Diese Hausarbeit soll anhand der wichtigsten Architekten der sogenannten "Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz" untersuchen, welche Aufgaben diese genau hatten und wie das Selbstverständnis zu ihrer Arbeit war – Verstanden sie sich "nur" als Arbeitnehmer, die ihre Aufgaben zu erfüllen hatten, oder zeigten sie Eigeninitiative, wollten sie das "Projekt" optimieren?
Um diesen Fragen nachzugehen, wird zuerst die Zentralbauleitung und deren Aufbau beschrieben, um im Nachgang am Beispiel einzelner Architekten zu analysieren, wie ihr beruflicher Werdegang war, wie sie ihren Arbeitsplatz in der Zentralbauleitung bekamen und vor allem, welche Aufgaben sie im Entstehungs- und Entwicklungskontext des Lagers übernahmen. Im Anschluss wird erörtert, welches Eigenbild die Architekten in Bezug auf ihre Arbeit hatten, indem besonders untersucht wird, welche von ihnen eigeninitiierte Optimierungsansätze einbrachten. Im Fazit wird zusammengefasst werden, inwieweit Architekten in Auschwitz also bewusst den Holocaust mitgestaltet haben.
Die Errichtung des Konzentrationslagers Auschwitz war ein langjähriger Prozess, der nie beendet wurde. Für die architektonische Vorbereitung und Durchführung des Baus war die sogenannte "Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz" zuständig. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, die in die Geschichte des Lagers involviert waren, ist die der Architekten allerdings nur wenig untersucht worden. Als die SS Anfang 1945 die Krematorien sprengte und belastendes Material vernichtete, übersah sie scheinbar die Akten der Zentralbauleitung. Nach der Befreiung Auschwitz' ging die Hälfte dieser Dokumente an den polnischen Richter Jan Sehn, der einen Prozess gegen die SS-Kriegsverbrecher plante, und die andere Hälfte an Archive der Geheimpolizei in Moskau.
Durch die überlieferten Akten und Baupläne der Planungsinstanz lassen sich der Baufortschritt und die alltäglichen Aufgaben der Architekten gut rekonstruieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. „Die Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz“ - Aufbau und Aufgaben
3. Architekten der Planungsinstanz im Konzentrationslager Auschwitz
3.1 Herkunft und Ausbildung
3.2 Beruflicher Werdegang im Nationalsozialismus und Aufstieg in die Zentralbauleitung
3.3 Tätigkeiten und Aufgaben
3.3.1 Die Lagerplanung
3.3.2 Die Stadtplanung
4. Selbstverständnis der Architekten in Bezug auf ihre Arbeit – Optimierungsmaßnahmen
5. Fazit – Architekten als bewusste Mitgestalter des Holocaust?
6. Abbildungsverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
7.1 Quellen
7.2 Forschungsliteratur
1.Einleitung
Ein Ort wie Auschwitz, an dem über eine Million Menschen systematisch ermordet wurden, entsteht zweifelsohne nicht über Nacht. Die Errichtung des Konzentrationslagers war ein langjähriger Prozess, der nie beendet wurde. Für die architektonische Vorbereitung und Durchführung des Baus war die sogenannte „Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz“ zuständig. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, die in die Geschichte des Lagers involviert waren, ist die der Architekten allerdings nur wenig untersucht worden. Als die SS Anfang 1945 die Krematorien sprengte und belastendes Material vernichtete, übersah sie scheinbar die Akten der Zentralbauleitung. Nach der Befreiung Auschwitz' ging die Hälfte dieser Dokumente an den polnischen Richter Jan Sehn, der einen Prozess gegen die SS-Kriegsverbrecher plante, und die andere Hälfte an Archive der Geheimpolizei in Moskau.1 Durch die überlieferten Akten und Baupläne der Planungsinstanz lassen sich der Baufortschritt und die alltäglichen Aufgaben der Architekten gut rekonstruieren. Diese Hausarbeit soll anhand der wichtigsten Architekten untersuchen, welche Aufgaben diese genau hatten und wie das Selbstverständnis zu ihrer Arbeit war – Verstanden sie sich „nur“ als Arbeitnehmer, die ihre Aufgaben zu erfüllen hatten, oder zeigten sie Eigeninitiative, wollten sie das „Projekt“ optimieren? Um diesen Fragen nachzugehen, wird zuerst die Zentralbauleitung und deren Aufbau beschrieben, um im Nachgang am Beispiel einzelner Architekten zu analysieren, wie ihr beruflicher Werdegang war, wie sie ihren Arbeitsplatz in der Zentralbauleitung bekamen und vor allem, welche Aufgaben sie im Entstehungs- und Entwicklungskontext des Lagers übernahmen. Im Anschluss wird erörtert, welches Eigenbild die Architekten in Bezug auf ihre Arbeit hatten, indem besonders untersucht wird, welche von ihnen eigeninitiierte Optimierungsansätze einbrachten. Im Fazit wird zusammengefasst werden, inwieweit Architekten in Auschwitz also bewusst den Holocaust mitgestaltet haben. Als wichtige Forschungsliteratur werden vor allem die Werke von Jan van Pelt und Debórah Dwork2, Niels Gutschow3 und Rainer Fröbe4 einfließen.
