleman (1988: 98) eher relational geprägt. Das bedeutet, dass das Soziale Kapital durch den Prozess der Interaktion geschaffen wird und somit besonderes Augenmerk der Natur und Qualität von Beziehungen gilt. Soziales Kapital oder anders ausgedrückt Netzwerke zwischen Individuen, die von gemeinschaftlichen Normen und gegenseitigem Vertrauen geleitet werden, werden als eine notwendige Vorbedingung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Regionalökonomie gesehen (Martin 2013: 1421).

Infolge zahlreicher Analysen, die in einem großen Maß schon vor der Zeit des Internets durchgeführt wurden, werden soziale Netzwerke als zwischenmenschliche Verbindungen, die Geselligkeit, Unterstützung, Information, einen Zugehörigkeitssinn und soziale Identität bieten, definiert (Quan-Haase & Wellman 2006: 286). Granovetter (1973: 1362) fand heraus, dass je stärker die Beziehung zweier miteinander verbundener Individuen ist, desto ähnlicher sind sie sich auf verschiedene Art und Weise. McPherson et al. (2001: 415) argumentieren, dass Ähnlichkeit infolgedessen eine mentale Verbindung hervorbringt.

Akteure sind oftmals Teil mehrerer Netzwerke mit unterschiedlichen Strukturen und Qualitäten, in denen sie verschiedene Positionen vertreten. Die Analyse von Netzwerkdynamiken zeigt, dass der Zugang zu Wissen und mit welchen Akteuren welches Wissen kommuniziert wird, von der Netzwerkstruktur und der Position des Akteurs im Netzwerk beeinflusst wird. Wissen zwischen zwei Knotenpunkten verteilt sich schnell und kann sich über verschiedene Pfade ausbreiten, wenn die Pfadlänge kurz ist. Die Wahrscheinlichkeit der Bindungsverknüpfung steigt, wenn deren Netzwerkdistanz klein ist (Menzel 2015: 1898f.).

2.2.2.1 Starke und schwache soziale Bindungen

Eine damit einhergehende Ausarbeitung zur Netzwerk-Thematik stellt speziell die Arbeit von Granovetter (1973) zur Bedeutung schwacher und starker Bindungen zwischen wirtschaftlichen Akteuren dar. Zwischenmenschliche Bindung ist eine relationale Qualität, die entsteht, wenn ein bestimmtes Ausmaß, wie gut eine Person die Andere kennt, wie sehr sie sie mag und wie ähnlich sie wie die andere fühlt, gegeben ist (Golden & Raghuram 2010: 1066).

Schwache Bindungen sind unter anderem dadurch charakterisiert, dass sie Menschen Zugang zu Informationen und Ressourcen über ihren eigenen sozialen Kreis hinaus liefern (Granovetter 1983: 209). Sie schaffen wichtige Funktionen im Verbinden von ansonsten unverbundenen Segmenten eines Netzwerks (Granovetter 1983: 217). Vor allem die brückenbildenden schwachen Bindungen sind von speziellem Wert für Individuen. Demnach stellen sie viel eher Kontakte zu anderen Individuen und Personengruppen her, als es starke Bindungen tun. Daraus folgt, dass Berufsgruppen, die den größten Nutzen von schwachen Bindungen ziehen, diejenigen sind, deren schwache Bindungen sich mit anderen sozialen Kreisen verknüpfen (Granovetter 1983: 208). Individuen mit wenigen schwachen Bindungen werden der Theorie nach Informationen von entfernten Teilen des sozialen Systems vorenthalten und auf die provinziellen Neuigkeiten und Sichten ihrer engsten Kontakte beschränkt. Dies hat nicht nur zur Folge, dass sie von den aktuellsten Gedanken und Moden ferngehalten werden, sondern kann zusätzlich zu einer benachteiligten Position auf dem Arbeitsmarkt führen. In makroskopischer Hinsicht können sich dadurch neue Ideen nur langsam ausbreiten, wissenschaftliche Bestrebungen werden gehandicapt und Untergruppen, die durch Rasse, Ethnizität, Geographie oder andere Charakteristiken getrennt sind, werden Schwierigkeiten haben, einen modus vivendi zu erreichen (Granovetter 1983: 202).

