Die Kabinette von Papen und von Schleicher


Referat (Handout), 2002

31 Seiten, Note: Keine


Leseprobe


Inhaltsübersicht

0. Einleitung

1. Vorgeschichte von Papens und von Schleichers
1.1. Franz von Papen
1.2. Kurt von Schleicher

2. Zur Regierungszeit von Papens und von Schleichers
2.1. Das Kabinett von Papen – 1. Juni 1932 bis 3. Dezember 1932
2.1.1. Innenpolitik
2.1.2. Außenpolitik
2.2. Das Kabinett von Schleicher – 3. Dezember 1932 bis 28. Januar 1933
2.2.1. Innenpolitik
2.2.2. Außenpolitik

3. Wertung

Literatur- und Quellenverzeichnis

0. Einleitung

Um einen Einstieg in das Referatsthema zu finden, habe ich einen Zeitzeugen befragt zu der Zeit, die auf Brünings Sturz folgt und sich bis zum 31. Januar 1933 erstreckt.

Es ist Haffner in seinem Buch „Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914 – 1933“[1]. Dort schreibt er über die Zeit von Papens und von Schleichers:

„Bis zum Sommer 1932 wurde sie [die Luft in Deutschland; Anm. v. mir] immer stickiger. Dann stürzte Brüning, grundlos und über Nacht, und es kam das seltsame Zwischenspiel Papen-Schleicher: eine Regierung von adligen Herren, von denen eigentlich niemand wußte, wer sie waren, und sechs Monate eines wilden politischen Husarenritts. Damals wurde die Republik liquidiert, die Verfassung außer Kraft gesetzt, der Reichstag aufgelöst, neugewählt, wieder aufgelöst und wieder neugewählt, Zeitungen verboten, die preußische Regierung entlassen, die ganze hohe Verwaltung umbesetzt – und dies alles ging in einer fast heiteren Atmosphäre letzten und äußersten Hazards vonstatten.“

Das Zitat gibt treffend vor, was in dem Referat zu behandeln sein wird, nämlich einerseits zu sehen, „wer sie waren“, d. h. in die Vorgeschichte der beiden Präsidialkanzler zu schauen.

Ich werde dann die Regierungszeit der beiden Kanzler vorstellen, d. h. die Ereignisse, die sich als folgenreich herausstellen.

Bei der Vorbereitung habe ich mich zuerst mit der Zeit der Kabinette beschäftigt und dann mit der Vorgeschichte der beiden Kanzler. So fiel mir in der Vorgeschichte zu beiden manches auf, was sich dann während der Kanzlerzeit bestätigen würde, aber es gibt auch Momente bei beiden Personen, die eigentlich optimistisch stimmen könnten und wo ich dann enttäuscht war.

Haffners Charakterisierung der Zeit als „wilder politischer Husarenritt“ ist, meine ich, recht treffend. Die Ereignisse überstürzen sich nämlich nur so in dieser Zeit.

Bereits für die Brüning-Zeit meint Haffner, daß die Mittelspunktsfigur seit der Septemberwahl 1930 nicht mehr Brüning, sondern Hitler gewesen sei. Er schreibt: „Die Frage heiß nicht mehr: Wird Brüning bleiben?, sondern: Wird Hitler kommen?“[2]

Für die Zeit Brünings erscheint das vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber für die Zeit der Kabinette von Papen und von Schleicher drängt sich diese Frage wirklich auf, erst Recht aus der Retrospektive betrachtet.

Je näher man dem 30. Januar kommt bei der Beschäftigung mit dieser Zeit, desto intensiver stellt sich einem unwillkürlich die Frage „Was wäre, wenn ...“ Wir hatten diese Frage in einer vorherigen Sitzungen bereits als unhistorisch bezeichnet, aber ich fand es doch interessant zu sehen, daß man für diese Zeit doch eine Ausnahme macht in der Fragestellung. Kolb etwa stellt mehrfach die Frage danach, ob bestimmte Ereignisse und letztendlich das Scheitern der Weimarer Republik zwangsläufig war oder ob es Alternativen gab. Er sagt: „Dergleichen Überlegungen sind gewiß spekulativ, aber angesichts dessen, was sich dem dann seit Januar in Deutschland ereignete nicht müßig.“[3]

Ich werde im wesentlichen zwei konkurrierende Konzepte vorstellen, das sog. Zähmungskonzept und den Plan eines Staatsnotstandes.

