"Die Schreibmaschinentäterinnen" und die Wiener Jugendfürsorge in den Jahren 1945-1970

Ihr Beitrag zur Durchsetzung einer gegen Mädchen, Frauen und deren Kinder gerichteten Geschlechterordnung


Diplomarbeit, 2013

308 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundriss der Arbeit
2.1 Gegenstand und Untersuchungszeitraum
2.2 Materialbasis und ihre Reichweite
2.3 Wissenschaftlicher Kontext, Erkenntnisinteresse und Fragestellung
2.4 Stellenwert

3 Die Sicht der Gegenwart auf die Vergangenheit
3.1 In Deutschland
3.1.1 Die Vergangenheit ist gegenwärtig
3.1.1.1 “Die Macht der ,Diagnosen‘ - und die Geduld der Opfer“
3.1.1.2 „Die entwürdigenden pädagogischen Maßnahmen“
3.1.1.3 „Frauen- und Geschlechterforschung“
3.1.1.4 „Lebensbewährung nach öffentlicher Fürsorge“
3.1.2 Weitere Literatur in Deutschland
3.2 In Österreich

4 Amtsvormundschaft

5 „Unehelichkeit“

6 Recht und Unrecht

7 Hinweise zur Geschichte der Institution

8 Misshandlung und Missbrauch
8.1 Das Jugendamt und das Züchtigungsrecht
8.2 Das Jugendamt und der Missbrauch
8.3 Die „Züchtigungsüberschreitung“ zum Zeitpunkt der Abschaffung des Züchtigungsrechts

9 Das wissenschaftliche Umfeld von Marianne Estl und Hermine Koller
9.1 Die Ideologieproduktion in Mitteleuropa
9.2 Ilse Arlt
9.3 Edeltrud Baar
9.4 Hans Asperger und Ernst Kretschmer
9.5 Rosa Dworschak
9.6 Gretl Sonnleitner
9.7 Gerhard W urzb acher
9.8 Maria Zillig
9.9 Wi edergängerInnen

10 Fallgeschichten
10.1 Marianne Estl
10.2 Hermine Koller
10.2.1 Die Fallgeschichten Kollers
10.2.2 Das Geisteshaltung Kollers und das Jugendamt
10.3 Otto Tumlirz

11 Zusammenfassung

12 Literaturverzeichnis

13 Quellen

14 Anhang
14.1 Auszug aus den rechtlichen Bestimmungen
14.2 Abstract
14.3 Lebenslauf

1 Einleitung

Manche jener Instanzen, die sich anheischig machen, das Menschenbild einer Gesell­schaft zu prägen, Philosophie, Pädagogik, Psychiatrie, Religion, verfügen über sehr rea­le Machtmittel, wie das Recht und - die Jugendfürsorge. Jede einzelne dieser Instanzen geht einen eigenen Weg, beeinflusst die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung, in die sie ihrerseits eingebunden ist.

Mein Interesse an diesem Thema ergab sich aus der Vermutung, dass in diesem winzi­gen Segment mächtige Impulse gesetzt wurden und dass die vorgebliche Zielsetzung dieser Institution „Hilfe für Kinder“ ein Tabu schuf, das kritische Auseinandersetzung lähmte, sodass Sonderrechte und Sichtweisen - abgeschottet vom gesellschaftlichen Ganzen in der Tradition des Armenwesens - bewahrt werden konnten und dass insbe­sondere eine vom „Amt“ selbst definierte Unzukömmlichkeit, Mangelhaftigkeit weibli­cher Wesen geschaffen und als legitimes Betätigungsfeld hergestellt wurde.

Das zweite Motiv für die Arbeit ist ein emotionales: meine Tante, Berta Czipke, die ich - gemeinsam mit anderen - wegen ihres beruflichen Einsatzes, wegen ihrer Standhaftig­keit und Tapferkeit, wegen ihres sozialen Engagements bewunderte und verehrte, arbei­tete von 1945 bis 1973 im Wiener Jugendamt und setzte ihr Leben für diese Arbeit ein, ihr Leben, das sie durch mehr als zehn Jahre politischer und rassischer Verfolgung hin­durch nur knapp gerettet hatte.

2 Grundriss der Arbeit

2.1 Gegenstand und Untersuchungszeitraum

Die Arbeit soll die Tätigkeit der Jugendfürsorge in Bezug auf Mädchen und Frauen be­leuchten; vorrangig sollen die Vorstellungen und Diskurse, insbesondere die als „Psy­chologie“ der „Wissenschaft“ zugerechneten, in Wirklichkeit jedoch handlungsleiten­den Texte behandelt werden, die das Vorgehen im Fall von gefährdeter Weiblichkeit bestimmten.

Die rechtliche Basis ist das je aktuelle Jugendwohlfahrtsgesetz mit dem Ausführungsge­setz des jeweiligen Bundeslandes, die Beschränkung auf Wien ist also sachgerecht. Schwieriger ist die zeitliche Abgrenzung: Es handelt sich um Traditionen und um Rechtsinstitute, wie die Amtsvormundschaft, die noch in der Monarchie entstanden sind und die mehrere politische Systeme unangefochten überdauerten. Die Arbeit setzt 1945 mit einer politischen Zäsur ein, deren Bedeutung als Einschnitt für die Jugendfürsorge genauso problematisch ist wie die Wahl des chronologischen Endpunktes. Als ein sol­cher bietet sich die Änderung des Kindschaftsrechtes 1970 an, demzufolge die Mutter eines unehelichen Kindes auf ihren Antrag zum Vormund zu bestellen ist, „wenn sie geeignet ist“, auch wenn für das Kind die gesetzliche Amtsvormundschaft besteht (was ja immer der Fall war), „außer diese entspricht dem Wohle des Kindes besser“.1

Diese mühsam erkämpfte Formulierung ist als Kompromiss mit den traditionellen Be­strebungen zu sehen, deren Einfluss weiterbestand.2

Zunächst in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Österreich setzte in diesem Zeitraum „im Schlepptau der Studentenbewegung 1968 Kritik an der Heimerziehung ein, deren große Publizität binnen kurzer Zeit zu einer wirkungsvollen Skandalisierung der traditionellen Fürsorgeerziehung führte.“3

Im Jahre 1971 kam es zur Enquete des Wiener Jugendamtes „Aktuelle Probleme der Heimerziehung“4, die erste Gesprächsrunde überhaupt im Rahmen des Jugendamtes seit 1945.5 Ihre Ergebnisse ermutigten Gruppen von SozialarbeiterInnen und Erzieherinnen, umfassende Reformvorschläge zu formulieren.

„Das Jugendamt der Stadt Wien hat ... unter der Leitung von Walter Prohaska und unter der Verantwortung der Stadträtin Gerti Fröhlich-Sandner das Instrument der Enqueten gewählt, um Veränderungen in der Jugendfürsorge in Gang zu brin­gen. . Auf diese Weise wurde unter anderem die Reform der Sozialpädagogik (Heimreform) und die Neugestaltung der Sozialarbeit (familienorientierte Sozial­arbeit) in Gang gebracht.“6

Da bis dahin jegliche Öffentlichkeit und jede Auseinandersetzung fehlten, kann der Be­ginn der Versuche, die Jugendfürsorge in die gesellschaftliche Pflicht zu nehmen, als Zeitenwende betrachtet werden, was den Betroffenen zunächst kaum genützt hat.

Bei den Nationalratswahlen am 1. März des Jahres 1970 erringt die SPÖ die Mehrheit, und es wird - wie Bruno Kreisky in seiner Rede auf dem Parteitag der SPÖ betont - der Rechtsreform Priorität eingeräumt: „damit wir ,nicht tausendfaches Leid auf Grund un- haltbar gewordener Vorschriften täglich wiederkehren lassen‘ müssen“.7 Der Gesetzes­entwurf über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes erscheint in dieser Rede -zufällig - an erster Stelle der Agenda.

Dieses Gesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes 1970/71 wurde vom Jugendamt nur zögernd umgesetzt: Erst 1974 entwarf man „Neue Maßstäbe für die Jugendarbeit der Stadt Wien“8. Es wurde wieder eine Enquete durchgeführt und die Kommission „Moderne Familienfürsorge“ unter dem Vorsitz von Walter Spiel und Walter Prohaska einigte sich auf die „Abtretung von Vormundschaften“:

„Die Vormundschaft über unehelich geborene Kinder soll den Müttern (oder an­deren geeigneten Verwandten) übertragen und von der Pflegeaufsicht über diese Kinder abgesehen werden.“9

In den „Schlussfolgerungen für das Jugendamt der Stadt Wien“ heißt es ergänzend, dass die weitgehende Abtretung von Vormundschaften unehelicher Kinder zu einer Vermin­derung der Fallzahlen führte,10 dass also die bis dahin dafür verwendeten Mittel hätten eingespart werden können.

„Durch die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes ... entfällt die durchgehende Erziehungsaufsicht über uneheliche Kinder, die bisher einen der Schwerpunkte fürsorgerischer Arbeit darstellte.“11

Das Ausufern fürsorgerischer Kontrolle, die schon am Wochenbett der jungen Mutter einsetzte, basierte auf einem Familienmodell, bei dem „die männliche Autorität des Ehemannes und Vaters als notwendig vorausgesetzt wurde. Die sozialdemokratische Frauenbewegung kämpft auch in der zweiten Republik bis Mitte der 1970er Jahre nicht dagegen an.“12

„Mit Jänner 1980 verlieren die Jugendämter per Gesetz das Recht, bei uneheli­chen Geburten Kontakte mit der Mutter aufzunehmen. Das Jugendamt behält aber weiterhin die Funktion, für Kinder und Jugendliche da zu sein. Damit tritt z.B. die Tätigkeit des Sozialarbeiters in eine meines Erachtens neue Sichtweise. Der Sozi­alarbeiter muß für sich abklären und bewußt Kriterien erarbeiten, wie er seine Anwaltsfunktion ausüben will. ... Meines Erachtens ist diese Regelung dazu an­getan, sich tatsächlich im Interesse des Kindes zu verwenden.“ 13

Noch 1980 musste ausdrücklich das Recht abgeschafft werden, junge Mütter heimzusu­chen, was bis dahin, allein auf Grund der Rechtsstatus bei der Geburt, ohne Rechtferti­gung durch ein soziales oder pädagogisches Problem, üblich war und die Fürsorgerin­nen mussten nunmehr Begründungen finden, im „Interesse des Kindes“ und nicht im Interesse der Entmündigung der Mutter.

Die Klassenspezifik, bis dahin nur zwischen den Zeilen der Aktenvermerke zu lesen, wird in diesem Kommissionsbericht verbalisiert, allerdings als Randgruppenproblema­tik „Schichtspezifische Verhaltensweisen“ im Abschnitt 6. Marginalgruppen:

6.2. Schichtspezifische Verhaltensweisen Ausdrucksformen und Verhaltensweisen von Mitgliedern der Randschicht basie­ren auf ihrer schichtspezifischen Sozialisation; sie können der sozialen Situation, in der sich diese Menschen behaupten müssen, völlig adäquat sein. Der Sozialarbeiter ist als Angehöriger der Mittelschicht anderen Wert- und Norm­vorstellungen verbunden. Aus der sich daraus ergebenden, ,sozialen Distanz‘ re­sultieren Verständigungsschwierigkeiten.14

Hingegen ist das über allen Mädchen und Frauen düster drohende Sexualitätsdrama aus diesem - programmatischen - Text völlig verschwunden - „sexuelle Verwahrlosung“ gibt es nicht mehr, Verwahrlosung nur mehr in Klammern15 und der Text enthält sehr viel Selbstkritik.

Die große Strafrechtsreform und die Familienrechtsreform ist 1974 auf dem Weg, an einem Entwurf für ein neues Jugendwohlfahrtsrecht wird (noch lange16 ) gearbeitet. „Gesellschaftspolitisches Engagement“ wird für einige Zeit das Kampf- und Zauberwort gegen beharrende Kräfte um wieder von jenen anderen bis in die Gegenwart reichenden „neoliberalen“ Diskursen abgelöst zu werden.

Ob und inwieweit sich „die dunkle Seite unserer Geschichte” (Sabine Hering) [siehe 3.1.1.] in der Gegenwart gänzlich aufgehellt hat, ist nicht mehr Gegenstand dieser Ar­beit, allerdings soll nicht übersehen werden, dass die historische Aufarbeitung des Für­sorgesystems im Zeitraums ab 1945 und der Haltung gegenüber den „Asozialen“ noch am Anfang steht.

Zwei historische Entwicklungen laufen außerhalb meines Untersuchungszeitraumes ab, sie sind aber mit dem Thema eng verknüpft: Es ist einerseits der Kampf um Beschäfti­gungsmöglichkeiten für bürgerliche Frauen, der Kampf um Handlungsräume für religi­ös gebundene Frauen rund um weibliche Sexualität, ausgeformt als „sexuelle Verwahr­losung“ und „uneheliches Kind“ Anfang des 20. Jahrhunderts in mehreren europäischen Ländern.17

Es kommt andererseits zu einem berufsständischen Zusammenschluss von Amtsvor­mündern und mit ihm zu einer Verstetigung der Vormundschaftspraxis gegen unverhei­ratete Frauen. Deren Interessenpolitik führt zur Gründung einer Berufsvereinigung nach der Abschaffung der automatischen Amtsvormundschaft und der Verteidigung der Stel­lung des „Amtsvormundes“ bis ins 21. Jahrhundert als eine gegenüber dem Dienst / dem Beruf der Fürsorgerin abgehobene und besser bezahlte Männerposition.

2.2 Materialbasis und ihre Reichweite

Unter den von PsychologInnen des Jugendamtes verfassten Dissertationen gibt es zwei zum Thema der „Verwahrlosung“ von Mädchen.

Auch die in den Mündelakten selbst erliegenden Gutachten geben Auskunft, wie im Jugendamt Wirklichkeit konstruiert wurde und von wem, mit dramatischen Folgen für die erfassten Mädchen und Frauen. Schon die Protokolle der Fürsorgerinnen lassen er­kennen, wie die Kontroll- und Zielvorstellungen der handelnden Behörde präzisiert und - ausgestattet mit beträchtlicher Gewalt - das Geschlechterverhältnis normiert wurde. In Wien sind wegen der zentralen öffentlichen kommunalen Verwaltung über hundert Jah­re diese Akten weitgehend erhalten, allerdings kaum erschlossen. In Deutschland, auch z.B. in der Schweiz und in Irland, wo die Jugendfürsorge selbst, nicht nur die Heime wie in Wien, verschiedenen konfessionellen privaten Wohlfahrtsverbänden anvertraut war, gibt es einen solchen Korpus nicht.

Die Konzentration auf zwei größere Texte ist angesichts der großen Zahl der Mündelak­ten und der Schwierigkeiten bei der Strukturierung des Materials als unvermeidliche Selbstbeschränkung zu sehen.

Es handelt sich vor allem um zwei akademische Arbeiten, von Personen geschrieben, die gleichzeitig im Dienststand der Wiener Jugendfürsorge tätig waren und später Leite­rinnen der „Amtlichen Erziehungsberatung“ bzw. des Psychologischen Dienstes wur­den, nämlich Marianne Estl18 und Hermine Koller19. Aus diesen beiden Texten geht die nicht zu hinterfragende Selbstgewissheit der beiden Autorinnen bei der Inanspruchnah­me des Rechtes auf Be- und Verurteilung von jungen Menschen und des Rechtes auf Freiheitsentziehung klar hervor. Sie wählten das Format „Fallgeschichten“ zur Darstel­lung. Unterstellt wird, dass sich aus der abwertenden Darstellung der Lebenssituation und der Persönlichkeit des Mädchens die anzuwendende Maßnahme - Einweisung in ein geschlossenes Heim - unmittelbar ergibt. Trotz der wichtigen Positionen, die beide innehielten, hatte der von ihnen entworfene Deutungsrahmen nicht die Kraft, durchgän­gig Sinnhaftigkeit herzustellen. Gegenläufige Kulturen des Verstehens waren von 1945 an vorhanden. [siehe 7.]

In diesen beiden sehe ich Hinweise aus der Literatur in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland auch für Österreich deutlich bestätigt: Gesellschaftliche, kulturelle und strafrechtliche Normen im Verhältnis von Staat und Staatsbürger, von gesellschaftlichen Leitbildern und Individualität, in Bereichen wie Familie und Sexualität, Jugend und „Sittlichkeit“, geschlechts- und altersspezifische Rollenzuweisungen, Bildungschancen und Arbeitsethos entsprachen noch in den 1950er Jahren in hohem Maße eher den in der Zeit der Jahrhundertwende entwickelten Modellen als den tatsächlichen Lebensverhält­nissen der sich rapide wandelnden westdeutschen - und österreichischen - Gesell- schaft.20

Die Nachkriegsgesellschaft in Österreich machte in ihrer grundlegenden Verunsiche­rung „Familie“ zum kollektiven Schutzort vor den Bedrohungen des sozialen Wandels - wie Mesner formuliert - und ließ dabei nicht zu, dass der einer „Familienrechtsreform“ entsprechende Gesellschaftsentwurf Teil eines „herrschenden“ Diskurses wurde, eines Diskurses der politikmächtig genug gewesen wäre, die Gesetze zu verändern.21

Im Gegenteil, der säkularen Entwicklung der sich verändernden Rollenbilder, der Libe­ralisierung und Individualisierung der Gesellschaft, der geringer werdenden Verbind­lichkeit von katholischen Werthaltungen sollten gegenläufige Modelle gegenüberge­stellt werden.22

Die Jugendfürsorge verfügte über vormoderne Zwangs- und Eingriffsrechte, die noch keinen Schutz des Familienlebens kannten.23 Sie wurden vor allem zur Aufrechterhal­tung des Patriarchats - gegen nicht-patriarchale familiäre Lebensformen und gegen Kinder in nicht-patriarchalen familiären Lebensformen - und bei Versagen des indivi­duellen Patriarchen, bei Armut zum Beispiel, eingesetzt. Für nichtverheiratete Mütter dauerte es bis ungefähr 1990 bevor der Schutz der Familie vor ungerechtfertigten Ein­griffen von außen Realität wurde.

Ebenfalls bis 1990 dauerte es, bis überhaupt ein Begriff von „sexuellem Missbrauch an Kindern“ gesellschaftlich artikuliert wurde und sich in einer Dienstanweisung des Ju­gendamtes niederschlug, bis dahin gab es nicht nur keine offizielle Stellungnahme zu diesem Problem, auch und gerade jene Mitarbeiterinnen des Jugendamtes, die mit Mäd­chen arbeiteten, ordneten Missbrauch als „Erziehungsproblem“ dem Wesen der Betrof­fenen zu.

Es gibt sogenannte „Inzestkinder“ und noch 1981 besteht völlige Sprach- und Hilflosig­keit diesem Problem gegenüber:

„Aus der eigenen Werkstatt [Doz. Dr. Hans-Georg Zapotoczky] möchte ich über eine Erhebung berichten, die sich mit Inzestkindern auseinandersetzt. War die bisherige Praxis sinnvoll, das Kind vom Elternaus zu trennen? Die geschädigten Kinder kamen ins Heim, der Vater erhielt eine Geldstrafe oder kam nach kurzer Haftzeit wieder in seine gewohnte Umgebung zurück.“24

Erst 1990/91 kommt es zu einer Verbalisierung des Machtgefälles bei derartigen Vorfäl­len [siehe 8. und 8.2.]25

Zur Wahrnehmungsregulierung von „Unehelichkeit“ gibt es in Österreich kaum zeitge­nössische Texte, man muss bereit sein, die impliziten Hinweise auf die rückwärtsge­wandten gesellschaftlichen Zielvorstellungen in den Praktiken zu lesen: die Zweckbe­stimmung des Jugendamtes 1917 zur Schaffung eines „Mindestmaßes an Erziehung“26, das Jugendwohlfahrtsgesetz, das die Überwachung jeder nicht mit dem Vater des ge­genständlichen Kindes verheirateten Mutter anordnet und zwar im gleichen Ausmaß wie bei Pflegeeltern, der zähe Kampf der Amtsvormünder im Rahmen des Jugendamtes gegen gesetzliche Beschränkungen ihrer Rechte sogar nach der Gesetzesreform von 1970. [siehe 4., 5.]

Auch die - wenigen - einschlägigen OGH-Entscheidungen bieten verlässliche Einblicke in die Umsetzung des Rechts, aber auch in die Praktiken, Denkstrukturen, Konflikt­linien, Themen.

Eine rechtshistorische Darstellung der Situation in meinem Untersuchungszeitraum kann ich nicht leisten, ich werde aber die Kontinuität des Jugendwohlfahrtsgesetzes vom Reformgesetz über die Zeit des Nationalsozialismus bis 1990 skizzieren und ande­re in der Zeit von 1945 bis 1970 geltende Bestimmungen. Im Anhang sind die Rechts­texte selbst auszugsweise abgedruckt.

2.3 Wissenschaftlicher Kontext, Erkenntnisinteresse und Fragestellung

Brigitte Kepplinger, von der eine der wenigen Auswertungen von Fürsorgeakten stammt, hält fest, dass die aus den Akten der Sozialverwaltung gewonnenen Informatio­nen nicht ohne weiteres als objektive Aussagen über die soziale Wirklichkeit der Klien­ten zu interpretieren sind. Die Sicht auf die Klienten sei vielfach gebrochen durch das Prisma der Kontroll- und Zielvorstellungen der handelnden Behörde. Dies sei bei einer Analyse der entsprechenden Akten zu berücksichtigen.27

Ebenso wie in der sozialwissenschaftlich orientierten Kriminalitätsforschung in jüngster Zeit Kriminalität nicht als eine „Wirklichkeit sui generis“ betrachtet wird, sondern als „gesellschaftliches Konstrukt“, das auf historisch variablen Normen und Ordnungsvor­stellungen basiert 28, soll auch der damals die Jugendfürsorge legitimierende Zentralbeg­riff „Verwahrlosung“ unter diesem Aspekt gesehen werden.

Im Anschluss an vorhandene Theorien wird Kriminalität als „leerer Signifkant“ be­zeichnet:29 was Kriminalität genau meint, bleibe chronisch unterbestimmt und gerade dadurch vermag sie einen „Knotenpunkt für eine imaginäre Einheit des Diskurses“30 bereitstellen. Für die Kriminologie wird in der jüngeren Literatur die Haltung der Selbstreflexivität eingefordert, man müsse nicht die Kriminalität, sondern den Prozess solcher „Kriminalisierungen“31 untersuchen, den Fokus auf den Prozess der Kategori- sierung legen.32 Die betroffenen Subjekte selber beteiligen sich z. B. durch Übernahme solcher Zuschreibungen in ihre Selbstbilder an diesem hegemonialen Spiel.33

Seit den 1970er Jahren wird in der Literatur an verschiedenen Beispielen aufgezeigt, wie sehr das Verhältnis zwischen Europa und anderen Regionen von kolonialistischen Annahmen geprägt wird. Der Paradigmenwechsel geht so weit, dass ein kritischer anti­rassistischer Ansatz dabei ist, die Blickrichtung zu wechseln und statt des „Schwarz­seins“ das „Weißsein“ als Problem zu betrachten.34

Die Umkehrung der rassifizierenden Perspektive auf den „Anderen“, der mit voraus­schauendem Verdacht betrachtet wird, in eine Beziehung zu einem Subjekt wird mögli­cherweise in der gegenwärtigen Sozialarbeit bereits gelebt - auch das sollte immer wie­der geprüft werden - die Konstruktion der „unmarkierten Normalität“35 kennzeichnet jedenfalls die Texte in der von mir behandelten Zeit.

2005 ist in der Schweiz eine Arbeit erschienen, die versucht, in jenen Aktenvermerken, die von der Amtsvormundschaft in Zürich ab ihrer Gründung im Jahre 1908 hervor­bracht wurden und in den dazugehörigen Briefen der Befürsorgten36 geläufige kulturelle Praktiken zu entziffern und ihnen die selbstverständliche Anerkennungswürdigkeit zu nehmen.37

In den Fallgeschichten über die unehelichen Kinder, ebenso wie über die Kinder, die aus anderen Gründen für das Jugendamt von Interesse waren, können bestimmte Narra­tive analysiert werden. Wie in einer vor kurzem in Deutschland erschienenen Publikati­on dargelegt wird, folgt die Verschriftlichung in den Akten der deutschen Fürsorgeer­ziehung einer literarischen Strategie der Homogenisierung, Chronologisierung und Te- leologisierung des Darzustellenden,38 der „Zögling“ als solcher wird im Vorgang der Darstellung erzeugt.39

In diesem Prozess wird natürlich auch die Figur des Produzenten / der Produzentin pro­duziert. Im Auftrag des Runden Tisches Heimerziehung40 in Deutschland stellt Carola Kuhlmann die von den Erziehungstheoretikern verfassten Texte mit dem charakteristi- sehen Dauereinsatz des Wortes „Liebe“ für zu bestrafende Fürsorgezöglinge den „Maß­stäben für Grenzen ausgeübter Erziehungs- und Anstaltsgewalt” gegenüber.41

Die Panegyriken der großen Erzieher auf sich selbst gipfeln im Selbstbild „Nachfolge Jesu“!42

Hans Weiss stellt in dem kürzlich erschienen journalistischen Bericht „Tatort Kinder­heim“ die Berichte der Zöglinge über exzessive Gewalt den verklärenden Selbstdarstel­lungen der Heime und Internate gegenüber.43

Gudrun Wolfgruber44 zeigt, wie mehrere Generationen von Wiener Fürsorgerinnen / Sozialarbeiterinnen ihre eigene „Normalität“ sprachlich formen, lebensgeschichtlich umformen und so mit ihren je eigenen Selbstverständlichkeiten arbeiten, die sie einer­seits offenlegen und andererseits verschleiern.

Gudrun Wolfgruber geht davon aus, dass Soziale Arbeit als spezifisch weibliches Feld nicht geschichtswürdig erschien und nicht dem Feld des Politischen zugeordnet wur- de,45 weil diese öffentliche Reproduktionsarbeit auf der Basis eines bürgerlichen Ge­schlechtsrollenmodells als privat und so dem gesellschaftlichen Wandel entzogen ge­dacht war. Meine Arbeit macht deutlich, dass Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit igno­riert wurden.

In einer feministischen Arbeit, 1995 in Deutschland erschienen, wird die mit „jahrzehn­telange Argumentation“ begründete Freiheitsberaubung aufgrund des Geschlechts ein­fach hingenommen:

„Bis noch vor gar nicht so langer Zeit war Mädchenerziehung in Heimen grund­sätzlich eine „geschlossene“. Mädchen, so die jahrzehntelange Argumentation, brauchen während der Reifezeit einen Schutzraum, .. ,‘“46

Was immer in den Akt gelangt, es existiert und die so produzierten Inhalte laufen auf eine Geschichte der Verwahrlosung hinaus, bei Mädchen und Frauen auf „sexuelle Verwahrlosung“, sogar, nachdem diese Begrifflichkeit vom Wiener Jugendwohlfahrts­träger selbst aufgegeben worden war. Die beiden wissenschaftlichen Arbeiten, die im Dienststand der Jugendfürsorge geschrieben wurden, elaborieren dieses „Wissen“.

Geschlecht und Sexualität, Gefängnis und Strafpraxis waren die ersten Arbeitsfelder, die von diskurshistorischen Ansätzen erschlossen wurden:

„Weder Körper noch Geschlecht können als ... universelle Ausgangspunkte der Menschheit verstanden werden. Dass diese lange Zeit undenkbare Einsicht inzwi­schen fast zu einer Binsenwahrheit geworden ist, stellt ... eine Leistung der Dis­kursforschung dar.“47

Mein Forschungsinteresse gilt nicht „der Rhetorik der Wissensproduktion und Wirk­lichkeitskonstruktion in ,der Akte‘“, wie bei Matthias Zaft48, nicht den ästhetischen Höhepunkten der Versuche, die Verzweiflung, die Wut, die Banalität in einem Kraftakt der Selbstbehauptung zu erfassen, wie bei Elena Wilhelm,49 sondern der Geschichtlich­keit und dem Beharrungspotential gesellschaftspolitischer Konzepte in ihrer Ausprä­gung als (öffentliche) „Erziehung“ und deren Wirkungen.

Es soll ermittelt werden, wie diese Konzepte ungeachtet des Wandels, dem das gesell­schaftliche Umfeld unterlag, ungeachtet der politischen Machtverhältnisse, wirksam bleiben konnten, wer ihre Wirksamkeit betrieb und wie sich die damit verbundenen Praktiken halten konnten.

Nicht behandelt werden die Bedingungen in „totalen Institutionen“50, den Heimen, die von der ersten, kritischen Arbeit über Wiener Kinderheime weniger als ein historisches als ein strukturelles Phänomen dargestellt werden.

In der Jugendfürsorge (wie in der Fürsorge) waren bis in die 1970er Jahre Tendenzen wirksam, die früheren Formen des Armenwesens und des Polizeiwesens entsprachen, so wie sie im Prozess der Durchstaatlichung der europäischen Gesellschaften entstanden waren. Das System der Überwachung nichtehelicher Kinder, das mit kulturkritischen Ressentiments gegen Erscheinungen der industriellen Moderne in Verbindung gebracht wird51 und jahrzehntelang verteidigt wurde, sowie die Unterwerfung von jedem einzel­nen weiblichen Wesen unter die Reifizierung von “Weiblichkeit”, lassen die Institution als einen eigenständigen Akteur bei der Konstituierung und Verstetigung von asymmet­rischen Geschlechterverhältnissen erscheinen.

Nach 1945 setzte sich sozialstaatliches Denken und gesetzliche Sozialversicherung eu­ropaweit nach und nach durch, es blieben aber in der Verwaltung und Verfolgung von „Armut“ Strukturen erhalten52, die aus heutiger Sicht mit den Menschenrechten nicht vereinbar erscheinen.

Obwohl in Deutschland das „Bewahrungsgesetz“, dessen Grundgedanke vor und im Ersten Weltkrieg im sozialarbeiterischen Feld der katholischen „Gefährdetenfürsorge“ für junge Prostituierte entstanden ist, wie Matthias Willing53 detailliert nachweist,54 tatsächlich nur kurz und versteckt in Geltung war, und zwar in den 1960er Jahren, nicht in der NS-Zeit, und bald wieder als verfassungswidrig aufgehoben wurde, zeigt sich in der über fünfzig Jahre währenden Debatte die Tragfähigkeit dieses Gedankens. [siehe 3.1.] Die Initiative für das Bewahrungsgesetz, ging von Anfang an und in den 1960er Jahren55, ebenso wie für das 1922/24 realisierte und jahrzehntelang geltende Jugend­wohlfahrtsgesetz von Frauen aus; an dem Kampf um dieses in auch Österreich (ebenso wie in der DDR) bis 1990 grosso modo geltende Gesetz beteiligten sich damals alle weiblichen Abgeordneten aller Parteien im deutschen Reichstag.56 [siehe 6.und An­hang]

Wodurch sich „Bewahrung“, „Arbeitshaus“ [siehe Anhang] und Altersheime der Für­sorge, „Versorgung“, voneinander unterschieden und was ihnen und der Fürsorgeerzie­hung gemeinsam war, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden.

Die Jugendfürsorge wirkte wegen ihrer willkürlich erscheinenden Eingriffsmöglichkei­ten ins Private, durch die Erzeugung eines Klimas der Angst57 über die Grenzen ihrer marginalen Zuständigkeit hinaus in die Mitte der Gesellschaft. Über die Signalwirkung waren alle Frauen bedroht und ihr Handlungsspielraum eingeengt - und doch waren es vor allem Frauen, die sich dieser Macht-Nische bemächtigten.

Es ist nicht leicht, sich den zeitgenössischen Konstruktionen zu entziehen: einerseits wurde das Objekt der Bemühungen verwahrlost, es wurde ihm also etwas angetan, an­dererseits ist es bei der Übernahme in öffentliche Erziehung bereits verwahrlost und der Anteil der eigenen Schuld an der eigenen Verwahrlosung wächst und wächst in der Ab­folge der Heime und korreliert mit dem Ausmaß der Disziplinierung im Heim und wird immer wieder bewiesen anhand der Häufigkeit der Verlegungen und - lebenslang - durch die Tatsache ein „Heimkind“ gewesen zu sein.

In gleicher Weise wie durch die Einweisung in ein Arbeitshaus fand eine nie wieder gut zu machende Erniedrigung statt, gleichgültig aus welchem Grund dieser Zugriff erfolgt war:

„Die Zahl der Fürsorgeerziehungsfälle war rückläufig [zwischen 1959 und 1966], da der Trend des Verantwortlichen dahin ging, eher gerichtliche Erziehungshilfe als Fürsorgeerziehung zu beantragen, um Heranwachsende nicht mit diesem Stigma zu belasten.“58

Die Verringerung der Fürsorgeerziehungsfälle ist in Wien eher aus administrativen Ge­sichtspunkten zu erklären: Für die verschiedenen Maßnahmen waren verschiedene Kos­tenträger verantwortlich, Wien ist sowohl Land als auch Gemeinde, so dass die Stadt Wien in jedem Fall die Kosten zu tragen hat, deshalb konnte von der Fürsorgeerziehung leichter abgesehen werden.59

In der Sicht der Bevölkerung auf „Heimkinder“ wurde allerdings zwischen Heimen ver­schiedener Bezeichnung nicht unterschieden. Nicht in der freiwilligen Erziehungshilfe waren die Jugendlichen gegenüber der Fürsorgeerziehung, die ja auch für Kinder und Jugendliche vorgesehen war, die gar nichts angestellt hatten, besser geschützt, sondern nur im Jugendstrafvollzug selbst wurde auf den Ruf der jungen Menschen, hier mehr­heitlich der jungen Burschen. in ihrem weiteren Leben Bedacht genommen.60

Sowohl in der Primär- als auch Sekundärliteratur wird übereinstimmend dargelegt61, dass von „sexueller Verwahrlosung“, von „ungeordneten sexuellen Beziehungen(!)“62 auch dann gesprochen wurde, wenn ein Kind „geschändet“ wurde.63 Kind und Verge­waltiger werden nicht nur als Komplizen gesehen, das Opfer erscheint „schuldig qua erlittener Gewalt“.64

Bis 1991 gab es am Jugendamt keine Übereinkunft, keine Vorschrift darüber, was sexu­eller Missbrauch ist und wie damit umzugehen ist. Prügelstafen waren zwar bekannt, wurden aber von Dr. Karl Ourednik, Leiter der Rechtsabteilung und später Leiter des Jugendamtes, in einem „Abwehrkampf“ gegen die gesetzliche Abschaffung des Züchti­gungsrechts im Zusammenhang mit der Strafrechtsreform 1974, als Bestandteil norma­ler Erziehung betrachtet. [siehe 8.1.]