2. „Die Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz“ - Aufbau und Aufgaben
Als Heinrich Himmler am 27.04.1940 die Errichtung eines Konzentrationslagers in Auschwitz anordnete, hatte dies zur Folge, dass durch das SS-Hauptamt Haushalt und Bauten eine entsprechende Stelle eingerichtet wurde und Rudolf Höß und fünf weitere Architekten und Bauingenieure zur Vorbereitung der anstehenden Baumaßnahmen entsendet wurden.5 Unter der Leitung des Architekten August Schlachter entstand die sogenannte „SS-Neubauleitung in Auschwitz O/S“ (Ost-Oberschlesien) und parallel dazu die „Sonderbauleitung für die Errichtung des Kriegsgefangenenlagers der Waffen-SS Auschwitz“, deren Leiter der Baumeister Karl Bischoff war.6 Als sich das IG-Farben Unternehmen im März 1941 für einen neuen Standort in Auschwitz entschloss, vergrößerte Höß das Architekturbüro im Lager7 und im Oktober 1941 wurden die beiden Abteilungen unter der Leitung von Karl Bischoff zur „Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz O/S“ zusammengefasst.8 Neben dem Chefarchitekt bekamen auch die später besonders herausragenden Architekten Walter Dejaco und Fritz Ertl zu dieser Zeit ihren Arbeitsplatz in der Abteilung, zusammen planten sie einen großen Ausbau.9 Von Oktober 1941 bis zum Sommer 1944 halfen ihnen dabei mehr als 180 Angestellte und 20 Führungskräfte10, hinzu kamen noch etwa 100 polnische Architekten, die Zwangsarbeit leisteten.11 Ein Teil des Personals wurde aus SS-Wachmannschaften rekrutiert; insgesamt wurden die Angestellten laut Fröbe nach fachlichen und nicht nach ideologischen Merkmalen ausgewählt.12 Das Büro der Zentralbauleitung befand sich in mehreren Baracken an der Ostseite des Stammlagers.13 Grundsätzlich hatte die Zentralbauleitung alle Aufgaben bezüglich der Bauarbeiten inne; sie war der Bauherr, das Planungsbüro und das ausführende Amt, engagierte aber auch Privatfirmen.14 Die Arbeiten wurden ausschließlich durch deutsche Firmen übernommen, so waren insgesamt etwa 500 Betriebe involviert.15 Außerdem gab es unterschiedliche Werkstätten, wie eine Tischlerei, eine Schlosserei, eine Malerei, eine Glaserei, eine Elektrowerkstatt und einen Dachdeckerbetrieb, in denen Häftlinge aus Arbeitskommandos arbeiteten.16 Die Bauleitung war unterteilt in die Abteilungen Hochbau und Wasserversorgung, die Vermesserabteilung und eine allgemeine Abteilung. Die allgemeine Abteilung hatte die Materialbewirtschaftung und den Bau der Unterkünfte für die SS-Besatzung zur Aufgabe, die Abteilung Hochbau war zuständig für die Bauentwürfe und Kostenvoranschläge und hatte das Planungsbüro inne, dessen Leiter Walter Dejaco war.17
3. Architekten der Planungsinstanz im Konzentrationslager Auschwitz
3.1 Herkunft und Ausbildung
Der Architekt Fritz Ertl wurde am 31.08.1908 in Breitbrunn bei Linz geboren18 und stammte aus einer gutsituierten Familie von Architekten und Bauunternehmern.19 Nach dem Studium in Salzburg und Dessau20, legte er sein Diplom 1931 in der Architekturabteilung des Bauhauses in Dessau ab.21 Anschließend war er im familiären Baugeschäft in Breitbrunn tätig und schloss die Baumeisterprüfung 1934 ab. Nach dem Tod seines Vaters 1935 übernahmen er und sein Bruder den Familienbetrieb.22
