Formen und Methoden der Musiktherapie


Vordiplomarbeit, 1999

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Der geschichtliche Hintergrund der Musik in der Heilbehandlung

2. Funktionale Musik und ihre psycho-physische Wirkung
2.1 Die therapeutische Anwendung der funktionalen Musik

3. Die einzelnen Komponenten der Musik aus gestalttherapeutischer Sicht
3.1 Klang
3.2 Rhythmus
3.3 Melodie
3.4 Dynamik
3.5 Form

4. Formen der Musiktherapie
4.1 Rezeptive Musiktherapie
4.2 Die aktive Musiktherapie
4.3 Einzel- und Gruppentherapie
4.4 Methoden der psychotherapeutischen Musiktherapie

5. Wie sich die Musiktherapie von anderen Psychotherapien unterscheidet

6. Schluß

Literatur:

Einleitung

Obwohl das Wissen über die heilende Wirkung von Musik seit Jahrtausenden in sämtlichen Weltkulturen bekannt ist und zahlreiche Malereien, Dokumente und Gesundheitsführer positive Erfahrungen der vorwissenschaftlichen, magischen Heilpraxis überliefern, befindet sich die Musiktherapie erst sei jüngster Zeit auf dem Weg zu einer wissenschaftlich fundierten ganzheitlichen Psychotherapie. Sie entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus mehreren voneinander unabhängigen Richtungen, die im wesentlichen aus der Schulmedizin, der klinischen Psychologie, der Pädagogik und der Sonderschulpädagogik bestehen. Das Erscheinungsbild der heutigen Musiktherapie ist daher sehr vielfältig und deckt ein weites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten ab.

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem derzeitigen Stand der psychotherapeutisch verstandenen Musiktherapie auseinander, berücksichtigt die Wirkung der Musik auf den Menschen und versucht zu verdeutlichen, wie sich die Musiktherapie von anderen Psychotherapien unterscheidet.

1. Der geschichtliche Hintergrund der Musik in der Heilbehandlung

Aufgrund der Art, wie die Wirkung der Musik auf den Menschen erklärt wird, kann man die Methodik der Musiktherapie geschichtlich in vier Kategorien einteilen: 1. Die magisch-mythische Form der Musikheilung 2. Die rational-wissenschaftliche Musiktheilung 3. Musik und Medizin vom 15.-19. Jahrhundert 4. Die Auffassung der heutige Musiktherapie. Die Darstellung der heutigen Auffassung der Musiktherapie ist Anliegen dieser Arbeit und somit aus den übrigen Abschnitten zu entnehmen.

In Zeiten, in denen die Menschheit an Götter oder an andere übernatürliche Kräfte glaubte, wurde der Musik eine magische Kraft zugeschrieben. Mit ihr konnte man die Götter beschwichtigen, die für Krankheiten verantwortlich gemacht wurden. Allein der Glaube an die Kompetenz des Schamanen, an das Ritual und an die Mythe des Heilungsprozesses waren ausschlaggebend für die Heilung von Krankheiten. Die Musik hatte dabei die Funktion einer Art Zauberformel und bot dem Kranken ein besonders intensives, rauschhaftes Erlebnis mit überaus großen Emotionen, die ihm den Zugang zur magisch-mythischen Welt eines unbegrenzten Seins öffnete; in der Musik sind Ich und Außenwelt, Vorstellung und Wahrnehmung, Phantasie und Wirklichkeit untrennbar miteinander verbunden. Bei den Ritualen spielten auch die Angehörigen und Bekannten der Kranken eine große Rolle, die aktiv beteiligt waren und den zuvor isolierten Patienten wieder in die Gemeinschaft reintegrierten[1].

In der klassischen Antike wurde die magisch-mythische Denkweise von der rational-wissenschaftlichen abgelöst. Pythagoras und seine Anhänger (um 500 v.u.Z.) waren der Überzeugung, daß die Zahl das alles durchdringende metaphysische Grundelement sei. Man fand heraus, daß es quantitative Beziehungen zwischen den Intervallen gibt (z.B. bei der Oktave das Frequenzverhältnis 1:2, bei der Quinte 2:3), die auch den Proportionen des Kosmos entsprechen. Die Musik wurde damit zu einem umfassendem therapeutischem Prinzip zur Wiederherstellung geistig-seelischer Harmonie und zur Schaffung entsprechender psycho-physischer Proportionen. Nach dieser Auffassung wirkt Musik, indem sie seelische Unordnung durch ihre eigene Harmonie wieder in den Zustand natürlicher Ordnung verwandelt. Später kam noch die Vorstellung hinzu, daß bestimmte Tonskalen spezifische Wirkungen haben. Die phrygische Tonleiter kann demnach z.B. aufmuntern und motivieren, die dorische beruhigen.[2]

Im 15. und 16. Jahrhundert nahm das Interesse an der Musikheilung stark zu. Sie stand im Mittelpunkt vieler abstrakt-spekulativer Arbeiten im Bereich der Medizin und anderer Wissenschaften. Die heilende Kraft der Musik wurde der Beziehung zwischen der Musik und den menschlichen Affekten zugeschrieben. Der Arzt und Philosoph Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535) versuchte die Heilwirkung der Musik, vor allem des Gesangs, zu erklären. Er kam zu der Überzeugung , daß der Gesang den Geist und die Einbildungskraft des Singenden harmonisch ausdrücken könne und die Gefühle und Leidenschaften weitergegeben werden könnten.