Eine Sensibilisierung für sexuellen Missbrauch wurde von feministischen Gruppen in das öffentliche Bewusstsein eingebracht, nicht vom Jugendamt, obwohl deren Beamtln- nen sowohl direkten Kontakt zu den Opfern hatten als auch das „doppelte Mandat“65 zur Kontrolle der Erziehungssituation.

Nicht nachgehen kann ich in dieser Arbeit der Frage, wie es zu jenen auch ideologisch hoch aufgeladenen Themen “Straße “ und “Kino”, “Schmutz und Schund”66 gekommen ist. Die Paranoia “Straße”67 war nicht auf ein bestimmtes politisches Lager be­schränkt68, erlebte aber im Nationalsozialismus ihre Hochblüte und schlug sich in Poli­zeiverordnungen69 nieder, die noch lange in der Nachkriegszeit die Spielräume von Ju­gendlichen einschränkten und einzelne Mädchen der Willkür des polizeilichen „Auf­greifens“ auslieferte, was zu einer willkürlichen Vernichtung ihrer Lebenschancen führ­te.

Auch die Geschichte der Illegitimität70 und die Frage, wie und warum sich gegen Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts nach einem dramatischen zahlenmäßigen Rück­gang der Zahl der Eheschließungen Mitte des 19. Jahrhunderts und entsprechenden Be­deutungsverlust der Institution Ehe - zeitweise wurde die Hälfte der Kinder „unehelich“ geboren71 - ein System der Überwachung unehelicher Kinder und ihrer Mütter heraus­bildete, kann nicht behandelt werden. Dieses System führte zeitgleich zu erstaunlich ähnlichen bürokratischen Strukturen in mehreren europäischen Ländern. [siehe 4.]

Das Gleiche gilt für das zentrale, alles überlagernde Thema, den gewaltigen schwarzen Eisberg der Depersonalisierung, Dehumanisierung, dessen Spitze nunmehr wieder - nach mehreren vergeblichen Anläufen72 - als „Gewalt und sexuelle Gewalt in Heimen“ in den Blick geraten ist. Es kann in seinen Wirkungen auf das Mensch-Sein der Betrof­fenen in dieser Arbeit nur gestreift werden.

In den Verbalisierungen jenes geistigen Rahmens, in den sie sich bereits durch ihre vor­herige Tätigkeit als Fürsorgerinnen eingefügt hatten und deren Werte sie - „on the job"73 - internalisiert hatten, in den Dissertationen der verbalisierungsfähigen späteren Führungspersönlichkeiten, wird die „wissenschaftliche“ Begründung vorformuliert und zur Rechtfertigung bereits durchgeführter Maßnahmen, zur weiteren Anwendung in der Praxis, zur Orientierung, zur Rückendeckung der Fürsorgerinnen zur Verfügung ge­stellt, oder wie es Zapf formuliert: „Die abstrakten Konzepte in der semantischen Orga­nisation einer Erzählung stellen einen, dem Anschein nach natürlich gegebenen Bedeu­tungshorizont bereit, innerhalb dessen sich ein Geschehenszusammenhang in besonde- rer Sinnhaftigkeit entfalten kann.“74

2.4 Stellenwert

In der zu behandelnden Zeit weist die Jugendfürsorge zwei Merkmale auf: erstens die Verfolgung und Internierung junger Mädchen auf Grund ihrer Geschlechtlichkeit. Es geht einerseits um genitale Sexualität von Erwachsenen mit Kindern, die angeblich von den Kindern betrieben wird, [siehe 9.5., 10.1.] was durch die gynäkologische Untersu­chung bewiesen und durch die Heimeinweisung bestraft wird. Opfer des Missbrauchs, die sich gegen die Schuldzuweisung wehrten, die über die sexuelle Gewalt, die sie erlit­ten hatten, zu sprechen wagten, jene, die Anklage erhoben, wurden selbst zu Angeklag­ten. [siehe 8.2.]

Es geht um die im Zuge der als gefährlich wahrgenommenen „Pubertät“ sich entwi­ckelnden Sexualität, deren Phasen diversen „Fehlentwicklungen entgegenkommen“ (Marianne Estl). Eine im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung autonom gelebte Se­xualität müsse - bis zur Verehelichung? - ausgesetzt werden und dies erfordere eine lückenlose Überwachung und Freiheitsbeschränkung.

Zweitens geht es um die Entmündigung von nicht (mit dem Vater des Kindes) verheira­teten Müttern durch die Beibehaltung eines gegen die Rechte des Individuums gerichte­ten Geflechts von Vormundschaften und Hilfsvormündern, das noch an die Tradition der längst versunkenen „Geschlechtsvormundschaft“ erinnert, zum Nachteil sowohl der Frauen als auch ihrer Kinder, eine Konstellation, die in Wien ein volles Zehntel der Minderjährigen betraf. Der Stellenwert der Arbeit liegt darin, dass jene beiden hervor­stechenden Züge der Jugendfürsorge zusammengestellt und in einen Zusammenhang gebracht werden.

„Die Beurteilung der Nichtehelichkeit war eingebunden in die zeitgenössische „Sittlichkeitsdebatte“. Ängste vor „Entwurzelung“ und „Entfremdung“ wurden als vermeintliche Folgen der rasanten Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozes­se auf den weiblichen Körper projiziert, der die pathologischen Erscheinungen der Gesellschaft zu repräsentieren schien. Insofern wurde die Nichtehelichkeit zum Synonym für den nationalen Degenerationsdiskurs, mit dem Kulturkritiker vor dem Ersten Weltkrieg die Erscheinungen der industriellen Moderne bekämpfen wollten.“75

Im Zeitraum zwischen 1955 und 1967, in dem eine Zunahme der Geburten erfolgte, lag der Prozentsatz der unehelich Geborenen in Wien ziemlich konstant bei 10%.76 Von den 1955 in ganz Österreich Lebendgeborenen waren fast 15% „illegitim“.77

„Am 31. Dezember 1960 wurden im Bereich der Amtsvormundschaft in den Be­zirksjugendämtern rund 32.000 Fälle gezählt, davon etwa 24.000 außereheliche Mündel. Jeder der 82 Amtsvormünder hatte rund 400 Fälle zu bearbeiten.“78

Ausschließlich zum Zweck der Übernahme der Vormundschaft, zur Entmündigung der Mutter und ihre Entrechtung, wurde das erste Wiener Jugendamt gegründet, und das Vormundschaftswesen sollte als zentrale Aufgabe der Jugendämter bis in die unmittel­bare Vergangenheit gelten. In Wien war 1971 etwas über ein Prozent79 aller Wiener Kinder in Heimen, zehnmal so viel wurden einzig und allein auf der Basis ihres rechtli­chen Status der Überwachung unterworfen.

Es wurde jahrzehntelang so getan, als wäre die Amtsvormundschaft die einzig mögliche rechtliche Handhabe zur Eintreibung des Kindesunterhalts von den Kindesvätern und als wäre sie zum Wohle des Kindes verfügt.

Maria Dorothea Simon, eine bedeutende Persönlichkeit und Direktorin der Akademie für Sozialarbeit der Stadt Wien von 1972 bis 1982 fügt ihren Vorträgen gelegentlich den Satz ein: „Die Gemeinde Wien war vom unehelichen Kind förmlich besessen“80, was angesichts der genannten Zahlen keine übertriebene Bemerkung zu sein scheint.

Ebenso wenig wie sich die Amtsvormundschaft einem modernen Begriff von Jugendhil­fe zuordnen lässt, scheint es mir nicht hinreichend zu sein, die Jugendfürsorge für Mäd­chen als Anhängsel der „allgemeinen“, der Burschenfürsorge, zu behandeln, sie steht auch in einem anderen Bezugsrahmen:

Während der männliche Jugendliche in verschiedenen Bildern - rebellische Jugend, jugendlicher Gewalttäter, unterdrücktes Heimkind, dazu werden auch sexuell miss­brauchte Gymnasiasten in Internaten gerechnet - souverän in der wissenschaftlichen, literarischen, publizistischen Produktion im Vordergrund steht und als Identifikations­objekt Fantasien anregt, bleiben die Mädchen unbeachtet.

Dieser andere Konnex, in dem Mädchen visualisiert werden, wird von den Gründungs­vätern und -müttern selbst hergestellt: An der weiblichen Jugendlichen, ja an dem weib­lichen Kind wurde die Gefährdung der öffentlichen „Sittlichkeit“ festgemacht; anderer­seits fantasierte man die Frauen als Wahrerinnen der Sittlichkeit und durch den außer­ehelichen Geschlechtsverkehr, der in der außerehelichen Geburt auf skandalöse Weise öffentlich sichtbar wurde, griffen die unehelichen Mütter die gesellschaftliche Ordnung an und gefährdeten die Ruhe im Land.

Die performative Macht der Delegitimierung von ledigen Müttern erwies sich bei den Frauen in meinem Untersuchungszeitraum aber nicht allzu erfolgreich: trotz der mit Absicht möglichst ungünstig gestaltete Rahmenbedingungen und massivem Druck von allen Seiten konnte ein großer Teil der unehelichen Kinder bei ihren Müttern aufwach­sen. [siehe 5.]

3 Die Sicht der Gegenwart auf die Vergangenheit

Bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit wird Gegenwart und Zukunft mit verhan­delt; meine Arbeit wird zu einem Zeitpunkt verfasst, zu dem die Diskussion noch immer auf der Kippe steht: Sollen die Heimskandale in verschiedenen Ländern als „Skandale“ ohne weitere Aufarbeitung abgelegt werden, soll Machtausübung unter dem Titel „Er­ziehung“ exemt, vor Bewertung aus geänderter Sicht geschützt bleiben oder soll nach Menschenrechten gefragt werden dürfen, bevor sie noch kodifiziert wurden, soll nach Verbrechen gegen das Menschsein gefragt werden dürfen, bei Organisationen, die sich „Heim“ und „Fürsorge“ nannten? Wie kann man die Maßstäbe der gegenwärtigen Selbstverständlichkeiten an historische Zustände anlegen und sich dabei des Konstruk- tionscharakters der eigenen soziokulturellen Wirklichkeiten bewusst bleiben?81

„Der Begriff Aufarbeitung impliziert denn auch die gesellschaftliche Funktion des Umgangs mit der Vergangenheit. ... Dahinter steckt die aufklärerische Hoffnung, dass Gesellschaften lernfähig sind. Von Wichtigkeit sind solche Aufarbeitungs­prozesse für die Betroffenen, die nicht (mehr) allein mit ihrer Individualgeschich­te konfrontiert sind, indem die im Kollektiv angelegten Mechanismen ausgeleuch­tet werden. Damit wird die Geschichte der Betroffenen in einen Kontext gestellt und es wird bewusst, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt“82

Dieser Entscheidungsprozess ist ein transnationales Projekt, in das immer wieder - aus- gehend von verschiedenen Ländern - Energie einfließt.83

3.1 In Deutschland

Die Entwicklungen auf dem Gebiet des Familienrechts und der Jugendfürsorge84 verlau­fen in Österreich und Deutschland überraschend ähnlich: Im Jahre 1906 wurde das „Ar­chiv deutscher Berufsvormünder“ unter der Leitung Klumkers gegründet, das alle Be­rufsvormundschaften im deutschsprachigen Raum umfasste.85 [siehe 4.]

Die für die Jugendfürsorge relevanten Paragraphen des BGB und des ABGB [siehe An­hang] sind einander so ähnlich, dass die Reichsjugendwohlfahrtsverordnung 1940 [siehe Anhang] mit geringem legistischen Aufwand auf dem Gebiet Österreichs angewendet werden konnte, wo sie schon vor dem Einmarsch Hitlers herbeigewünscht worden war und in beiden Ländern bis zu jenem Wendejahr 1990,86 fortwirkte, bzw. im Wesentli­chen über die in der Zwischenzeit geschaffenen „neuen“ Gesetze weitergeschrieben wurde. Die Reform des Nichtehelichenrechts erfolgte wie in Österreich pünktlich im Jahre 1970,87 wirkte sich aber - hier wie dort - zunächst kaum auf die verselbständigte Praxis aus.

Sowohl die große Strafrechtsreform als auch die große Familienrechtsreform in beiden Ländern konzentrieren sich auf die Jahre 1974/1976.

Die fachliche und historiographische Produktion Österreichs lässt sich mit der in Deutschland nicht vergleichen, die Situation von Mädchen und Frauen als Objekte der Fürsorge wurde in Österreich noch überhaupt nicht zum Thema gemacht. Ich bin aber davon ausgegangen, dass jene Vorurteilsstrukturen, von denen die von mir untersuchten Texte geprägt sind, in der Zwischenzeit in beiden Ländern zur Gänze verlassen worden sind.

3.1.1 Die Vergangenheit ist gegenwärtig

Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass in Deutschland vor nicht allzu lan­ger Zeit ein Text publiziert und von der Fachwelt freundlich aufgenommen wurde, der in seiner Haltung jenen Dissertationen ähnelt, anhand derer ich die betrübliche Lage der Fürsorgemädchen im Wien der Nachkriegsjahre darstellen wollte, ja durch seine deut­lich artikulierte Verächtlichkeit diese noch übertrifft; ich glaube nicht, dass sich in Ös­terreich in den letzten 20 Jahren Texte in dieser Ausrichtung finden lassen.

Der Text von Julia Fontana88 nämlich und der von Marianne Estl89, sechzig Jahre frü­her in Österreich verfasst, aber auch jener von Hermine Koller, beide als Dissertationen, nehmen die gleiche Grundhaltung ein; die Arbeiten von Estl und Koller wurden zwar nicht veröffentlicht, sie sind aber deshalb von Bedeutung, weil ihre Autorinnen jahr­zehntelang in Wien im Berufsfeld tätig waren.

Mit Hilfe von statistischen Zahlen wird eine „soziologische“ Sprache angestrebt, trotz­dem mutet alles wie ein düsteres Märchen an, etwa wie die Geschichte von der Pechma- rie, in dem das Böse zur Erzeugung von Angstlust mit einem reichen Wortschatz an kindhaft-anschaulichen biblischen Adjektiven vergegenwärtigt wird und die so entstan­denen Bilder mit dem poetischen Mittel der Redundanz direkt dem schaudernden Ge­müt der Leserin anverwandt werden, die sich in tiefer Sorge mit der Erzählerin darin einig weiß, wie sehr sie selbst sich doch von den armen Märchenfiguren unterscheidet, die schon als Kinder der - innerweltlichen - Verdammnis, soll heißen der Prostitution, verfallen sind.

Ich kann das Vorgehen der Jugendfürsorge selbst, die Entwürdigung, die Menschenver­achtung bis hin zu offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen, nicht als Geschehen in einer fernen unmenschlichen Vergangenheit behandeln, lange überwunden vom Fort­schritt in einer demokratischen Gesellschaft, wenn im deutschen Sprachraum Bücher wie das von Fontana erscheinen, das den „Zeitgeist“ bis in die Gegenwart fortführt und Bücher erscheinen, die sich in vorgeblich aufklärerischer Absicht mit Geschichten von Prostituierten wichtigmachen, womit immer die Deklassierung aller Frauen beabsichtigt ist.

Ich habe weder eine Erklärung für dieses Deja-vu, noch kann ich es ignorieren; ich habe mich deshalb intensiver mit dieser Literatur befasst.

Die Zustände in den Heimen, die durch die Erinnerungen der seit 1945 von der Jugend­fürsorge Betreuten nunmehr punktuell sichtbar, öffentlich werden, wurden jahrzehnte­lang von fachinternen und von historischen Arbeiten ignoriert, sie müssen jetzt in einem zähen Prozess aufgearbeitet werden.

Alternative Sichtweisen waren vorhanden, ihr Einfluss auf den Mainstream hielt sich in Grenzen: im Klappentext eines jener Suhrkamp-Bändchen, die eine ganze Kulturepoche repräsentieren, heißt es z.B. im Jahre 1971:

Dietlind Eckensberger führt aufgrund von empirischem Material den Nachweis, daß das System der Fürsorgeerziehung und der Heimpflege in seiner gegenwärti­gen Form weder dem fortgeschrittenen Stand der Wissenschaft noch den unab­dingbaren Erfordernissen vernünftiger „Sozialarbeit“ entspricht.90

Die Autorin beschäftigte sich - unter Berufung auf Rene Spitz91 - mit den Sozialisati­onsbedingungen, die die öffentliche Erziehung den von ihr betroffenen 0 bis 5jährigen Kindern im Anstaltsmilieu setzt92.

Die Betroffenen von Gewalt in den Heimen haben sich also jetzt zu Wort gemeldet und verlangen, dass das Unrecht, das ihnen angetan wurde, anerkannt wird. Es wird ihnen entgegengehalten, dass Körperstrafen in der Erziehung - damals - üblich waren und dass ihre Erfahrungen, zumindest zum Teil, dem Zeitgeist geschuldet gewesen wären.

Der „Zeitgeist“ in dieser Frage ist ein übernationales Phänomen. Ich muss die Frage stellen, ob sich der „Zeitgeist“ nicht nur in Bezug auf Prügel gewandelt hat, sondern auch in Bezug auf das Verächtlichmachen von „Asozialen“ und „Prostituierten“.

3.1.1.1 "Die Macht der ,Diagnosen‘ - und die Geduld der Opfer"

Sabine Hering, eine Persönlichkeit im Bereich Frauen und Soziale Arbeit, Professorin für Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt „Sozialpädagogik, Gender und Wohlfahrts­geschichte“ an der Universität Siegen, veröffentlicht im Jahre 2006 einen vierseitigen Aufsatz mit dem Titel „Die Macht der „Diagnosen - und die Geduld der Opfer, Mäd­chen in der Fürsorgeerziehung 1945-1965“93.

Texte zu „Gender und Sozialarbeit“94 beschäftigen sich sonst mit den je spezifischen Leistungen von weiblichen und männlichen Größen der Branche und nur ausnahmswei­se mit der Produktion von Geschlecht durch die Soziale Arbeit selbst95, und wenn, dann erst ab den 1980er Jahren, sensibilisiert durch die Frauenbewegung.

Auch dieser Aufsatz konzentriert sich nicht auf die geschlechtsspezifische Entwertung von Frauen und Mädchen durch die fürsorgerischen „Diagnosen“. Die Vermutung einer Psychologin, dass für die „die heranwachsenden Mädchen, ... belastet durch körperli­che Akzeleration ... ohne geistig-sittliches Fundament ... der Heimaufenthalt oft die letzte Chance ist“96 wird nicht mit dem seinerzeitigen Leitmotiv „sexuelle Verwahrlo­sung“ in Verbindung gebracht und weder das eine noch das andere Konstrukt und die angeblich in einem „Heimaufenthalt liegende letzte Chance“ explizit abgelehnt.

Der Text soll sich gegen die „stigmatisierenden Zuschreibungen und Kategorisierun­gen“ und die „restriktiven Maßnahmen“ richten, die später zu Recht skandalisiert wor­den wären, wirkt aber eher wie ein Zugeständnis gegenüber der öffentlichen Kritik in der Folge des Erscheinens der „Schläge im Namen des Herren“ 2006 von Wensierski97 als ein authentischer Schnitt; zur gleichen Zeit erscheint ja in einer von Sabine Hering herausgegebenen Reihe ein Buch98, das eine unaufhörliche Abfolge von stigmatisieren­den Zuschreibungen und Kategorisierungen gegen Frauen ist.

Es wäre interessant, der These nachzugehen, ob Mädchenfürsorge unter behördlichen, kirchlichen und universitären Aspekten, überall im deutschsprachigen Raum, gegenüber der „allgemeinen“ Jugendfürsorge nicht noch einmal „verspätet“99 ist.

Der einleitende Satz dieses winzigen Textes weckt Hoffnungen:

„Die Diagnosen, die uns aus der Nachkriegszeit über ,verwahrloste‘ und ,uner- ziehbare‘ Mädchen in der Heimerziehung vorliegen, knüpfen unübersehbar an die Traditionen der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus an. . .100

Der Text zwischen dem Anfangs- und dem Schlusssatz ist nicht ganz so revolutionär: Die Erzieherinnen wären daran gescheitert, den „Mädchen“ die Schuld in ihrem Leben mit dem nötigen Nachdruck klar zu machen:

„Falls sie sich irgendwelche Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen, ha­ben es die Erzieherinnen nicht verstanden, ihnen ein Bewußtsein dessen zu ver­mitteln.“101

Einerseits wird moniert, dass Erzieherinnen nicht verstanden haben, den betreuten Mäd­chen ein „Bewußtsein ihrer Verfehlungen“ zu vermitteln, andererseits wird kritisiert, dass die „Diagnostik“ im psycho- und sozialpathologischen Sinne defizitorientiert ge- wesen wäre.102

Das an dieser Gruppe von Jugendlichen begangene Unrecht gehört zu den unge- sühnten Untaten der Nachkriegszeit in dem Teil Deutschlands, der für sich in An­spruch genommen hat, rechtsstaatlich und demokratisch zu sein, sagt Peter Wen- sierski103. Es scheint deshalb an der Zeit zu sein, die ,Vergangenheitsbewältigung‘ der Profession über die NS-Zeit hinaus auf die Nachkriegsjahre auszudehnen.104

In diesem kleinen Aufsatz mit einem Titel, der eine historische Aufarbeitung der Para­digmen in der Mädchenfürsorge ankündigt, geschieht die allerdings nicht, sondern Sa­bine Hering zitiert mehrere Absätze aus einem vergilbten Nachkriegsaufsatz von einem Nationalsozialisten, Hans Eyferth. Er war leitender Funktionär der Nationalsozialisti­schen Volkswohlfahrt in Berlin, was als „langjährige Praxis als Heilpädagoge” von Sa­bine Hering bezeichnet wird, und er wird im vorliegenden Aufsatz als „Reformpädago­ge“ eingemeindet, obwohl ihr das problemlose Aufgehen dieser Richtung im National­sozialismus sicher bekannt ist105.

Es hätte in den Jahren nach dem Krieg durchaus ein Bewusstsein gegenüber sozialen „Umweltfaktoren“ gegeben106, nämlich bei Hanns Eyferth107:

„Eine weitere Beschreibung der „Kriegsjugend“ und der Umstände, die sie ge­prägt haben, stammt von dem der Reformbewegung zuzurechnenden Sozialpäda­gogen Hanns Eyferth: „Schwerste Erlebnisse - Katastrophen, Konzentrations­lager, Verlust der Angehörigen - haben die innere Sicherheit der Jugend zerrüt­tet.

Die Unordnung der Nachkriegsjahre mit raschem, mühelosen(sic!) Einkommen aus Schwarzhandel, Diebstahl, Bettelei und Prostitution hat oft zerstört, was noch da war an Halt und gutem Wollen. Zehntausende wanderten planlos108 über die Landstraßen, hausten in Lagern, tauchten in Ruinen und Bahnhofsbunkern un­ter.109

Es handelt sich hier um gängige Topoi der Nachkriegsklagen.110 Was dieser Text über­haupt mit Mädchen in der Fürsorge zu tun hat, bleibt offen. Unter den der NS-Gewalt entkommen Opfern, unter den DPs befanden sich auch einige wenige, oft mehrmals geflüchtete Juden; „rasches, müheloses Einkommen“ war schon in der Weimarer Zeit Bestandteil antisemitischen Sprechens.111

Es heißt nicht: „Für die große Zahl der verschleppten Zwangsarbeiter und der Flüchtlin­ge konnten nicht ausreichend Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden“, sondern das Chaos des Zusammenbruchs wird als Folge des Verhaltens der Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft beschrieben, zehntausende „wanderten planlos“, „hausten in Lagern“, „tauchten unter“...Müheloses Einkommen, Bettelei, Prostitution, . . „hat oft zerstört, was noch da war an Halt und gutem Wollen“ 112.

Antisemitische hate speech gegen quer durch Europa Deportierte und hate speech gegen „die Unordnung“ fließt hier zusammen, mit „Prostitution“ als die äußerste Steigerung in der Stufenordnung von Asozialität.

Sabine Hering schreibt weiter (ohne dass die „vorgeschlagenen Maßnahmen“ präzisiert werden):

Die von ihm [Hanns Eyferth] vorgeschlagenen Maßnahmen knüpfen an seine langjährige Praxis als Heilpädagoge an und stellen den Begriff der „Fehlentwick­lung“ ebenso wie das Erscheinungsbild des „abnormen und kranken Jugendli- chen“ in das Zentrum seiner Überlegungen.113

Die Begriffe „Fehlentwicklung“, „abnorm“ und „krank“ stehen also im Zentrum der Überlegungen des „Heilpädagogen“ aufgrund seiner Erfahrungen im NS und sollen of­fenbar als universal anwendbare Drohung gegen austauschbare Zielgruppen erhalten bleiben.

In dem von Hering als vorbildlich zitiertem Werk des „Reformpädagogen“ gibt es auch eine Distanzierung vom Nationalsozialismus und zwar - 1950 - in folgender Formulie­rung:

„Was vor wenigen Jahren antisozial oder abnorm hieß nach den Vorurteilen des Nationalsozialismus, braucht es nach unseren Normen durchaus nicht zu sein.“114

Carola Kuhlmann, ebenfalls eine bedeutende Vertreterin ihres Fachs, die schon 1989, am Beginn ihrer Karriere, eine grundlegenden Arbeit zur Fürsorgeerziehung im Natio­nalsozialismus115 verfasst hat, stellt in einem 2005 erstmals erschienen Reader „Grund­riss Soziale Arbeit“ in ihrem Beitrag „Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herr­schaftssystem“ Hanns Eyferth, neben zwei anderen Nationalsozialisten positiv als jun­ge, hochqualifizierte Pädagogen dar, der eine „Erziehungsberatungsstelle“ leitete. Im Titel dieses Aufsatzes hatte sie gefordert, Soziale Theorie und Praxis „von Auschwitz her zu denken“.

„Im Bereich der Jugendhilfe wurden erstmals flächendeckend Erziehungsbera­tungsstellen eröffnet - nicht mehr wie bisher als Abteilung in einer Jugendpsychi­atrie, sondern als pädagogisches Beratungsangebot. Leiter der NSV- Erziehungsberatungsstellen waren junge, hoch qualifizierte Pädagogen, wie im Frankfurt Hans Scherpner, in Berlin Hanns Eyferth und Hildegard Hetzer oder in Münster der Pädagogikprofessor Wolfgang Metzger116 (vgl. Kuhlmann 1989 S 176)“117

In Wien war Hermine Koller in den 1960er Jahren selbst als „Erziehungsberaterin“ tätig - ihre Texte werden von mir im Kapitel Fallgeschichten [siehe 10.2.] ausführlich behan­delt - sie beschreibt die Aufgaben ihrer Vorgänger als „Begutachtung“ der vorgestellten Kinder; der „Erziehungsberater“ hätte „im Falle der Anstaltsbedürftigkeit eines Kindes dessen Abgabe in die entsprechenden Anstalten vorzusehen.“118

Das Wort „Erziehungsberater“ diente damals offenbar als Euphemismus und selbst eine so intransigente Forscherin wie Kuhlmann konnte deren wahre Funktion im Vorfeld des letztendlich in Vernichtung mündenden NS-Lagersystems nicht herauslösen aus den ihr vertrauten humanitären Begriffsfeldern Erziehung und Beratung, auf deren positive Konnotationen zur Rechtfertigung Sozialer Arbeit sie nicht verzichten kann.119

Welche Gründe, welches Interesse, welches Desinteresse die fachinterne Diskussion in Deutschland dazu bewegt, immer noch auf Vertreter ihres Faches zu rekurrieren, die sowohl durch ihre geistige Welt als auch durch ihre konkrete Geschichte des Engage­ments im NS-Regimes diskreditiert sind, kann ich im Rahmen dieser Arbeit nicht be­antworten.

Ich könnte allenfalls eine Vermutung anbieten: in Bezug auf die „Asozialen“ hat anti­faschistische Aufklärung / Vergangenheitsbewältigung noch gar nicht stattgefunden, was ich daran festmache, dass die „Asozialen“ als Opfergruppe, als Verfolgte, als Häft­lingsgruppe erst nach ihrem „Aussterben“ anerkannt wurden120 und jahrzehntelang - nicht nur damals in den Lagern - sondern auch danach und auch von den Opferverbän­den diskriminiert wurden. Durch die bloße Existenz von „Asozialen“ / „Prostituierten“ fühlten sich die anderen, die politischen Verfolgten, beschmutzt, von ihnen hatte also niemand ein Interesse sie zu rehabilitieren, jemand anderer schon gar nicht,121 die Be­troffenen selbst blieben in ihrer undurchdringlichen Scham gefangen, das Ressentiment herrscht ungebrochen weiter.

Die Berechtigung der polizeilichen und strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Asozialen wurden niemals überprüft, die über sie verhängten Strafen, sogar die KZ-Haft , wur-122 den als gerechtfertigt in die Zweite Republik und in die Bundesrepublik Deutschland übernommen. Das Gleiche gilt für die Insassen von NS-Fürsorgeanstalten und Jugend­arbeitslagern.

Wer jemals als asozial verurteilt wurde, hat bis heute kaum Möglichkeiten, dieses „Ur­teil“ aufheben zu lassen.

Die Zuschreibung „schwachsinnig“, die häufigste Kategorie in den Beschlüssen der Erbgesundheitsgerichte, anders als in den Fürsorgeakten vor und nach 1945, sehr genau als „erblich schwachsinnig“ rechtlich präzisiert,123 wurde bis in die Gegenwart vom demokratischen Staat Österreich respektiert. Schon als medizinische Diagnose fragwür­dig, als Maßnahme menschenrechtswidrig, aber - wie auch immer argumentiert wurde, die Zwangssterilisation konnte in Österreich über Jahrzehnte nicht als Verfolgungsmaß­nahme des Nationalsozialismus gebrandmarkt und verurteilt werden; um wie viel weni­ger konnte es gelingen, die gleiche Begrifflichkeit - erbkrank, schwachsinnig, minder­wertig, asozial, verkommen, angewendet in der Jugendfürsorge der Nachkriegszeit von sich zu weisen, am wenigsten durch jene, die auf diese Weise kategorisiert worden wa­ren.

3.1.1.2 „Die entwürdigenden pädagogischen Maßnahmen"

Das ist die Formulierung, die Carola Kuhlmann für die erste Zeile ihres Buches „So erzieht man keinen Menschen“ wählt: dieses Buch bezieht sich ebenfalls auf die Debat­te um die „Schläge im Namen des Herren“, die sich „noch nicht beruhigt“ hätte. In den „Schlägen im Namen des Herren“ wird in schlichter Art und Weise von physischer und psychischer Folter erzählt. Niemand würde auf die Idee kommen, diese Gewalttaten und diese Niedertracht als „pädagogische Maßnahmen“ zu bezeichnen, niemand außer Caro­la Kuhlmann, eine Pädagogin. Dem „Runden Tisch Heimerziehung“ und Kuhlmann liegen tausende Berichte vor, und doch wird den klagenden „Heimkindern“ durch die­sen einen Satz wieder bestätigt, dass sie „erzogen“, nicht misshandelt worden wären.

Durch das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1991 sei - schreibt Kuhlmann - das Ende der „Fürsorgeerziehung“ gekommen;124 dennoch versucht sie aus der Zeit davor zu retten, was nicht zu retten ist.

Carola Kuhlmann räumt problematische Züge der Heimerziehung ein: etwa, dass als Verwahrlosung Vernachlässigung durch die Eltern galt, diese aber bald als Folge „sün­diger Triebe“ dem Kind selbst bescheinigt wurde. Es gab zwar eine Trennung zwischen „Minderjährigenfürsorge“ und strafweiser „Fürsorgeerziehung“, sie war genauso wie in Österreich gesetzlich vorgegeben, deutlich waren die Unterschiede jedoch nicht, von der Behörde wurde die Gesetzestreue nicht so streng gehandhabt. Bei unehelichen Kin­dern, deren Vormund das Jugendamt war, wurde Verwahrlosung unterstellt, schreibt Kuhlmann125, sie schreibt von Körperstrafen und Einsperren, die Missstände wären be­kannt gewesen, und doch sind es „die ehemaligen ,Heimkinder‘, die ihre zum Teil traumatischen Erlebnisse mit nicht nachlassender Entschiedenheit auf die Tagesordnung setzten“126, nicht die Fachleute der Sozialen Arbeit, die ja immer und überall - erwach­sen und verantwortlich - selbst anwesend waren.

Der Titel „So erzieht man keinen Menschen“ ist ein Zitat aus einem Interview Kuhl- manns mit einer Frau, die als 12jährige in die Heimerziehung kam, nicht etwa von Kuhlmann selbst. Diesem Zitat und der damit ausgedrückten Haltung “könnten sich viele - wenn auch nicht alle - der Befragten anschließen“.127

Ein Kind könnte nicht überleben, wenn es seine Kindheit und Jugend nur negativ erin­nern würde. Kuhlmann berichtet von positiven Erinnerungen von der Art: „sie sei aber nie unter den Geschlagenen gewesen.“128 Sogar der Wunsch ins Heim zurückzukehren kann nicht zur Relativierung, zur Entlastung der Täterinnen, herangezogen werden.

Kuhlmann weiß, dass Ambivalenzen in den Erzählungen nicht die vergangenen realen Verhältnisse abbilden, sondern den Erinnerungsprozessen geschuldet sind.129

Carola Kuhlmann wurde vom „Runden Tisch Heimerziehung“ beauftragt, zu klären, „inwieweit und ob diese Praxis von der pädagogischen Theorie her für angemessen gehalten wurde oder ob ein Unterschied zwischen den theoretisch vertretenen Erzie­hungskonzepten und der in Heimen vorherrschenden Praxis bestand.“130 Die Frage nach der (theoretischen) Zulässigkeit von Körperstrafen in der „Erziehung“ greift zu kurz: es geht nicht um eine - mehr oder weniger verwerfliche - Gewalt zwischen Subjekten, sondern um die Reduktion der Opfer auf ein nicht-menschliches Objekt.