Mit dieser Frage, ob die Weimarer Republik scheitern mußte, hängt dann auch eng die Frage zusammen, welchen Einfluß Individuen auf die Geschichte in dieser Zeit hatten.[4] Ich habe die Memoiren Brünings zu dieser Zeit gelesen, und da war ich des öfteren erschreckt, wie folgenschwere Entscheidungen oft auf das Wort einer gewichtigen Persönlichkeit zurückgehen und wie oft persönliche Intrigen dominieren. Das war eine der schwerwiegenden Folgen der Regierungsweise durch Präsidialkabinette, daß die Entscheidungen in einem sehr engen Personenkreis um Hindenburg gefällt wurden.

1. Vorgeschichte von Papens und von Schleichers

Beide sind, wie aus dem Namen ersichtlich, adliger Herkunft.

1.1. Franz von Papen

- 1879 in Werl (bei Soest, d. h. in Westfalen) geboren[5]
- altadelige katholische Familie, 900jährige Familiengeschichte
- sein älterer Bruder übernahm das väterliche Gut Koeningen, und Papen entschied sich für die militärische Laufbahn, gegen den Willen der rheinischen Mutter.

(=> eine rheinische Mutter ist ja eigentliche eine gute Voraussetzung, um Kanzler zu werden, wie wir jetzt des öfteren hören :-))

- 11jährig begann er seine militärische Ausbildung in der Kadettenschule in Bensberg (bei Köln)

=> Erziehung zu unbedingtem Gehorsam, Disziplin, Kaisertreue

kritisch formuliert: zu unkritischem Befehlsempfänger

- 1895 ist er Unteroffizier und wird in die Nähe von Berlin versetzt und wird dort weiter ausgebildet. Er gehört zu den 90 besten der 600 Prüflinge und darf noch ein Jahr länger bleiben. Dort habe man ihn als Erwachsenen behandelt, was er daran festmacht, daß er nun zur Uniform ein Seitengewehr habe tragen dürfen.

=> Darin manifestierte sich nach Papen die Behandlung als Erwachsener! Wie steht es um seine geistige Entwicklung?

- Beförderung zum Leutnant um ein halbes Jahr vorgezogen
- Er wird in das königliche Pagenkorps aufgenommen, d. h., er ist am Hof des Kaisers

=> zutiefst verbunden mit der Monarchie (wichtig für Zeit als Kanzler!)

- Beförderung zum Offizier (?) und Versetzung nach Düsseldorf, in ein Regiment, in dem bereits sein Vater gedient hatte
- 1905 heiratet von Papen Martha von Boch-Galhau, die Tochter eines begüterten Saarindustriellen
- 1907: Papen besteht die Aufnahmeprüfung und wird in die Kriegsakademie nach Berlin versetzt
- 1911: Papen wird in den Großen Generalstab kommandiert

1913: Papen, inzwischen Hauptmann, wird Mitglied des Deutschen Generalstabes

- 1913: Papen wird zur Botschaft nach Washington kommandiert und 1914 zum Militär-Attaché der Botschaft in Washington und der Gesandtschaft in Mexiko ernannt

(DUDEN: Attaché: Anwärter des diplomatischen Dienstes; einer Auslandsvertretung zugeteilter Berater)

1916 (oder 1915, wie Graml, S. 206, sagt?) von der amerikanischen Regierung ausgewiesen, weil er bei dem Versuch ertappt wird, Sabotageakte in den Häfen der amerikanischen Ostküste und in amerikanischen Fabriken zu organisieren.

=> wichtig für die außenpolitische Wirkung der Ernennung von Papens zum Kanzler

- seine Rolle während des 1. Weltkrieges:

Papen warnte davor, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg aufzunehmen, und sagte, das führe zum Kriegseintritt der USA, und das bedeute, daß der Krieg verloren sei.