Ebenfalls aus Österreich stammend wurde Walter Dejaco am 19.06.1909 in Mühlau bei Innsbruck geboren.23 Nach dem Diplom in Architektur 1930 auf der Innsbrucker Bauschule24 in der Abteilung für Hochbau25 war er als Bauingenieur und später als Architekt tätig.26 Durch die Weltwirtschaftskrise konnte er lange Zeit nicht in seiner erlernten Tätigkeit arbeiten und übte den Beruf des Skilehrers aus.27
Beide waren dem Chefarchitekten Karl Bischoff unterstellt, der am 09.08.1897 in Neuhemsbach im heutigen Rheinland-Pfalz geboren wurde, gelernter Baumeister war und auf Eisenbahnbaustellen arbeitete.28 Der bereits erwähnte anfängliche Leiter der Neubauleitung, August Schlachter, wurde am 25.01.1901 in Barabein in Württemberg geboren. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens arbeitete er als Architekt und Bauingenieur in Biberach.29 Nach Bischoff wurde Werner Jothann Chefarchitekt, der am 18.05.1907 in Edlenberg in Mecklenburg geboren wurde und ebenfalls Bauingenieur war.30
Nicht in der Zentralbauleitung tätig, aber trotzdem erwähnenswert für diese Arbeit sind Hans Kammler, der 1901 in Stettin geboren wurde und 1932 seinen Doktor des Ingenieurwesens an der Technischen Hochschule Hannover machte31 und Hans Stosberg, der 1903 geboren wurde und ebenfalls promovierter Architekt der Technischen Hochschule Hannover war, wo er sein Studium 1928 abschloss. Anschließend war er tätig im Stadtplanungsamt Breslau.32 Außerdem wichtig ist Kurt Prüfer, Oberingenieur und Angestellter der Firma „Topf & Söhne“ in Erfurt33.
3.2 Beruflicher Werdegang im Nationalsozialismus und Aufstieg in die Zentralbauleitung
Im April 1938, kurz nachdem Deutschland in Österreich einmarschiert war, trat Fritz Ertl der Allgemeinen SS und einen Monat später auch der NSDAP bei. Dort war er ehrenamtlich im Wirtschaftsbeirat des Bauwesens als Sachbearbeiter tätig.34 Höchstwahrscheinlich war er aber bereits vorher ein in Österreich illegales Mitglied der NSDAP.35 Nach Kriegsbeginn meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS und wurde am 15.11.1939 nach Krakau versetzt.36 Am 27.05.1940 wurde er zur Zentralbauleitung nach Auschwitz kommandiert37, laut Pressac aufgrund seiner Kompetenzen.38 Es mag ihm wohl aber als „komfortabler Job in Kriegszeiten“39 entgegen gekommen sein.
Sein österreichischer Kollege Walter Dejaco war unbestritten als illegales Mitglied seit 1933 in der NSDAP und in der SS tätig und wurde deshalb 1934 zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt.40 Am 15.11.1939 trat er der Waffen-SS bei41, meldete sich ebenfalls freiwillig zum Kriegsdienst und wurde wie Ertl nach Krakau versetzt.42 Dejaco wurde einige Tage nach Ertl, am 06.06.1940, nach Auschwitz beordert.43 Dort erhielt er seine erste Architektenstelle mit Eigenkompetenz.44
Hans Kammler war seit 1931 Mitglied der NSDAP und seit 1933 in der SS, wo er zuerst im Reichsernährungsministerium tätig war. Ab 1936 war er tätig im Reichsluftfahrtministerium, ab 1941 war er Chef des Bauwesens im SS-Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft. Seit 1942 war er dort Leiter der Amtsgruppe C (Bauwesen), in der er für alle Bauvorhaben von Konzentrationslagern zuständig war.45 Besonders durch letztere Position war er für die Baumaßnahmen in Auschwitz äußerst relevant.