Diese schreckliche Ahnung wird ihrem Text kenntlich über eine einzige winzige kriti­sche Bemerkung: „ ... man kritisierte, dass ,sexuell verwahrloste Mädchen‘ mit Nicht- achtung behandelt werden, ... ‘dass sie nicht gegrüßt wurden‘“.131

Der soziale Tod, herbeigeführt durch sozialen Mord, wird in den von mir referierten „Fallgeschichten“ immer wieder deutlich. In einer Arbeit über zerstörerische Vorgänge in Institutionen132 wird die Frage aufgeworfen, ob die Formel vom „sozialen Tod“, als Ausschluss aus gesellschaftlichen Bezugsfeldern, zu den beschriebenen Zuständen - sexuelle Gewalt - passt. Die Fragen, wie es zu Erniedrigungen und Verletzungen im institutionellen Rahmen kommt, zu jenem Interaktionsgeflecht, das diese Taten möglich macht, wird charakteristischer Weise zunächst bei jenen Kindern und Jugendlichen ge­stellt, die sich in Institutionen der höheren Bildung befinden.

3.1.1.3 „Frauen- und Geschlechterforschung"

Im Jahr 2007 erschienen zwei sehr unterschiedliche Studien, beide aber mit merkwürdi­gen Vorworten, in der von Sabine Hering herausgegebenen Reihe „Frauen- und Ge­schlechterforschung in der Erziehungswissenschaft“.

Die Autorinnen Eva Gehltomholt und Sabine Hering133, äußern in ihrem Buch “Das verwahrloste Mädchen” immer wieder starke Zweifel an der Angemessenheit der Für­sorgemaßnahmen: „Solche dramatisierenden Darstellungen von Jugend und ,Jugend- verwahrlosung‘ ... vermitteln nicht den Eindruck, dass die PädagogInnen, die sich hier zu Wort meldeten, eine realistische Wahrnehmung ihrer Schutzbefohlenen gehabt ha­ben.“134

Die Träger der katholischen Kirche sahen es als ihre Aufgabe, „jedes Anzeichen von weiblicher Sexualität zu unterdrücken und die Mädchen durch härteste Bestrafung vom ,Weg der Sünde‘ abzubringen.“135 Die Autorinnen, vermutlich eher die Autorin Gehl­tomholt, konstatiert eine von der ,Erbsünde‘ abgeleitete Dämonisierung der Mäd­chen.136

Umso überraschender ist es, dass diesem Buch ein „Vorwort“ von Dietlinde Gipser vor­angestellt wurde, in dessen erster Zeile die Worte „Hamburg - St. Pauli“ stehen und in dem sich ein Auszug aus Interviews aus dem Jahre 1965 befindet: „.Erika F. .Der Mund zeigte noch verwischte Lippenstiftspuren, die Wimpern waren verklebt..“ Und es werden auch Details aus dem Berufsleben von „Erika F.“ berichtet.137

Dem weiteren in der gleichen Reihe erschienenen Buch138 von Julia Fontana wird ebenfalls ein „Vorwort“ von Dietlinde Gipser vorangestellt, in dessen erster Zeile Worte „Hamburg - St. Pauli“ stehen und in dem sich ebenfalls ein Auszug aus Interviews aus dem Jahre 1965 befindet: Diesmal geht es um eine Sarah M. „Sie trug einen engen grauen Flanellrock, der Schlitz hinten war aufgerissen.“ In diesem Vorwort kommen auch „Neger“ vor (ohne Anführungszeichen), sodass sich „Neger“ und Prostituierte gegenseitig herabwürdigen.

Es ist schwer zu ertragen, dass in einer Reihe „Frauenforschung“ in reißerischer Absicht das „Prostituierten-Genre“ aufgerufen wird und die übliche (Sensations)Geilheit und der Voyeurismus bedient wird. Durch dieses „Vorwort“, das offenbar in einer „guten alten Zeit“ spielt, wird soziale Arbeit mit jungen Frauen wieder in die längst überwunden geglaubte Sittlichkeitsdebatte eingeschrieben.

Die Geisteshaltung und die Bilderwelt, die hier auf wenige Seiten eingeköchelt und konzentriert ist, hat eine mehr als hundertjährige Geschichte und ist offenbar bis zum heutigen Tag aufrufbar und einsetzbar.

Johannes Richter, Diplom-Sozialpädagoge und Professor an einer Evangelischen Hochschule, hat eine bedeutende Arbeit über „Familienleben, Jugendfürsorge und Sor­gerechtsentzug“ in Hamburg in der Zeit von 1884-1914 geschrieben.139 Er greift einen Text140 aus dem Jahre 1832/33 auf, der, zusammen mit zwei weiteren literarischen Bei­spielen, einen bestimmenden Einfluss auf die allgemeine Wahrnehmung des Familien­lebens in den Armenvierteln Hamburgs erlangt hätte. Er schreibt dem literarischen Gen­re „Slumreportagen“ eine wahrnehmungsprägende Kraft zu:

„Wicherns141 Schilderungen waren als eine Art Reisebericht in eine dem Bürger­tum weitgehend unbekannte, städtische Unterwelt angelegt, die nicht nur durch entsetzliches Elend und gesundheitliches Siechtum, sondern vor allem durch gras- sierende Unmoral und Unsittlichkeit geprägt war.“142

Der Text eines anderen Autors aus dem Jahre 1910143 wird folgendermaßen vorgestellt:

„Poperts Sittengemälde war nicht um Differenziertheit bemüht. Es bediente viel­mehr sämtliche Allgemeinplätze, die sich das Hamburger Bürgertum im Laufe der Jahre über das Nachtleben im subproletarischen Milieu gebildet hatte. Der Autor schürte gezielt die Ängste seiner Leserschaft, indem er den nächtlichen Amüsier­betrieb zu grotesk-morbiden Szenen verdichtete, denen er aber stets den Anschein des Dokumentarischen verlieh, indem er sie an authentische Schauplätze verlegte und mit realen Begebenheiten und Requisiten ausschmückte.“144

Die zeitgenössischen (Zerr-)Bilder der Arbeiterfamilie, die als Wahrnehmungsmuster anhand der Exkursionen nach „St. Pauli“ mittransportiert und beständig aufs Neue re­produziert wurden, wären zu einer Art Gründungsmythos der Sozialpädagogik verdich­tet worden, der als legitimatorische Basis der Fürsorgewissenschaft und später auch der Sozialen Arbeit dienen konnte.145

3.1.1.4 „Lebensbewährung nach öffentlicher Fürsorge"

Die Autorin des Buches über die „Lebensbewältigung nach der FE“ von Frauen, die in oder nach der Fürsorgeerziehung ein uneheliches Kind geboren haben, Julia Fontana, gibt an, von Sabine Hering an dieses Thema herangeführt worden zu sein146. Sie führt ältere Forschungen: “Lebensbewährung nach öffentlicher Erziehung” aus dem Jahre 1959 von Lieselotte Pongratz und Hans-Odo Hübner147 ohne jede kritische Distanz fort. Damals und auch in den Nachfolgeuntersuchungen in den Jahren 1964 und 1965 ver­schaffte man sich mit einer Lüge Zugang zu den öffentlich Erzogenen, führte unange- kündigt Interviews durch148, verweigerte aber den Befragten Einblick in deren eigene Fürsorge-Akten149.

Wie sich aus der Biographie von Lieselotte Pongratz150 ergibt, kämpfte sie selbst darum, nicht in der Heimerziehung zu landen. Für die von Pongratz Untersuchten jedoch war diese Form der Unterbringung der über jeden Zweifel erhabene Zwangsrahmen ihres Lebens.

Anette Lützke erwähnt diese „zeitgenössischen Untersuchungen“ als Ausnahme:

„Bis heute 2002 liegt keine umfassende historische Aufarbeitung der Öffentli­chen Erziehung für Mädchen nach 1945 vor. Besonders die fünfziger und sechzi­ger Jahre sind in der Forschung zur Geschichte der Fürsorge- und Heimerziehung vernachlässigte Epochen.151

Im Titel von Fontanas Buch ist der Begriff „Lebensbewährung“ auf „Lebensbewälti­gung“ nur sanft modernisiert worden, gemeint ist dasselbe.

Dieses Wort stellt eine Parallelität zwischen der Jugend- / Mädchenfürsorge und dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) vom 14. Juli 1933 her, das in der Bundesrepublik Deutschland, anders als in Österreich, bis 1998 rechtsgültig blieb.152

In der Erbgesundheitsgerichtsbarkeit hatte in vielen Verfahren die Zuschreibung von Asozialität und mangelnder Lebensbewährung besonderes Gewicht, obwohl diese Diffamierungen nicht einmal als Diagnose im NS-Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses verankert waren.153 Die AutorinInnen Düchting, Pongratz, Fontana neh­men diesen Begriff auf und verknüpfen ihn - wie im NS-Staat auch - mit unerwünschter Fortpflanzung.

Gegen Urteile aufgrund dieses Gesetzes - anders als gegen die Einweisungen in ge­schlossene Fürsorgeheime - waren Wiederaufnahmeverfahren zulässig; diese Verfahren wurden von Amtsgerichten durchgeführt, wobei deren Entscheidungen auch in der Bundesrepublik weniger von der „Erblichkeit“ einer Erkrankung oder Behinderung ab­hingen, sondern auf dem Lebenswandel der Antragsteller beruhten.154

Die Beweislast “unzulässig” sterilisiert worden zu sein, lag bei den Betroffenen.155 Die Diagnose aus den NS-Erbgesundheitsakten war maßgebend.156

Auch in Österreich schien eine sehr katholische Autorin157 dem protestantischen Ethos Nachdruck verleihen zu wollen: es wurden auch hier ständig „Lebensziele“, „Erzie­hungsziele“, „Berufsvorstellungen“ abverlangt und das von jungen Frauen der Arbeiter­ schaft, in deren Lebenswelt das Wechseln zwischen Anpassung und Verweigerung die einzig sinnvolle Strategie darstellte. Die Buddenbrooks wohnen woanders. Das Schei­tern von Arbeitsverhältnissen - der lebenslange Normalfall - legte man den Schützlingen zur Last und die Entlassung durch den Arbeitgeber / die Arbeitgeberin galt als objekti­ves Gutachten über die soziale Nützlichkeit der „Untergebrachten“, die von vornherein als fragwürdig erscheint.

Vermutlich um das besondere Interesse an „unehelichen Müttern“ zu rechtfertigen, geht Fontana noch weiter zurück: Pongratz und Hübner hatten überrascht, aber korrekt fest­gestellt, dass sich uneheliche Kinder nicht überproportional unter den „verwahrlosten“ befunden haben.158 Fontana hingegen zitiert 2007 drei Druckseiten lang eine Arbeit aus dem Jahre 1933 über das defizitäre Wesen des unehelichen Kindes ohne jede Relativie­rung, z.B.: „Die unehelich Geborenen, ... zeichneten sich in ihrem Verhalten durch eine gewisse Unstetheit bzw. einen Wandertrieb aus, ,..“159

Fontana schreibt die Aktenvermerke der Behörde - bei ihren zwischen 1931 und 1934 geborenen Probandinnen ist das zunächst die NS-Behörde - schlicht ab160. Ihre Interpre­tation ist identisch mit der Diktion der Zöglingsakten:

„Seit der Ehescheidung 1934 lebt die Mutter mit Frau Lummer allein und verdient den Lebensunterhalt. Dies hat zur Folge, dass sie sich durch die ganztägige Arbeit kaum um das Kind kümmern kann und Frau Lummer zu verwahrlosen droht.“161

Kommentar Fontana hier und jetzt im 21. Jahrhundert:

„Die Beziehung zur Mutter war aufgrund deren ganztägiger Berufstätigkeit und der Kindertagesheimunterbringung vermutlich loser, da Mutter und Kind nur we­nig Zeit miteinander verbringen konnten, und die Mutter, wie aus der FE-Akte hervorgeht, vor allem wegen des Unterhalts162 das Kind bei sich behalten woll­te.“163

Carola Kuhlmann, die zur gleichen Zeit Interviews mit ehemaligen Fürsorgezöglingen durchführt, erwähnt, dass sie bewusst auf eine Lektüre von Akten verzichtet hätte, weil die dort gefällten Urteile für die Betroffenen bis heute stigmatisierend wirken.164

Eine lange Reihe von Schimpfwörtern und Verdächtigungen wird von Fontana referiert, ohne je auch nur ein Anführungszeichen zu setzen, es taucht auch ein Zigeuner165 als Vater eines unehelichen Kindes auf.166

Sie schreibt: „Frau Mayer“, als Fürsorgekind mit 13 Jahren, wird nicht nach Hause ent­lassen, sondern von der Fürsorgeerziehungsbehörde im Jahre 1943[!] in einen bäuerli­chen Haushalt mit Kindern gegeben. Dort gibt es Probleme, weil „Frau Mayer“, das 13jährige Kind! "bei der Arbeit versagt167 und als naschhaft, unzuverlässig und unehr­lich gilt.“168 1947 kommt sie, 17jährig, in das sechste geschlossene^] Fürsorgeheim, weil: „Sie soll albern, ungezogen, schwatzhaft und ohne Lebensernst sein, so dass die FE weiterhin als notwendig erachtet wird.“

Sie fügt derartige Texte, ohne die geringste Relativierung, in die Protokolle der Inter­views mit den inzwischen alt gewordenen Frauen ein, deren schmerzhafte und beschä­mende Erinnerungen an die Fürsorgeerziehung sie nach dem Muster der früheren Be­fragungen aufrührt.

„Frau Mayer“ kann jetzt also bis an ihr Lebensende schwarz auf weiß nachlesen, dass sie - als 13Jährige, ohne Bezahlung an einen Bauern vermietet - "bei der Arbeit versagt und als naschhaft, unzuverlässig und unehrlich gilt.“169 Fontana müsste 2004/2007 wis- sen, dass solche Vorgänge heute unter Kinderarbeit und sklavenartige Ausbeutung170 subsummiert werden.

Neunzehn Frauen hatten wohlweislich abgelehnt, sich ein weiteres Mal „interviewen“ zu lassen, nur sechs waren einverstanden, zwei davon hatten auch positive Erinnerun­gen.171 Auch die Interviews hatten und haben den Charakter von Verhören, bei denen es darauf ankommt, den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu bezweifeln und ihnen das letzte Zipfelchen von Selbstdefinition wegzunehmen. Einer der früheren Interviewer gibt an, „dass Frau Winter zu Unaufrichtigkeiten neige, indem sie beispielsweise ihren Lebens­wandel (Gonorrhö, Umhertreiben, HwG etc.) bagatellisiere.“172 Fontana findet es „inte­ressant zu beobachten“, dass keine der Frauen Angaben zu den Gründen für die FE- Unterbringung in deren Kindheit(!) machen konnte und vermutet Verschleierungstakti­ken.173

Die Autorin protokolliert alle völlig irrelevanten, meist nachteiligen privaten Details: „Der zweite Sohn ist 44 Jahre alt, leicht geistig behindert,...“174, sie schreibt auch über Krampfadern und geschwollene Beine, weil, wie es in einer Anmerkung heißt: „Die Beschreibung des Aussehens etc. der Befragten wurde in Anlehnung an die damaligen Interviewprotokolle unternommen.“175 Eine in der Gegenwart lebende Leserin sieht in diesen Beschreibungen die Anknüpfung an physiognomische Charakterkunde.176

Der Titel ist irreführend: „Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen“. Das Buch erschien zur Zeit jener Wendung im öffentlichen Bewusstsein, der zufolge sexueller Missbrauch in Heimen als Verbrechen ernst zu nehmen ist. Hier jedoch geht es nicht darum, die menschenverachtenden Praktiken der Zwangsarbeit, Zwangserzie­hung und Zwangsunterbringung der 1940er, 50er und 60er Jahre und ihre Auswirkun­gen auf die Lebensgeschichten der Opfer einer neuen Bewertung zu unterziehen und eine Art Wiedergutmachung zu versuchen.

Im Gegenteil, sogar für die Beeinträchtigungen durch die Heimerziehung selbst werden die Frauen nachträglich verantwortlich gemacht, es heißt regelmäßig: Frau XY hat kei- nen Beruf erlernt, hat keine Berufsausbildung, hat keine berufliche Ausbildung.177

Aus einem Interview der Autorin für ihr 2007 erschienenes Buch:

„Und dann hab‘ ich Briefe nach Hause geschrieben. Das macht man, wenn man Heimweh nach Hause hat, und die werden dann vorgelesen, vor allen Kindern, wissen Sie was, das tut sehr weh, das ist sehr verletzend, das Herz tut einem weh.“ „Dann hab ich unter anderem geschrieben: ,Mama, lebst Du noch?‘ oder ,Was ist dir passiert?‘, weil die Bombenangriffe waren, da haben sie sich lustig über ge­macht als Erzieherinnen, das finde ich nicht gut, vor allen Kindern so bloß stellen, das tut bitter weh im Herzen, wissen Sie das?!“178

Es geht hier um ein Kind, das nicht weiß, ob seine Mutter lebt oder schon tot ist. Die Praxis der hermetischen Isolierung von Eltern und Kindern wurde nach der NS-Zeit in Wien energisch - und menschenrechtswidrig - weitergeführt, normiert in den Erläute­rungen zum Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, verfasst von Karl Ourednik,179 als Partei­genosse schon während der NS-Zeit führender Funktionär im gleichen Aufgabenbe­reich.180

In den Erläuterungen zum Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1955 [siehe Anhang] werden klare Anweisungen gegeben, wie das Recht auf Akteneinsicht zu hintertreiben ist: El­tern von denen anzunehmen ist, dass sie „in der ungünstigen Beeinflussung des Fürsor­gezöglings verharren werden“, § 29 JWG [siehe Anhang], könnten sich durch Aktenein­sicht bei den Gerichten in Kenntnis vom Unterbringungsort des Kindes setzen. Deshalb ist „eine Bekanntgabe des Unterbringungsortes an das Gericht nicht vorgesehen.“ [!]181

Fontana seziert kühl die drängenden Bitten der Frau nach ein bisschen Mitgefühl, lässt sich darauf nicht ein, sie ignoriert auch die explizite Aufforderung ihrer Gesprächspart­nerin, den damaligen Missständen auf den Grund zu gehen und sie aufzuzeigen. Die alten Frauen haben ihre Erinnerungen trotz Bildungsferne von der Gegenwart her auf der Höhe der Zeit umstrukturiert, nicht so Fontana.

In diesem Buch wird die Geisteshaltung der 1940er und 50er Jahre, über die 1960er Jahre bis in die Gegenwart weitergeführt und ein Weltbild aufgerufen, in dem sich die Fürsorge in der bis heute andauernden Nachkriegszeit nicht von der der NS-Zeit unter­scheiden lässt, eine Tradition gepflegt, in der sich die verwendeten Invektive über Jahr­zehnte hinweg abschreiben lassen und der Verdacht genährt wird, dass sich im Selbst­bild der Jugendfürsorge geschichtliche Veränderungen nicht abbilden, nicht einmal der Zusammenbruch des Nationalsozialismus.

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass in Deutschland im Jahre 1990 ein Paradigmenwechsel von der Jugendwohlfahrt zur Kinder- und Jugendhilfe erfolgte, und schon im Sechsten Jugendbericht 1984 erstmals mit dem Fokus auf die „Verbesse­rung der Chancengleichheit der Mädchen in der Bundesrepublik Deutschland“ die Ge­schlechterfrage182 zumindest programmatisch aufgerufen wurde.

Wenige Jahre nach Fontanas Buch, 2011, wurden die aufgespießten Objekte von Diet­linde Gipser und Heiner Zillmer nach einmal abgestaubt, „erneut verwertet“, noch ein­mal die Frage gestellt, inwieweit die übriggebliebenen ledigen Mütter und sonstig Ver­wahrlosten doch noch zu irgendetwas nützlichem geworden wären. Das Ergebnis: Die „Ehemaligen“ - damit sind nicht die Forscherinnen und Fürsorgerinnen, sondern die Heimkinder gemeint - „lebten im Rahmen ihrer von Beginn an bestehenden Zugehörig­keit zur sozial unteren Unterschicht ,angepasst‘.“183 Und in der Zeit der Vollbeschäfti­gung um 1970 gab es - welche Überraschung - nur wenige „Arbeitsscheue“.

Ein Rezensent, Stefan Quensel, ist bescheiden: „Der eigentliche Wert dieses Buches liegt zunächst in der kurz aufgeworfenen ethischen Frage, inwieweit man die eigene Aktenkenntnis bzw. überhaupt die Forschungsfrage der ,Bewährung’ gegenüber den Befragten verschweigen konnte, sowie in der Frage, inwieweit der „veränderte wissen­schaftliche Bezugsrahmen“, der in den 70er Jahren den Blick von der ätiologischen ,Verwahrlosung’ hin zu den erlittenen Stigmafolgen schärfte, in ein solches Follow-up Unternehmen eingebaut werden könne.“184

Es wird also hier von diesem Rezensenten für die historische Betrachtung der Fürsorge und der Fürsorgewissenschaft die moralische Reflexion des Vorgehens und der Vorstel­lungen eingefordert, es wird ein Paradigmenwechsel eingefordert, jener Paradigmen- Wechsel, der von bedeutenden Vertreterinnen der Sozialen Arbeit in Deutschland noch nicht geleistet wurde.

3.1.2 Weitere Literatur in Deutschland

Zur Geschichte der Sozialen Arbeit im Allgemeinen gibt es zahlreiche Aufsätze und Aufsatzsammlungen, vor allem seit Anfang der 1980er Jahre185. In der Einleitung zu einem dieser Reader schreiben Sabine Hering und Berteke Waaldijk:

„Die Soziale Arbeit hat sich allerdings im Laufe ihrer Geschichte auch politisch missbrauchen lassen: SozialarbeiterInnen haben sich an der Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten beteiligt und u.a. (z.B. im Bereich des Nichtehe- lichenrechts) auch zur Benachteiligung von Frauen beigetragen. Diese dunkle Sei­te unserer Geschichte mahnt uns gleichermaßen wie unser emanzipatorischer Auf­trag, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln,.. ,“186

Eine weitere Aufhellung der „dunklen Seite unserer Geschichte“ findet nicht statt.

2007 ist also eine Arbeit in der von Sabine Hering herausgegebenen Reihe ohne das angemahnte „kritische Bewusstsein“, erschienen, sondern der Verfolgung von Frauen wegen ihrer Geschlechtlichkeit und wegen ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären, oder wie sich Sabine Hering, Professorin für Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Gender, ausdrückt, „im Bereich des Nichtehelichenrechts“.

Die Entmündigung und Deklassierung von nicht mit dem Vater des Kindes verheirate­ten Müttern, getragen und betrieben von dem Berufsstand der FürsorgerInnen und (kon­fessionellen) Erzieherinnen, und die damit verbundene Auslieferung der Kinder an Für­sorgeheime, in denen die nunmehr bekannt werdenden Bedingungen herrschten, nennt Sabine Hering „Nichtehelichenrecht“, als wäre es ewig, in Stein gemeißelt und auch heute noch für Wissenschaftlerinnen im Bereich „Gender“ eine verbindliche Norm.

In Österreich wird 2013, nur wenige Jahre später, vom Staat ein Gesetz geschaffen, das im Zusammenhang mit Pflege und Erziehung von Kindern den Begriff der Unehelich­keit - diesmal vor allem im Interesse von unehelichen Vätern - ganz abschafft. „Die Unterscheidung von ehelichen und unehelichen Kindern wird beseitigt ...“ 187.

Annette Lützke hat ihre Dissertation „Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder ,sittlich verwahrlostet Mädchen und junger Frauen“, fast 500 Seiten lang, 2002 im Internet veröffentlicht188 und das erste große Werk über die Heimerziehung von Mädchen verfasst. Es werden auch die Lebensbedingungen der Mädchen vor der Einweisung untersucht und sie stellt fest, dass 17% der untersuchten Mädchen nachweislich vorher sexuell missbraucht worden waren. Für Lützke ist es eine wichtige Fragestellung, welche stereotypen Sichtweisen sich aus dem behördlichen Handeln erschließen lassen, und auf welche Weise Stigmatisierungen als „gesichertes Wissen“ in den Berichten fortgeschrieben wurden.189

Mit den - langfristig wirksamen - Entwicklungen in der Zeit von 1871 bis 1918 be­schäftigt sich Heike Schmidt in ihrem aus einer Hamburger Dissertation entstandenen Buch „Gefährliche und gefährdete Mädchen. Weibliche Devianz und die Anfänge der Zwangs- und Fürsorgeerziehung.“190

Heike Schmidt wählte die drei Kategorien Verhäuslichung, Disziplinierung und Versitt- lichung, also Formulierungen aus der Perspektive der Bearbeiterinnen des Menschen­materials, Kategorien, die eine deutliche Distanzierung von der diesen Begriffen imma­nenten Parteilichkeit vermissen lassen; sie ordnet allerdings dem „dreifachen Zugriff, dem die späteren Fürsorgemädchen ausgesetzt waren“191 drei verschiedenen Vorgän­gereinrichtungen zu, dieser „dreifache Zugriff“ wird so eingebettet in die Geschichte gewaltförmiger Praxis in den entsprechenden historischen Institutionen.

Die Arbeit „Mädchenwelten. Sexuelle Gewalterfahrungen und Heimerziehung“, eine Arbeit zur Jugendhilfe, von Gabriele Schäfter und Martina Hocke192 ist 1995 entstan­den, nachdem „das sittliche Wertsystem Mitte der 60er Jahre ins Wanken gekommen ist und sich auch die Rechtsprechung zur sog. ,sexuellen Verwahrlosung‘ geändert hat und nachdem der Begriff der Verwahrlosung aus dem Jugendhilfebereich verschwunden sei.“193 Die Autorinnen halten es für notwendig, sich doppelt - durch das Voranstellen von „sog.“ und durch Anführungszeichen - von dem Begriff zu distanzieren und stellen die Frage, ob auch der Inhalt aus dem Denken der Verantwortlichen gestrichen wur- de.194

Schäfter und Hocke geben einen Überblick über die theoretischen Positionen und die Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialarbeit / Sozialpädagogik und eröffnen den Zugang zu einer großen Zahl von einschlägigen Arbeiten aus den Jahren 1980 bis 1990. Erst in den 1980er Jahren - mit 10jähriger Verspätung - kam es also im Zuge der Frau­enbewegung zu einer gesamtgesellschaftlichen Reflexion, abzulesen an der Zahl von Publikationen, die - in Deutschland - zum Thema „sexuelle Verwahrlosung“ / Mädchen / Sozialarbeit erschienen.195

Es wird von „mittelschichtorientierten Normen“, „geschlechtsspezifischen Wahrneh- mungsstrukturen“196, von der „Wirksamkeit patriarchalisch geprägter Wahrnehmungs- strukturen“197, von der „einseitigen, auf Sexualität bezogenen Aufmerksamkeitsstruktur von SozialarbeiterInnen bei Mädchen“198 gesprochen und davon dass „sexuelle Gewalt gegen Mädchen in der Kindheit der wirksamste Beitrag zur geschlechtsspezifi­schen Sozialisation ist, den wir heute kennen“199.

„Die als Reaktion auf erlebten sexuellen Mißbrauch entwickelten Verhaltensweisen ... werden von den PädagogInnen oft nicht als Überlebensstrategie erkannt.“200 Die Auto­rinnen glauben noch 1995 mit „sekundärschädigendem Verhalten“ nach sexuellem Missbrauch kämpfen zu müssen.201

3.2 In Österreich

Für das umfangreiche Angebot von grundsätzlichen Auseinandersetzungen zu Sozial­pädagogik, zur Geschichte der Jugendwohlfahrt und der Mädchenfürsorge in Deutsch­land gibt es in Österreich kein Gegenstück. Allerdings ist mir auch kein aktuelles ge­drucktes Werk zur Geschichte der Jugendwohlfahrt in Geiste Fontanas bekannt.

Man könnte vermuten, dass der Grund für die doch etwas unterschiedliche Entwicklung darin liegt, dass in Österreich die Jugendfürsorge nicht der exterritorialen Macht der „freien Träger“ überlassen blieb, sondern dass die (kommunale) Politik zunehmend - wenn auch viel zu spät und viel zu zögernd - die Verantwortung für die einweisenden Behörden und das Geschehen in den Heimen an sich zog.

Auch in Österreich gibt es zwei - allerdings nicht veröffentlichte - akademische Ab­schlussarbeiten, die sowohl die Sprache ihrer Quellen, als auch deren geistige Grundhal­tung reproduzieren,202 so als wäre die Zeit vor 110 bzw. 60 Jahren stehen geblieben.

Noch im Jahre 1986 wurde eine Dissertation im katholischen Umfeld verfasst203, die im Unterschied zu der als Quelle behandelten Dissertation von Marianne Estl im Jahre 1952 zwar moderater in der Wortwahl ist, aber weitgehend denselben Grundzügen folgt: „... der Kausalnexus führt hier letztlich aber immer zur Promiskuität.“204

Dieser im Jahre 1987 erschienenen Arbeit steht eine andere gegenüber, 1976 fertigge­stellt, die mit Bezug auf die gleiche Bevölkerungsgruppe - schulentlassenen Mädchen, die von der Fürsorgebehörde als „schwierig“ bezeichnet werden - zu ganz anderen Ein­schätzungen der Entwicklungsmöglichkeiten der Mädchen, Wertvorstellungen und Er­ziehungszielen kommt. Die Autorin, Agnes Hochgerner-Bittner, arbeitet selbst in je­nem Heim für Mädchen, die sich in öffentlicher Erziehung befinden, dem Jugendheim Spattstaße. Sie formuliert für die Heimerziehung einen für den Paradigmenwechsel in den 1970er Jahren charakteristischen Forderungskatalog205 und sie stellt die Situation im Heim in einen Zusammenhang mit den Reformvorschlägen der Wiener Heimkom­mission,206 deutet aber an, dass sich dieses Reformprojekt vom Jugendamt nicht unter­stützt fühlt.207

In Österreich löste 1975 der Begriff „Sozialarbeit“ den Begriff der Fürsorge ab, parallel zu der Einführung der zunächst zweijährigen Akademien für Sozialarbeit als postsekun­däre Ausbildungseinrichtungen (vorher Lehranstalt für gehobenen Sozialberufe)208 und parallel zum gesellschaftlichen Wandel, der von der neuen Generation SozialarbeiterIn­nen und BewährungshelferInnen in die Jugendsozialarbeit getragen wurden, ohne die „Fürsorge“, auch aus den historischen Reflexionen, ganz zu verdrängen.209

Der Arbeit Irmtraut Leirers (Karlssons) et.al. in den 1970er Jahren,210 wird nunmehr im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Bedingungen unter denen Heimerziehung damals erfolgt ist, die entsprechende Publizität zuteil.

Gössler-Leirer / Karlsson stellte auch Überlegungen zur Frauenkriminalität an, die diese in einen weiteren sozialstrukturellen Bezugsrahmen stellen; der geringe Anteil der Frauen sowohl an den Verdächtigen als auch an den Verurteilten wird vor allem unter dem Gesichtspunkt interpretiert, dass das Strafrecht als Kontrollmodus gegenüber Frau­en von sekundärer Bedeutung ist, oder umgekehrt: andere Kontrollstrategien ihnen ge- genüber stärker eingesetzt werden.211

Die Untersuchung von Normalitätsvorstellungen von gesellschaftlichen wie politischen AkteurInnen212 erfolgt auch in Bezug auf Kriminalität nur in Einzelfällen.

Zu einigen Teilaspekten und für einzelne Zeitabschnitte gibt es sowohl von Historike­rinnen als auch von Vertreterinnen des Faches Rückblicke, Ausblicke auf geschichtli­che Abläufe. Eine historische Darstellung der Mädchenfürsorge in der Zweiten Repu­blik gibt es jedoch nicht.

Für die Zeit der Ersten Republik gibt es eine einzige Darstellung, die sich auf das The­ma „Mädchen in der Jugendfürsorge“ in Österreich/Wien konzentriert, aus dem Jahr 1990, nämlich Lydia Marinelli, „Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. Das Wiener Fürsorgesystem und ,die sittliche Verwahrlosung der weiblichen Jugend‘. 1918­1933“.213 Marinelli bringt ein gerne verwendetes Zitat aus einer wissenschaftlichen^] Betrachtung, dass das auffällige Mädchen zu einem Wesen macht, in dem sich das “weibliche Prinzip”, die weibliche Natur ungehemmt ausbilde. Das Geschlecht selbst wird der jungen Frau zum Verhängnis:

“Wir sehen deutlich bei den Mädchen das Bild der Dirne auftauchen, in deren passiver, träger und nachlässiger Art die Passivität des weiblichen Wesens im Hang zum Nichtstun ausgeartet ist und ihre Abhängigkeit vom männlichen Ge­schlecht sich mit ungeordnetem Wesen verbindet.”214

Für Marinelli ist „Verwahrlosung“ als Begriff die Rückseite des bildungsbürgerlichen “Kulturbegriffes”. Sie konstatiert bei den Autorinnen, die der Arbeiterbewegung na­hestanden, dass sie die sozialen Ursachen innerhalb des kapitalistischen Systems veror- teten, jedoch in ihren Zuschreibungen auf Bildungsideale zurückgriffen, die eindeutig anderen Schichten entlehnt waren.215

Eine umfangreiche Studie über Prostituierte wäre bis in die 1950er Jahre ein vielzitier­tes Standardwerk geblieben: In dieser Studie wurde als Ursache der „Verwahrlosung“ die Berufstätigkeit der Mütter und die allzu große Freiheit in der Kindheit geortet. Das Vergehen der Tochter war letztendlich ein Vergehen der Mutter, die sich den Reproduk­tionsaufgaben nicht in angemessener Form gewidmet hätte.216

Ein anderer Autor hat 1996 eine Dissertation zum Fürsorge- und Wohlfahrtswesen in Österreich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts217 verfasst und das zentrale Thema angesprochen:

„Depersonalisierung des Anderen ist allerdings auch kein geschichtlich überhol­bares Moment menschlichen Existierens, es ist eine latente Möglichkeit und mani- fester Bestandteil der Wirklichkeit menschlicher Beziehungen...218

Nach welcher Theorie immer die Herausbildung und das Überleben von Merkmalen des Mensch-Seins, „Subjektivität“, postuliert wird, wie immer diese Merkmale begrifflich gefasst werden - Individuation, Selbst, Ich - im Heim enden sie im Nichts. Das Selbst ist, nach Reinhard Sieder, „eine immer prekäre Konstruktion jenes Subjekts, das über spricht“219 - auch wenn das Sprechen erlaubt gewesen wäre, was oft verboten war, wer hätte den „Subjekten“ zugehört? Wer hätte geantwortet?220

Seit Jahren und in vielfältiger Form hat sich Gudrun Wolfgruber zum Thema Jugend­wohlfahrt zu Wort gemeldet; sie steht in Diskussion mit den Fachvertretern und anderen an dem Thema Interessierten.