Februar 1916: Kommandierung an die Westfront

Juli 1917: Inzwischen Major, wird Papen an die Palästina-Front versetzt

1918: Chef des Generalstabs der 4. Türkischen Armee, „Kaiserlicher Osmanischer Oberstleutnant“

Das Kriegsende erlebte er in Palästina. Als er zurückkehrt, hat Scheidemann schon die Republik ausgerufen, war der Waffenstillstand schon unterzeichnet, das Kaiserreich gab es nicht mehr.

Papen formuliert in seinen Memoiren: „Alles woran wir seit Generationen geglaubt, wofür wir gelebt und gekämpft hatten, schien vernichtet.“[6]

Papen als königlich-preußischer Offizier sah keinen Platz mehr für sich in dieser Republik und reichte seinen Abschied ein, d. h., er beendet mit gerade einmal 40 Jahren seine mühsam erarbeitete militärische Karriere. Er behielt sich vor, weiterhin die Uniform des Generalstabs der Armee tragen zu dürfen.

=> Wir haben es mit einem Kanzler zu tun, dessen Biographie völlig zerrüttet worden war mit dem Ende des Ersten Weltkrieges.

Nach dem, was wir über ihn gehört haben, fällt es nicht schwer, zu verstehen, daß ein solcher Kanzler sich kaum für demokratisch-parlamentarische Ideale stark machen würde.

Brüning hatte Geschichte, Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studiert, was möglicherweise eine gute Voraussetzung ist, um das Kanzleramt zu übernehmen. Aber in der militärischen und nationalen Grundhaltung, in ihrer Skepsis gegenüber der parlamentarischen Demokratie und der Ablehnung des Versailler Vertrages sind sich beide durchaus ähnlich.

Ganz einig sind sich beide darin, daß die politische Linke abzuwehren und zu entmachten ist, daß die Nation zersetzt, weil sie auf die Klasse setzt.

Das heißt, was wir hinsichtlich Brüning diskutiert haben, ob er noch Weimar ist oder nicht, läßt sich für Papen schon aus den bisherigen Daten seiner Biographie recht eindeutig mit „Nein“ beantworten.

- Was Papen durch das Ende der Monarchie an Rückhalt verloren hatte, suchte er dann im Kleinen wiederzufinden und ließ sich in der Nähe von Dülmen im Münsterland nieder, und zwar als Gutspächter.

Dort findet er in den konservativen, katholischen und antidemokratisch gesinnten Bauern Gesinnungsgenossen.

- 1920 wird er dann gebeten, sich doch für die landwirtschaftlichen Interessen im Parlament einzusetzen. Dadurch stellt sich ihm die Frage, welcher Partei er sich anschließen soll. Für ihn kamen sowohl die Deutschnationalen in Frage wie auch die Zentrumspartei. Brüning entschied sich für die Zentrumspartei.

Papen stimmte nicht mit der Auffassung der DNVP überein, wonach der neue Staat völlig zu verneinen sei. Das oberste Gebot des Offiziers war die selbstlose Pflichterfüllung, und das galt auch für die jetzige Staatsform. (Von Seekt hatte ihn wie alle Offiziere des Generalstabes zur Mitarbeit in der neuen Republik aufgefordert, auch wenn die Form gewechselt habe.)

=> das stimmt etwas optimistisch hinsichtlich Papens als Kanzler

Für das Zentrum ergab sich nun das Problem, daß mit Papen jemand in die Partei getreten war, der eine der konservativere Linie als die, die etwa Erzberger und Wirth verfolgten, die republikanisch eingestellt waren (?).

- Papen wird aber als Kandidat für die preußische Landtagswahl aufgestellt, und zwar für den Wahlkreis Westfalen-Nord, weil die Bauernvereine und deren Bauern ein großes Wählerpotential boten und sie andernfalls zur DNVP abzugleiten drohten oder eine eigene Interessenpartei gründen könnten.

Papen verfügte auch über das Geld, um sich über eine längere Zeit in Berlin aufzuhalten und um sein gepachtetes Gut bewirtschaften zu lassen.