Während schwache Bindungen Brücken ermöglichen, über welche Innovationen die Grenzen sozialer Gruppen überqueren, wird das Treffen von Entscheidungen hauptsächlich durch das Netzwerk starker Bindungen beeinflusst (Granovetter 1983: 219). Letztere sind von einer höheren Unterstützungsbereitschaft geprägt und typischerweise einfacher verfügbar (Granovetter 1983: 209). Sie sind für den Informationsfluss nicht irrelevant, denn die Fließgeschwindigkeit, die Glaubwürdigkeit und vor allem der Einfluss sind allesamt größer in starken Bindungen (Granovetter 1983: 218). Zwei Akteure, die stark miteinander verbunden sind, neigen überdies dazu, eine beziehungsspezifische Heuristik für das Verarbeiten nichtkodifizierten Wissens zwischen ihnen entwickelt zu haben. Im Gegensatz dazu sind in schwachen innerbetrieblichen Bindungen die notwendigen Interaktionen für das Übertragen komplexen Wissens unregelmäßig oder zum Teil gänzlich absent (Hansen 1999: 88). Je stärker die Bindung zwischen zwei Personen ist, desto größer ist letztlich jedoch auch das Ausmaß der Überlappung in ihren Freundeskreisen (Granovetter 1983: 218). Gleichzeitig erfordert das Aufrechterhalten starker Bindungen mehr Zeit als das der schwachen Bindungen (Granovetter 1983: 212).

Auf Unternehmenssicht bezogen bedeutet dies zusammengefasst: Die Makrointegration in einem Unternehmen gründet auf schwachen Bindungen, die episodische Informationsübermittlungen zwischen unterschiedlichen Gruppen erlauben. Die Mikrointegration basiert hingegen auf einem zusammenhängenden Set starker Bindungen, die regelmäßige Übermittlungen innerhalb Gruppen ermöglichen (Friedkin 1980: 422).

2.2.2.2 Wissensgemeinschaften

Die Bereitschaft und Fähigkeit des Individuums, Wissen zu teilen ist der Ausgangspunkt gruppenweiter und organisationaler Aktivitäten der Wissensteilung (Golden & Raghuram 2010: 1063). Auf Unternehmensebene erscheinen sogenannte „knowing communities“ (Amin & Cohendet 2012: 408) als aktive Kompetenzeinheiten, die für die Organisation als Ganzes nützlich sind, da sie einen signifikanten Part im Produktionsprozess sowie in der Anhäufung und Absicherung von Wissen einnehmen. Diese Gemeinschaften können innerhalb des traditionellen hierarchischen Rahmens oder zwischen Hierarchien entstehen, indem sich Mitglieder, die an einem bestimmten Wissensfeld interessiert sind, zusammenschließen. Hinsichtlich der Erinnerung von Informationen und Wissen gibt es auf Seiten der Gruppe Vorteile gegenüber Individuen. Dazu zählt, dass Gruppen Zugang zu einem größeren Pool an Informationen haben als Individuen. Zudem machen Gruppen weniger Fehler als Individuen und sind besser darin, festzulegen, was sie begreifen und was sie nicht richtig begreifen können (Argote 2013: 120).