August Schlachter trat 1933 in die NSDAP und in die SS ein und war seit 1939 beim SS Hauptamt Haushalt und Bauten. Er war von Mai 1940 bis Oktober 1941 Chef der SS-Neubauleitung in Auschwitz, bis ihn Bischoff ablöste. Im Anschluss daran wurde er Chef der Bauleitung in Natzweiler, wo er aber auch nur ein Jahr beschäftigt war.46
Karl Bischoff war seit 1932 Mitglied in der NSDAP und in der SS und im SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt tätig.47 Außerdem war er bei der Luftwaffe als Untergebener Kammlers für den Bau von Flugplätzen in der Schlacht um England zuständig. Dort schien er Kammler wohl von seiner Arbeit überzeugt zu haben, denn als man der Meinung war, dass Schlachter seiner Aufgabe als Chefarchitekt zu langsam nachkam, forderte Kammler Bischoff als neuen Leiter an.48 Bischoff war seit dem 01.10.1941 Chef in der „Sonderbauleitung für die Errichtung des Kriegsgefangenenlagers der Waffen-SS Auschwitz“49 und wurde auf Kammlers Geheiß am 15.10.1941 Leiter der neu errichteten „Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz“.50 Er verließ Auschwitz am 01.11.1943 und wurde Chef der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei Schlesiens.51
Sein Nachfolger wurde, wie erwähnt, Werner Jothann, der seit 1933 in der SS und seit 1937 in der NSDAP war.52 Im April 1941 wurde er zur SS-Wachkompanie nach Auschwitz versetzt und seit 1942 war er Bischoff für umfangreichere Bauvorhaben zur Seite gestellt53, wobei er sich wohl gut engagierte, wurde er doch am 01.11.1943 als neuer Chef ausgewählt.
Der Stadtplaner Hans Stosberg trat 1937 in die NSDAP ein und war als einziger der hier Vorgestellen kein Mitglied der SS. Von Ende 1941 bis Anfang 1943 war er der Sonderbeauftragte für den Generalbebauungsplan der Stadt Auschwitz.54
Man sieht, dass selbstverständlich alle diese Architekten und Ingenieure Mitglieder der NSDAP und vorwiegend auch der SS waren. Für den Österreicher Dejaco - und wahrscheinlich auch für seinen Kollegen Ertl - lässt sich aber zudem die Besonderheit ausmachen, dass sie zuerst ein illegales Mitglied der NSDAP waren und sogar die Gefahr einer Haftstrafe auf sich nahmen, die schließlich bei Dejaco auch nicht ausblieb. Beide meldeten sich zudem freiwillig für den Kriegseinsatz, daher kann man zu ihnen wohl sagen, dass sie besonders für den Nationalsozialismus und dessen Ideologien einstanden.
3.3 Tätigkeiten und Aufgaben
3.3.1 Die Lagerplanung
Das Konzentrationslager in Auschwitz wurde ursprünglich errichtet, um die systematische Unterdrückung der polnischen Bevölkerung in den deutsch besetzten Gebieten Polens zu erleichtern.55 Dabei sollte das Lager als Durchgangslager für verhaftete Polen dienen, die als Arbeitskräfte zu Lagern im Westen transportiert werden sollten.56 Als Grundlage für den Bau des Lagers bot sich eine alte Basis der polnischen Armee im Vorort Zasole an. Die deutsche Wehrmacht nahm diese Basis ein und ein Landvermesser zeichnete einen Plan davon (siehe Abbildung 1).57 Dieser Plan erreichte einen SS-Beamten in Breslau, der auf der Suche nach einem geeigneten KZ-Standort war. Am 27.04.1940 fiel dann der Entscheid von Himmler, ein Konzentrationslager in Zasole zu errichten, Rudolf Höß wurde zu dessen Kommandanten ernannt und zusammen mit fünf SS-Leuten zur Vorbereitung der Baumaßnahmen entsendet.58 Diese „Neubauleitung“ zeichnete zuerst Pläne für einen Stacheldraht, Wachttürme (siehe Abbildung 2) und Hundezwinger rund um die Basis und entwarf außerdem ein Gefängnis für Häftlinge, die sich nicht an die Regeln hielten. Im Keller dieses Gefängnis' wurden vier Stehzellen für jeweils vier Leute gebaut (siehe Abbildung 3).59 Im Mai 1940 trafen dann die ersten Transporte mit polnischen Häftlingen ein; zu diesem Zeitpunkt entstand auch das bekannte Eingangstor des Stammlagers.60