Im Zeitalter des Barock (1580-1750) beeinflußten zwei bedeutende Ereignisse die Anschauungen über die Musikheilung. Zum einen war dies Descartes Trennung von Leib und Seele und die Entdeckung des Blutkreislaufs durch William Harvey. Um die Wirkung von Musik auf Kranke zu erklären, bediente man sich nun physikalischer und chemischer Erkenntnisse. Gesundheit erschien als ein ungestörter Ablauf von vor allem mechanischen Vorgängen im Körper. Man vermutete, daß Geisteskrankheiten auf quantitativen und qualitativen Veränderungen der „spiritus animalis“ (Seelengeister) beruhen.

Die praktische Anwendung der Musik in der Medizin wurde im 19. Jahrhundert immer mehr auf psychische und psychogene Leiden beschränkt. Körperliche Krankheiten wurden nur noch als indirekte Folge der psychischen Erkrankungen mit Musik behandelt.

2. Funktionale Musik und ihre psycho-physische Wirkung

Ausgangspunkt für den Einsatz des Musikhörens in der Therapie war die Vorstellung, daß Musik ähnlich wie Medikamente gezielt zur Behandlung von psychischen und physischen Störungen eingesetzt werden könnte.

Die physiologische Wirkung von Musik auf den menschlichen Körper kann heute wissenschaftlich exakt gemessen werden, wohingegen die psychologische Wirkung nur subjektiv geschildert oder erahnt werden kann. In Folgendem sollen Ergebnisse von Untersuchungen verdeutlichen, wie musikalische Elemente wie Rhythmus, Melodik, Harmonie und Lautstärke, auf den Menschen wirken. Dabei beziehen sich die Aussagen lediglich auf die gemessene psycho-physische Intensität, die der Mensch beim Hören von Musik hat, jedoch nicht auf den Inhalt der emotionalen Reaktion.

Ergotrope Musik

Sinngemäß bedeutet die griechische Übersetzung von „ergotrop“, speziell auf den Sympathikus bezogen, die Mobilisierung aller Energien des Organismus. Man versteht darunter eine Musik, die in ihrer Zeitstruktur vorwiegend mit rigiden, durchgehend harten Rhythmen tönt, sich im Verlaufe eines Stückes beschleunigt, vorwiegend in Dur-Tonarten steht und Dissonanzen aufweist. Hört man Musik mit diesen Eigenschaften in höheren Dezibelstärken, so führt das beim Hörer überwiegend zu einer Erhöhung des Blutdrucks, Beschleunigung von Atemfrequenz und Puls, vermehrtem Auftreten rhythmischer Kontraktionen der Skelettmuskulatur, Pupillenerweiterung und einem erhöhtem Hautwiderstand[3]. Dieser Art von Musik begegnet man überall dort, wo gute Stimmung herrschen soll, so z.B. in Diskotheken, bei Partys, Karneval usw., weil sie belebt, ermutigt und positiv stimuliert. Wenn bei ergotroper Musik intensive Rhythmisierung mit einer Lautstärke von 65 Dezibel kombiniert wird, beeinflußt sie eine Gehirnregion, die für unser Wachsein und damit für unseren Bewußtseinszustand zuständig ist. So reagiert das Vegetativum, auch ohne unseren Willen und unabhängig von der psychischen Einstellung des Hörers zum Gehörten. Auch kann ergotrope Musik zu rauschartigen Zuständen führen, die sonst nur mit härteren Drogen erreicht werden können.

Trophotrope Musik

Unter Trophotropie versteht man den Zustand des vegetativen Nervensystems, der der Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit dient. Diese Musik weist schwebende, wenig akzentuierte Rhythmen auf, steht vorwiegend in Moll-Tonarten, läßt deutlich Konsonanzen vorherrschen, läßt durchgängig harmonische Grundbewegungen erkennen, ist von sanften fließenden Melodien gekennzeichnet und erschallt in geringeren Dezibelstärken. Trophotrope Musik bewirkt einen Abfall des Blutdrucks, flacheren Atem, Pulsverlangsamung, Entspannung der Skelettmuskulatur, Pupillenverengung, geringeren Hautwiderstand, allgemeine Beruhigung und Somnolenz (Benommenheit, bzw. Schläfrigkeit)[4].

Die musikalisch-akustischen Reize trophotroper Musik stimulieren den Vagus-Nerv und damit den para-sympathischen Teil des Vegetativums, dessen Tonus (Spannung) damit wächst und ein Übergewicht über den Sympathikus erhält, was bei Menschen eine entspannende und beruhigende Wirkung einsetzen läßt. Einige Arzneistoffe (z. B. Psychopharmaka) beschreiten die gleichen Pfade wie trophotrope musikalische Reize, die teilweise dieselben Reaktionen bewirken und bei einigen Patienten Medikamente ersetzen könnten.

2.1 Die therapeutische Anwendung der funktionalen Musik

In Folgenden Bereichen findet man Anwendungen von funktionaler Musik, die jedoch nicht als Musikpsychotherapie verstanden wird, weil sie nur die Funktion einer ergänzenden Komponente innerhalb eines Behandlungskonzepts hat.[5] In der Krankengymnastik (Physiotherapie) wird zunehmend Musik in Trainingsprogrammen, beispielsweise bei Herz-Patienten (nach Infarkt, Bypass oder Herzklappen-Operation), oder auch bei medizinischen Massagen einbezogen.

[...]


[1] Weitere Informationen siehe: Deest, H.v.; 1994, S. 133ff.

[2] Vgl. Deest, H.v.; 1994, S. 142

[3] Vgl. Decker-Voigt 1991, S.55f

[4] ebd. S.77ff

[5] ebd. S. 90ff

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Formen und Methoden der Musiktherapie
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Erziehungswissenschaft)
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
22
Katalognummer
V49249
ISBN (eBook)
9783638457446
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Formen, Methoden, Musiktherapie
Arbeit zitieren
Armin Schreiber (Autor:in), 1999, Formen und Methoden der Musiktherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49249

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