=> Papens Frontstellung, die dann auch für seine Kanzlerzeit bedeutsam ist – ich nenne nur schon hier den sog. Preußenschlag –, läßt sich hieraus schon recht gut ersehen: Er tritt an mit dem Ziel, in Preußen die SPD zu entmachten, indem sich die Vertreter landwirtschaftlicher Interessen gegen sie stark machten.

- Er verfolgt auch eine der SPD entgegengesetzte Konzeption, die die Landwirtschaft nicht wie die Industrie organisieren will etc. Überhaupt ist er sehr gegen staatliche Reglementierung in der Wirtschaft, will die Beamtenschaft reduzieren, um die Ausgaben der Regierung zu senken (Hatte die heile Welt in den Keramikwerken seines Schwiegervaters vor Augen, wo wirklich keine Gewerkschaften und kein staatliches Reglement vonnöten war (?)).

Die von ihm geforderte Aufhebung der staatlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährung vergleicht er mit der Aufhebung der Leibeigenschaft. Das verlangt er aber nur für den Binnenmarkt. Nach außen fordert er den Staat zu Schutzzöllen auf.

Das heißt in dieser Hinsicht vertritt er durchaus liberale Ansichten.

=> Zeigt sich das in Papens Wirtschaftpolitik als Kanzler? Jedenfalls hat er durchaus Profil auch in dieser Hinsicht, ist nicht nur ein Hinterbänkler, wie er oft dargestellt wird.[7]

Diese wirtschaftspolitischen Ansichten bringen ihn jedenfalls in einen fundamentalen Gegensatz zu denen der SPD.

- Papen läßt sich aber ansonsten als ein konservativer Abgeordneter identifizieren. Dabei gibt es im wesentlichen drei konservative Kräfte, Reichswehr, Beamtenschaft und das Bauerntum. Papen ist also sozusagen doppelt konservativ aufgrund seiner Affinität zu Reichswehr und Bauerntum.
- Die SPD steht zu dem nach der Landtagswahl gebildeten Kabinett in scharfer Opposition.

Im Sinne Papens ist SPD von der Mitarbeit ausgeschlossen und das Kabinett stützt sich auch auf die DNVP.

=> die Rechte heranzuziehen zur Mitarbeit, ist auch bedeutsam für Papens Kanzlerzeit (??)

- November 1921 dann aufgrund von Schwierigkeiten mit der DNVP Rücktritt Stegerwalds und seines Kabinetts und Bildung eines neuen Kabinetts unter Otto Braun, d. h., die SPD wird hinzugezogen und die DVP verbleibt.

Ministerpräsidentenwahl geheim, deshalb Wahl Papens nicht nachzuprüfen, aber er arbeitete in den folgenden Jahren loyal mit, nicht zuletzt um ein Zusammenschluß von SPD und USPD zu verhindern. Er profiliert sich mit seinem Sachverstand in landwirtschaftlichen Dingen.

=> vor dem Preußenschlag muß also ein Gesinnungswandel stattgefunden haben (???)

- Papen äußert sich etwa in einer Rede vor dem Preußischen Landtag auch zu Finanzfragen und sagt, der preußische Haushalt müsse helfen, die Reparationsforderungen zu erfüllen.

=> Seine spätere Zusammenarbeit mit Hitler darf also nicht darüber hinwegtäuschen, daß Papen auch konstruktive „Erfüllungspolitik“ betrieben hat.

Angesichts der Inflation von 1923, die ganz besonders hart die Landwirtschaft traf und die Papen auf die Reparationszahlungen zurückführt, kehrt er sich allerdings von der „Erfüllungspolitik“ ab.

- Bemerkenswert ist auch die Rolle Papens, die er nach der preußischen Landtagswahl im Dezember 1924 spielt. Die Wahl brachte der DNVP einen großen Stimmgewinn (+25 Sitze), während verlor zahlreiche Sitze (-22).

Jetzt sieht Papen den Zeitpunkt gekommen, mit dem Zentrum nach rechts zu schwenken, weg von der Koalition mit der SPD, hin zu einer Koalition mit der DNVP, die er schon vorher dazu bewogen hatte, für den Dawes-Plan zu stimmen.