Der Leiter der Neubauleitung, Schlachter, hatte in der Anfangsphase allerdings große Probleme, Baumaterial zu beschaffen. Zwar standen ihm zwei Millionen Reichsmark Budget zur Verfügung, um wie geplant die 20 Backsteingebäude umzubauen und Büros, ein Krankenhaus, Wachttürme, Garagen, Heulager und ein Krematorium zu bauen, jedoch konnte kein Baumaterial besorgt werden, da die nötigen Genehmigungen, wie Einkaufs- und Transportberechtigungen, fehlten. So wurden fürs Erste 30 Häftlinge entsendet, um ein altes Lager auszuschlachten.61 Auf Schlachters Hilfegesuch an Höß reagierte dieser vorerst nicht.62 Im Oktober übersandte Höß schließlich die Genehmigungen für die Baustofflieferungen, in einem Bericht Schlachters vom 04.10.1940 kommentiert dieser dies mit der Aussage „der Bau kann beginnen“63. Als Grund für die plötzliche Genehmigung gilt der Besuch des Oswald Pohl im September 1940 in Auschwitz. Dieser gab den Befehl, die 14 einstöckigen Gebäude aufzustocken, um das Konzentrationslager in Ostoberschlesien für 10.000 Häftlinge zur Nutzung bereit zu machen.64 Pohl hatte die Sand- und Kiesgruben in und um Auschwitz entdeckt und befahl deshalb, das Lager zu vergrößern. Es sollte nicht mehr nur als Durchgangslager, sondern für eine permanente Zwangsarbeiterschaft dienen.65
Die beiden ersten Projekte, die tatsächlich umgesetzt wurden, waren das Lagergefängnis mit den Stehzellen und der bekannten schwarzen Wand für Erschießungen, außerdem das Krematorium.66 Noch im Oktober 1940 wurde dann auch der erste Doppelmuffelofen der Firma Topf & Söhne im ehemaligen Munitionsdepot mit einer dazugehörigen Leichenhalle und einem Kohlenlager installiert (siehe Abbildung 4).67 Aufgrund von Knappheit der Baumaterialien beschränkte man sich also vorerst auf die „wichtigsten“ Sachen.
Nachdem sich die SS und das IG-Farben Unternehmen im März 1941 über ihre Zusammenarbeit geeinigt hatten, wurde ein großer Ausbau des Lagers geplant. 32 neue, zweistöckige Baracken sollten entstehen, zudem ein großer Appellplatz, eine neue Küche, ein Badehaus, ein Krankenhaus und ein Lagergefängnis (siehe Abbildung 5). Alle paar Monate entstanden neue, größere Pläne.68 Nach der Erweiterung sollte das Lager 30.000 Häftlinge fassen können (siehe Abbildung 6).69 Hans Kammler entwarf im Sommer 1941 standardisierte Pläne für Konzentrationslager, mit diesen verglichen waren die der Architekten in Auschwitz schier größenwahnsinnig.70 Er empfahl den Bau von 30 zweigeschossigen Baracken, einer Entlausungsanlage, einer Wäscherei, Garagen, einem Wohngebäude für Offiziere, einem Abwassersystem, Straßen und Büros für die Bauleitung.71 In Kammlers Plänen nicht aufgezeigt, aber in denen der Auschwitzer Architekten, die inzwischen unter der Leitung von Bischoff arbeiteten, war eine sogenannte „Sonderbaracke“ (ein Bordell, siehe Abbildung 7) und ein neues Krematorium. Dieses Krematorium (das Krematorium II) wurde zusammen von Kurt Prüfer und Walter Dejaco entwickelt. In nur wenigen Tagen planten sie einen Dreimuffelofen, der 250 Leichen pro Tag verbrennen sollte, von diesem Modell sollten fünf Stück installiert werden. Außerdem beinhaltete der Plan eine Leichenhalle mit -rutsche, ein Kohlenlager und eine Topf-Müllverbrennungsanlage (siehe Abbildung 8). Dieser Entwurf wurde später ähnlich umgesetzt, aber nicht, wie geplant, neben dem alten Krematorium I im Stammlager, sondern in Birkenau.72
Der Plan eines zweiten Lagers in Birkenau wurde seit März 1941 angedacht, als Himmler Auschwitz aufgrund des Vertrages mit der IG-Farben besuchte.73 Himmler wollte dem Unternehmen nicht nur Versprechen geben, sondern auch Taten bieten und ließ so ein neues Lager mit einer Kapazität von 100.000 Insassen planen.74 Gedacht war, die sowjetischen Kriegsgefangenen, deren Ankunft man in einigen Monaten erwartete, dort unterzubringen und sie den IG-Farben als Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Die tatsächlichen Planungen dieses neuen Lagers begannen im Oktober 1941.75