Leidenschaft und Hingabe für ein gemeinsames Ziel sowie die Tatsache, dass die Häufigkeit an Interaktionen innerhalb der Gemeinschaft opportunistisches Verhalten reduziert, sind Charakteristiken derartiger Zusammensetzungen. Zudem sind Routinen und Wiederholungsmechanismen, die Bewertung des Wissens, gemeinsame Werte und damit einhergehend Interaktionen, die von Vertrauen geprägt sind fester Bestandteil der Communities (Amin & Cohendet 2012: 410f.). Weitere wichtige Dimensionen in der Definition solcher Gruppen sind zum einen die Aufgabeninterdependenz, das heißt was ein Gruppenmitglied tut, betrifft den Nächsten und wird durch ein anderes Mitglied beeinflusst. Zum anderen ist ein sozialpsychologisches Bewusstsein, also die Tatsache, dass sich Mitglieder als Gruppe wahrnehmen und von anderen als eine Gruppe wahrgenommen werden, von Relevanz. Als letzter Bestandteil gilt die soziale Einbettung, also die Existenz der Gruppe in einem größeren sozialen System (Argote 2013: 116).

Nach Amin und Cohendet (2012: 408f.) bestehen durch epistemic communities sowie communities of practice zwei unterschiedliche Untergruppen der Wissensgemeinschaften. Erstere beschreiben eine kleine Gruppe von Akteuren die gemeinsam an einer Teilmenge von Wissensthematiken arbeiten. Die Wissensschaffung wird im Folgenden durch die Synergie individueller Vielfalt gewährleistet. Aufgrund der Heterogenität haben sie ein Codebuch, um eine Art Wörterbuch und Grammatik im Sinne der gemeinsamen Arbeit zu schaffen. Akteure generieren eine Art von gemeinsamer Identität und wahrgenommener Nähe durch ein dichtes Kommunikationsnetz (Wilson et al. 2008: 986). Letztgenannte Gemeinschaft stellt nach Lave und Wenger (1991) eine Gruppe von Leuten innerhalb, außerhalb oder zwischen einer Organisation dar, die ein Interesse, Handwerk oder einen Beruf teilt und untereinander regelmäßig über die Aktivitäten kommuniziert. In derartigen Teams werden Individuen mit verschiedener Expertise zusammengeführt und das Vermischen ihrer Expertise produziert Verbesserungen im Produktdesign mit signifikanter Zeiteinsparung (Feldman 1994: 16). Individuelle Kompetenzen werden infolge der kontinuierlichen Verbesserung der gemeinsamen Praktik gefördert und Selbstorganisation gilt als wichtige Charakteristik der Gemeinschaft (Amin & Cohendet 2012: 409). Diesem Ansatz nach ist organisationale oder relationale Nähe sowie berufliche Ähnlichkeit wichtiger als geographische Nähe, wenn es um die Unterstützung der Produktion, Identifikation, Aneignung und den Fluss von stillschweigendem Wissen geht. Gertler (2003: 86) spricht in Anlehnung an Bunnell und Coe (2001: 582) von einer „de-territorialisation of closeness“, das heißt Lernen muss nicht Subjekt in der Spannung der Distanz sein, wenn relationale Nähe präsent ist. Brown und Duguid (2000: 144) widersprechen dieser These zum Teil, denn obwohl in den aktuellen Zeiten weitverbreiteter sozialer Netzwerke immer öfter vom globalen Dorf die Rede ist, gibt es ihrer Ansicht nach innerhalb dessen Netzwerke der Praktik mit einer gewissen Reichweite, die umfassend, nichtsdestotrotz aber durch die Praktik limitiert sind. In diesem Zusammenhang bestehen communities of practice mit dichten Verbindungen bezüglich der Reichweite als auch der Reziprozität, die der Ausdehnung ebenso Grenzen setzen (Brown & Duguid 2000: 144).

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Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Wie Home-Office die Innovationskraft von Unternehmen beeinflusst
Autor
Jahr
2019
Seiten
124
Katalognummer
V491630
ISBN (eBook)
9783964871077
ISBN (eBook)
9783346057341
ISBN (Buch)
9783346057358
ISBN (Buch)
9783964871084
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Home-Office, Wissensaustausch, Gemeinschaften, Kommunikation, Innovation
Arbeit zitieren
Andreas Ditzig (Autor:in), 2019, Wie Home-Office die Innovationskraft von Unternehmen beeinflusst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491630

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