Ihre Diplomarbeit221 beginnt Gudrun Wolfgruber damit, dass sie Rechenschaft ablegt über ihre eigene Motivlage, ein Verfahren, das weder in historischen Darstellungen der Sozialarbeit noch bei den AkteurInnen üblich ist.

Ein zweites Mal verweigert sich Gudrun Wolfgruber dem geforderten Einverständnis mit den Selbstgewissheiten der Sozialarbeit, sie thematisiert den Klassencharakter der Jugendfürsorge. Julius Tandler222 strebte die Höherentwicklung der Arbeiterfamilie zum Glück des (klein)bürgerlichen Heimes an, erkennt aber, dass das Proletariat Widerstand leistet gegen die imperialistische Bekehrung.223

Gegen alle Realität, gegen alle Statistiken über die Frauenerwerbsbeteiligung und gegen die wohlverstandenen Interessen aller Frauen in der sozialdemokratischen Klientel wird an dieser „Leitkultur“ festgehalten und erst zu jenem Zeitpunkt relativiert, als die „Ar- beiterschaft“ bereits zur „Mittelschicht“ geworden war.224

Es gibt zwei Gruppen von Arbeiten, die heranzuziehen sind, jene, die die Jugendfürsor­ge und deren Institutionen selbst in der Nachkriegszeit - meist zeitlich und regional begrenzt - zum Thema wählen, eine wird von einer Mitarbeiterin über das eigene Be­zirksjugendamt verfasst und die anderen sind akademische Abschlussarbeiten225, und die bereits mehrfach zitierten Selbstdarstellungen des Jugendamtes, hierzu sind zwei programmatische Sammelbände aus den 1970er und 1980er Jahren zu rechnen: „Model­le der Sozialpädagogik“ und der „Wiener Weg der Heimerziehung“226, in ihnen wird die Verschiebung des Schwerpunkts der Arbeit des Jugendamtes in Richtung auf ambulante Dienste deutlich.

Die zweite Gruppe stellen jene Arbeiten dar, die sich mit dem Fürsorgewesen in der NS-Zeit auseinandersetzen; diese gewährleisten eine kritische Sicht auf ihren Gegen­stand und es kann auf sie auch für die Nachkriegszeit nicht verzichtet werden, obwohl der scharfe Schnitt durch das Abbrechen der Darstellung mit dem Kriegsende eine Art „Stunde Null“ konstruiert, die es so nicht gegeben hat.227

Brigitta Haselbacher, selbst tätig als Bewährungshelferin, konnte für die Darstellung der katastrophalen Zustände in der Bundesanstalt für männliche Erziehungsbedürftige Kaiser-Ebersdorf, die im Jahre 1952 zu einer mit brutalen Mitteln niedergeschlagenen Revolte geführt haben, 1990 noch Berichte einer Reihe von Gewährspersonen heranzie­hen und sie konnte auch die Reformen registrieren, die nach diesen Ereignissen unum­gänglich geworden waren.228

Seit einigen Jahren, seitdem Konstellationen, die seit langem bekannt waren,229 wieder zum Thema wurden, die Lebensbedingungen in den „Heimen“ nämlich, beginnt sich ein neuer Strang des Diskurses auch in Österreich zu entfalten. Die große Arbeit Reinhard Sieders und Andrea Smioskis230 stellt einen Meilenstein dar. Eine „Kommission Wil­helminenberg“231 wurde eingerichtet, die ebenfalls „die Behandlung der Kinder anläss­ lich ihrer Befürsorgung und Einweisung in städtische Einrichtungen, die schweren Ver­letzungen ihrer körperlichen und psychischen Integrität“ aufarbeiten wird.

4 Amtsvormundschaft

Wie schon erwähnt, wurden in Wien in der in Frage stehenden Zeit ungefähr zehn Pro­zent der Kinder außerehelich geboren, sie alle wurden zu „Mündeln“ des Jugendamtes, ihre Zahl betrug ziemlich konstant 24.000, sie nahm parallel mit der Abnahme der Ge­burtenrate etwas ab, war aber immer ein Vielfaches der Zahl der Heimkinder; außer diesen Zahlen erfahren wir in den offiziellen Publikationen wenig. Wir erfahren wenig über allfälliges Versagen der unehelichen Mütter, im Gegenteil:

„Es ist ein guter Beweis für die seelische Haltung der Mütter unserer Stadt, daß von der relativ hohen Zahl der Amtsmündel nur ganz wenige Kinder zu Adoption freigegeben werden.“ 232

Während die rechtliche Situation der unverheirateten Mutter, ihre Entmündigung, so gestaltet war, dass sie keine elterlichen / mütterlichen Rechte besaß (außer jener, eine Adoption auch gegen ausgeübten Druck zu verweigern), ist hier plötzlich die Rede von einer „seelischen Haltung“. Der vermutete Mangel an einer angemessenen seelischen Haltung bei den unverheirateten „Müttern unserer Stadt“ hätte ja eigentlich zur Begrün­dung des Einsatzes der Amtsvormundschaft herangezogen werden müssen, nachdem - durch den gesellschaftlichen Wandel - die Überzeugungskraft der vielfältigen früheren Begründungen zur Rechtfertigung der Erniedrigung der Mütter bedroht war. In den ei­genen Darstellungen der Geschichte des Jugendamtes in der Zweiten Republik wird die Amtsvormundschaft, der das Jugendamt seinerzeit überhaupt erst seine Entstehung ver­dankt, zu einer unsichtbaren Selbstverständlichkeit. Ebenso wenig wie zum Nationalso­zialismus, der auch nicht aus der Kontinuität herausfällt,233 sehen sich die Verantwortli- chen veranlasst, zur Amtsvormundschaft, einer Schöpfung des Kaiserreichs, Stellung zu beziehen.

Nur Anna Stark, die 1946 eine einschlägige juristische Abschlussarbeit verfasst hat und danach den entsprechenden Dienstposten im Wiener Jugendamt versah, macht sich Ge­danken über die Sinnhaftigkeit:

„Der besondere Anreiz für die Gemeinden ... liegt darin, dass durch ihre Tätigkeit privatrechtliche Unterhaltsleistungen für die Mündel herbeigeführt wurden, die sonst die Armenpflege leisten müsste.

Von fiskalischen Standpunkt wäre noch die Frage aufzuwerfen, ob nicht anderer­seits diese ersparten Unterhaltszuschüsse durch die Kosten zur Bestreitung des umfangreichen Beamtenapparates der Jugend- und Fürsorgeämter wieder aufge­bracht werden. Unbestritten bleibt aber sicherlich das ideelle Moment - der un­verkennbare Vorteil für die gefährdete Jugend durch ihre systematische Erfassung und Betreuung.“234

Am Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in einer Reihe von europäischen Staaten zu ganz ähnlichen Einrichtungen.235 Die Institution der Amtsvormundschaft in Zürich zum Beispiel wurde 1908 gegründet.236 Im Jahre 1906 fand die erste „Tagung deutscher Be­rufsvormünder“ in Frankfurt am Main statt, bei der das „Archiv deutscher Berufsvor­münder“ unter der Leitung Christian J. Klumkers gegründet wurde, das alle Berufsvor­mundschaften im deutschsprachigen Raum umfasste,237 die Gemeinde Wien trat dem Archiv Deutscher Berufsvormünder bei.238

Ein Beitrag in dem umfangreichen Handbuch Klumkers stellt die familienrechtliche Situation in Österreich zu Beginn des Jahrhunderts dar; im Rahmen - und im Geiste! - dieser rechtlichen Konstellationen wurde die Berufsvormundschaft geschaffen und das Wiener Jugendamt gegründet:

„Beim ehelichen Kinde ist der Tod seines Vaters, beim unehelichen die Tatsache der Geburt der Rechtsgrund für die Bestellung eines Vormundes. ... Als Vormün­der können in Österreich nach dem geltenden Gesetze nur Männer bestellt wer­den. ... Das Mündel ist dem Vormund Ehrerbietung und Folgsamkeit schuldig. ... Die persönliche Erziehung des Waisen[!] soll nach Möglichkeit der Mutter[!] überlassen werden.“239

„Von dem Prinzip der Einzelvormundschaft und der richterlichen Bestellung kennt das österreichische Recht nur eine einzige Ausnahme.“240

Bei dieser Ausnahme handelt sich um die „Anstaltsvormundschaft“, die den Direkto­ren der Waisen- und Findelhäusern gewährt wurde, um sie „von störenden Einwirkun­gen unverständiger Einzelvormünder zu bewahren“241, wodurch die Heimkinder von jeder Hilfe von außen abgeschnitten wurden, eine Konstellation, die noch jahrzehnte­lang später unglückselige Wirkungen zeitigte. (Noch 60 Jahre später hat die Gemeinde Wien zu bestimmten Heimen, in denen sie die von ihr finanzierten Zöglinge unterbrach­te, überhaupt keinen Zutritt.242 )

„Wo einer derartige Anstaltsvormundschaft nicht Platz greifen kann, aber den­noch ein lebhafter Wunsch nach berufsvormundschaftlichen Einrichtungen be­steht, versucht man jetzt mit sehr günstigem Erfolge auf dem Wege der Sammel­vormundschaften Abhilfe zu schaffen (Stadtmagistrate in Wien, Mährisch-Ostrau, Brünn, Mödling u.a.).“243

Im Zusammenhang mit hektischer militärischer Aufrüstung und Erhöhung von Verbrauchssteuern kam es 1909 zu Preisauftrieb, zu umfassenden sozialen Problemen und zu Arbeitslosigkeit:

„Durch neu installierte Zwangsarbeitsgesetze kam es in weiten Teilen der Monar­chie zu Zwangs- und Besserungsanstalten. Glaubt man einem Verwaltungsbericht der Gemeinde Wien, hatten die Zwangsarbeitsgesetze tatsächlich die gewünschte Wirkung der Kostenersparnis in der Armenversorgung erzielt.“244

Die Amtsvormundschaft und damit die Jugendfürsorge stehen ebenso im Zusammen­hang mit repressiver Armutspolitik.

„Die wohl zentralste Funktion - wenigstens aus der Sicht der Behörden - des Be­rufsvormundes war, auf die Zahlungspflicht des Vaters (Alimentation) zu achten. Dadurch konnte gewährleistet werden, daß die eingetriebenen Beträge zu einer wesentlichen Verminderung der Armenlasten beitrugen.“245

In der Ersten Republik gab es eine offizielle Publikation, unterschrieben vom Amtsfüh­renden Stadtrat für das Wohlfahrtswesen, Dr. Julius Tandler, „Das Jugendamt der Stadt Wien“246 1933, sie gibt Auskunft über das Ziel der Amtsvormundschaft, nämlich die Reduzierung der Kosten der Armenpflege und die Sicherung familienpolitischer Vor­stellungen:

„Die amtliche Berufsvormundschaft der Gemeinde Wien reicht in ihren Anfängen bis zum Jahre 1910 zurück. Rechtsfürsorge, das heißt Sicherung des Unterhaltes des Kindes in seinem Interesse, war nicht ihr Zweck, sondern sie diente als Hilfs­institut der öffentlichen Armenpflege, um die Gemeinde durch Heranziehung der alimentationspflichtigen Personen armenrechtlich zu entlasten [Hervorhebung Czi]. Die amtliche Berufsvormundschaft hatte daher auch nur Vormundschaften über Kinder zu übernehmen, welche in öffentliche Armenpflege traten.

Erst im Jahre 1913 beginnt ein Wandel in der Berufsvormundschaft. Die Erfah­rungen, die man in Deutschland mit der Berufsvormundschaft gemacht hatte, führten nunmehr auch in Wien dazu, im Geiste unseres bürgerlichen Gesetzbu­ches den familienrechtlichen Charakter der Berufsvormundschaft zu betonen und sie als die Grundlage in den Dienst einer Familienfürsorge zu stellen.“247

Der im Jahr 1907 als Regierungsvorlage an die gesetzgebenden Körperschaften weiter­geleitete Entwurf eines Gesetzes betreffend die Änderung und Ergänzung einiger Be- Stimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches hat der Mutter eines uneheli­chen Kindes das Recht auf Bestellung zum Vormund gewähren wollen.248 Man wählte jedoch einen anderen Weg.249 Die Mutter sollte in Angelegenheiten ihres Kindes nicht einmal Parteienstellung haben, auch nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht, und keine Möglichkeit, Maßnahmen der Behörden zu beeinspruchen.

Susan Zimmermann, die in Budapest auch über die Schaffung einer öffentlichen Vor­mundschaft geforscht hat, hält fest: Der Amtsvormundschaft wird ex post ein Sinn un­terlegt, nämlich die Eintreibung von Kindesunterhalt vom Kindesvater, der bei den Er­findern dieser Institution selbst - ähnlich wie in anderen Städten auch - Bedenken her­vorrief:

„Mit der ...Berufsvormundschaft „verbesserten sich die Möglichkeiten der Be­hörde, Väter unehelicher Kinder zu Unterhaltszahlungen anzuhalten..

Diese Form der Unehelichenfürsorge verletzte allerdings ein tiefsitzendes gesell­schaftliches Tabu, an dem alle anderen politischen und gesellschaftlichen Kräfte, einschließlich der Integrationisten [eine Frauenorganisation Czi], eisern festhiel­ten. In den Augen dieser Kräfte war das Vorhaben, Väter unehelich geborener Kinder materiell für ihre Sprösslinge in die Pflicht zu nehmen, gleichbedeutend mit der Unterstützung weiblicher ,Unmoral‘.“250

In mehreren Schritten und mit Erlass 1934 war für Wien eine „Erweiterte Berufsvor­mundschaft“ eingeführt worden, wodurch eine Reihe von Befugnissen von den Gerich­ten zur Behörde251 wanderte, so dass auch die Gewaltenteilung unterminiert wurde. Es „... ist in Angelegenheiten der persönlichen Obsorge für das Mündel eine grundsätzli­che Verselbständigung der Berufsvormundschaft eingetreten.“252 Die Struktur dieser Einrichtung nahm die Form eines Gutshofes an, bei dem alle Gewalt - die ökonomi­sche, die rechtliche und die herrschaftliche - in einer Hand liegt.

Für die Kosten der Entbindung und des Unterhaltes für die ersten drei Monate nach der Geburt für das Kind und die ersten sechs Wochen für die Wöchnerin hatte der Vater aufzukommen.253 [ABGB §§ 167 und 168 siehe Anhang] Die außereheliche Mutter könne das bei Gericht vor Geburt des Kindes beantragen,254 wenn sie bedürftig ist und keinen unzüchtigen Lebenswandel führt (ABGB § 168)255. Dieser Anspruch steht der Mutter nur zu, „wenn ihr nicht ein unzüchtiger Lebenswandel nachgewiesen wird“, „es ist Sache des unehelichen Vaters, gegeben falls den unzüchtigen Lebenswandel der An­tragstellerin zu beweisen“.256 Über die Höhe des Kindesunterhalts wurden von der Be­hörde mit dem Kindesvater - unter Umgehung der Mutter - meist Vergleiche abge­schlossen,257 es ist unwahrscheinlich, dass bei der Bemessung der Höhe des Kompro­misses nicht die Meinung der Fürsorgerin über den moralischen Wert der Mutter einge­flossen ist.

In diesen Praktiken manifestierten sich massiv Zuweisungsprozesse, wobei Müttern nichts „zugewiesen“ wurde, sondern - unter Hinweis auf ihren rechtlichen Status, nicht auf allfällige Problemlagen - alles genommen wurde, was eine sozial anerkannte Positi­on in einer Gesellschaft ausmacht, wie das Recht auf Familienleben und das Recht, die eigenen Angelegenheiten selbst zu besorgen, ja sogar das Recht auf Überleben während der Zeit der Entbindung und danach, wenn sich irgendwer fand, der ihr „Unsittlichkeit“ nachsagte.

Für die erste Arbeit über die Amts/Berufsvormundschaft als Instanz der Geschlechter­ordnung macht sich Dag Schölper, ein Mann, und zwar der stellvertretende Geschäfts­führer des Bundesforum Männer - Interessenverband für Jungen, Väter und Männer e.V. in Deutschland, die im Umfeld der Frauenbewegung entwickelten Konzepte zunut­ze und veröffentlicht im Jahre 2011 eine umfangreiche Dissertation unter dem Titel „Disziplinierung der Geschlechter im Namen des Kindeswohls. Eine Geschichte der Beistandschaft des Jugendamtes für ,uneheliche Kinder‘“ und stellt sie ins Internet.258 Er schreibt in der Einleitung:

„Mein Anliegen ist, die Definitionsmacht für gesellschaftliche Normen im Allge­meinen und für Geschlechternormen im Speziellen zu begreifen, was am ,Probier- stein‘ der Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit/Nichtehelichkeit exemplarisch unter­sucht werden soll. Mein Grundinteresse ist die Geschlechtergeschichte als eine Geschichte des Wissens vom Geschlecht.“

„Ich will nachvollziehen, wie, wann, wo und unter Beteiligung welcher Akteure - Institutionen und Personen - sich jene Leitnormen etablierten, die verbindlich festlegen, was Männer und Frauen in ihrer Elternrolle zu tun, wie sie als Väter und Mütter zu sein [haben sic!]. Das scheint mir grundlegend, um verstehen zu können, wie bestehende Hierarchien und Dominanzverhältnisse zwischen den Ge­schlechtern entstehen und verstetigt werden.“259

In Österreich ging sowohl vom Jugendamt als auch von der Standesvertretung der „Be­rufsvormünder“ hinhaltender Widerstand aus, die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes260 [siehe 2.1., 6.und An­hang] dauerte von 1970 mehr oder weniger bis 1990.261

Der Weg zur rechtlichen und sozialen Absicherung der unverheirateten Mutter war noch weit.262 Im Jahre 2013 wird ein neues Kindschaftsrecht die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern zur Gänze beseitigen,263 es vollzieht die gesell­schaftliche Entwicklung allerdings nur nach.

5 „Unehelichkeit“

In der Zweiten Republik besteht in der Jugendfürsorge in Österreich anscheinend wenig Bedarf an argumentativem Aufwand gegen die „unehelichen Mütter“, möglicherweise deshalb, weil sich eine liberalere Gegenseite gar nicht zu Wort meldete. Auch die von einem „Verein der Amtsvormünder Österreichs“ in Niederösterreich zum Zeitpunkt der rechtlichen Änderung gegründete und bis ins 21. Jahrhundert weitergeführte Zeitschrift „Der Österreichische Amtsvormund“ beschränkt sich auf konkrete Themen der alltägli­chen Praxis und Standespolitik. [siehe 2.1. Anmerkung]

In der Bundesrepublik Deutschland ist die „uneheliche Mutter“ in den 1950er Jahren und darüber hinaus Aufmarschgebiet und Schlachtfeld von Ideologien, die die Gesell­schaft spalteten. Eine dominante Figur in der Meinungsbildung war der Bundesfamili­enminister Franz-Josef Wuermeling (1953-1962), er erklärte 1959: Der Mann hätte sei­ne Familie nicht nur zu versorgen, sondern er sei „die Stellvertretung Gottes in der F amilienführung“.264

Auch von der gemäßigten Mehrheit der bürgerlichen Frauenbewegung wurde niemals die Ehe als Grundvoraussetzung in Frage gestellt. Unter dieser Bedingung wäre eine „geistige Mutterschaft“ auf der Basis von „echten“ weiblichen Charaktereigenschaften der Ausgangspunkt für eine verbesserte Welt.265 Mit Rücksicht auf das Jungfräulich­keitsideal, das über Jahrhunderte Bestandteil katholischer Weiblichkeitskonstruktionen war, wurde das Konzept der geistigen Mütterlichkeit auch auf Jungfrauen übertragen.266 Dazu fähig waren jedenfalls nicht die „ledigen Mütter“, die aus vielfältigen Gründen hart kritisiert wurden.267

Vertreterinnen der Frauenbewegung reproduzierten so das Doppelgesicht der Alteri- tät:268 „Die Gebärfähigkeit der Frauen [erscheint] ... einerseits als Quelle weiblicher Macht und Basis einer speziellen weiblichen Kultur, andererseits als Anlass und Ein­fallstor für die Unterdrückung und Kontrolle von Frauen.“269

„Uneheliche Kinder“, spielen eine ähnliche Rolle wie „Prostituiertenkinder“270. Die Figur der Prostituierten, Projektionsfläche für Devianz und Unmoral, war daran betei­ligt, die Voraussetzungen für den Kulturstatus der bürgerlichen (Ehe)Frau zu schaf­fen.271

Es gibt auch Arbeiten mit aufklärerischer Tendenz: Unter dem Titel „Die Kriminalität der unehelich Geborenen“ glaubt der Autor im Jahre 1951272 nachweisen zu können, dass seine Ergebnisse gegen die Ansicht sprechen, „daß im wesentlichen ein anlagebe­dingter Minderwert für die erhöhte Kriminalität der Unehelichen ... verantwortlich zu machen“273 sei. Er kommt zu dem Schluss: „Die gefährlichste und am schwierigsten zu bekämpfende negative Einflusskomponente auf die Kriminalität der Unehelichen bleibt jedoch das Vorurteil ... Ein Wandel kann hier nur durch intensive Aufklärung geschaf­fen werden.“274

Im Jahre 1968 veröffentlichte Sepp Schindler, Psychologe und Pionier der Bewäh­rungshilfe in Österreich, eine noch immer anerkannte Arbeit zur Jugendkriminalität, in der festgehalten werden konnte, dass sich unter den verurteilten Jugendlichen vergli­chen mit der jeweiligen Altersgruppe überhaupt kein erhöhter Anteil außerehelich Ge- borener befindet.275

Unter dem merkwürdigen Titel „Soldatenkinder“ wird von der Internationalen Vereini­gung für Jugendhilfe eine Untersuchung herausgegeben276, sie enthält recht verlässlich erscheinende Angaben aus neun europäischen Ländern, darunter Österreich. Die I.V.J.H. arbeitete zwei Fragebogen aus, einer bezieht sich auf „Soldatenkinder“, damit sind die unehelichen Kinder ausländischer Soldaten gemeint, und der andere bezieht sich nur auf die Mischlinge, so werden hier die Kinder farbiger Väter und weißer Mütter genannt. Den österreichischen Statistiken wurde entnommen, dass in Österreich von 1946-1951 etwa 6.000 „Soldatenkinder“ geboren wurden.

Diese Initiative versteht sich als Antwort auf die Fragen aus Deutschland und Öster­reich, was denn mit Mischlingskindern geschehen solle, der „Deutsche Verein für öf­fentliche und private Fürsorge“ vermutete nämlich, dass „die Kinder, deren Väter Neger sind, sich selten bei den Müttern befinden“. Die Untersuchung zeigte, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich „Mischlinge“ zu einem hohen Prozentsatz bei ihren Müttern oder deren Angehörigen aufwachsen.277 Von 2128 Wiener Soldatenkindern wurden 1,3% zur Adoption freigegeben. Einer Tabelle zufolge schwankte der Prozent­satz unehelicher Geburten in Wien zwischen 1946 und 1950 unregelmäßig zwischen 17 und 13 %. Der zweiten Tabelle zufolge befanden sich 86% der Gesamtzahl der unehe­lich Geborenen und 84% von den „Mischlingen“ bei den Müttern oder deren Verwand­ten.

96 Fälle von „Mischlingskindern“ wurden besonders ausgewertet.

„[Es ]... liegen Eintragungen vor, die über die charakterliche Veranlagung und den Ruf, in dem die Mütter stehen, Aufschluss geben. Für diese Angaben sind z.T. die Wertmaßstäbe der verschiedenen Fürsorgerinnen maßgebend, d.h. es kommt darin ein subjektives Element zum Ausdruck.“278

Für 15% der Mütter, die nicht als schlecht beleumundet gelten können, finden sich Be- zeichnungen wie faul, haltlos, leichtsinnig, triebhaft.279

Zu erwähnen ist noch der Umstand, dass die referierten „Beobachtungen“ von Fürsorge­rinnen an den „Mischlingskindern“ zu einem großen Teil in der Wiedergabe der hierzu­lande gängigen Stereotypen, positiver und negativer Art, über „Neger“ bestanden.

Trotz der großen Zahlen von unehelichen Geburten in Österreich,280 wurde auch hier eine Marginalisierung der Kinder und Frauen in dieser Familienform praktiziert als wä­ren sie eine „extrem abweichende Minderheit“ - ähnlich wie eine Stigmatisierung aller „Industriekinder“ [Gretl Sonnleitner 9.6.] versucht wurde.

In Österreich galt bis zur Strafrechtsreform eine „Vorschrift für unverehelichte schwan­gere Frauenspersonen“, dass sich ihre Entbindung unter Aufsicht vollziehen müsse. [siehe Anhang]

Brigitte Kepplinger war eine der ersten, die mit der Auswertung von Fürsorgeakten be­gonnen hat:

„1929 etwa waren von 1.849 in Linz geborenen Kindern 689, also 36 Prozent, un­ehelich. Diese Entwicklung wurde in einschlägigen zeitgenössischen Publikatio­nen besorgt kommentiert. Man sah in ihr eine ernsthafte Gefährdung der sozialen Ordnung, da sich, so die Kommentatoren, in den Unterschichten die Struktur der bürgerlichen Familie aufzulösen drohte.281

Uneheliche Geburt als Ursache für das Tätig werden des fürsorgerischen Appara­tes impliziert die Annahme, dass eine solche Familienkonstellation per se amtli­cher Lenkung und Kontrolle bedürfe. Zum einen ist dieses Eingreifen der durch­aus realen Armutsgefährdung der Betroffenen geschuldet, zum anderen aber liegt ihm die Annahme zu Grunde, dass alleinstehende Mütter zu einer Verantwortung für ein Kind nicht fähig seien. Diese Annahme führte zur prophylaktischen Über­nahme der Vormundschaft durch den Staat, der so die Entscheidungskompetenz über das Leben unehelicher Kinder bei sich behielt. Die Maßnahme einer automa­tischen Übergabe der Vormundschaft an die Mutter sollte bis in die achtziger Jah- re des 20. Jahrhunderts auf sich warten lassen.“282

Die Beeinträchtigung der Rechte unverheirateter Mütter durch die Erziehungsaufsicht über deren Kinder vollzieht sich bis 1970 in aller Stille, sie wird nach 1970 an der „Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes“283 und an der zunehmenden gesellschaftlichen Demokratisierung und Liberalisierung vorbei weiter vollzogen.

Ideologische Verstiegenheiten werden gelegentlich aus Deutschland importiert:

Ein in Deutschland erschienenes Werk, das sich als „rein empirische Bestandsaufnah­me“ bezeichnet, wird von Lotte Schenk-Danzinger in einem Vortrag vor Schulpsycho­logen und Schulberater des Stadtschulrates ohne jede kritische Distanz referiert und das Referat in einer österreichischen Fachzeitschrift publiziert.284 Einem Strang des „Zeit­geistes“ entsprechend wird in diesem Buch das uneheliche Kind in den düstersten Far­ben, die „Familie“ hingegen, die dem unehelichen Kind zur Gänze abgesprochen wird, in einem Jargon beschrieben, der sogar auf mittelhochdeutsche Worte zurückgreift.285

Zweimal werden in der Zeitschrift „Soziale Berufe“ von einer Mitarbeiterin der Adopti­onsstelle Forderungen zitiert, die von der nicht verheirateten Mutter zu erfüllen sind und die auf John Bowlby zurückgehen, der für seine „Bindungstheorie“ bekannt ist:

„John Bowlby meint, daß der Sozialarbeiter nur dann eine außereheliche Mutter beeinflussen sollte, ihr Kind zu behalten, wenn mindestens vier der folgenden Gründe zutreffen:

Die Mutter soll eine reife Persönlichkeit sein, eine vernünftige Haltung zu ihrem Problem einnehmen, ihr Kind mit Liebe erwarten, für den Vater des Kindes echte Gefühle hegen, und eine Familie haben, die nicht darauf besteht, daß sie ihr Kind abgibt.“286

Die Hoffnung, dass sich „echte Gefühle“ der Mutter für den Vater des Kindes in Beiträ­ge zum Unterhalt des Kindes umsetzen würden, dürfte sich nicht allzu oft erfüllt haben.

Die gleiche Autorin - Maria Zukrigl - bekennt, dass sie sich für ihre Arbeit ganz andere Möglichkeiten wünscht: „... wir empfinden es als soziale Schande, dass wir außerstan­de sind, diesen Frauen die soziale Sicherheit zu gewähren, die sie befähigt, ihre Kinder zu behalten.“287

Hier bahnt sich eine Umkehrung der früheren Deutungen an: die Illegitimität wird nicht mehr der Normbrecherin angelastet, sondern der Gesellschaft und dem Staat, die ihr Verständnis und Hilfe versagen.288

Soziale Bedürftigkeit - soweit sie überhaupt durch den Status der „Unehelichkeit“ her­vorgerufen wird - wird aber auch durch das Konstrukt „unehelich“ selbst, wie es von der Jugendfürsorge gesellschaftlich produziert wird, perpetuiert. Durch die Entmutigung und Entwertung der Teilhabe von Frauen in der Arbeitswelt, dem Fehlen von Betreu­ungseinrichtungen und einem ganzen Wust von ideologisch motivierten Beeinträchti­gungen werden Frauen auf einen - mystifizierten - „Ernährer“ verwiesen, geradezu aus­geliefert, vom Jugendamt dann die Folgen des „Fehlens des Ernährers“ bedauert und die „Unvollständigkeit“ der Familie den einzelnen Frauen zur Last gelegt.

„Die Missstände jedoch, die [von der institutionalisierten Kinder- und Jugendhil­fe] abgestellt werden sollen, scheinen mir aus den bestehenden Gesellschaftsver­hältnissen selbst und nicht zuletzt aus den darin eingelassenen Arbeitsteilungen zwischen den Geschlechtern zu resultieren, die durch das hegemoniale heterozent- ristischen Versorgungsehe-Normativ stabilisiert werden.“289

Ein Text aus dem Jahre 1969 lässt erkennen, dass schon damals anders gedacht werden konnte: Der Autor, Gerd Winter, sieht im BGB er keinen Beitrag zum Abbau der Vorur­teile. Das ABGB ist dem BGB vergleichbar, insbesondere die Jugendwohlfahrtsverord­nung als lex specialis zu beiden Gesetzen ist ja in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich ähnlich. „Die ganze Konzeption [des BGB] [ist] von einem Mißtrauen und einer Abneigung gegenüber der ledigen Mutter getragen, wie vor allem die Beschnei­dung des Elternrechts der Mutter auf die tatsächliche Personensorge bezeugt .. ,“290

6 Recht und Unrecht

Die rechtlichen Bestimmungen, die in Österreich von 1940 bis 1989 kaum verändert durchgehend in Geltung waren, knüpften an das 1922/1924 in Deutschland beschlosse­ne Reformgesetz, das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz,291 an, das der verwaltungstech­nischen und polizeilichen Vereinheitlichung des Deutschen Reiches diente und erwach­sene und jugendliche Devianten auf verschiedene Instanzen aufteilen sollte. Der Cha­rakter dieses Gesetzes als Eingriffs-, nicht als Leistungsrecht292 blieb erhalten.

Die „Amtsvormundschaft“ war zu Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso wie in Öster­reich in mehreren europäischen Ländern293 eingeführt worden und beschränkte sich zunächst auf die von der Armenpflege unterstützten Kinder. Das RJWG dehnte diese Vormundschaft auf alle unehelichen Neugeborenen aus.294

Über die Staatsgrenze und über mehrmaligen politischen Wechsel hinweg wurden alle Frauen, die nicht von einem Ehemann beaufsichtigt wurden und Kinder bekamen, auch in Österreich zumindest bis 1980 diesem Regime unterworfen.

Der § 24 des RJWG295 lautete:

„Pflegekinder unterstehen der Aufsicht des Jugendamtes. Das gleiche gilt für un­eheliche Kinder, die sich bei der Mutter befinden.“296

Entsprechend dem österreichischen Jugendwohlfahrtsgesetz 1954, 30 Jahre später und in einem anderen Land beschlossen, wurde weiterhin verfügt, Pflegaufsicht über alle unehelichen Kinder auszuüben. [siehe Anhang] Pflegeaufsicht über Pflegekinder wurde angeordnet, wenn ein Verdacht vorlag: Zum Beispiel wurden Kinder, die sich bei Ver­wandten (nicht bei ihren Müttern) in Pflege befanden, nur dann unter Pflegeaufsicht gestellt, wenn sie eine Fürsorgeleistung erhielten und „wenn eine zweckwidrige Ver- wendung der Fürsorgeleistung zu befürchten ist.“297

Bestimmungen zur effektiven Kontrolle von Heimen enthielten diese Gesetze nicht. Welchen Umfang und welche Wirkungen die sogenannte Anstalts- und Vereinsvor­mundschaft, § 25. des JWG, [siehe Anhang] hatte, konnte in meiner Arbeit nicht geklärt werden.

Noch bis in die jüngste Vergangenheit sollten leibliche Mütter den österreichischen Ge­setzen zufolge ebenso sorgfältig überwacht werden wie fremde Pflegeeltern, in deren entgeltliche Pflege das Jugendamt „Fälle“ einwies, obwohl die Behörden selbst der Meinung waren, dass „die Übernahme von fremden Kindern vielfach nur in gewinn- süchtiger Absicht geschieht.“298

Der OGH stellte u.a. in seinem Rechtssatz von 1951 klar, wie vorgegangen werden soll­te:

„Ein uneheliches Kind kann seiner Mutter nicht nur unter den Voraussetzungen der §§ 177, 178 ABGB, sondern gemäß § 169 ABGB unter weniger strengen Voraussetzungen abgenommen werden, und zwar auch dann, wenn von der Mut­ter kein schuldbarer Tatbestand gesetzt worden ist.“299

Noch 1974 heißt es in einem Spruch des OGH:

„Die uneheliche Mutter hat - falls sie nicht zum Vormund bestellt wurde - im Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts ihres Kindes gegen dessen Vater keine Parteistellung.“300

Das vom nationalsozialistischen Regime adaptierte deutsche Reichsjugendwohlfahrts­gesetz musste an die in Österreich auch unter dem nationalsozialistischen Regime wei­tergeltenden österreichischen Gesetze (StG und ABGB) angepasst werden301 und wurde hier „Reichsjugendwohlfahrtsverordnung“ genannt. Die Jugendwohlfahrtsgesetzge­bung beruht auf dem § 178 ABGB [siehe Anhang] und dem § 208 ABGB Generalvor­mundschaft [siehe Anhang]. Dieser Paragraph wird durch die entsprechenden Bestim­mungen der RJWV / des Jugendwohlfahrtgesetzes ersetzt, die Amtsvormundschaft wird von den §§ 27ff der JugWohlfV (so wurde in Österreich die RJWV nach 1945 abge­kürzt) und ab der Realisierung des JWG in der jeweiligen Landesgesetzgebung von den Paragraphen §§ 16ff302 dieses „neuen“ Gesetzes geregelt.