Die erste Skizze für Birkenau stammte von Ertl, der ein großes Quarantänelager, durch eine neutrale Zone getrennt vom Kriegsgefangenenlager, plante (siehe Abbildung 9). Wenige Tage später gab es einen neuen Plan von ihm, die neutrale Zone beinhaltete nun einen Bahnhof und ein Torhaus und das große Lager auf der rechten Seite war nun durch Stacheldraht in zwölf kleine Lager unterteilt (siehe Abbildung 10).76 Die Menschen sollten in Regalen schlafen; in jedem Regal drei Menschen übereinander. Eine Woche nach diesem Plan kündigte Himmler an, dass anstatt 100.000 Gefangenen 125.000 erwartet würden und so zeichnete Bischoff in Ertls Plan einfach vier anstatt drei Menschen pro Regal ein. Eine Baracke fasste so 748 anstatt 550 Männern (siehe Abbildung 11).77 Außerdem zeichnete Bischoff neue Untereinheiten ein und teilte das Gefangenenlager in ein Männerlager, ein Frauenlager, ein Zigeunerlager und ein Familienlager. Laut Ertls Plan vom Oktober 1941 sollten die Baracken aus Ziegeln von abgerissenen Bauernhäusern entstehen, aufgrund der Materialknappheit findet sich im Dezember 1941 aber ein neuer Plan Ertls, in dem die meisten Baracken nun aus Holz-Pferdeställen bestehen.78 Theoretisch konnte ein solcher Pferdestall 48 Pferde und umgerechnet 196 Gefangene beherbergen, in der Praxis waren es aber oft mehr als 400 Häftlinge, die sich einen solchen Stall teilten.79
Dieser Plan war mit einem Kostenvoranschlag von 13,6 Millionen Reichsmark für die erste Phase und nochmals sieben Millionen Reichsmark für die Finalisierung berechnet worden, wegen des Krieges stand aber nur ein Budget von zwei Millionen Reichsmark zur Verfügung.80 So entwarf Bischoff zwei weitere Pläne, der erste sollte mit Material aus IG-Farben Lieferungen umgesetzt werden und benötigte 2,02 Millionen Reichsmark und der zweite benötigte 20,6 Millionen Reichsmark und war von Größenwahn geprägt.81 Er enthielt unter anderem eine eigene Wohnsiedlung der Architekten und ein großes Gebäude der Kommandantur, mit einer Empfangshalle, einem Saal, einem Casino, sogar Wandgestaltungen und Möbel waren bis ins kleinste Detail schon geplant (siehe Abbildung 12).82 Diese Pläne zeugen von dem durch die IG-Farben erwarteten Reichtum.
...
1 Vgl.: van Pelt, Robert-Jan/ Dwork, Debórah: Auschwitz, Von 1270 bis heute. Aus dem Englischen von Klaus Rupprecht, Zürich 1998, S. 10.
2 Vgl.: Ebd.
3 Vgl.: Gutschow, Niels: Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939-1945, Berlin 2001.
4 Vgl.: Fröbe, Rainer: Bauen und Vernichten. Die Zentrale Bauleitung Auschwitz und die Endlösung, in: Gerlach, Christian (Hrsg.): "Durchschnittstäter" – Handeln und Motivation, Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 16, Berlin 2000, S. 155-209, S. 169.
5 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 182.
6 Vgl.: Ebd., S. 300.
7 Vgl.: van Pelt, Robert-Jan: Eine Architektur von Nichts, eine Architektur des Nichts. Ort, Bau und Raum in Auschwitz, in: Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Architektur und Verbrechen. Die Rolle von Architekten im Nationalsozialismus. Kleine Bibliothek der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Bd. 7, Göttingen 2014, S. 19-64, S. 38.
8 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 182.
9 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 38f.
10 Vgl.: Fröbe, Bauen, S. 169.
11 Vgl.: Gutschow, Ordnungswahn, S. 78.
12 Vgl.: Fröbe, Bauen, S. 165f.
13 Vgl.: Ebd., S. 156.
14 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 300.