In einem Vertrauensvotum in Januar 1925 bleibt Papen mit 2 anderen Abgeordneten der Abstimmung fern, d. h., er wendet sich gegen die Fraktion. Zwar ist das nicht abstimmungsentscheidend, aber Braun tritt zurück.

=> Kollision Papens mit dem republikanisch eingestellten Flügel des Zentrums.

Ich schildere das so ausführlich, weil es den Verständnishintergrund schafft für Papens Parteiaustritt, als er Kanzler wird.

- Papen kauft die Aktienmehrheit des Zentrumsorgans „Germania“.

=> mit der Germania bedient sich Papen außerparlamentarischer Mittel, vergleichbar mit Hugenberg von der DNVP (??)

- In der folgenden Wahl des Ministerpräsidenten stimmt Papen allerdings wieder für Braun, allerdings unter der Bedingung, keine Weimarer Koalition (SPD, Zentrum DDP), sondern die DVP mit einzubinden, d. h., zu der alten Großen Koalition zurückzukehren. Der Kronprinz tadelte Papen für sein Abstimmungsverhalten, und Papen rechtfertigte sich in einem Brief an den Kronprinzen für sein Verhalten.

=> Will Papen mit dem Parteiaustritt und als Kanzler – etwa mit dem „Kabinett der Barone“ – dem katholischen Adel und dem Kronprinzen zeigen, daß er loyal zum Haus Hohenzollern steht? (???)

- Braun kann aber die DVP nicht gewinnen.

Deshalb im Februar 1925 Neuwahl, bei der der frühere Reichskanzler Marx zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Aber bei der Vertrauensabstimmung erhält Marx keine Mehrheit, und auch Papen bleibt der Abstimmung fern, weil Marx Kabinett mit einem SPD-Mitglied ein Kabinett der Weimarer Koalition sei.

Aufgrund des Rückhalts im westfälischen Zentrumsteil und aus Angst vor einer Spaltung der Partei muß Papen sein Mandat doch nicht niederlegen.

- Wo von Papen politisch einzuordnen ist, zeigt sich auch anläßlich der Reichspräsidentenwahl 1925.

Papen machte sich für Reichswehrminister Geßler stark, der als „rechts-katholisch und doch nicht Zentrum-Bayer und großdeutsch“ eingeschätzt wurde“.[8] Ihn als gemeinsamen Kandidaten der bürgerlichen Parteien durchzusetzen, scheitert an der DVP (Stresemann).

Als ein zweiter Wahlgang nötig wird, wird Marx wie im ersten Wahlgang als Kandidat aufgestellt, diesmal schloß sich die SPD dem Zentrums-Kandidaten an.

Nicht dem Kandidaten Marx anschließen wollte sich von Papen. Weil Marx mit der Unterstützung der SPD gewählt werden würde, glaubte er, das Zentrum würde sich damit für Preußen verpflichten. Marx werde als Republikaner deklariert und dem Monarchisten Hindenburg gegenübergestellt, obwohl doch das Zentrum Anhänger beider Staatsformen beheimate.

Papen machte sich für Hindenburg stark, veröffentliche ein Telegramm Hindenburgs, in dem dieser Papen für die Unterstützung dankte.

- Als Gegenleistung dafür, daß die SPD Marx unterstützte, wählte das Zentrum in Preußen Braun im April 1925 abermals zum Ministerpräsidenten.

Der Vertrauensabstimmung blieb Papen aber demonstrativ fern, d. h., er folgte der Fraktionsdisziplin nicht. Braun erhält aber dennoch das Vertrauen, weil auch 5 DVP-Abgeordnete der Abstimmung fernbleiben, um Braun zum Erfolg zu verhelfen.

Papen erscheint im Zentrum als Geisterfahrer, der sich beklagt, daß ihm so viele entgegen kommen. Aber er verbleibt im Zentrum, weil er sich verpflichtet fühlt, seinem Gedanken der Rechtsschwenkung zur Akzeptanz zu verhelfen.

Papen wird nicht von der Partei ausgeschlossen, weil diese eine Spaltung fürchtet, weil Papen in den westfälischen Bauern großen Rückhalt hatte, er als Mehrheitsaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender der „Germania“ Einfluß besaß.