Den Kommentar zu dem Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz,303 dem Landesgesetz mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 umgesetzt wurde, verfasste Dr. Karl Ourednik, der in der NS-Zeit für die Wiener Jugendwohlfahrt politisch verantwortlich war. [siehe 7]

Die Reichsjugendwohlfahrtsverordnung wurde nach 1945 zwar von den im engeren Sinn nationalsozialistischen Bestandteilen, dem Zielparagraphen und den Verweisen auf die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), gesäubert, aber nicht nur inhaltlich weitgehend übernommen: Die Übergangsbestimmungen legen fest, dass auch die sei­nerzeitigen Anordnungen der NS-Behörden gegen einzelne Jugendliche „nach den Be­stimmungen dieses Bundesgesetzes“, des JWG 1954 nämlich, fortzuführen sind. [seine Anhang § 38 (2)]

In der Zeit vor der Übernahme der RJWVO wird von Franz Winkelmayer 1926 das Ge­setz vom 24. Mai 1885(!), R.G.Bl. 89 und 90, betreffend die Zwangsarbeits- und Besse­rungsanstalten, als für die Fürsorgeerziehung in Österreich geltende Rechtsgrundlage bezeichnet.304 [siehe Anhang]

Der erste Teil des § 1 des Arbeitshausgesetzes (1954 aktualisiert und bis 1974 in Kraft) [siehe Anhang] sah für Erwachsene, die keinerlei strafrechtliche Handhabe boten - ebenso wie das JWG für Jugendliche - die Einweisung auf unbestimmte Zeit vor. Für Landstreicherei, einem damals strafrechtlich relevanten Tatbestand, gab ja es den zwei­ten Teil des § 1 des Arbeitshausgesetzes. Bei der Beschreibung von „Verwahrlosung“ bei Jugendlichen stand ebenso immer „Vagieren“, auch der „Aufenthalt im Freien bei Nacht“ an erster Stelle. Der Arbeitszwang war Teil der Fürsorgepraxis.305

Diese Überreste des Obrigkeitsstaates warfen schon in meinem Untersuchungszeitraum gelegentlich Fragen nach der Rechtsstaatlichkeit auf.306

In den Erläuterungen zu dem 1961 novellierten Jugendgerichtsgesetz, das bei straf­rechtlich verurteilten und verdächtigten Jugendlichen zur Anwendung kam und in mei­ner Arbeit nicht weiter behandelt wird, heißt es:

„Rechtsstaatlichem Denken entspricht es, daß nunmehr auch die endgültige und die (neu geschaffene) bedingte Entlassung aus einer Bundesanstalt für Erzie­hungsbedürftige in die Verfügungsmacht des Gerichtes übertragen werden, denn der Rechtszustand, wonach über die Entlassungen Verwaltungsorgane entschei­den, ohne daß dagegen ein Rechtsmittel zulässig ist, ... war verfassungsrechtlich in mehr als einer Hinsicht bedenklich und entsprach auch nicht der Billigkeit.“307

Die Rechtslage bei der Unterbringung in geschlossenen Heimen der Jugendfürsorge war in Hinblick auf die Abgrenzung der Kompetenzen von Gericht und Verwaltungsbehörde ebenso unklar.

In einer OGH-Entscheidung (6 Ob 386/60) wird die Nachlässigkeit der Gerichte gerügt, die anscheinend gängige Praxis war: das Gericht hätte den Sachverhalt vor Anordnung der endgültigen Fürsorgeerziehung nicht geprüft. Die (steirische) Landesregierung hatte vorgebracht, dass die Minderjährige „körperlich, geistig und seelisch zurückgeblieben, distanzlos, haltlos, faul, streitsüchtig, trotzig, grob und aggressiv sei“, eigene Erhebun­gen stellte das Gericht nicht an. Die Behörde hielt offenbar diese Eigenschaften für aus­reichend, um die als „Fürsorgeerziehung“ bezeichnete geschlossene Unterbringung zu rechtfertigen. Die Landesregierung brachte weiter vor, dass sie gemäß § 11 JWG auch Fürsorgeerziehungsbehörde sei, also fachlich kompetent. Dieser Standpunkt - so be­gründet der Oberste Gerichthof seinen Spruch - „liefe letzten Endes darauf hinaus, daß das Gericht schlechtweg das anzuordnen hätte, was die Verwaltungsbehörde für richtig erachte.“308

In einem anderen Fall, bei einer 18jährigen Jugendlichen, gab der Oberste Gerichtshof dem Revisionsrekurs des Jugendamtes Folge: „Eine von den Verwaltungsbehörden zu bestrafende Handlung reicht zur Einweisung in eine Bundesanstalt für Erziehungsbe­dürftige aus.“ In der rechtlichen Begründung heißt es:

„Die Voraussetzungen für die Einweisung in eine Bundesanstalt für Erziehungs­bedürftige gemäß § 2 JGG., nämlich die Begehung einer strafbaren Handlung, ... sind ... gegeben. ... Der Gedanke, hier nur die gerichtlich strafbaren Handlungen zu erfassen, wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzes erwogen, dann aber gera­de im Hinblick auf die Geheimprostitution fallen gelassen (Foregger: Einfüh­rungsvorträge zum Jugendgerichtsgesetz 1961 S. 12).

Die Anwendung der schwersten Erziehungsmaßnahme ist bei Geheimprostitution gerechtfertigt (Foregger a.a.O.)“309

Von bedeutenden Fachleuten der Rechtspflege wurden so Prostituierte oder der Prosti­tution Verdächtigte („Geheimprostituierte“) aus dem Rechtsstaat ausgewiesen.

Die „Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes“ 1970310 [siehe Anhang] sollte die Rechtsstellung des unehelichen Kindes verbessern. Die Jugendfürsorge und die Amtsvormünder hielten an ihrer Meinung fest, dass „die gesetzliche Amtsvormund­schaft dem Wohle des Kindes besser entspricht“,311 ein Großteil der Mütter wurde, auch wenn sie Anträge zur Übernahme der Vormundschaft stellten, weiterhin für nicht „ge­eignet“ erachtet, selbst für ihr Kind zu sorgen,312 darunter die jetzige Parlamentspräsi­dentin.313

7 Hinweise zur Geschichte der Institution

Die gesellschaftlichen und politischen Konstellationen der Nachkriegszeit schlugen na­türlich auch im Jugendamt durch. Die repressiven Tendenzen scheinen sich in jenen gesellschaftlichen Teilbereichen mit einer Geschichte der Repression konzentriert und hier ein Rückzugsgebiet gefunden zu haben. Noch über die Zeit des Wandels 1968/1974 hinaus musste die Organisation mit widersprüchlichen Tendenzen im Inneren fertig werden.

Dem Handbuch des Reichsgaues Wien, 63./64. amtlich redigierter Jahrgang314 [1941], ist zu entnehmen, dass Pg. Ourednik Karl, Dr. Leiter der Unterabteilung Jugendhilfe in der Abteilung 3: Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe war.315 Es handelt sich um jenen Teil des Handbuches des Reichsgaues, der den Titel „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ trägt, sich an erster Stelle befindet und der Logik des Regimes entspre­chend eine Stabsstelle darstellt, die nicht der Gemeindeverwaltung angehört, sondern Gliederung der NSDAP ist, die für die politische Zielsetzung verantwortlich war,316 deshalb war bei allen Mitarbeiterinnen das „Pg.“ dem Namen hinzugefügt. Die Über­schrift im Handbuch lautet: NSDAP. - Gau Wien, Amt für Volkswohlfahrt (NSV), 1., Am Hof 6.

Ourednik war also kein Beamter, sondern ein Funktionär der NSDAP, dessen Aufgabe es war, die offene und geschlossene Jugendfürsorge, sowie das Adoptionswesen insge­samt den Zielen der Partei entsprechend umzuformen. Diese Zeit als Funktionär der NSDAP, zuständig für die Wiener Jugendfürsorge,317 wurde ihm auch folgerichtig spä­ter nicht als „Dienstzeit“ bei der Gemeinde Wien angerechnet, sondern erst später, als die Diskussion über die Frage, ob er Parteimitglied gewesen sei, gänzlich an Bedeutung verloren hatte, als „Vordienstzeit“, mit Erhöhung der Bezüge.

Sein politischer Lebenslauf dürfte hunderten, tausenden anderen ähneln: Er war bis 1933 Mitglied bei den Sozialdemokraten, dann bei der Vaterländischen Front und stellte 1938 einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP.

Im Zuge einer Niederschrift beim Magistrat der Stadt Wien, Mag.Abt.2 - Einzelperso­nalangelegenheiten, am 10.9.1947 gibt er an:

„Ich habe damals teilweise in vollständiger Unkenntnis für die Bezeichnungen meiner Tätigkeit Ausdrücke verwendet, über deren Bedeutung ich mir erst nach 1945 klar wurde.

Zur Frage, warum ich bei Ausfertigung des Fragebogens vom 8.2.1947 mich als Parteianwärter vom Mai 1944 und nicht Anwärter aus dem Jahre 1938 bezeichnet habe, wie ich das im März 1944 getan habe, gebe ich bekannt, daß ich in ver­schiedenen Fragebogen das Datum meines Aufnahmeansuchens mit 1938 angege­ben habe, einfach in dem Bestreben, mich durch eine solche unkontrollierbare Behauptung irgendwelche Bewerbungen oder ähnliches bei der NSDAP ersparen zu können. Ich habe Ende 1940 Anfang 1941, in brieflicher Form um Aufnahme in die NSDAP ersucht.“318

1944 wünscht der Reichsstatthalter in Wien, Gemeindeverwaltung, Hauptabteilung Ju­gendwohlfahrt und Jugendpflege, den Posten des Rechtsreferenten im Gaujugendamt mit Ourednik zu besetzen, die Zweite Republik respektiert diesen Wunsch des Reichs­statthalters, ja ermöglicht Ourednik später eine noch bedeutendere Karriere.

Christine Halbmayr erwähnt die hohe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die aus Ös­terreich in die Jugend-KZs kamen:

„Sehr viele Anträge zur Überstellung in die Uckermark kamen aus Erziehungsan­stalten, wo man sich auffälliger und missliebiger Jugendlicher entledigen wollte. Interessant und weitere Forschungen fordernd scheint mir der Umstand, dass bis Mitte 1944 die mit Abstand meisten Einweisungsanträge aus Wien kamen.“319

Die meisten Anträge für das Lager Uckermark kamen aus Wien, nämlich 85320

Ob es Ourednik war, der Druck gemacht hat, Wien zu einem Mustergau zu machen, muss eine andere Untersuchung herausarbeiten.321 Auf jeden Fall müssen diese Über­weisungen über die Schreibtische, über die Schreibmaschinen, der damals tätigen Er­ziehungsberaterInnen gegangen sein. Einer, eine von ihnen muss unterschrieben haben: verzeichnet im Handbuch waren Winkelmayer Franz, Dr. Baar Edeltrud, Dr. Nekula Maria,322 in einzelnen Zöglingsakten scheint auch Rosa Dworschak als Erziehungsbera­terin auf.323

Am 31.1.1946 wird Ourednik gekündigt, „die Arbeitspapiere können behoben werden“; dieser Vorgang bleibt ohne die geringste Wirkung.324

Im Handbuch der Stadt Wien 1952/53325, scheint Ourednik, Magistratsrat, als zuständig für Rechtsangelegenheiten der Magistratsabteilung 11 - Jugendamt auf. 1951 war er auch mit der „obersten Leitung der im Bereiche der Stadt Wien ... bestehenden Berufs­vormundschaften“ betraut worden.326 In der Zeit vom 1. Jänner 1963 bis 31. Dezember 1967 war Dr. Karl Ourednik Leiter des Jugendamtes der Stadt Wien327. (Seit 1962 gilt Ourednik als blind .328 )

In der Publikation des Jugendamtes aus dem Jahre 1989 wird mit Stolz hervorgehoben, dass sich bei einem Vergleich der Überstellungszahlen des Jahre 1968 mit denen des Jahres 1988 eine Reduktion der Anzahl der Heimeinweisungen um 70% zeigt,329 1 967 war Ourednik in den dauernden Ruhestand versetzt worden.330

Das „neue“ JWG 1954 wurde sehr wahrscheinlich zur Gänze von ihm verfasst, le- gistisch sehr viel sorgfältiger als die „Verordnung“, die vermutlich von Wolschansky formuliert wurde,331 inhaltlich aber deckungsgleich. Der Kommentar zum Wiener Lan­desgesetz stammt jedenfalls von ihm und eine weitere bedeutende Publikation wurde von ihm herausgegeben. [siehe 6. und Anhang]332

Maria Dorothea Simon gibt uns in einem ihrer Vorträge333 Einblick in zwei Geschich­ten, die - wie ähnliche Geschichten in anderen Berufsfeldern auch - die österreichische Nachkriegsgeschichte prägten und meine Vermutung stützen, dass politisch nur durch Einrichtung von Parallelstrukturen gestaltend - erneuernd - eingegriffen werden konn­te:

Elisabeth Schilder (1896-1990) kehrte aus der Emigration von Frankreich nach Wien zurück. Sie hatte eigene Erfahrung mit Psychoanalyse und Kenntnisse über die im Aus­land gängigen Methoden der Sozialarbeit. Sie war anfänglich Juristin im Jugendamt, wo sie sich mit ihrer Kritik an den bestehenden Zuständen unbeliebt machte, so dass sie von der Gemeinde Wien in die Abteilung für Staatsbürgerschaft quasi strafversetzt wurde. Schließlich ließ sie sich frühpensionieren und wurde zur Gründerin der Bewährungshil­fe, wo den angehenden Bewährungshelfern in eigenen Kursen eine zeitgemäße Ausbil­dung in Sozialarbeit vermittelt wurde.

Schilder liefert für „Die Frau“ zahlreiche Beiträge zu juristischen und pädagogischen Fragen; ihre Sicht auf Erziehungsschwierigkeiten deckt sich durchaus mit der zeitgemä­ßen Spießigkeit, „Jeden Abend ist sie außer Haus“ stellt auch für sie das Zentralverbre­chen bei jungen Mädchen dar.334 Die Welt des Gastgewerbes, in der ja viele Frauen arbeiten (mussten), wird global der Prostitution zugerechnet.

Anne Kohn-Feuermann (1913-1993) war 1938 aus Wien geflohen und war in Glasgow zu einer angesehenen Sozialarbeiterin geworden. Sie leitete eine Child Guidance Clinic und schuf die ersten Müttergruppen und Paargruppen in Schottland. Als sie 1959 ein Angebot annahm, im Rahmen des Sozialamtes der Gemeinde Wien ein Referat für Indi­vidual- und Familienfürsorge aufzubauen, gab sie eine gefestigte Position als anerkann­te Autorität auf. Über ihren Empfang in Wien schreibt sie in ihren Lebenserinnerungen:

„Als ich mich bei Stadtrat Riemer meldete, teilte er mir mit, dass die Gewerk­schaft gegen meine Anstellung protestiert habe ..., weil sie, wie sie sagten, andere Mitarbeiter hätten, die diese Stelle wünschten. Diese hätten zwar nicht die Aus­bildung, ja waren nicht einmal aus dem Beruf, aber sie hätten die Dienstjahre, die man braucht. Stadtrat Riemer fügte hinzu, dass er sich zwar für mich entschieden habe, ... ich wurde Leiterin des Referats und auch Leiterin der neuen Ehe- und Familienberatung der Stadt Wien. Auch hier gab es antisemitische Töne,...”

Bei der Beratung über das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes 1970 gehörte Anna Kohn-Feuermann zu den Sachverständigen, die zu den Fragen der Erziehung und Pflege und der gesetzlichen Vertretung im Unteraus­schuss des Nationalrates gehört wurden335 und nicht ein Vertreter der „Amtsvormünder“ aus dem Wiener Jugendamt.

Anderseits ist ein Sektionschef des Justizministerium, Dr. Hoyer, in die Verhandlungen zu dem Gesetz von 1970 eingebunden. 336 Wie ich über die freundliche Weiterleitung dieser Information durch die Pfarre Mariahilf erfahren konnte, handelte es sich bei SC Dr. Viktor Hoyer um den Ehemann von Dr. Marianne Hoyer-Estl,337 der Dissertantin von 1952 [siehe 10.1.] und später Leiterin der Erziehungsberatung des Wiener Jugend­amtes.

Die Positionen in den offiziellen Publikationen, dem „Verwaltungsbericht“338 und dem „Jahrbuch“339 bieten eine unglaubliche Variationsbreite340, obwohl die Leiter des Ju­gendamtes, denen ja die Formulierungen in diesen Berichten vermutlich überlassen wa­ren, außer Ourednik altgediente Sozialdemokraten waren, die die Zeit des „Ständestaa­tes“ und die Nazizeit als Beamte irgendwie überdauert hatten.341

Die Gemeindeverwaltung hatte sich bald nach Kriegsende in ihrer Selbstdarstellung verständnisvoll und modern geäußert:

„Die Jugendfürsorge der Stadt Wien läßt sich von dem Grundsatz leiten, daß schon eine mittelmäßige Pflege innerhalb der Familie für die Entwicklung des Kindes besser ist als die beste Anstaltspflege.“342

„In vielen Fällen wäre die dauernde Unterbringung von Kindern außerhalb der Familie vermeidbar, wenn der Gemeinde Tagespflegestellen zur Verfü­gung stünden.“

Wenn die Kindesmutter tagsüber in Arbeit ist und das Kind nicht beaufsich­tigen kann, wäre die Unterbringung des Kindes in einer Tagespflegestelle ei­ner Unterbringung in Gemeindepflege nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch im Interesse der Familie, die nur tagsüber getrennt wäre, vor- zuziehen.“343

Im Jahre 1947 wurden zwei Krippen eröffnet344, für ganz Wien, die Zahl der Krabbel­stuben erhöhte sich erst im darauffolgenden Jahrhundert wesentlich, die Kindergärten der Gemeinde Wien haben damals 15% aller Kleinkinder von 3 bis 6 Jahren, meist nur am Vormittag, erfasst.345

„Es zeigt sich das Bestreben, auch die jüngsten Kleinkinder, also die 1-3-jährigen, in Kindergärten, Kleinkinderkrippen und Krabbelstuben betreuen zu lassen. Für den Aufbau unseres Landes ist die Frauenarbeit notwendig. Frauenarbeit ist aber nur möglich, wenn in entsprechender Zahl Kindergärten vorhanden sind.“346

In den Berichten zum Wohlfahrtswesen taucht zehn Jahre später eine Wortschöpfung besonderer Art auf, nämlich „mutterlose Haushalte“, „mutterlos“ ist ein Haushalt dann, wenn die Mutter berufstätig ist und „die Kinder aller Entwicklungsstufen sind in sol- chen Haushalten mehr oder minder gefährdet.“347

In dem von Hermine Koller verwendeten „Gefahrbogen“ zur Erhebung von „Züchti­gungsüberschreitungen“ im Jahre 1974(!), also fast 30 Jahre später, gilt die Berufstätig­keit der „weibl. Erziehungsperson“ als Auffälligkeit des Milieus, gleichzuwerten wie auch „Trinker in der Familie, Vorstrafen,.. ,“348

An anderer Stelle wird deutlich, dass von 1945 an auch Anhängerinnen einer Auswei­tung der Heimerziehung zu Wort kamen, erwartungsgemäß im Kapitel „Erziehungsbe­ratung“:

„.dabei zwingt aber der Mangel an Plätzen und die Unmöglichkeit der rechtzei­tigen Unterbringung in eine Anstalt, oft sogar gegen jede bessere Einsicht, von ei­ner Anstaltsunterbringung abzusehen.“349

In manchen Jahren sind die Berichte von einer rätselhaften Logik geprägt: Einerseits wird mit einer Deutlichkeit, die für Verwaltungsberichte ganz ungewöhnlich ist, von Missständen in den Heimen berichtet:

„Die Berichte der für die Heime eingesetzten Fürsorgerinnen lassen erkennen, daß der Mangel an wirklich erfahrenen Erziehern noch immer nicht behoben ist.“ „Dieser Mangel wird sich in allernächster Zeit katastrophal auswirken. ... Über­lastete Erzieher - das erzwingt später beträchtliche Mehrausgaben für Polizei, Ge- richt und Krankenhaus!“350

„In allen Heimen bestehen die größten Schwierigkeiten, geeignete Erzieher zu finden. Durch Zusammenarbeit mit diesen Heimen und durch Kontrollen konnte festgestellt werden, dass die öffentlichen Stellen noch ein großes Maß an pädago­gischer Arbeit leisten müssen, um ... in den Heimen selbst Intensität und Qualität der Erziehungsarbeit zu heben.“351

Im Jahre 1959 befanden sich 5.400 Kinder und Jugendlichen in den so beschriebenen Heimen.352

In den gleichen Jahrgängen wird mit argumentativem Nachdruck folgendes vorge­bracht:

„Alle Erziehungsberater des Jugendamtes der Stadt Wien bilden ein Team unter zentraler Führung. ... Von den Kindern und Jugendlichen, die in die Erziehungs­beratung der Bezirksjugendämter kamen, wurden 35 Prozent, von den in Durch­zugsheimen aufgenommenen Kindern 74 Prozent für die Unterbringung in einer Anstalt vorgeschlagen. Dieser auffallend hohe Prozentsatz beweist auch die Not- wendigkeit des Ausbaues entsprechender Heime.“353

Das eigene Denken und Handeln gilt als Beweis für Sachverhalte, die erst durch das Denken und Handeln der Argumentierenden entstanden sind. Die Anstaltsbedürftigkeit sowie die Identität der Anstaltsbedürftigen werden durch die Praxis und die verbalen Verfügungen performativ hervorgebracht.

Immer wieder wird ohne Bedenken eingeräumt, dass die Erziehungserfolge der öffentli­chen Erziehung sehr gering sind, vielfach wird angegeben, dass ein befriedigendes Er­gebnis sich nicht einmal bei der Hälfte der Zöglinge einstellt. Trotzdem, ja gerade mit dieser Begründung wird eine Ausweitung der Heimerziehung gefordert:

„Wieder zeigen die Erfahrungen, daß in den meisten Fällen ein mehrjähriger Heimaufenthalt notwendig ist, um die eingetretenen Störungen, Fehlentwicklun­gen und seelische Schädigungen zu heilen[!]. Von einem Rückgang in der Zahl der notwendigen Überstellungen kann nicht gesprochen werden. Es besteht nach wie vor die dringende Notwendigkeit, die Zahl der Plätze in den Heimen zu ver- mehren.“354

Noch in den 1970er Jahren gab es zu verschiedenen Fragen tiefe innere Widersprüche. Otto Pawlik,355 damals Leiter des Psychologischen Dienstes, versucht offenbar den Fürsorgeapparat der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzunähern. Er stellt bei der 19. Arbeitstagung der Jugendamtspsychologen 1972 die Situation so dar:

„Der gesellschaftliche Wandel hat dazu geführt, daß verschiedene Entwicklungs­stufen nebeneinander bestehen. ... Wir sollten uns nicht damit begnügen unser Vokabular zu ändern und das Vokabular dem Zeitgeist anzupassen. Im Sinne des gesellschaftlichen Auftrags werden wir bei bestimmten Fällen dem Zwang kaum entrinnen können. ...

Arbeitsscheu kann bei Jugendlichen die Grundlage einer Verwahrlosungsentwick­lung sein, andererseits muß man sagen, es gibt keine Arbeitspflicht. Wenn also andere Verwahrlosungssymptome nicht vorhanden sind, wäre eine Zwangsmaß­nahme nicht gerechtfertigt. Eine Einigung über diese Frage konnte nicht erzielt werden. .

Sexuelle Problematik, die Toleranz der Gesellschaft ist in den letzten Jahren sehr viel größer geworden. Prostitution ist jedenfalls ein Grund zum Eingreifen. Auch nach Schändungen werden Zwangsmaßnahmen notwendig sein, wenn der Schän­der weiter in der Familie ist. Keine einheitliche Auffassung bestand hinsichtlich der Frage, ob ein Partner356 ohne Altersgrenze nach unten zu tolerieren ist, wenn ansonsten eine gute Sozialanpassung gegeben ist.“357

Weiterhin bestehen also bestimmte Beamtinnen darauf, dass die (Zwangs)Mittel des Jugendamtes für die Durchsetzung ihrer individuellen Moralvorstellungen in Bezug auf „arbeitsscheu“ und „zu früh anfangen“ nach ihrem Belieben zur Verfügung stehen. Es lässt sich der Verdacht nicht abweisen, dass an „Arbeitspflicht“ trotz Bewusstsein von seiner Verfassungswidrigkeit weiter festgehalten wurde und auch in Bezug auf die Strafbarkeit weiblicher Sexualität scheinen sich bestimmte Mitarbeiterinnen im Jugend­amt eine gesetzliche Enklave geschaffen zu haben.

Weiterhin „werden Zwangsmaßnahmen notwendig sein, wenn der Schänder weiter in der Familie ist“, d.h. es ist das geschändete Kind, das aus seinem Lebensumfeld heraus­genommen und in ein von allen als Strafe empfundenes Heim eingewiesen wird und sich so die „notwendigen Zwangsmaßnahmen“ gegen das Kind richten.

Otto Pawlik bemüht sich also, seinen KollegInnen nahezulegen, von der (nationalsozia­listischen) Arbeitspflicht abzusehen und auch nicht mehr Kerkermauern als Keusch­heitsgürtel bei jungen Frauen einzusetzen, „wenn andere Verwahrlosungssymptome nicht vorhanden sind“ bzw. „ansonsten eine gute Sozialanpassung gegeben ist“. Jedoch: „Eine Einigung über diese Fragen konnte nicht erzielt werden.“358

Im Jahr darauf, am 19. Juni 1973,359 stirbt Otto Pawlik überraschend, seine Nachfolge­rin als Leiterin der Erziehungsberatung / des Psychologischen Dienstes ist Marianne Estl,360 ihre Nachfolgerin wieder ist Hermine Koller.

Durchaus im gleichen Geist wie Estls Dissertation aus dem Jahre 1952 führt Ingeborg Agricola eine „Erhebung zum Sexualverhalten und zur Suchtgefährdung verwahrloster weiblicher Jugendlicher“ im Jahre 1971 durch. Zwischen diesen beiden Arbeiten liegen zwanzig Jahre ungebrochener Ideologieproduktion, eine Kontinuität, die bis zum Ende der 1980er Jahre perpetuiert wurde, vermutlich u.a. durch den historischen Zufall des Aufrückens der genannten Persönlichkeiten und Karl Ouredniks in bürokratische Ent­scheidungspositionen.

Möglicherweise hat sich die Jugendwohlfahrtsbehörde, vielleicht im Einvernehmen mit Heimleitungen, im Kontakt zu ähnlich gesinnten Persönlichkeiten in staatlichen Institu­tionen, als eine Art Kampforganisation in eigener Sache im Interesse der Durchsetzung eigener Überzeugungen, gegen Eingriffe von außen, verstanden: Im gleichen Jahr näm­lich, am 20./21. Jänner 1971 fand in Wien jene Enquete statt, die die Tätigkeit der „Wiener Heimkommission“ einleitete, deren Ergebnis eine Art Leitfaden war;361 ein Kompendium für die zu reformierende Heimerziehung. Es heißt darin:

„Alle Eingriffe in die sexuelle Intimsphäre müssen die Entwicklung zu einer voll- ausgereiften, liebesfähigen Persönlichkeit zulassen und zum Ziel haben. Sexuelles Fehlverhalten sollte kein Grund für Strafsanktionen sein.“362

Das Thema „Suchtgiftgefährdung“, Rauchen, Alkohol und „Rauschgift“, wird bei Inge- borg Agricola in sechs Zeilen abgehandelt, zwei Seiten Text ignorieren völlig die nun­mehr eingeleiteten Zielvorgaben und bohren im weiblichen Geschlechtsorgan herum:

„Von den 100 untersuchten Mädchen waren 92 defloriert, die Mädchen bemühten sich kaum, in diesem Punkt falsche Angaben zu machen, da sie wußten, daß wir uns über das Ergebnis der med. Untersuchung informieren können.“363

Ein Mädchen gab das 8. Lebensjahr für den ersten „Geschlechtsverkehr“ an, zwei Mäd­chen das 11. und 12. Lebensjahr, sechs Mädchen das 13. Lebensjahr. Auf welche Wei­se, unter welchen Umständen, diese „Geschlechtsverkehre“ stattgefunden haben könn­ten, interessiert die „UntersucherIn“ nicht. Sexueller Missbrauch („Geschlechtsverkehr“ im 8. Lebensjahr) also wurde noch 1971 von einer „Erziehungsberaterin“ nicht als sol­cher wahrgenommen, sondern anderen „Erziehungsschwierigkeiten“ gleichgestellt.

„Da die Defloration nachgewiesen war, haben sicher so manche Mädchen, die sich in ein gutes Licht rücken wollten, Verkehr mit nur einem Partner angegeben, sodaß gerade diese Kolonne besonders wenig glaubwürdig erscheint. ... Die Be­wertung Depravation und Prostitution wurde von uns vorgenommen, Depravati­on dann, wenn das betreffende Mädchen häufig Partnerwechsel ohne Bin­dung an den jeweiligen Partner selbst zugab; .“ 364

Den Normalitätsvorstellungen Estls und Agricolas entsprechend, hätten die Mädchen die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass jedwede Inbetriebnahme des weiblichen Ge­schlechtsorgans durch einen Mann, auch bei einem gewaltsamen Vorgehen, auf jeden Fall durch eine nachweisbare Liebesbeziehung365 gerechtfertigt würde und nicht vor dem Erreichen der Volljährigkeit stattzufinden hätte. Beide „Erziehungsberaterinnen“ fühlten sich legitimiert, auch ohne politisches „Mandat“, gegen das Leben von jungen Frauen, das dieser Romanvorlage, diesem „illusionären Programm“366, nicht entsprach, mit staatlicher Gewalt vorzugehen.

Zwei Jahre später erscheint im gleichen Publikationsorgan der gleichen Institution fol­gender Text einer Fachärztin für Gynäkologie, Dr. Adelina Husslein:

„Die Einstellung zur vorehelichen Sexualität ist in der letzten Dekade ganz allge­mein permissiver geworden. Es gibt nur mehr sehr wenige Mädchen, die Koitus­beziehungen Unverheirateter prinzipiell ablehnen. Noch wichtiger aber ist ein an­derer Einstellungswandel. Vor 10 Jahren tendierten noch mehr Mädchendazu ihre voreheliche Koitusaktivität auf den späteren Ehepartner zu beschränken. Heute wird es für selbstverständlich gehalten, daß man mehrere feste Freundschaften mit Koituskontakten vor der Ehe haben kann.“367

Die „Depravation“ und damit gleichzeitig der Einweisungsgrund in das Durchzugsheim, von dem auch Hermine Koller 1962 ihre Versuchspersonen bezog, manifestiert sich in dem sexuellen Verhalten der Mädchen, das der von einer Naturwissenschaftlerin festge­stellten normalen sexuellen Entwicklung entsprach und das nach deren Darstellung zu akzeptieren wäre. (Es ist nicht überliefert, dass jene Mädchen, die wegen des - nunmehr als „normal“ klassifiziertem - Verhaltens ins „Heim“ gekommen waren, umgehend - mit einer Entschuldigung - entlassen worden wären.)

Die Mädchen wurden von Agricola im Zusammenhang mit dem generalisierten Prosti­tutionsverdacht gewohnheitsmäßig und als Gruppe der Lüge bezichtigt.368 Es ist zu hof­fen, dass sie im Interesse des psychohygienischen Ausgleichs diesen Unterstellungen etwas entgegenzusetzen hatten; vermutlich leisteten sie sich den Spaß, die „Psycholo­gin“ zu erschrecken und - durch Prahlereien zum Beispiel - zum Narren zu halten.

Es stellt sich die Frage, über welche Dignität eine Strafe verfügt, durch die ein Verhal­ten sanktioniert wird, das von wissenschaftlicher und politischer Seite im gleichen Zeit­raum als ein sozial und kulturell zu respektierendes gilt, mit welcher Berechtigung eine Strafe verhängt wird, der die Rückbindung auf ein gesellschaftliches Normensystem fehlt, die nicht auf ein allgemein sozial erwünschtes Verhalten abstellt und so von den „Zielpersonen“ überhaupt nicht verstanden werden kann.

Die mehrjährige Freiheitsberaubung, die in Heimen wie dem „Wilhelminenberg“ voll­zogen wurde, werden die Mädchen nicht unbeschadet überstehen; jener zweite Aspekt von Strafe, der im Zufügen eines Übels besteht, dieser Aspekt funktioniert jedenfalls.

Eine spätere offizielle Publikation der Wiener Jugendamtes aus den Jahre 1988 räumt ein, dass - über das Jahr 1968 hinaus - Sichtweisen beibehalten wurden, die sich von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelt hatten und die Institution eine Eigen­dynamik entfaltet hatte, deren Rückbau sich mühsam gestaltete.

“Im Bereich des Jugendamts der Stadt Wien war schon 1968 begonnen worden, auf der Basis der vormaligen gesetzlichen Regelungen Vormundschaftsachen an Mütter abzutreten und die Einstellungsänderung vorzubereiten, daß Mütter durch­aus in der Lage wären, die Verantwortung der Vormundschaft zu übernehmen. Diese neue Sichtweise, den Müttern unehelich geborener Kinder größere Auto­nomie und Selbstverantwortung zuzutrauen, war damals nicht so selbstverständ­lich wie heute. Es gab viele Diskussionen. Die bestehende jahrelange Praxis, die sicherlich auch ihre Vorteile gehabt hatte, war zu einer gesellschaftlichen Realität geworden, die damit zusammenhängenden Einstellungen konnten nur allmählich durch neue Sichtweisen abgelöst werden.”369

Die Lebensverhältnisse lediger Mütter unterschieden sich kaum von denen der anderen „Arbeitnehmerinnen-Mütter“370, auch deren Kinder konnten als „verwahrlost“ etiket­ tiert werden. Ein Viertel der berufstätigen Frauen in den 1950er Jahren hatte Kinder.371 Nur vereinzelt raffte sich das immer noch Rote Wien zu Tagesheimstätten, Krippen, Kindergärten, Horten und „Tagesheimschulen“, ähnlich unseren heutigen Ganztags­schulen, auf.