15 Vgl.: Steinbacher, Sybille: „Musterstadt“ Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien, München 2000, S. 183f.
16 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 304.
17 Vgl.: Ebd., S. 302f.
18 Vgl.: Klee, Ernst: Art. „Ertl, Fritz“, in: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon, Frankfurt am Main 2013, S. 110.
19 Vgl.: Stimpel, Roland: Tiefpunkt der Architekturgeschichte. Architekten in Auschwitz, in: Deutsches Architektenblatt, 01.12.2011, URL: http://dabonline.de/2011/12/01/tiefpunkt-der-architekturgeschichte (11.03.2017).
20 Vgl.: Ebd.
21 Vgl.: Schafranek, Hans: Eine unbekannte NS-Tätergruppe: Biografische Skizzen zu österreichischen Angehörigen der 8. SS-Totenkopf-Standarte (1939–1941), in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Täter. Österreichische Akteure im Nationalsozialismus, Wien 2014, S. 79−105, S. 97.
22 Vgl.: Ebd.
23 Vgl.: Klee, Art. „Dejaco, Walter“, S. 88f.
24 Vgl.: Stimpel, Tiefpunkt (online).
25 Vgl.: Schafranek, NS-Tätergruppe, S. 94.
26 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 303.
27 Vgl.: Schafranek, NS-Tätergruppe, S. 94f.
28 Vgl.: Klee, Art. „Bischoff, Karl“, S. 49.
29 Vgl.: Ebd., Art. „Schlachter, August“, S. 354f.
30 Vgl.: Ebd., Art. „Jothann, Werner“, S. 201.
31 Vgl.: Stimpel, Tiefpunkt (online).
32 Vgl.: Klee, Art. „Stosberg, Hans“, S. 393.
33 Vgl.: Ebd., Art. „Prüfer, Kurt“, S. 323f.
34 Vgl.: Gutschow, Ordnungswahn, S. 186.
35 Vgl.: Schafranek, NS-Tätergruppe, S. 98.
36 Vgl.: Ebd. und auch Gutschow, Ordnungswahn, S. 186.
37 Vgl.: Klee, Art. „Ertl, Fritz“, S. 110.
38 Vgl.: Pressac, Jean-Claude: Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes, München 1994, S. 176.
39 Stimpel, Tiefpunkt (online).
40 Vgl.: Schafranek, NS-Tätergruppe, S. 95.
41 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 303.
42 Vgl.: Schafranek, NS-Tätergruppe, S. 96.
43 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 303.
44 Vgl.: Stimpel, Tiefpunkt (online).
45 Vgl.: Klee, Art. „Kammler, Hans“, S. 205f.
46 Vgl.: Ebd., Art. „Schlachter, August“, S. 354f.
47 Vgl.: Ebd., Art. „Bischoff, Karl“, S. 49.
48 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 233.
49 Vgl.: Ebd., S. 301.
50 Vgl.: Klee, Art. „Bischoff, Karl“, S. 49.
51 Vgl.: Ebd.
52 Vgl.: Ebd., Art. „Jothann, Werner“, S. 201.
53 Vgl.: Ebd.
54 Vgl.: Ebd., Art. „Stosberg, Hans“, S. 393.
55 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 21.
56 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 190.
57 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 32.
58 Vgl.: Ebd., S. 33.
59 Vgl.: Ebd., S. 35.
60 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 182f.
61 Vgl.: Ebd.
62 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 184.
63 Zit. nach: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 184.
64 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 184.
65 Vgl.: Ebd., S. 190.
66 Vgl.: Ebd., S. 192.
67 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 35.
68 Vgl.: Ebd., S. 39.
69 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 232.
70 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 40.
71 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 232.
72 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 41-43.
73 Vgl.: Ebd., S. 44.
74 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 281.
75 Vgl.: van Pelt, Architektur, S. 44.
76 Vgl.: Ebd.
77 Vgl.: Ebd., S. 47-48.
78 Vgl.: Ebd.
79 Vgl.: Ebd.
80 Vgl.: van Pelt/ Dwork, Auschwitz, S. 237.
81 Vgl.: Ebd.
82 Vgl.: Ebd., S. 247-253.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2017, Die Rolle der "Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz" bei der Organisation des Holocaust, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491766
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