Papen wurde allerdings in Preußen von den Ausschüssen ferngehalten von nun an, und er meldet sich auch erst nach ca. zwei Jahren nach der Landtagswahl vor dem Plenum zu Wort – möglicherweise liegt hier die Annahme begründet, bei Papen handele es sich um einen Hinterbänkler (s. o.).

=> von Papen ist es nicht gelungen, auf parlamentarischem Weg sein Ziel, die Schwenkung des Zentrums nach rechts, durchzusetzen.

Wird er sich nun ggf. nichtparlamentarischer Mittel bedienen? Etwa auf die „Germania“ oder auf persönliche Beziehungen, um nicht zu sagen Intrigen, setzen?

Das ist möglicherweise kein gutes Omen für ein Kanzleramt Papens und sein Verhalten gegenüber Preußen.

- In der folgenden Diskussion um den Weg des Zentrums in der Zukunft macht sich Papen stark für die Anwendung des „Autoritätsprinzips“ und bezeichnet die Volkssouveränität als „moderne Häresie“, die auf den „Lehrern der französischen Revolution“ aufgebaut sei. Statt auf „Zahlenmehrheiten“ setzt er auf „Führerpersönlichkeiten“.[9] Bach formuliert treffend, daß Papen an eine „geschichtsbefugte Minderheit“ geglaubt habe, wozu er sich zählte.[10]

(Wirth tritt im August 1925 aus der Reichstagsfraktion aus, was die heftige Auseinadersetzung belegt.)

=> Von der zu Anfang geäußerten Auffassung, wonach Pflichterfüllung das wichtigste sei, ungeachtet der Staatsform (s.o.), ist Papen hier also schon weit entfernt.

Zu sehen, wofür er etwa mit dem „Preußenschlag“ den Weg ebnete, kann man von Papen kaum erwarten.

Staatsnotstandspläne aus diesem Gedankengut heraus verständlich (??).

- Papens Pläne eines Rechtsschwenks des Zentrums werden allerdings durchkreuzt, als auf Reichsebene die DNVP die Mitarbeit bei der Koalition unter Luther aufkündigt. Die DNVP schien sich nun selbst als regierungsunfähig zu bekunden.

Papen schlägt einen versöhnlicheren Ton an, etwa in einer Diskussion mit Wirth auf dem Erfurter Parteitag 1926. Dort spricht Papen von einer „Hülle des Staates“, die mit „Geist“ gefüllt werden müsse.[11]

Er glaubt also, die Staatsform der Republik sei mit christlich-konservativem Geist auszufüllen.

Wirth hingegen glaubt, man müsse auch die hinter der Staatsform der Republik stehenden geistigen Prinzipien teilen, etwa Volkssouveränität und Selbstbestimmung.

[...]


[1] Sebastian Haffner, Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914 – 1933 (Stuttgart u. a.: 52000), S. 91.

[2] Ebd., S. 87.

[3] Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik (München: 52000), S. 142.

[4] Vgl. ebd., S. 136 u. 144.

[5] Im wesentlichen anhand von Jürgen A. Bach, Franz von Papen in der Weimarer Republik. Aktivitäten in Politik und Presse 1918 – 1932 (Düsseldorf: 21977).

[6] Zitiert nach ebd., S. 19.

[7] Vgl. z. B. Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. 1, Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik (München: 2000), S. 511, mit Bach 1977, S. 61 und Anm. 2.

[8] Diese Äußerung eines Politikers referiert Schleicher; zitiert nach Bach 1977, S. 88.

[9] Zitiert nach Bach 1977, S. 106 u. 114.

[10] Ebd., S. 118.

[11] Zitiert nach ebd., S. 126.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Kabinette von Papen und von Schleicher
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal  (Geschichte)
Note
Keine
Autor
Jahr
2002
Seiten
31
Katalognummer
V4918
ISBN (eBook)
9783638130004
ISBN (Buch)
9783638638791
Dateigröße
683 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kabinette, Papen, Schleicher
Arbeit zitieren
Marcel Haldenwang (Autor:in), 2002, Die Kabinette von Papen und von Schleicher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4918

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Titel: Die Kabinette von Papen und von Schleicher



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