Unter den Müttern der befürsorgten Kinder befanden sich übrigens weniger erwerbstä­tige als unter jenen Frauen, die unbehelligt von der Jugendfürsorge lebten.372 die Tatsa­chen sprechen gegen die zählebigen Grundannahmen der Jugendfürsorge, dass nämlich „weibl. Erziehungsperson berufstätig“ ein Gefährdungspotential wäre.373

Es wird - mehrmals - ein Vortrag publiziert, von Ernst Kothbauer heraus gegeben, ver-fasst von Elfriede Fasold374 ; sie scheint im Handbuch der Stadt Wien 1954375 als Erzie­hungsberaterin auf.

Darin heißt es:

„Wo die Mutter in Arbeit steht, entstehen Mängel in der Gefühlsbeziehung und daher Mängel in der Gemütsbildung. Die Liebesbeziehung zwischen Mutter und Kind entwickelt sich und vertieft sich im Kontakt, im Beisammensein. Wo diese Kontakte spärlicher sind, werden auch die Beziehungen dünner.376

1949 setzten die Sozialistinnen eine Juristinnen-Kommission unter der Führung von Raffaela Kikiewicz und Elisabeth Schilder zur „Mitarbeit an Reformvorschlägen auf dem Gebiete des veralteten Familienrechts“ ein.377 Deren Arbeit blieb 25 Jahre folgen­los und wirkungslos.

Ob durch die Maßnahmen des Jugendamtes die Verfügbarkeit der jugendlichen Arbeit­nehmerinnen für die Arbeitgeberinnen stärker gesichert wurde, als dies bei den erwach­senen der Fall sein konnte, die einer solchen zusätzlichen vorkapitalistischen Diszipli­nierungsinstanz nicht unterlagen, müsste überprüft werden: Über das Arbeitshausge­setz, der erste Teil des §1 war bis 1974 gültig,378 gibt es so gut wie keine Sekundärlite­ratur. (Der zweite Teil des §1 wird als „Maßnahmenvollzug“ ab diesem Zeitpunkt bis heute fortgeführt.) Es ist mir nicht möglich, herauszufinden, in welchem Umfang dieses Gesetz zur Anwendung kam, wie groß die Zahlen der wegen Asozialität Inhaftierten waren, wie groß der Anteil der Frauen war, wie sich die Zwangsarbeit, wie sich die Zu­sammenarbeit mit den Sozialämtern gestaltete und wie lange es tatsächlich Praxis war, die Angehörigen von Familien, die in Not geraten waren, einzeln in verschiedenen An­stalten einzuweisen, die Kinder ebenfalls einzeln, säuberlich nach Alter geordnet, in verschiedene Fürsorgeheime.379

Auch in den historischen Arbeiten zur Jugendfürsorge werden etwaige Analogien zwi­schen dem „Heim“ und dem „Arbeitshaus“ in der Zweiten Republik nicht angespro­chen.

Noch 1960, in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, glaubte man, den Jugendli­chen - aus Gründen, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind - das Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes und die verbesserte Position in den Arbeitsbeziehungen ver­wehren zu müssen:

„Der Mangel an Arbeitskräften und Lehrlingen in verschiedenen Berufszweigen verleitete eine erhebliche Anzahl Jugendlicher zum Versuch, ihren Lehr- und Ar­beitsplatz zu wechseln. Dadurch allein wurden 3.150 Interventionen bei Firmen, Berufsschulen, Interessenvertretungen, Körperschaften usw. notwendig.380

Das Spielen auf der Straße381 - in den Rastervierteln der Gründerzeit-Zinshäuser gab es ja keine Spielplätze - gehört in den Erzählungen älterer Wienerinnen zu den erfreuli­chen Kindheitserinnerungen eines Lebens in Armut, der Selbstorganisation der Kinder­gruppen könnte man durchaus einen pädagogischen Wert zumessen. Die Türen zu den Wohnungen waren offen, Essen wurde geteilt, fremde Kinder konnten sich zeitweise in Nachbarwohnungen aufhalten, waren also nicht völlig sich selbst überlassen382 und konnten ein ganzes Spektrum verschiedener familiärer Sozialgefüge kennenlernen.

Dieser Teil der in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch vorhandenen proletarischen Lebenskultur, „die Straße“, wird bei Koller zur Chiffre für „Prostitution“, und das schon bei Kleinkindern und bei Radfahrerinnen! [siehe 10.2.1.: Maria, Erika]

Noch 1987, in der einzigen Selbstdarstellung des Jugendamtes aus historischer Sicht, lässt sich die innere Spaltung der Organisation nicht erst nach dem Einsetzen der Re­formen ablesen: die Geschichte wird in Abschnitte gegliedert, die von zwei verschiede­nen Personen redaktionell betreut wurden383 und die sich diesen Personen auch ziemlich eindeutig zurechnen lassen.

Wir verdanken diesem Werk eine Formulierung, die wahrscheinlich einen nicht zu übertreffenden Platz im Rahmen der Rhetorik zur österreichischen Vergangenheitsbe­wältigung einnimmt: „Am 27. April 1945 - zwei Wochen nachdem der letzte deut­sche Soldat Wien verlassen hatte384 - wurde ... die erste Staatsregierung ... einge­setzt.“

In jenem Abschnitt, dessen Formulierungen zum Großteil Hermine Koller zugeordnet werden können, offenbart sich eine extrem einseitige Wahrnehmung des Generationen­konfliktes bei einer Psychologin, der noch dazu die Betreuung von Jugendlichen über­antwortet ist:

„Mit diesem Ausdruck [Halbstarke] wurde das Phänomen der „gemeinlästigen“ Jugendlichen umschrieben, die in mehr oder weniger organisierten Banden oder Rudeln[!] auftraten, .Vielmehr waren diese Jugendlichen auf Lustgewinn aus durch Provokation der Erwachsenen, die sich nicht wehren konnten und deshalb wieder von den Jugendlichen verachtet wurden.“385

Im nächsten Abschnitt „Wiener Weg der Jugendwohlfahrt“ 1966 bis 1986 hingegen heißt es:

„Die entscheidenden Impulse für die Reform der Heime kamen schließlich aus gesellschaftspolitischen Bewegungen. Die Jugend jener Zeit stellte näm­lich die Werthaltungen und die Orientierungen der Generation, die den Wieder­aufbau Österreichs geleistet hatte, vehement in Frage. ... In diesen Bewegungen entstand eine solidarische Sympathie mit den Randschichten, deren Entstehen ei­nerseits dem Establishment als Versagen angelastet wurde, die aber andererseits wieder als Modell der Nichtanpassung trotz aller Anpassungszwänge gesehen wurden. ... motivierte viele dieser jungen Menschen zum Besuch der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe.“386

In der Folge nahmen „Sozialarbeiterinnen“, (Heim)Erzieherlnnen387 und Bewährungs- helferinnen388 die Last der Reparaturarbeiten an der Gesellschaft und das Leiden der Probandinnen auf ihre Schultern und veränderten die „Fürsorge“ von innen her.

„Mit ,Versozialwissenschaftlichung‘ Sozialer Arbeit ist eine Hinwendung zu ideologiekritischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen gemeint, die im Zu­sammenhang mit den durch die Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre ausge­lösten gesellschafts- und herrschaftskritischen Impulsen steht. Kritisiert wurde und wird, dass die normativen Bezugspunkte einer nach wie vor in der Tradition obrigkeitsstaatlicher Sozialfürsorge stehenden Sozialer Arbeit - und dies gilt für den sozialpädagogischen wie für den sozialarbeiterischen Strang - sich vornehm­lich auf gesellschaftlich dominante, überkommene Wertvorstellungen richten würden. Diese bildeten eine oft unhinterfragte Grundlage für rigide Auffassungen über legitime Muster individueller Lebensführung sowie die darauf basierende, eingreifende Normalisierungsarbeit, deren Gewissheiten aber eher dogmatisch ge­sichert seien als empirisch oder argumentativ. Vor diesem spezifischen Hinter­grund ist die Hinwendung zu sozialwissenschaftlich begründeten Sachanalysen zu verstehen, die gleichzeitig Ausdruck wie Voraussetzung einer Ideologiekritik sind. Diese sogenannte sozialwissenschaftliche Wende bot den Kontext für dis­ziplineigene Auseinandersetzungen um die normativen und teleologischen Be- zugspunkte Sozialer Arbeit.“389

Abseits dieser theoretischen Auseinandersetzungen, dieser „Wende“, die ihrerseits nicht durchgängig gelungen zu sein scheint, bestanden vergessene Orte der Unterdrückung und des Missbrauchs weiterhin, wie die Skandale zeigen, die in jüngster Zeit zum Ge­genstand eines Medienhypes wurden.

8 Misshandlung und Missbrauch

Es wäre eine falsche Vorstellung zu glauben, dass Mädchen weniger von häuslicher und institutioneller Gewalt betroffen waren, oder die Gewalt immer sexuelle Gewalt gewe­sen wäre.

Die Studie von Hermine Koller über Kindesmisshandlung in Wien, für die lange Mate­rial gesammelt worden war, erschien 1974,390 sie kommt zu folgendem Ergebnis, wobei dieses bei Jugendlichen statistisch recht schwach abgesichert ist:

„Zusammenfassend kann man sagen, daß Buben und Mädchen - im Kleinkind- und Schulkindalter - gleichermaßen mißhandelt werden. Bei Jugendlichen finden wir in den Fallzahlen wesentlich mehr Mädchen als Bur­schen (28 gegenüber 11). Da statistische Vergleichszahlen fehlen, kann nicht überprüft werden, ob diese Unterschiede bezogen auf die Geburtenziffer signifi­kant sind. Alterstypisch geben Mädchen im Jugendlichenalter mehr Anlaß zum Einschreiten der Angehörigen als Burschen, deren Fehlverhalten wie Frech sein, mangelnde Arbeitswilligkeit oder auch Eigentumsmißachtungen oft nicht als so gravierend gewertet wird.“391

Wie noch zu zeigen sein wird, steht der „Anlaß zum Einschreiten der Angehörigen“, also das So-Sein der Opfer der Misshandlung, bei dieser Arbeit überdeutlich im Vor­dergrund.

Wenn sexueller Missbrauch zur Sprache kommt, steht ebenso das So-sein der Opfer des Missbrauchs im Vordergrund. [siehe 8.2., 9.4, 9.5., 9.8., 9.9.,]

Im Fall von Missbrauch wird ein angebliches „Fehlverhalten“ der Kinder vorgebracht, bei Misshandlungen werden zahlreiche „Auffälligkeiten des Kindes, die ev. eine Miß­handlung auslösen können“392 aufgezählt, wodurch der Eindruck entsteht, es wären die Eigenschaften des Kindes, die die Übergriffe hervorgerufen hätten.

8.1 Das Jugendamt und das Züchtigungsrecht

Bei der 6. Tagung der Jugendamtspsychologen, die vom 27. bis 29. Oktober 1959 statt­fand, wurde das Thema „Mißhandlung“ diskutiert.393 Eine Fachfürsorgerin berichtet über Misshandlungsfälle in ihrem Bereich und fügt einen Satz an, der offenbar auf all­gemein bekannte Umstände rekurriert: Es könne „die Gefahr körperlicher Züchtigung im Heim und der daraufhin zu erwartende Vorwurf der Eltern, nicht völlig ausgeschlos­sen werden“.394 Was mit „Vorwurf der Eltern“ gemeint ist, wird in einem anderen Text [siehe Fibich, weiter unten] deutlicher erläutert.

Um die Konzentration auf mein Thema aufrechtzuerhalten, beschränke ich mich beim Thema Gewalt auf einige wenige Hinweise, zumal bereits ein breit angelegter Prozess der Aufarbeitung eingeleitet worden ist395 auf der Basis der authentischen Erlebnisbe­richte der Betroffenen, gegen deren Glaubwürdigkeit in meinem Material nichts spricht.

Die offizielle Haltung des Jugendamtes zur Gewalt gegenüber Kindern wird in einer in größeren zeitlichen Abständen herausgegebenen und jeweils neu formulierten Dienst­anweisung (Normale) definiert. Überraschender Weise zeigt die Abfolge dieser Defini­tionen keine lineare Entwicklung zu mehr Humanität, sondern weist in der Amtszeit von Ourednik als Leiter der Rechtsabteilung nach dem Krieg396 und mit Bezug auf die Tä­tigkeit der Strafrechtskommission eine Wendung auf, die der Herstellung eines straf­rechtlich ungehemmten Züchtigungsrechtes zu dienen scheint, dessen Einschränkungen nach Ansicht von Ourednik im geltenden Recht von einem „Großteil der Richter“ „zu formal“ ausgelegt werden würden.

„Als erster Experte berichtete Herr Dr. Ourednik, Jugendamt Wien, über die rechtliche Situation. ... Die Anwendung des Strafgesetz § 413 (...wodurch der Gezüchtigte am Körper Schaden nimmt) führte bei einem Großteil der Richter zu einer sehr formalen Auslegung. Danach wäre jede Züchtigung, die körperli- che Spuren hinterläßt als körperliche Mißhandlung zu bestrafen. ... „397

Dr. Ourednik sprach die Hoffnung aus, daß sich die Kommission zur Kodifizie- rung des Strafrechts auch mit dem Begriff der Mißhandlung befassen werde. Er gab dem Wunsch Ausdruck, daß die Teilnehmer der Arbeitstagung zu der inhaltli­chen Klärung des Mißhandlungsbegriffes, soweit er Kinder und Jugendliche anbe­langt, beitragen mögen. Diesbezügliche Ergebnisse könnten sowohl für den in der Jugendwohlfahrt tätigen, wie auch den mit der Rechtsprechung befaßten Juristen von bedeutender Hilfe sein.“398

Nur aus dem § 413 könnte man auch ein Züchtigungsrecht der „Erzieher“ ableiten, es ist die einzige Stelle im damals schon 150 Jahre alten Strafrecht, die einen solchen - fal­schen - Analogieschluss überhaupt möglich macht.“399

§ 413. Das Recht der häuslichen Zucht kann in keinem Falle bis zu Mißhandlun­gen ausgedehnt werden, wodurch der Gezüchtigte am Köper Schaden nimmt. Daher sind dergleichen Mißhandlungen der Eltern an ihren Kindern, der Vormün­der an Mündeln, eines Gatten an dem anderen, der Erzieher und Lehrer an ihren Zöglingen und Schülern, der Lehrherren an ihren Lehrjungen, und der Gesinde- hälter an dem Dienstvolke als Übertretungen zu bestrafen.

Ganz im Sinne Dr. Ouredniks kam die Tagung zu Empfehlungen für den juristischen Bereich, die für die „mit der Rechtsprechung befaßten Juristen von bedeutender Hilfe“ sein sollten, also zur Festlegung der Position des Jugendamtes und zur Rückendeckung für den Leiter der Rechtsabteilung, später für den Leiter des Jugendamtes in den Ausei­nandersetzungen im Rahmen der Strafrechtsreform.

Als Arbeitsbegriff für die jugendamtliche Praxis könne man etwa folgende Formulie­rung vorschlagen:

„Mißhandlung von Kindern ist jede in erziehlicher Absicht erfolgte Einwirkung auf das Kind, die auf Grund ihrer Art, ihrer übermäßigen Stärke oder Häufigkeit eine bedeutende Schädigung hervorruft.“400

Diese Formulierung wird ausführlich erläutert:

„... Die Einschränkungen ,übermäßig‘ und ,bedeutend‘ erscheinen aber zweck­mäßig, um durchschnittlichen Erziehungsmaßnahmen Rechnung zu tragen und dem Einwand gegen eine unrealistische oder verderblich extreme Weichheit in der Erziehung zuvorzukommen. ... „401

Ob mit der Formulierung „in erziehlicher Absicht“ der Versuch gemacht wurde, bei der Misshandlung von Kindern durch Erziehungsberechtigte das damalige Strafrecht, das ja „böse Absicht“ zur Voraussetzung hatte, ganz auszuschalten, kann ich nicht klären.

Die „erziehliche Absicht“ ist jedenfalls nach der Auffassung Ouredniks großzügig aus­zulegen:

„Schließlich wäre noch darauf hinzuweisen, daß nicht immer der Mißhandlung Strafabsicht zugrunde liegen muß. Es gibt Fälle von Mißhandlung, bei denen z.B. Erzieher meinen, vorbeugend zu wirken.“402

Bis zu dieser Tagung und der danach erlassenen Dienstanweisung war das Normale aus dem Jahre 1936 in Kraft. Es ist von bemerkenswerter Klarheit.

„Unter Kindesmißhandlung ist jede, insbesondere jede fortgesetzte physische und seelische Gewaltanwendung gegenüber einem Kinde zu verstehen.“403

Es ist also festzuhalten, dass die genannte Tagung der Jugendamtspsychologen auf Ver­anlassung des Leiters der Rechtsabteilung Ourednik bestrebt war, das Züchtigungsrecht über jenen Rahmen hinaus auszudehnen, der sowohl durch die eigene Tradition in der Ersten Republik, als auch durch das geltende Strafrecht [siehe Anhang] und die Recht­sprechung gegeben war.

In einem weiteren Text,404 ein Referat über „Mißhandlung“, gehalten im Heilpädagogi­schen Seminar der Caritas Wien, wird die Absicht Ouredniks, das Normale aus dem Jahr 1936 im Sinne einer Erweiterung des Züchtigungsrechtes der Erziehungsberechtig­ten umzuformulieren, unterstützt. Der Autor gibt an, auf eine Berufslaufbahn in der Fremderziehung zurückzublicken und für sein Referat acht Experten befragt zu haben. Der Text ist maschinschriftlich mit G. Fibich gezeichnet.

In dem Band „Verfolgte Kindheit“ wird aus einem Akt von einem „Franz H.“ zitiert, in dem - entgegen den Beurteilungen der Hilfsschule und der Erziehungsberatung (Fibich) - doch noch war Positives vermerkt ist, so dass „Franz H.“, entgegen dem Wunsch der „Erziehungsberatung“, in der Fibich405 zeichnungsberechtigt war, damals doch nicht auf den „Spiegelgrund“ bleiben musste, sondern nach Biedermannsdorf abgegeben wur­de406, Fibich war also „Erziehungsberater“.

Im Jahre 1959 wird das Problemfeld Kindesmisshandlung in Anstalten von ihm mit erstaunlicher Offenheit erörtert:

„Dem gegenüber wird betont, daß in den Jahren 1924 bis 1934 [Hervorhebung Czi] im öffentlichen Erziehungsdienst der Stadt Wien auf Verabreichung einer Ohrfeige die Entlassung der betreffenden Erziehungsperson stand, auch, wenn keine Spuren festgestellt wurden. Immerhin galt und gilt nach der vorerwähnten Weisung des Wr. Jugendamtes eine Ohrfeige als Gewaltanwendung und wäre so­mit in diesem Sinne als Kindesmißhandlung anzusehen.

Es gibt aber in der Gemeinschaftserziehung noch andere Vorgänge, die körperli­chen und lieblosen Mißhandlungen sehr nahe kommen z. B. übertriebene Frei­übungen wie Kniebeugen, Knien mit Erschwernissen, dann Ohren-Umdrehen, Reißen an den Haaren, wobei es zum Haarausriß kommen kann, ferner langes Stehen auf dem Kalten Gang (sic!) im Nachthemd, unangebracht übermäßig kalte Duschen, das Pflasterkleben auf dem Mund u.a.

Es muss aber auch daran erinnert werden, daß manchmal kindliche Grausamkei­ten absichtlich übersehen werden, Grausamkeiten, die sich Kinder gegenseitig zu­fügen oder daß vielleicht solche Vorgänge auch pardonniert werden, einfach des­halb, weil die Erziehungsperson der Meinung ist, daß dieser Heranwachsende bei­spielsweise nach einer Flucht es verdient hat, von seinen gleichalten Mitzöglingen geschlagen oder durch die bekannte „Salzergasse“ geschleift oder durch andere arge Raufereien zugerichtet zu werden. ...

Der Vollständigkeit halber wollen wir noch einmal auf die Züchtigung als Strafe bei Kindern und Jugendlichen zurückkommen und dazu die Frage stellen: „Ist Züchtigung überhaupt verboten?“ Die Antwort lautet: „Nein“. Nach dem alten Gesetz ist Züchtigung innerhalb der Väterlichen Gewalt - wie es im Gesetz heißt - erlaubt. Verboten ist nach den heute schon genannten §§ die Überschreitung des Züchtigungsrechtes in Form zurückgebliebener Spuren. Umfaßt nun die Heimer­ziehung „Väterliche Gewalt“? Das ist die Frage! Im allgemeinen besteht die Auf­fassung, der Heimleiter hätte diese väterliche Gewalt und ihm wäre die Züchti­gung der Zöglinge erlaubt. Ob das schriftlich festgehalten ist, entzieht sich meiner Kenntnis. ...

Dieser Auffassung von der väterlichen Gewalt des Heimleiters folgt zuweilen eine zweite, nämlich, daß der Erzieher gewissermaßen als „verlängerte Hand“ des An­staltsleiters auch diese väterliche Gewalt inne hat, auch züchtigt, was dann vom Anstaltsleiter pardonniert werden würde oder könnte. Kurzum dies sind Auffas­sungen, wovon nicht gesagt werden kann, inwieweit sie zurecht bestehen oder nicht.407...

Denken wir besonders daran, wenn Kinder in unsere Heime kommen, die zu Hau­se mißhandelt wurden und für die andere Erziehungsmethoden besonders wichtig sind. Schon deshalb, um diesen Kindern beizubringen, daß sie auch auf anderem Weg zu folgen haben, ohne Schläge zu bekommen. ... Es ist für alle Beteiligten ungeheuer peinlich, wenn im Elternhaus mißhandelte Kinder auch in der Heimer­ziehung wieder mißhandelt werden. In widerlichster Weise werden dann solche Eltern aggressiv gegen Heime und Jugendfürsorge. Ihnen wurden diese Kinder wegen Mißhandlung abgenommen und nun stellen sie fest, daß eben diese Kinder auch im Heim geschlagen werden.

Wie der am Anfang dieses Abschnittes zitierte Hinweis einer Fürsorgerin aus dem 2. Wiener Gemeindebezirk erkennen lässt, bezieht sich diese Geschichte auf Erfahrungen, die von vielen geteilt wurden. Das kollektive Narrativ stellt ein Gemeinschaftsgefühl her:

Gar nicht davon zu reden, mit welcher Sensation die Presse oft derartige Vorgän­ge bringt und in gehässigster Weise färbt.

Schließlich noch eine praktische Frage: Was hat in einem nachgewiesenen Fall einer Kindesmißhandlung seitens einer Erziehungsperson in einem Heim zu ge­schehen? Aus Erfahrung würde ich raten: Möglichste Trennung zwischen408 dem Zögling und dieser Erzieherin! Warum? Wenn dem Zögling bewußt wurde, daß die Erzieherin sich in dieser Hinsicht seinetwegen eine arge Blöße gegeben hat, so ist diese Beziehung zwischen beiden schwer gestört und es ist wenig Aussicht, daß in diesem Falle noch einmal eine entsprechende Beziehung zwischen Erzieher und diesem Heranwachsenden zustande kommt. Im Gegenteil: Wenn das Kind oder der Jugendliche durch Aussprachen, Verhöre oder Unterschriften diese Er­kenntnis gewonnen hat, so besteht die Gefahr, daß der junge Mensch über den Erwachsenen „Oberwasser“ erhalten und im gleichen Maße der Erzieher an Pres­tige und Autorität verloren hat.

Es wird sich daher empfehlen, entweder dieses Kind oder diesen Erzieher aus der Gruppe zu entfernen. ...

Jede angezeigte Kindesmißhandlung wird in Wien beim Jugendgericht verhandelt. Gott sei Dank, daß dabei die Berufserzieher im Vergleich zu den Eltern viel selte­ner angeklagt sind, wie mir ein Experte des Jugendgerichtes versicherte.“409

Dieser Text wurde vermutlich in dem „Bericht über die 6. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen“ veröffentlicht, was ich nicht belegen kann, weil ältere Ausgaben dieser Berichte nicht mehr aufzufinden sind. Er bestätigt als Erzählung die Erzählungen der misshandelten Heimkinder, er soll deshalb auch hier stehenbleiben.

Es ist das Vorgehen beschrieben, das im Falle einer Misshandlung durch einen Erzieher / einer Erzieherin in den dem Autor bekannten Heimen praktiziert wurde: entweder das Opfer oder der Täter sollte in ein anderes Heim verlegt werden, für die Verlegung des Opfers war die Erziehungsberatung zuständig und sehr wahrscheinlich lässt sich ein Teil der - zahlreichen - Verlegungen von Heimkindern auf diese Situation zurückfüh­ren.

Ein Punkt wäre klarzustellen: Wird ein Erzieher tatsächlich beim Gericht angezeigt, und nicht nur einer internen Kontrollinstanz, mussten andere Paragraphen des Strafgesetzes 1945 [siehe Anhang] zur Anwendung kommen:

§ 420. Erzieher oder Lehrer von beiderlei Geschlecht, die an ihren Zöglingen Mißhandlungen verüben, sind das erste Mal mit Arrest von drei Tagen bis zu ei­nem Monate zu bestrafen; im wiederholten Falle aber nebst der erstbestimmten Strafe fernerhin zu dem Lehramte oder Erziehungsgeschäfte untauglich zu erklä- ren.410

In den Erläuterungen - auf Grund von oberstgerichtlichen Entscheidungen, Stand 1960 - heißt es:

„Lehrer, Erzieher, Dienstgeber und Lehrherren haben kein Züchtigungsrecht mehr; das Züchtigungsrecht anderer Personen (z.B. der Eltern) kann als persönli­ches Recht auf sie nicht übertragen werden, daher können die gleich den §§ 413 bis 418 auf der Überschreitung eine Züchtigungsrechtes beruhenden §§ 420, 421 heute nicht mehr zur Anwendung kommen.411

Den §§ 417 und 418 StG zufolge sollen Vormünder bei Misshandlungen ihrer Mündel bestraft werden und sind „zu Vormundschaften unfähig zu erklären“; das Jugendamt als Vormund aller abgenommener und unehelicher Kinder (und somit vieler in Heimen misshandelter Kinder) stand anscheinend außerhalb der Kaskade von Verantwortlich­keiten. [siehe Anhang]

Die weitere Entwicklung zur „gewaltfreien Erziehung“ soll noch kurz skizziert werden:

Das 1980 von Obersenatsrat Dr. Prohaska herausgegebenen und unterschriebenen Nor­male kehrt auch nicht zu der klassischen Schönheit der Formulierung der Ersten Repu­blik zurück: „Unter Kindesmißhandlung ist jede, insbesondere jede fortgesetzte physi­sche und seelische Gewaltanwendung gegenüber einem Kinde zu verstehen.“ In diesem Normale haben sich in folgender Wendung Reste von „häuslicher Zucht“ in der Um­schreibung „in erziehlicher Absicht“ erhalten: „durch Personen, deren Erziehung oder Betreuung er anvertraut ist“.

„§ 1. Mißhandlung von Minderjährigen im Sinne dieses Normale ist jede Einwir­kung auf einen Minderjährigen durch Personen, deren Erziehung oder Betreuung er anvertraut ist, sofern diese Einwirkung aufgrund ihrer Art, Stärke oder Häufig­keit eine physische und psychische Schädigung oder Beeinträchtigung hervor­ruft.“412

In der Zwischenzeit war viel passiert: die §§ 413 bis 421 waren im Strafgesetz gestri­chen worden und durch den für alle geltenden § 83 Köperverletzung ersetzt worden413, auch der § 145aF [siehe Anhang] war abgeschafft worden, der das Recht der Eltern fest­legte „...unsittliche, ungehorsame oder die häusliche Ordnung störende Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche Art zu züchtigen“;414 es gab also keine rechtliche Privilegierung der Eltern und der Erzieher mehr in Bezug auf die Ge­waltausübung gegenüber Kindern. Mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts 1977 wurde der Zentralbegriff „Kindeswohl“ erstmalig in das ABGB eingeführt.415

Die von Ourednik eingebrachte Sonderstellung der Misshandlung „in erziehlicher Ab­sicht“, die besonders qualifiziert sein müsse um überhaupt als Misshandlung zu gelten, wird im Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 mit folgender Formulierung explizit - „besonders auch dann“ - außer Kraft gesetzt:

„§ 2 (3) Die öffentliche Jugendwohlfahrt darf in familiäre Bereiche und Bezie­hungen nur insoweit eingreifen, als dies zum Wohl des Minderjährigen notwendig ist. Dies ist besonders auch dann der Fall, wenn zur Durchsetzung von Erzie­hungszielen Gewalt angewendet oder körperliches oder seelisches Leid zugefügt wird.“

Mit der Novellierung des Kindschafts- und Jugendwohlfahrtsrechts 1989 wurde das Prinzip der gewaltfreien Erziehung gesetzlich normiert.416 Im gleichen Jahr wurde die UN-Kinderrechtskonvention von der Organisation der Vereinten Nationen beschlos­sen417 und - nach und nach - in Österreich übernommen.

8.2 Das Jugendamt und der Missbrauch

Erst das 1991 herausgegebene Normale bringt den Durchbruch für die bis dahin aus der Sicht des Jugendamtes nur vereinzelt existenten missbrauchten Buben und Mädchen. Neben Misshandlung und Vernachlässigung scheint zum ersten Mal in einer Dienstan- weisung „sexueller Mißbrauch“ auf.418

Begriffe:

§ 1. (1) Kindesmißhandlung ist eine nicht zufällige, bewußte oder unbewußte, gewaltsame psychische oder/und physische Schädigung, die in Familien oder In­stitutionen, denen die Obhut des Minderjährigen anvertraut ist, geschieht und die zu Verletzungen, Entwicklungshemmungen oder sogar zum Tode führt und sein Wohl und seine Rechte beeinträchtigt oder bedroht.419

Im Absatz 2 geht es um Vernachlässigung.

Der Absatz 3 des § 1, Begriffe, lautet:

„§ 1. (3) Sexueller Mißbrauch ist die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in sexuelle Handlungen, die sie in ihren emotionalen, physischen und sozialen Auswirkungen nicht völlig verstehen, zu denen sie entsprechend ihrer altersgemä­ßen Entwicklung und Reife, bzw. auch wegen möglicher Abhängigkeiten keine informierte Zustimmung geben können und die insbesondere die sozialen Tabus der Familienrollen verletzen.“420

Es ist zu hoffen, dass es wenigstens nach diesem Zeitpunkt zu einem Gesinnungswandel gekommen ist.

Wie die Verweigerung der Verantwortlichkeit durch das Jugendamt zu werten ist, die schon in der Verweigerung der Wahrnehmung, in der sprachlichen Leerstelle, bis zu diesem Zeitpunkt besteht, das ist eine Frage, deren Beantwortung noch im Fluss ist.

Es ist heute völlig vergessen, dass weibliche Sexualität bis zu dem feministischen Pa­rameterwechsel durchgehend als „Tatwaffe“ und nicht als Opferdisposition gesehen wurde.421

Der Autor eines längeren Aufsatzes in einer Fachzeitschrift, Dr. Werner Steinhauser, ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Psychologe und Direktor am Institut für Heimer- ziehung, wie im Text selbst festgehalten wird.422

Seine Dissertation „Untersuchung über die Beziehungen zwischen Intelligenz, Schul­leistung und Milieu“ im Jahre 1957 ist dem Geist der Zeit verhaftet, was sich etwa in der Ablehnung von Kinobesuch an sich und „Schmutz und Schund“ im Besonderen äußert. Es werden 287 Mittelschüler der Unterstufe [Knaben, Realgymnasium, Sekun­darstufe I] mit statistischen Methoden untersucht. Die Fälle unterscheiden sich von den „Fürsorgefällen“ auf dramatische Weise. Auch bei den Mittelschülern konstatiert der Autor allerlei Misslichkeiten im „Milieu“. „Ungeordnete Familienverhältnisse“ beste­hen in Ehebruch, Arbeitsscheu, im Vorhandensein eines „Lebensgefährten (auch bei günstigem Einfluss)“, unehelicher Geburt des Kindes, in Berufstätigkeit oder außer­häuslichen Interessen der Mutter, sie werden alle sorgfältig erhoben. Es wird auch be­richtet: „Den Eltern ist trotz nunmehr strenger Erziehungsmethode völlig die Herrschaft über das Kind entglitten“ (S 149). Aber das macht alles nichts: Das, was bei den „Ver­wahrlosten“ mit gnadenloser Zielstrebigkeit gesammelt wird und ins Heim führt, schrumpft hier zu einer Variablen ohne Aussagekraft zusammen: „Der Einfluß des Mi- lieus auf die Schulleistung läßt sich nicht nachweisen.“423

Auch Steinhäuser gelangte in bedeutende Positionen im Jugendamt.424 Die Zeitschrift „Soziale Berufe“ ist für gewerkschaftlich organisierte Fürsorgerinnen und vermutlich auch Heimerzieherinnen kostenlos.425

Der Aufsatz erscheint 1972, zu einer Zeit, in der die Frauenbewegung bereits im Entste­hen ist. In diesem Aufsatz eines führenden Funktionärs der Heimerziehung werden die Berichte von Betroffenen bestätigt, dass sie nach Traumatisierungen statt Schutz und Trost eher Strafe zu erwarten hatten. Dieser Aufsatz könnte auch den Verdacht stützen, dass auf Missbrauch in den Heimen selbst nicht adäquat reagiert wurde.

Es geht um die „Exploration von Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berück­sichtigung von Aussagen zu sexuellen Themen“;426 bei den in diesem Artikel geschil­derten Fällen geht es - wie nach diesem Titel auch zu erwarten ist - um die Frage, ob sexueller Missbrauch an einem Kind stattgefunden hat oder nicht. Der Begriff „sexuel­ler Missbrauch“ wird natürlich nicht verwendet, ein Machtgefälle zwischen Kind und „Schänder“, Gewalt, wird aber auch nicht mit irgendwelchen anderen Worten angedeu­tet. In beiden vorgestellten Fällen - ein siebenjähriges Mädchen und ein „homosexueller Schulbub“ - wird das Kind der Lüge überführt. Die „Exploration“ ist als Verhör zur Aufklärung und zum Nachweis des Verbrechens der Verleumdung gestaltet.

Es werden ohne Bezug zu den vorgestellten Kindern unzählige psychiatrische Diagno­sen aufgezählt, zu denen auch „der Infantile“ als unzuverlässige Auskunftsperson zählt, für den beliebigen Einsatz zur Verfügung gestellt, und so schon vorweg den zu Befra­genden unterstellt, - irgendeine der angebotenen Diagnosen wird schon passen -, womit von vornherein jedwede Glaubwürdigkeit zunichte gemacht wird. Der Missbrauch eines Kindes - das wird von den verschiedenen anderen Autorinnen im Umfeld der Jugend­fürsorge, deren Texte schon früher erschienen sind, ähnlich dargestellt - hat mit dessen „sexueller Fehlhaltung“ zu tun. [siehe 9.4., 9.5., 9.8., 10.1.]

Schon im ersten Absatz wird von einer „Deformierung“ gesprochen, bei den jungen Menschen, um die es sich „dabei“ handelt, „dabei“ nämlich, „wenn sich die Notwen­digkeit zur Exploration ergibt“.

Die Möglichkeit, dass einem Kind Unrecht geschehen sein könnte, ist damit eigentlich schon ausgeschlossen. Die Kinder- vor allem die Mädchen - sind in fundamentalisti­schen Gesellschaften ebenso wie erwachsene Frauen an ihrer Vergewaltigung schuldig und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem sie ins Gerede gekommen sind.

„Ergibt sich die Notwendigkeit zur Exploration von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit sexuellen Problemen, so ist zu bedenken, daß es sich dabei um junge Menschen handelt, die in die sexuelle Fehlhaltung oder Problematik auf Grund besonderer Anlage, Milieu- oder Entwicklungsbedingungen gelangt sind. Ihre ursprüngliche Persönlichkeit hat nicht selten bereits eine mehr oder minder schwerwiegende Deformierung erfahren, und es ist ziemlich schwierig, in kurz­fristiger Untersuchung einen diagnostischen und prognostischen Eindruck vom Charakter des oder der Betreffenden zu gewinnen.“427

Das eigentliche Ziel der Befragung bei Explorationen „von jungen Menschen, die in die sexuelle Problematik gelangt sind“, ist nach Steinhauser erstens einen bestimmten Tat­bestand mit sexuellem Hintergrund aufzuklären, und zweitens Klarheit über einen be­stimmten Charakter zu gewinnen. Es gibt einen Tatbestand, aber keinen Täter, dessen Charakter aufgeklärt werden müsse, die Hauptarbeit gilt der Diffamierung des Charak­ters des zu befragenden Kindes, dem auf dem Wege der Pathologisierung die Täter­schaft zugeordnet wird. Es wird sogar eine „Verbrecher-Typologie“ herangezogen:

„Die Typisierungsbemühungen haben wohl ganz allgemein einen Verbrecher aus Neigung postuliert, der in einer aktiven Variante gegeben sein kann (...) und in einer passiven (wie das etwa bei dem Verbrecher aus Gewöhnung, dem Verwahr­losten der Fall ist), ... „428

Dem Sprachgebrauch des Autors und seiner Zeit zufolge, ist unter „dem Verwahrlos­ten“ auch ein Mädchen zu verstehen, das als „ein Verwahrloster“ stigmatisiert worden war.

„So liegt gerade der sexuellen Fehlhaltung entwicklungsmäßig eine innere Logik, aber keine konsequente Intention zugrunde. Das Ziel der sexuellen Verwahrlo­sung ist nicht etwa die Prostitution, sondern der aus emotionalen Mangelerlebnis­sen, aus Partnerangst, Enttäuschung oder ungenügender Normenübersicht ange­strebte Ersatzlustgewinn, der unter ganz bestimmten Umständen auch zur Prosti­tution werden kann.“429

In den Arbeiten von Estl und Koller wird ebenfalls dieser schicksalhafte Ablauf unter­stellt, der durch keine konkrete Person, keinen konkreten Vorgang ausgelöst wird, son­dern in der Eigendynamik der Geschlechtlichkeit der Heranwachsenden selbst liegt, [siehe 10.1. und 10.2.] die sexualisierte Einweisungspraxis430 konzentriert sich auf Mäd­chen. Steinhauser spricht von einem „Ziel der sexuellen Verwahrlosung“, das vom Kind selbst angestrebt wird und von einem „Ersatzlustgewinn“.

Die „sexuelle Fehlhaltung“ liegt vor dem „bestimmten Sachverhalt“, der aufzuklären ist, und diese führt über „die Notwendigkeit zur Exploration von Kindern und Jugendli­chen im Zusammenhang mit sexuellen Problemen“, über eine innere Logik, zur Prosti­tution; der jeweilige Nutznießer ist vollkommen unsichtbar, es sind die Kinder und Ju­gendlichen, an denen die „sexuellen Probleme“ kleben.

„Die Auto- und Heterosuggestibilität spielt beim weiblichen Geschlecht eine grö­ßere Rolle als beim männlichen. Sie ist von großer Bedeutung bei geistig redu­zierten Personen und natürlich ein besonderes Problem bei Kindern und Jugendli­chen. Speziell zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr kommt es zufolge der starken Eidetik zum pseudologisierenden Fortspinnen tatsächlicher Erlebnisse in der Phantasie.“431

Ein fünfjähriges Mädchen denkt sich geschlechtliche Vorgänge aus!!!

„... weil der Schwachbegabte um seine Unterlegenheit weiß, dem Befrager zulie­be seine Ansichten ändert und auch noch meint, daß es so sein müsse. Dies ist umso bedauerlicher, als Debile sehr häufig aktiv oder passiv in Sexualdelikte verwickelt sind.“432

Diese Sätze sind aus zwei Gründen besonders interessant: zum einen wird nicht zwi­schen Täter und Opfer unterschieden. Man stelle sich den letzten Satz in folgender Pa­raphrase vor: „Rothaarige sind sehr häufig aktiv oder passiv in Mordanschläge verwi­ckelt.“ Das Ergebnis ist - je nachdem ob „aktiv“ oder „passiv“ - ein grundsätzlich ande­res.

Der erste Satz - „dem Befrager zuliebe seine Ansichten ändert und auch noch meint, daß es so sein müsse“ - desavouiert die Darstellung der folgenden Fallgeschichte durch den Autor und seine Schlussfolgerungen daraus, wodurch sich aber an der Missachtung der Grundbedürfnisse des - fiktiven - Kindes und an dessen Ausgeliefertsein nichts än­dert:

„Ein 7jähriges, höhergradig debiles Mädchen beschuldigt seinen Stiefvater, es ge­schändet zu haben. Die Aussagen werden sehr präzis, mit eingelernt wirkender Exaktheit vorgebracht. Da das Mädchen einerseits wenig Kritikvermögen besitzt, affektlahm ist und ein eher lückenhaftes Gedächtnis aufweist, andererseits aber über das Altersmaß hinaus suggestibel ist, bestehen berechtigte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage, zumal die Mutter des Mädchens seit längerer Zeit nach einem Scheidungsvorwand sucht. Im Rahmen einer Suggestibilitätsprobe ge­lingt es, dem Mädchen mit einmaliger Suggestion den Stiefvater als Schänder auszureden. Der Übeltäter ist nunmehr, vom Befrager induziert, der Pudel der Mutter. Die übrigen Aussagedetails werden nach wie vor in Übereinstimmung mit den früher gemachten, mit anderen Worten ,perseverativ‘, angeboten.

So wenig sich damit nun der wahre Tatbestand bloßlegen ließ, so problematisch erschien doch von diesem Moment an die Aussage des Kindes. Eine Verurteilung auf der Basis einer solchen Aussage und des genannte Milieuhintergrundes ist wohl kaum denkbar.“433

Auffallend erscheint, dass von einer gynäkologischen Untersuchung, die sonst routine­mäßig durchgeführt wird, hier nichts berichtet wird, für eine Scheidung braucht man keinen Vorwand, sondern es genügt ein Grund, es dürfte sich nicht um eine reale Ge­schichte handeln. Wie auch immer, mit diesem „Beispiel“ wurde jedenfalls klargestellt, dass ein siebenjähriges Kind „wenig Kritikvermögen besitzt, lückenhaftes Gedächtnis aufweist und suggestibel ist“ und dass es der Autoritätsperson gelungen ist, das mögli­cherweise traumatisierte siebenjährige Kind zu verwirren und sie darauf auch noch stolz ist.

Die Aussage eines Erwachsenen, der Mutter, ist bei einer „Exploration“ mit der Unter­stellung von eigenen Interessen zunichte zu machen.

Das Dilemma, in dem sich die Mütter befanden, wird umgedreht: wenn Mütter sich in einem solchen Fall gegen den Vergewaltiger ihres Kindes stellen, verlieren sie in der Regel für sich und ihr Kind die ökonomische Existenzgrundlage und das in der Nach­kriegszeit als unverzichtbar erachtete „Haupt der Familie“.

Steinhauser gibt jenen, die “Explorationen“ durchzuführen haben, mit diesem Beispiel und durch das Angebot an psychiatrischen Diagnosen, geradezu Rezepte in die Hand, wie sie sich dieser Aufgabe entledigen sollen; der Position des Autors entsprechend handelt es sich bei den AdressatInnen um jene Personengruppe, die tatsächlich bei Ver­nehmungen von Kindern eingesetzt wird und - falls es überhaupt zu einer Anzeige kommt - deren Aussagen auch vom Gericht herangezogen werden.

Der Autor präsentiert auch eine wissenschaftliche Begrifflichkeit: das „Selbstkonzept“ bestimmt u.a., „was vom bewußt Gewesenen erinnert wird und in welcher Bedeutung.“

„Zigeuner, Neger, Juden oder andere Angehörige von rassischen oder nationalen Minderheiten müssen zweifelsohne zu einem anderen Selbstkonzept kommen als rassische oder nationale Majoritäten (...) und selbstverständlich hat bei gleicher Intelligenz auch der Verwahrloste ein anderes Selbstkonzept als der Nichtver- wahrloste“434

Man schreibt das Jahr 1972 und der Autor hat eine höhere Funktion in einem sozialen Berufsfeld in einem vorgeblich nichtrassistischen Staat inne, er belegt in seiner Person jene These, dass das Denken der Fürsorgebehörden gegenüber ihrer Klientel rassistisch strukturiert war435 und bis in seine Gegenwart rassistisch strukturiert ist.

Die „Befragung“ soll nun abgeschlossen werden:

„Nun kann aber auch der Zeitpunkt gekommen sein, wo man den Befragten mit aller Deutlichkeit auf die Konsequenzen einer bestimmten Behauptung oder die Folgen der Unklarheit bezüglich eines bestimmten Vorfalles aufmerksam machen wird.“436

„Der Befragte“ ist zum Beispiel das siebenjährige Mädchen, dem klar zu machen ist, dass es - wenn es seine Behauptung aufrecht hält - für die nächsten elf Jahre in eins von jenen Heimen kommt, mit denen man ihm früher gedroht hat, wenn es „schlimm“ war.

„Kinder und Jugendliche sind immer problematische Zeugen. Bezüglich sexueller Themen gilt, daß sie in diese viel stärker verwickelt sind oder an ihnen viel stärker affektiv teilnehmen, als es den Anschein hat.“437

Bei dieser Äußerung handelt es sich um die klassische (Selbst)Täuschung von Pädophi­len. Es wäre zu fragen, für wen der Autor diesen Selbstschutz bereitstellte.

„Unsere Haltung muss so sein, daß sie vom Befragten später als korrekt gewertet werden kann.“438

„Der Befragte“ hat - spät, nach einem zerstörten Leben, aber doch - Gelegenheit, diese „Haltung“ - aus einer besseren Position heraus - zu bewerten; es ist zu hoffen, dass „dem Befragten“ bei seiner Bewertung - im Hier und Jetzt - die ganze Gesellschaft stützend zur Seite steht.

8.3 Die „Züchtigungsüberschreitung“ zum Zeitpunkt der Abschaffung des Züchtigungsrechts

Eine Rolle in diesem Zusammenhang spielt die bereits erwähnte von Hermine Koller verfasste Arbeit439, für die von 1965 bis 1969 Material gesammelt wurde,440 die aber erst fünf Jahre später, 1974 erscheint, in jenem Jahr, in dem das neue Strafgesetzbuch vom Parlament bereits verabschiedet war und die große Reform des Strafrechtes mit der ersatzlosen Streichung des gesamten „Züchtigungsrechtes“ am 1. Jänner 1975 in Kraft treten sollte441. Es ist auch das Jahr, in dem die offizielle Publikation des Jugendamtes „Sozialarbeit im Dienste der Familie“442 erscheint, es offenbart sich in diesem Zusam­mentreffen eine kaum überbrückbare innere Spaltung der Organisation.

Meiner Vermutung nach ist es das Fehlen eines für die corporate identity verbindlichen Wertekanons, der dazu beigetragen hat, dass das Jugendamt nicht aus eigener Kraft die Gewaltexzesse in den Heimen abschaffen konnte oder wollte.

Im gleichen Jahr hat, wie bereits erwähnt [siehe 2.1.], die Kommission „Moderne Fami­lienfürsorge“ unter dem Vorsitz von Walter Spiel und Walter Prohaska einen grundle­genden Paradigmenwechsel vorgenommen und sich auch auf die „Abtretung von Vor­mundschaften“ geeinigt:

„Die Vormundschaft über unehelich geborene Kinder soll den Müttern (oder an­deren geeigneten Verwandten) übertragen und von der Pflegeaufsicht über diese Kinder abgesehen werden.“443

Koller macht in ihrer Arbeit ziemlich deutlich, dass sie weder bereit ist, die Abschaf­fung des Züchtigungsrechtes im Strafrecht zur Kenntnis zu nehmen, noch die „Abtre­tung von Vormundschaften“ für uneheliche Kinder an deren Mütter, sondern sie ver­sucht, die Notwendigkeit der „Pflegeaufsicht über diese Kinder“ zu begründen.

Koller verwendet unzählige Male das Wort „Züchtigungsüberschreitung“, das weder so im Gesetzestext vorkommt noch in der Umgangssprache geläufig ist, bei ihr enthalten auch die Abschnitte über Misshandlungen von Kleinstkindern bis zu drei Jahren die Worte „Überschreitung des Züchtigungsrechtes“.444 Bei einer früher durchgeführten Teiluntersuchung, die sich auf Misshandlungen von Kleinkindern erstreckte, „erfolgte eine Einschränkung auf schwerere Züchtigungsüberschreitungen.“445 Säuglinge und Kleinkinder würden durch ihr Dasein und ihre Lebensäußerungen (Schreien) „Züchti- gungen provozieren;446

„In diesem Zusammenhang sei noch einmal darauf hingewiesen, daß Kinder in dieser Altersstufe in besonderem Maße gefährdet sind, durch Züchtigungen Ver­letzungen zu erleiden.“447

„Züchtigung“ ist die durch ihre „erziehliche Absicht“ gerechtfertigte körperliche Ge­walt, nach Koller auch bei Säuglingen gerechtfertigt!

In jener 1936 erlassenen Dienstanweisung448 über Kindesmißhandlung war das Wort „Züchtigung“ überhaupt nicht vorgekommen.

Koller legt ihrer Arbeit 1974 „die von der 6. Arbeitstagung der Jugendamtspsychologen (Wien, 27. bis 29. 10. 1959) erarbeitete Definition von „Mißhandlung“ ihrer Arbeit zugrunde.449

Im dem Jahr, in dem das Parlament bereits die Abschaffung des Züchtigungsrechtes beschlossen hat und das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes nicht mehr aufzuhalten ist, übernimmt sie Begründungen, die von [Pg.] Ourednik 15 Jahre früher bei dieser Tagung verwendet worden sind:

„Die Ausdrücke ,übermäßig‘ und ,bedeutend‘ in dieser Definition ermöglichen zwar keine präzisen Angaben, sie erweisen sich jedoch als zweckmäßig, um das Setzen notwendiger ,normaler‘ Erziehungsmaßnahmen nicht in Frage zu stellen und Einwände hinsichtlich allzu großer Weichheit in der Erziehung auszuschal­ten.

Was angemessen ist, ergibt sich einerseits aus den Erziehungszielen der Gesell­schaft, andrerseits aus der Eigenart des Kindes.“450

Die „Eigenart“ des Kindes wurde bereit mit Hilfe des Erhebungsfragebogens, der für die Zwecke dieser Studie 1965 erweitert worden war,451 vorgefiltert und die „Angemes­senheit“ erscheint in Bezug auf unzählige mögliche und in diesem „Gefahrenbogen“ zur Auswahl angebotenen schlechten Eigenschaften der Kinder in einem besonderen Licht. Es gibt 13 „Auffälligkeiten des Kindes, die ev. eine Mißhandlung auslösen können“, darunter Sehstörungen, und 20 „sonstige Schwierigkeiten“, darunter Einschlafstörungen des Kindes. Die genannten „Erziehungsschwierigkeiten“ bestehen alle in Eigenschaften und Verhaltensweisen der Kinder, in keinem Fall in einem Kommunikationsproblem zwischen Eltern und Kindern.

Als „Auffälligkeit des Milieus“ wird u. a. „arbeitscheu“ und „weibl. Erziehungsperson berufstätig“ angegeben.452

Kollers Arbeit setzt mit überraschenden „wissenschaftlichen“ Zitaten ein:

„Nach Meng (1934) gibt es Hinweise auf eine sakrale Wurzel der Strafhandlun­gen.“

Und

„Handwerker (vgl. Meng 1934) nimmt an, daß die Prügelstrafe in der Kinderer­ziehung eine in der frühesten Menschheitsgeschichte entstandene Instinkthand­lung sei. Mütter schlagen aus einem uralten Instinkt heraus vor allem ihre Töch-ter.“453

Sie verweist weiter an Hand von zeitgenössischen Studien darauf, dass nur 60% der Befragten das Prügeln von Kindern als strafwürdig finden, und dass Eltern ihre Kinder auch mit Stöcken schlagen.454

„Allerdings vertreten auch namhafte Psychologen, Pädagogen und Heilpädago­gen die Ansicht, daß ein Klaps, bzw. auch gelegentlich Schläge nicht schaden. Diese Meinung vertritt auch Asperger, wenn er vom „heiligen Zorn“ der Eltern spricht.“455

Der „heilige Zorn“ zeigt sich bei ziemlich unheiligen Personen: Koller berichtet, dass ein großer Teil der misshandelnden Väter vorbestraft ist:456 Trotzdem steht die Frage nach den Eigenschaften der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund.

„Dem Erhebungsbogen war eine Liste von Merkmalen (vorwiegend körperlichen) beigegeben, durch die ein Kind auffallen kann. Diese können indirekt Ursache von Züchtigungsüberschreitungen werden, ...“457

Die körperliche Auffälligkeit wird hier als Ursache der Strafhandlung „Überschreitung des Züchtigungsrechtes“ bezeichnet, an anderer Stelle taucht der Begriff „mißhand- lungsprovozierend“458 auf. Die Untersuchung bezieht sich auf drei Aspekte, wobei „die Persönlichkeit des Mißhandelten“ an erster Stelle steht, noch vor der Persönlichkeit des Misshandlers und der äußeren Umstände.459

Auch bei den Eltern werden - neben der Berufstätigkeit der Mutter - Mängel gefunden:

„Die Eltern waren vorwiegend finanziell interessiert, ein Familienleben kannten sie nicht (Vater war Heimzögling), der Minderjährige erlebt wenig Zuwen­dung.“460

Koller wendet sich weiterhin grundsätzlich gegen eine Bestrafung der Täter.

„Wir werden uns fragen müssen, ob nicht eine strengere Bestrafung des Täters ei­ne neuerliche, wenn nicht sogar noch größere Gefährdung des Kindes gegeben ist. Von den Tätern wird ja vielfach nicht das eigene Verhalten, sondern das Kind, das mißhandelt wurde, als Ursache für die Strafe mit eventuellem Gefängnisaufenthalt gesehen.“461

„Züchtigungsüberschreitungen nach der Haftentlassung können die Folge sein.“462

Auch ein bereits verurteilter Täter hat nach der Darstellung Kollers noch ein Züchti­gungsrecht an seinen Kindern. Die Möglichkeit der Wiederholung einer Straftat soll die Strafbarkeit aussetzen!

Koller versucht, die von ihr gefundenen statistischen Daten so zu verwenden, dass die Notwendigkeit der Pflegeaufsicht über uneheliche Kinder plausibel wird. Diese Bemü­hungen bei unehelichen Kindern eine besondere Gefährdung zu orten, die für eine vor­beugende Heimeinweisung spricht, durchzieht die ganze Arbeit.

„Man kann daher sagen, daß mehr unehelich geborene Kinder als ehelich gebore­ne mißhandelt werden, bei einer Aufgliederung nach Altersgruppen läßt sich diese Aussage auf Kleinkinder einschränken.“463

Es werden natürlich nicht „mehr unehelich geborene Kinder als ehelich geborene miss­handelt“, sondern die unehelichen Kinder sind etwas überproportional betroffen, und zwar - wie Koller zugeben muss - nur die Kleinkinder.

Von den ehelich geborenen Kindern waren 24,7% vor der Misshandlung in Heimen, von den unehelichen 42,5%. Diese Zahlen sind sehr hoch und lassen vermuten, dass ein vorübergehender Heimaufenthalt einen Einfluss auf die Misshandlungshäufigkeit hat. Die größere Häufigkeit von Heimaufenthalten und der damit verbundenen Entfremdung zwischen Eltern und Kindern bei unehelichen Kindern könnte auch die etwas größere Häufigkeit von Misshandlungen bei ihnen erklären.

Das sieht Koller nicht so, sondern umgekehrt:

„Die Tatsache, daß unehelich geborene Kinder häufiger in Heimen untergebracht werden müssen als ehelich geborene, würde die Annahme stützen, daß unehelich geborene Kinder mehr gefährdet sind als ehelich geborene.“464

Die Frage, ob man nicht eher versuchen sollte zu vermeiden, dass unehelich geborene Säuglinge und Kleinkinder „in Heimen untergebracht werden müssen“, diese Frage stellt sich Koller nicht.

Es gibt bereits Projekte mit dieser Zielsetzung, etwa das seit 1961 bestehende Mutter­Kind-Heim der Gemeinde Wien:

„Widmungsgemäß werden [in dieses Mutter-Kind-Heim] noch nicht volljährige unverheiratete Mütter aufgenommen, die sich andernfalls von ihren Kindern tren­nen müßten. Es ist bekannt, daß einerseits eine frühe und lange dauernde Heimun­terbringung bei jungen Kindern irreparable Dauerschäden mit sich bringen kann und daß andererseits eine Trennung von Mutter und Kind bevor eine Bindung ent­standen ist, die Mutter später oft unwillig macht, das Kind zu sich zu nehmen.“465

Diese Bemühungen und Pläne nimmt Koller nicht zur Kenntnis, obwohl derartige Pro­jekte eine vorbeugende Wirkung haben und von Koller ja „vorbeugende Maßnahmen“ angestrebt werden.

9 Das wissenschaftliche Umfeld von Marianne Estl und Hermine Koller

9.1 Die Ideologieproduktion in Mitteleuropa

Eine eingehende Darstellung der gesellschaftspolitischen Entwicklung der Bundesrepu­blik Deutschland liefert der Reader “Wandlungsprozesse in Deutschland”466, die darin beschriebene Ideologieproduktion lässt sich mit der in Österreich vertretenen verglei­chen. In der Jugendfürsorge haben diese Theorien nicht nur geistesgeschichtliche Be­deutung, sondern griffen in das Leben von wirklichen Menschen ein.

„Kulturell richtete sich diese Denkfigur gegen die Durchsetzung der Moderne in den gesellschaftlichen Normen von Familie, Erziehung und privater Lebensfüh­rung. In diesen Feldern sind die ängstlichen Bestrebungen zur Eindämmung der Moderne besonders augenfällig. Im Mittelpunkt dieser Bestrebungen standen Begriffe wie „Sittengesetz“ und „Sittlichkeit“, in denen sich das Postulat einer na­turrechtlichen Konstante ausdrückte.. ,.“467

In dem genannten Überblickswerk wird immer wieder auf Parallelitäten in den Wahr- nehmungs- und Deutungsmustern gesellschaftlicher Wirklichkeit zur Zeit der Jahrhun­dertwende und den 1950er Jahren hingewiesen. Am Beginn des Jahrhunderts wurde der Jugendliche als „Krisenphänomen der Moderne“ problematisiert, und zwar zunächst nur der männliche proletarische Jugendliche, man fürchtete den Autoritätsverfall der Er­wachsenenwelt und Obrigkeit sowie proletarischen Umsturz.468

„Denn in den befürchteten Enthemmungen Pubertierender wurde die Auflösung von Autoritätsstrukturen und Wertmaßstäben bekämpft. Auf diese Weise wurde die Herausforderung der kulturellen Modernisierung als Übergangsphänomen der jugendlichen Entwicklung biologisiert und verkleinert.“469

In diesem Zusammenhang findet die Intensität der PsychologInnen-Sorge wegen der „Diskrepanzen“, der „Akzeleration“ der Pubertät, insbesondere der weiblichen, eine einleuchtende Erklärung.

Auch Markus Furrer stellt die Defensivhaltung des Antimodernismusdiskurses in einem größeren Zusammenhang:

„Vorstellungen von „Verwahrlosung“, wie sie in Wissenschaft, Politik und Ge­sellschaft diskutiert worden sind, lassen sich als Krisenphänomen begreifen und ziehen sich vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts über das Krisenbewusstsein der Zwischenkriegszeit bis hinein in den Kalten Krieg.“470

Ausgemacht wurde außerdem eine „Ehekrisis“ in der Zwischenkriegszeit und Nach­kriegszeit.471

Die Bemühungen um ein „Bewahrungsgesetz“ bündeln diese Tendenzen, das Bewah­rungsgesetz steht synonym für ein diskriminierendes Menschenbild („Asoziale“), für staatliche Bevormundung und repressive Fürsorgekonzeptionen.472

Matthias Willing sieht zwei Gruppen von AktivistInnen:

„An den seit Gründung der Bundesrepublik verstärkt einsetzenden Bemühungen für ein Bewahrungsgesetz beteiligten sich erneut führende Vertreter der Fürsorge und Frauenorganisationen.“473

Das gilt auch für Österreich: Die Vorsitzende des Bundes österreichischer Frauenverei­ne, Marianne Heinisch, propagierte die besondere Eignung von Frauen für das Amt des Vormundes.474 Nicht nur im völligen Misserfolg dieser Forderung offenbart sich die Zweischneidigkeit des Engagements der Frauen für die Kontrolle der Sittlichkeit von Frauen.475

Die bürgerliche Frauenbewegung strebte mittels Mystifizierung und Überhöhung von Mütterlichkeit und geschlechtlicher Liebe nach mehr Ansehen für die bürgerliche Frau, die Verknüpfung von Sünde-Sexualität-Frau sollte aufgelöst werden. Eine Kehrseite der überirdisch glänzenden Medaille musste gefunden werden. Bei den am Diskurs über Verwahrlosung Beteiligten erfreute sich die Methode der Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen aus den unteren Schichten einiger Beliebtheit,476 durch die gleichsin­nige Abgrenzung von „unsittlichen“ Frauen kommt es nicht zwingend zur Hebung der Würde der „sittlichen“ Frauen, sahen sich doch auf diese Weise alle Frauen gezwungen, sich einer Beurteilung ihres Wertes als Frau zu unterwerfen, weil ihr Wert als Mensch nicht selbstverständlich war.

Eine andere Publikation macht den Staat für die den Frauen gesetzte Grenzen verant­wortlich:

„... manchmal waren Staatsvertreter nur deshalb auf Frauen aufmerksam gewor­den, weil sie Frauen waren und als solche, beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit oder auf der Suche nach Unterhaltung, in die öffentliche Sphäre getreten waren. ... Mit der Reglementierung von Prostituierten zeigten die staatlichen Behörden der weiblichen Bevölkerung die Grenzen ihres moralischen Verhaltens auf . Re­pressive Maßnahmen gegen einzelne Frauen hatten letztendlich die weitreichende Wirkung, einen Großteil der Frauen sozial zu disziplinieren.“477

Die am Beginn des 20. Jahrhunderts neu entstehenden Fürsorgebereiche entwickelten sich als exklusive Tätigkeitsfelder der Frau. Sie galten als spezifisch „wesensgeeignet“ für Frauen.478

„Von den Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung - und nur diese betei­ligten sich an den Kinderschutzkongressen479 - wurde immer massiver die spezi­fische „weibliche“ Eignung zur Sozialarbeit unterstrichen.“480

Susan Zimmermann hat die Entstehung des “Kinderschutzes” zu Beginn des 20. Jahr­hunderts in Budapest beschrieben und dabei heraus gearbeitet, dass damals die Fürsorge für Mädchen und Frauen (Mütter) zu einem Dreh- und Angelpunkt frauenbewegter Ak- tivität geworden ist:481

Einerseits betrachtete die “bürgerliche Frauenbewegung” das Engagement für den Kin­derschutz von Anfang an als ihre ureigenste Angelegenheit. Insbesondere die Gruppie­rung der „Integrationisten” wollte dazu beitragen, dass beim Ausbau der „Verwahrlos- ten”-Fürsorge „sittlich verwahrloste” Mädchen verstärkt einbezogen wurden und betrieb so die Schwerpunktverlagerung auch der staatlichen Bestrebungen hin zur vorrangigen Beschäftigung mit den “sittlich verlassenen” Kindern und Jugendlichen; die Aktivitäten, die die Integrationisten dabei entfalteten, trugen zum Teil sehr repressive, kontrollie­rende Züge.

Andererseits stand für den Staat die Fürsorge für Mädchen weit weniger im Vorder­grund als jene für Knaben, bei ihnen vermutete man, der Realität entsprechend, weit weniger kriminelles Potential. Es scheint so zu sein, dass man die Sondererziehung “sittlich” gefährdeter Minderjähriger den sich anbietenden Frauenvereinen überließ und ihnen die Möglichkeit bot, ihren Spezialinteressen an Fragen der weiblichen Moral, am “Mädchen- und Frauenschutz” und an der Seelenrettung nachzugehen482.

Bei Gesetzesvorhaben orientierte man sich in Österreich nach der Entwicklung im Aus­land, besonders in Deutschland. Es dürfte einen Austausch gegeben haben, der in den Literaturangaben der österreichischen Autorinnen jedoch nicht nachvollzogen werden kann, so erwähnt Marianne Estl in ihrer Dissertation keinen einzigen Namen der Propo- nentinnen des Bewahrungsgesetzes, das sie ja für Österreich anstrebt, ebenso wenig wie sie die frühen Pioniere der psychiatrischen Prostituierten-Diagnosen [siehe 9.9] nennt.

Marianne Estl Behauptung, dass „Triebhaftigkeit“ und gänzlich „defizientes“ Sexualer­leben [siehe 10.1.] bei den gleichen Personen vorgefunden werden würde und die Frau­en aus beiden Gründen nicht nur verächtlich seien, sondern auch „hilfsbedürftig (im fürsorgerechtlichen Sinn)“ seien, wird auch ganz ähnlich in Deutschland - allerdings schon in der Weimarer Republik - vertreten.

Kerstin Kohltz wundert sich auch über die Widersprüchlichkeit der Argumentation:

„Die Begrifflichkeiten und Beschreibungen, die von Mädchen verwendet wurden, erhellen weniger deren sexuelle Handlungen, als dass sie ein Licht werfen auf den Umgang der Mädchen mit den Erwartungen der Umwelt, auf ihr sexuelles Selbst­verständnis und darauf, wie Sexualität als soziale, vor allem als Herrschaftsbezie­hung zwischen den Geschlechtern wahrgenommen wurde. Die Sichtweisen der Mädchen sind gekennzeichnet von der herkömmlichen Geschlechterasymmetrie, die Sexualität und vor allem Geschlechtsverkehr als Ergebnis männlichen Willens und Tuns auffaßte, dem Mädchen entweder zustimmen oder verweigern konnten. Dieser Umstand wirft die Frage auf, warum sich die Jugendfürsorge trotz­dem so auf die sexuelle ,Triebhaftigkeit‘ der ,verwahrlosten‘ Mädchen kap­rizierte. Die Position, die Mädchen sich in ihren Erzählungen gaben, spiegelt pas- sives Erleben und Abwesenheit von weiblicher Lust wider.“483

Der Konnex zwischen den Beschreibungen und den Beschriebenen wird durch Beschreibungs-Muster hergestellt, die über Jahrzehnte fortgeschrieben wurden, der Handlungsauftrag, den die „führende Vertreter der Fürsorge und Frauenorganisationen“ zu sehen meinten, ging vor allem von ihnen selbst aus:

Luise Stetter, Leiterin des Pflegeamtes in Frankfurt am Main von 1933 bis 1965[!], langjährige Leiterin der Fachgruppe Gefährdetenhilfe im Berufsverband, erhob am Deutschen Fürsorgetag 1955 - im gleichen Zeitraum und ganz ähnlich wie Estl - erneut die Forderung, dass der Kreis der zu erfassenden Frauen weiter gezogen werden sollte und nicht nur Prostituierte erfassen sollte: „Zur Gruppe der arbeitsentwöhnten Frauen gehören ... auch die so stark gewachsene Zahl von jungen, körperlich gesunden, geistig und seelisch oft gar nicht auffällig erscheinenden Frauen, ... die Gefahr, ... , daß sie schließlich in der Prostitution enden, besteht immer.“484 Sie bildeten - nach Stetter - das eigentliche Problem, dem durch Freiheitsentziehung abgeholfen werden sollte.

9.2 Ilse Arlt

Ilse Arlt, 1876-1960, gilt als Begründerin der Sozialarbeiterausbildung in Österreich. Nach ihrer Ansicht dürfe sich die Wohlfahrtspflege nicht auf die Linderung von Leiden beschränken, sondern habe der Beförderung von Lebensfreude zu dienen.485

Arlt schreibt von einem Kriterium, nach dem soziale Praxis beurteilt werden kann. Lebensfreude zu ermöglichen, zuzugestehen. Das ist die Absage an alle Vorstel­lungen, die Hilfsbedürftigen müssten demütig sein, müssten Kooperation bewei­sen und müssten sich an die Vorstellungen der Institution anpassen. Lebensfreude, das heißt einen vollen Anspruch auf Leben anzuerkennen.486

Von jungen Sozialarbeiterinnen wird ihre „Bedürfniskunde“ in letzter Zeit vermehrt aufgegriffen.487 Die Reedition der Hauptwerke „Die Grundlagen der Fürsorge“ (1921) und „Wege zu einer Fürsorgewissenschaft“ (1958) ist in Vorbereitung. Ihr Konzept floss bis jetzt kaum in den Mainstream ein, obwohl von Theoretikerinnen Korrespon- denzen zu den Grundgedanken moderner Empowerment-Konzepten gesehen werden.488

Diese Hinweise sollen verdeutlichen, dass das Werk einer österreichischen Theoretikern der Fürsorgewissenschaft von unübersehbarer und offenbar nachhaltiger Qualität in den scheinbar so finsteren Nachkriegsjahren zur Verfügung stand und von den DissertantIn- nen im Dienststand der Jugendfürsorge genutzt hätte werden können.

Gudrun Wolfgruber bringt ein Zitat von Ilse Arlt aus den „Grundlagen der Fürsorge“ aus dem Jahre 1921:

„Uneingestanden wirken in den Fürsorgenden zwei Vorstellungen, die allen Fort­schritt hemmen - die von einem Anderssein der bedürftigen Volksschichten und die von ihrer Schuld.“489

Ilse Arlt sollte mehr als ein halbes Jahrhundert lang recht behalten.

9.3 Edeltrud Baar

Edeltrud Baar490 soll nur deshalb hier erwähnt werden, weil sie ihre Position in der Nachkriegszeit zur Einordnung ihrer Tätigkeit als Selektionsbeauftragte - in einem ein­zigen Satz - offenlegt und weil von ihr - ähnlich wie bei anderen FunktionärInnen der Nazi-Zeit -jede Schuldeinsicht abprallt.

Clarissa Rudolph stellt die Frage, wieso sich die Professionalisierung der Psychologie mit eigenen außeruniversitären Berufsrollen gerade während der NS-Zeit vollzogen hat und sie stützt sich auf die Ergebnisse von Ulfried Geuter, denen zufolge dies durch den Einsatz derjenigen Teile der Psychologie geschah, die auch vor und nach dem National­sozialismus für die Auslese von Menschen benutzt wurden.491

„Die Tätigkeit der Kinderpsychologin Edeltrud Baar bei Selektion und Ermor­dung „lebensunwerten“ Lebens in den Jahren 1940-1945 in der Wiener Anstalt „Am Spiegelgrund“ ist beispielhaft dafür, dass sich durch das testdiagnostische Gutachterwesen in der NS-Zeit ein genuin psychologisches Berufsfeld zu etablie- ren begann.492

Im Jahre 1957 erscheint - offenbar mit internationaler Unterstützung - ein Buch von ihr, das sie als „Kinderpsychologin im Sonderkindergarten ,Schweizer Spende‘ Wien“ ausweist; auf Seite 87 erwähnt sie, dass sie über „17jährige Erfahrungen mit entwick­lungsgestörten Kindern aller Arten in Kinderklinik und Sonderkindergärten“ verfügt.493 Sie rechnet sich also ihre Tätigkeit in Wien ab 1940 als Qualifikation an.

9.4 Hans Asperger und Ernst Kretschmer

Beide Autoren werden von unseren Autorinnen benützt, allerdings selten mit der Anga­be der Quelle. Kretschmers Thesen von den „körpermorphologische Merkmalen“ sind ein tragendes Bildungsgut bis lange in die Zweite Republik hinein.494

Beide Autoren bieten ein Sammelsurium von Kategorisierungen, wobei Asperger das Zutreffen seiner Thesen u.a. durch den Volksglauben bewiesen sieht. „Das ist allgemei­nes Wissen der Menschheit.“495

Hans Asperger setzt, der Erinnerung einer seiner Mitarbeiterinnen zufolge, die Vorstel­lung von der „geborenen Hure“, über die er räsoniert, auch bei seiner konkreten „heil­pädagogischen“ Arbeit mit einzelnen Kindern ein.496

In einem zur Weiterbildung für praktisch im Berufsfeld Tätige gedachten Werk präsen­tiert er einen „deutlich umschriebenen Typus“ der „nicht zufällig[!]“ auch noch in ei­nem ungünstigen Milieu aufwächst, nämlich das kleine Mädchen, das geschändet wur­de. Dieses ist nicht nur wegen dem Eindruck schuldig, den es auf den „Heilpädagogen“ macht, sondern es wählt sogar „nicht zufällig“, sondern offenbar absichtlich die passen­de Umgebung für seinen „Typus“.

„Nicht zufällig ist es ja, daß derartige Kinder“ -

es ist halt so ihre „Art“, missbraucht zu werden -

„in der Mehrzahl der Fälle in einem gerade in sexueller Beziehung sehr ungünsti­gen Milieu aufwachsen, was natürlich, doppelt wichtig bei Kindern solchen Cha­rakters,“

in der Zwischenzeit ist die Vergewaltigung zum „Charakter“ des Kindes geworden - „die Notwendigkeit eines langdauernden Milieuwechsels, am besten der Unter­bringung in eine gute Anstalt, mit sich bringt.“497

Asperger beruhigt, man(n) brauche sich nicht allzu große Sorgen zu machen: Wenn die Mädchen nach dem Übergriff unangenehm auffallen, dann waren sie schon vorher ab­norm, wenn nicht, war die Tat harmlos, in beiden Fällen ist der Täter unschuldig und das Mädchen könne man ja im Bedarfsfalle wegsperren.

„Aber selbst so arge Erlebnisse können sich in erstaunlich kurzer Zeit und er­staunlich vollkommen ,überwachsen‘, ...

Ein derart günstiger Verlauf kindlicher Sexualerlebnisse hat freilich eine wichtige Voraussetzung: daß das Erlebnis wirklich nur ,von außen‘ kommt und nicht etwa von einer von vornherein abnormen Persönlichkeit ,angezogen‘ wird.“498 „In nicht so seltenen Fällen freilich müssen wir von einer endogenen Erlebnisbe­reitschaft gerade auf diesem Gebiet sprechen, besonders bei kleinen Mädchen, welche einer Schändung zum Opfer fallen. Diese gehören in der Mehrzahl einem deutlich umschriebenen Typus an: nicht daß sie sexuell besonders aktiv wären ., sie haben meist nur das Gehaben, die Geste des Kokettierens an sich, sind ,passi- ve Locktypen‘, ... “499

Der pädophile Blick arrangiert die Szenerie. NB: Für Asperger sind „kleine Mädchen, welche einer Schändung zum Opfer fallen“, „passive Locktypen“, nicht wie bei Franz Wurst kleine Jungen. Die Mädchen werden nach der Benutzung pathologisiert und so die Tat externalisiert.

„... Gerade weil sie innerlich leer sind, ...So können solche Persönlichkeiten tat­sächlich auf den Weg der sexuellen Depravation gedrängt werden.“500

Da ist er, der von Marianne Estl501 so häufig verwendete Begriff der „sexuellen Depra­vation“, möglicherweise ein Gemeinschaftswerk von Asperger und Estl, er wird in der Gegenwart weder verwendet, noch historisch aufgearbeitet.

9.5 Rosa Dworschak

Auch die in der Zwischenzeit im Ausland erfolgte wissenschaftliche Entwicklung wäre zugänglich gewesen, sie fand zum Beispiel in der Dissertation von Maria Dorothea Si­mon502 einen Niederschlag.

Der Versuch zu einem weiteren Import, nämlich der Rückimport psychoanalytisch ori­entierter Therapie stieß bei einem Teil der Jugendfürsorgerinnen auf hinhaltenden Wi­derstand.503 1949 wurde in Wien eine child guidance clinic gegründet, das „Institut für Erziehungshilfe“ im Karl Marx-Hof / Heiligenstädter Straße im 19. Wiener Gemeinde­bezirk, eine Einrichtung, die Hoffnung auf therapeutische Hilfe für problembeladene Kinder und Jugendliche versprach.

Es handelt sich um jene Einrichtung, die vom Jugendamt der Stadt Wien (mit)finanziert wurde504, unter anderem mit dem Ziel, die Zahlen der Fremdunterbringungen zu redu­zieren505, die aber von der „Erziehungsberaterin“ Koller noch 1987506 ganz unbefangen als ungeeignet für einen Einsatz bei „Heimkindern“ bezeichnet wurde, weil nämlich „Verwahrloste kaum einen tragfähigen Kontakt herstellen können“507 und weil die An­stalten mit den Schwierigkeiten, die sich aus der Therapie ergeben würden, nicht be­lastet werden konnten oder wollten.

Rosa Dworschak508 arbeitete im Rahmen dieser Einrichtung von 1949 bis 1961509 ; sie hatte aber (auch?) einen Sitz im Jugendamt selbst und tritt als „Erziehungsberaterin“ in Akten des Jugendamtes sowohl vor als auch nach 1945 in Erscheinung.510 Der Direktor in den ersten zwei Jahren war „Dr. Franz Wurst, ein erfahrener Kinderarzt der Klinik Asperger“511.

Gegen Franz Wurst ermittelte der Staatsanwalt 2002 wegen Anstiftung zum Mord an dessen Ehefrau; erst im Zuge dieses Verfahrens wurden Gerüchte und Anzeigen wegen sexueller Nötigung durch den als „gesellschaftlich unantastbar geltenden Wurst“ 512 ernstgenommen. Wurst wurde in beiden Anklagepunkten für schuldig befunden und zu 17 Jahren Haft verurteilt.513 Franz Wurst war über einen langen Zeitraum mit zahlrei­chen Vorträgen in den Berichten der Arbeitstagungen der Wiener Jugendamtspsycholo­gen präsent.

Trotz der Reserviertheit der Fürsorgerinnen gegenüber der child guidance clinic und der von ihr vertretenen case-work-Methode, die „vertiefte Einzelfallhilfe“, teilte Rosa Dworschak ihrerseits sehr weitgehend die Denkweise der Jugendfürsorge. Ebenso wie Estl und Koller hatte sie ihre grundlegende Einstellung on the job erworben: Rosa Dworschak scheint 1937 als Hauptfürsorgerin im Bezirksjugendamt Ottakring, Ar- nethgasse, auf, eine von Elisabeth Brainin interviewte „Frau Dr. E.“ berichtet davon, dass auch sie im 16., Bezirk tätig war und dort Rosa Dworschak kennenlernte.514 Eben­falls am BJA Ottakring arbeitete die Hauptfürsorgerin Marie Winkelmayer, die an der gleichen Wohnadresse gemeldet war wie Franz Winkelmayer,515 dem leitenden „Erzie­hungsberater“ in der NS-Zeit. „R. Dworschak“ unterzeichnete noch 1944 einen Akt der damaligen „Erziehungsberatung“516, sie war also die ganze Zeit eingebunden und mit „Abgaben“ / „Einweisungen“ in diverse Anstalten beschäftigt; von diesem Lebensab­schnitt ist wenig bekannt.

Rosa Dworschaks Text zu den sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen beginnt (1968) durchaus in der schon früher verwendeten Sprache:

„Im Jahre 1946 wurde in Wien eine Sichtung von zirka 250 jugendlichen Mäd­chen durchgeführt. Es waren Mädchen, die nach einer polizeilichen Aufgreifung oder über Klagen der Eltern in ein Durchzugsheim eingeliefert worden waren. Der unmittelbare Anlaß war vor allem ihr anstößiges Verhalten im Sinne der sexuellen Verwahrlosung bzw. Gefährdung.“517

Rosa Dworschaks Text zu „sexuell gefährdeten“ Mädchen lässt befürchten, dass das psychoanalytische Konzept „Inzestphantasien“, die „agiert“ werden würden518, ähnlich wie das Konzept des „Konfabulierens“ der Schwarzen Pädagogik519, die Wahrnehmung der Erfahrungen der auffälligen Mädchen behinderte, die kindlichen Individuen selbst für ihre Selbstentwertung und Selbsterniedrigung verantwortlich machte, sogar deren Schuldgefühle auf deren „(Mit)Schuld“ zurückführte und die Autorin den realen gesell­schaftlichen Hintergrund mit seinen Machtverhältnissen aus dem Blick verlor.

„August Aichorn520 war der Meinung, daß eine bestimmte Triebkonstellation, die in der ersten Kindheit durch die vom Kinde hergestellten Gefühlsbeziehungen entstünde, gegebenenfalls zu einer der entscheidenden Ursachen der sexuellen Ge- fährdung werden könnte.“521

Dass ein kleines Mädchen positive Gefühle zu den sie umgebenden Erwachsenen ent­wickelt, Liebesfähigkeit entwickelt oder entwickeln will, führt zur ihrer „sexuellen Ge­fährdung“, was immer das sein mag. Die vom Kinde hergestellten Gefühlsbeziehungen, zu Personen, denen es vertraut / vertrauen muss,522 würden nach dieser Theorie das Mädchen „gefährden“, nicht das Machtgefälle in den Geschlechter-Strukturen, in denen es lebt.

Es sei darauf hingewiesen, dass die schwerfällige Behörde selbst - 1974 - wenige Jahre nach dem Jahr des Erscheinens dieses Aufsatzes mit den als „modern“ geltenden psy­choanalytischen Thesen im Jahre 1968 den Begriff der „sexuellen Verwahrlosung“ nicht mehr verwendet523 oder besser gesagt diesen Prägestempel wegen seiner entwür­digenden und entwertenden Bedeutung ganz abschafft oder abzuschaffen versucht.

Otto Pawlik, auch im Psychologischen Dienst des Jugendamtes der Stadt Wien, versieht sogar schon in einem Aufsatz im Jahre 1961 die Worte „Heim“ und „verwahrlost“ mit Anführungszeichen.524 Er möchte, dass die psychologische Hilfe dem Hilfesuchenden nicht beschämend erscheinen soll.

An einer einzigen Stelle des Textes scheint Dworschak die Dynamik des Vorgangs zu erfassen:

„Kam es jedoch zu wiederholten und heimlich gebliebenen Verfehlungen des Er­wachsenen, dann bedarf es von seiner Seite kaum mehr Drohungen oder Verspre­chungen, um das Kind zum Schweigen zu bewegen, es genügt das Gefühl der Mitschuld.“

Dworschak berichtet von den „Beobachtungen“ der „Sozialarbeiter“:

„Sie hatten Jugendliche oder Erwachsene zu betreuen, die erwiesenermaßen den Annäherungen des Vaters oder einer mit der gleichen Autorität ausgestatteten Er­zieherpersönlichkeit innerhalb der Familie unterlegen waren, die also auch von sich aus die Inzestschranke überschritten hatten.“525

„Aus dieser Triebkonstellation heraus“ würden bestimmte Mädchen „zu einem Agieren geführt, das von der Gesellschaft verurteilt wird.“526 Diese Mädchen begehen also ihren eigenen sexuellen Missbrauch - genauso ist es bei Estl auch dargestellt. In sich wider­sprüchlich bestünde ihre Schuld darin, dass sie „den Annäherungen ... unterlegen wa­ren“.

„Ein Mädchen, 16 Jahre alt, das wegen Abtreibung eines Kindes vom Stiefvater vor dem Jugendgericht stand, klagte sich in einer Aussprache an, daß es die ganze Familie zerstört hätte. ... Dieser Ausbruch von Schuldgefühlen erfolgte nach der Gerichtsverhandlung, durch die sich die Jugendliche der Situation anscheinend erst voll bewußt geworden war.“527

Die Vermutung, dass die Gerichtsverhandlung und die Reaktionen der Umgebung, ein­schließlich der Jugendfürsorgerin selbst, die „Situation“ definiert und so die „Schuldge­fühle“ herbeigeführt hätten, kommt Rosa Dworschak nicht in den Sinn.

An keiner Stelle dieses Textes kommt es zu einer Reflexion des Einflusses der Beob­achtertätigkeit auf das Beobachtete, an keiner Stelle kommt es zu einer Reflexion der unbewussten Gefühle und der Reaktionen Rosa Dworschaks selbst, an keiner Stelle kommt es zu einer Auseinandersetzung mit „Gegenübertragung“, einem zentralen Mo­ment psychoanalytischen Denkens.

Rosa Dworschak lehnt - implizit, aber deutlich - ebenso wie Hermine Koller528 eine strafrechtliche Verfolgung von Tätern ab; die pädophile Macht ist ökonomisch so gut abgesichert, dass Widerstand aussichtslos erscheint.

In mehreren Fällen stünde „im Vordergrund, daß durch ihre Schuld die Familie zerstört worden sei“, und sogar die Selbstmordabsicht entstand aus diesem - irgendwie berech­tigten - Schuldgefühl, nicht aus der Verzweiflung über die Zerstörung der körperlichen und seelische Integrität des Opfers selbst.

„Nachdem Jahre hindurch sexuelle Beziehungen zum Vater bestanden hatten, erzwang sie sich von ihm die Erlaubnis, ihre Studien in einem fremden Land fort­setzen zu dürfen. Als sie hier eine Brief des Vaters erhielt, in dem er seinen Be- such ankündigte, wollte sie ihrem Leben ein Ende machen.“529

Auch Dworschak spricht, wie die Fürsorgerinnen, von „Beziehungen“, der missbrau­chende Vater wird gar „Verführer“ genannt; unter Verführung zur Unzucht versteht das damals geltende Strafrecht § 132 [siehe Anhang] den Missbrauch eines Autoritätsver­hältnisses „eine anvertraute Person zur Begehung oder Duldung einer unzüchtigen Handlung zu verleiten“, im Alltagsverständnis wird jedoch unter Verführung das eroti­sche Werben und das dadurch erreichte Einverständnis einer erwachsenen, nicht abhän­gigen Person zum Geschlechtsverkehr verstanden, keine von beiden Bedeutungen ist anwendbar, es handelt sich - auch nach dem damals geltenden Strafrecht - um ein vom Vater begangenes Unrecht.530

Und in der „Untersuchung“ will sie nachweisen - natürlich ohne Kontrollgruppe -, dass „sexuell gefährdete“ Mädchen „eine starke frühkindliche Bindung“ an eine Vaterper­sönlichkeit aufwiesen,531 dass also die „frühkindliche“ Liebe zum Vater den Weg in die Prostitution vorzeichnet!

Zu einer Zeit, in der die Burschen der Tradition entsprechend noch vielfach den Beruf des Vaters ergriffen, wird der gleiche Vorgang bei einem Mädchen als ein „Agieren“ einer „starken ungelösten Beziehung zu ihrem Vater“.

„Durch die Identifizierung mit ihm konnte die Tochter zu einem gleichen oder ähnlichen Beruf geführt worden sein; sie erlebte in der Ausführung desselben auf der Ebene der Sublimierung anscheinend die Befriedigung verdrängter oder auch bewußt gewordener emotioneller Wünsche.“532

Noch eine schädliche Konstellation533 kann Dworschak „bei anscheinend guten Ehen“ ausmachen:

„Bei drei Familien wurde vermerkt, dass die Rollen der Eltern gleichsam ver­tauscht erschienen; ein willensschwacher Vater konnte sich gegenüber seiner energischen Frau nicht durchsetzen.“534

... der intelligenten und energischen Mutter, die das eigentliche Oberhaupt der Familie war. ... Es schienen nicht nur die Rollen von Vater und Mutter ver­tauscht, ,..“535

In folgenden weiteren Punkten decken sich die Ansichten der Therapeutin mit den ord­nungspolitischen Vorstellungen der Fürsorge:

1) Vorgeschaltet der fürsorgerischen Bemühung bei Mädchen ist das „polizeiliche Auf­greifen“ wegen „anstößigen Verhaltens“, der Streifenpolizist stellt die Diagnose nach der deutlich vom Nationalsozialismus geprägten Polizeiverordnung: Als „anstößig“ gelten der Aufenthalt auf öffentlichen Flächen, der „Straße“, und die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen, aber natürlich besonders beim weiblichen Ge­schlechts.
2) Dworschak konstatiert „geschulte Beobachtungsfähigkeit der Fürsorgerinnen“, ohne dass je eine Überprüfung der Zuverlässigkeit dieser „Beobachtungsfähigkeit“ mit Hilfe einer anderen Quelle oder Sichtweise auch nur versucht worden wäre.536
3) Die Pubertät stellt seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Problem dar - es wird vermu­tet, dass an der „Pubertät“ gesellschaftliches Unbehagen abgearbeitet wird. [siehe 2.4., 9.1., 9.8., 9.9., 10.1.] Im Falle von Dworschak ist es die „psychische Vorpubertät“, die über die angemessene Zeit hinaus beibehalten wurde, „obwohl die körperliche Reife eher vorsprüngig war“, und die unbedingt überwunden werden muss, soll aus dem Mädchen eine „Frau“ werden: sie äußert sich als „lärmendes Wesen“, „verstärkte Ag­gressivität“, „Neugier“. „Dieses Drittel der gesamten Gruppe erschien im Sinne der Prostitution am stärksten gefährdet.“537 Bei Estl ist - ganz einfach - das „16. Und 17. Lebensjahr“ und die pyknische Konstitution, die der „sexuellen Depravation“ „entge- genkommen“.[siehe 10.1.]
4) Vollkommen gleicher Meinung sind die Therapeutin und die traditionell agierende Behörde in einem Punkt, dem Einsperren. Zur argumentativen Sicherheit wird immer auch „Minderbegabung“ dazu konstatiert, ein Wort, das den „(angeborenen, morali­schen) Schwachsinn“ bei manchen Autorinnen ablöste:

„Es kann daher zu Triebdurchbrüchen kommen, die - besonders bei geringer in­tellektueller Begabung der Persönlichkeit - ohne innere Konflikte erlebt werden, da das geschwächte Über-Ich in der Gewissensfunktion versagt. Den Mangel an inneren Hemmungen konnte bei Minderbegabten, den vorhandenen Mittel der Fürsorge entsprechend, nur durch äußere Schranken ersetzt werden, wozu auch die Mauern eines geschlossenen Heimes gehören.“538

Zwischen einem missbrauchten, traumatisierten Mädchen und einem solchen, das nach der Formulierung von Zillig, „das Jugendamt dadurch erschreckt hat, daß sie dort offen zugab, Nächte in der Wohnung ihres Freundes verbracht zu haben“539 wird nicht unter­schieden. Da „Triebdurchbrüche“ bei „Minderbegabten“, auch im erwachsenen Leben nicht ausgeschlossen werden können, stellt sich die Frage, wann und aus welchem Grund die „Mauern eines geschlossenen Heimes“ - nach Ansicht der Autorin - jemals fallen können. Auf die Frage, ab welchem Intelligenzquotienten, ab welchem Lebensal­ter, ob überhaupt jemals „Triebdurchbrüche“ bei Frauen zulässig seien, wird nicht wei­ter eingegangen.

Für die Gruppe der Opfer ist das von allen als Strafe empfundenes Einsperren un­menschlich, aber auch für gesunde junge Frauen ist diese Formulierung unangemessen. Überlegungen, die heute naheliegen, wurden damals nicht angestellt: Dass sexuelle Be­tätigung ohne innere Konflikte erlebt wurde, weil die jungen Frauen andere kulturelle Vorstellungen in diesem Bereich hatten und dass es überhaupt soziologisch fassbare Einstellungen geben könnte, die sich mit denen der eigenen Definitionsmacht nicht de­cken.

Unter Berufung auf eine andere Autorität (Dr. Gouldsmits) geht Dworschak noch wei­ter:

„Nur dort, wo sie festgehalten werden, könnte der Versuch einer Psychotherapie unternommen werden. [Die schwierigsten Mädchen] zeigen das schwerwiegends­te Merkmal der sexuellen Gefährdung: schwere Kontaktstörungen mit Fluchtreak-tionen.“540

Hier schließt sich der Zirkel: Mädchen, die es im Heim nicht aushalten oder der Gefahr des Missbrauchs zuhause oder im Heim entkommen wollen, sind „sexuell gefährdet“.

Annette Lützke merkt an, dass es dem damaligen Wissenstand entsprach, von sexuell missbrauchten Mädchen gesetzte „Signale“ wie häufiges Weglaufen oder sexualisierte Verhaltensweisen nicht mit dem Missbrauchsereignis in Verbindung zu bringen.541

Schon am Beginn dieses Aufsatzes wird klargestellt, dass das Geschlechtsleben von Burschen niemals Ansatzpunkt einer fürsorgerischen Disziplinierung, einer normalisie­render Intervention wird. Zum Thema fällt der Autorin allenfalls deren soziales Verhal­ten ein: Das „Gegenstück“ zur weiblichen Jugendlichen, die „wahllos“ mit verschiede­nen Sexualpartnern verkehrt, ist nicht der männliche Jugendliche, der „wahllos“ mit verschiedenen Mädchen und Frauen schläft, seine Würde und Selbstachtung verlieren muss und so an seiner Seele Schaden nimmt, sondern ein Bursch, der die vorgefundene gesellschaftliche Machtkonstellation gewerblich für sich nutzt und gleichaltrige „Freun- dinnen“(!) auf den Strich schickt. Die „sexuelle Gefährdung“ junger Männer besteht in der Unterdrückung und Ausbeutung von Mädchen zur eigenen Bereicherung, aber keine Sorge - Ausbeuten weiblicher Körper und Brutalität gegen junge Frauen erscheint nur als lässliche Sünde im Rahmen eigentlich gesunder männlicher Sexualität. Zuhälterei nämlich „dürfte nicht so ernst gewertet werden wie die sexuelle Gefährdung ju­gendlicher Mädchen“.542

9.6 Gretl Sonnleitner

Ein anderer Aspekt des „Zeitgeistes“543 wird in einer Dissertation aus dieser Zeit in ge­radezu vollendeter Form dargestellt:

„Einleitung

Immer wieder hören wir in der heutigen Zeit vom starken Anstieg der Kriminalität überhaupt, und im Besonderen vom erschreckenden Anstieg der Jugendkriminali­tät. Aber nicht nur die kriminelle Jugend, sondern ein großer Teil der Jugend er­regt Anstoß. Man meint ganz allgemein, daß die Eltern in vielen Fällen für die Er­ziehung der Jugendlichen nicht sehr geeignet seien, daß die Schule wenig Einfluß mehr auf die Entwicklung der Jugendlichen hätte, und daß die moralische Haltung der Jugend immer mehr zu wünschen ließe. Diese Anklagen, die gegen die Jugend von der Gemeinschaft der Erwachsenen erhoben werden, stimmen zum großen Teil. Ein Teil der jungen Generation verwahrlost immer mehr, bis eben ein Teil davon kriminell wird.“ ...544 „Das Industriemilieu der Großstadt.

Mit der zunehmenden Industrialisierung hat sich ein ganz besonderer Typ von Kindern gebildet, die sog. „Industriekinder“ [Hervorhebung Sonnleitner]. Sie stammen alle aus der Bevölkerungsschichte, der in der Industrie beschäftigten Ar­beiter. Dieses Fabrikarbeitermilieu ist und war immer eine Quelle der Verwahrlo­sung. Oft versagt das Elternhaus gänzlich.“545

Gretl Sonnleitner trat nicht in den Fürsorgedienst ein, sondern ins Unterrichtsministeri­um und wurde dort später Leiterin der Abteilung Schulpsychologie / Bildungsbera­tung.546

Auch Koller konstatiert, in wesentlich besserer stilistischer Qualität, aber ebenso ohne jeden empirischen Beleg, für einen anderen (ebenso beliebigen) Zeitraum, eine Zunah­me der „Erziehungsschwierigkeiten“:

„Zunächst galt es, Schwererziehbarkeit und Verwahrlosung bei Heranwachsenden einzudämmen, hatten doch Arbeitsscheu, Diebstähle und Prostitution bei Heran- wachsenden zugenommen.“547

Ein wenig selbstkritischer äußert sich Elfriede Fasold:

„Für meine Meinung, daß sich die Verwahrlosung steigert, kann ich nur Gründe anführen, beweisen kann ich es nicht, ... Jedenfalls aber entspricht meine Mei­nung der Meinung weiter Kreise und insbesondere auch der Meinung meiner engsten Kollegen, der Jugendamtspsychologen.“548

Es geht um das Eindämmen einer gefährlichen Flut, die Autorin Sonnleitner verortet sie bei „einem großen Teil der Jugend“, beim „Fabrikarbeitermilieu“ insgesamt, Koller steht in einer feindseligen Frontstellung gegen gesellschaftliche Entwicklungen, die in Arbeitermädchen [siehe 9.7.], aber auch bei der Jugend insgesamt [siehe 9.8.], später auch bei Erwachsenen [siehe 10.2.] fleischgeworden sind.

Während durch Einweisungen in das Arbeitshaus nur die untersten Unterschichten be­droht sein dürften, wird von Teilen der Jugendfürsorge versucht, deren Zuständigkeits­bereich auf große Gruppen der arbeitenden Bevölkerung auszudehnen, noch über jene mindestens 10% der Mütter hinaus, die - unverheiratet - keine rechtschaffene Familie bilden können, nämlich auf alle „Industriekinder“. Von Estl werden diesem Asozialen- verzeichnis noch „schwachsinnige“ erwachsene Frauen hinzugefügt. [siehe 10.1]

9.7 Gerhard Wurzbacher

In den 1950er Jahren in einem von einer ganzen Soziologengruppe verfassten und hun­derte Seiten dicken Buch wurde die weibliche proletarische Jugendliche das Ziel einer Expedition in ein fernes Land zur Vorbereitung der Missionierung, eine Zugangsweise, die von Hermine Koller aufgegriffen wurde.549

Diese Studie, an der sich Koller orientiert, deren Methode sie kopiert, „entstand aus einem Anliegen von Sozialarbeitern“, die das Gefühl hatten, an die jungen Frauen nicht „heranzukönnen“.

Die gesellschaftliche Entwicklung - Veränderung des Status der „Jugend“ - wird den Jugendlichen als Statusunsicherheit zur Last gelegt:

In den Verhaltensweisen „zeigten sich Gegensätze, die über entwicklungsbedingte Anpassungsschwierigkeiten hinausgehen, so eine Diskrepanz zwischen Früher­wachsensein und Infantilität, der lebensgeschichtlich eine solche von Ge- genwartsbefreitheit und Zukunftserwartung entspricht, weiter eine solche zwi­schen herabgesetztem Selbstwertgefühl und der durch den frühzeitigen Ar­beitseinsatz angestrebten Erwachsenenrolle, vor allem aber grundlegende Diskre­panzen in der Einstellung zu den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit.“550

Mädchen, die so waren, wie sie sein sollten, gab es eigentlich gar nicht, jedenfalls nicht in der Arbeiterschaft, sowohl Marianne Estl als auch Hermine Koller äußerten sich je­weils am Ende ihrer Arbeiten programmatisch für eine Ausweitung der Heimerziehung - für eine größere Zahl von Mädchen und auch für Frauen nach dem 18. Lebensjahr. [siehe 10.1. und 10.2.]

Hermine Koller erschienen junge Fabrikarbeiterinnen, wie sie von der Gruppe um Wurzbacher untersucht wurden als gefährdet und zwar die ganze Kohorte, das bedeutet, dass ihrer Meinung nach die ganze arbeitende weibliche Jugend eigentlich unter Erzie­hungsaufsicht zu stellen wäre.551 Hermine Koller war viele Jahre vor dieser Dissertation und nach dieser Dissertation in der Jugendfürsorge Wiens tätig.

Junge Hilfsarbeiterinnen, die ganz normal zur Arbeit gingen, wie sie von der Gruppe um Wurzbacher untersucht worden sind, dürfen nach Koller, „daher klar als Gefähr- dete bezeichnet werden.“552

Der richtige Weg ist schmal, sowohl Fabrik-Arbeit als auch Nicht-Arbeit führt ins Ver­derben: Von Koller wird gern das Wort „arbeitsscheu“553 verwendet, für kurzfristige Arbeitslosigkeit oder den „häufigen“ Wechsel des Arbeitsplatzes, um die Einweisung in ein Heim zu begründen. Sie orientiert sich bei der Klassifizierung „häufig“ nicht an der durchschnittlichen Verweildauer an einem Arbeitsplatz in den jeweiligen Branchen.

Sie orientiert sich auch nicht an der Verfügbarkeit von Lehrstellen für Mädchen; es ist bekannt, dass es nur für einen Bruchteil der weiblichen Jugendlichen Lehrstellen gab,554 so dass es plausibel erscheint, dass Lehrherren die weiblichen Lehrlinge als unbezahlte Hilfsarbeiterinnen ausbeuteten und nach Belieben auswechselten.

Als Folge der Einweisung wiederum wurden die Jugendlichen auf Jahre hinaus ihrer beruflichen Möglichkeiten beraubt und konnten trotz ganztägiger „Arbeitserziehung“ weder ein Einkommen erzielen noch eine verwertbare Ausbildung erhalten, ja nicht einmal einen regulären Schulabschluss. Die Eltern mussten - statt einen Beitrag zum Haushaltsgeld zu lukrieren, wie es von arbeitenden Haushaltsmitgliedern erwartet wur­de einen Teil ihres Einkommens für den Unterhalt im Heim - bis zur Volljährigkeit der „Kinder“ - abliefern.

9.8 Maria Zillig

Maria Zillig - sie wird im Vorwort der Dissertation Kollers als ein Vorbild präsentiert - untersuchte Zöglinge von Fürsorgeerziehungsheimen in Deutschland:

„Diese Mädchen konnten in einer Zeit, in der das Streben der Menschen vor allem auf die Sicherung der materiellen Grundlagen der Existenz gerichtet war, den der Pubertät entsprechenden Verinnerlichungsprozess nicht vollziehen.“555

Das heißt, die Mädchen kamen in ein Fürsorgeheim, weil sie arbeiten mussten und weil sie den von dem (bildungs)bürgerlichen Konzept der Pubertät geforderten „Verinnerli­chungsprozess“ nicht aufwiesen, aber auch wegen der „Zeit“, in der „das Streben der Menschen“ auf Ziele gerichtet war, die der Autorin nicht gefielen.

Dem Vorbild Zillig entnehme ich zwei - stark gekürzte - Fallgeschichten.

Wanda

„Dann hab ich endlich gehabt, was ich mir ausgesucht gehabt hab‘, die Keksfab­rik.“ Dort arbeitete sie als Packerin bis zu ihrer Einweisung ins Heim. Zwie­back verpackte sie. „Da hab ich Geld verdient.“ Sie arbeitete „im Akkord“, bekam 65 Pfennige für die Stunde, ...556 Dafür wurden ihre häuslichen Verhältnisse für sie immer schwieriger, ... Wanda hatte unterdessen einen jungen Deutschen ken­nen gelernt, mit sechzehn Jahren ihren ersten Geschlechtsverkehr mit ihm gehabt, und sich mit ihm „verlobt“. Nachdem die Streitigkeiten mit der Mutter sich mehr und mehr verschärften, verbrachte Wanda mehrmals die Nacht in der Wohnung ihres Freundes, angeblich mit Erlaubnis von dessen Eltern. ... Lügen und Betrü­gen liegen ihr wenig. Sie hat das Jugendamt dadurch erschreckt, daß sie dort offen zugab, Nächte in der Wohnung ihres Freundes verbracht zu haben.557

Rosa

In der Schule hat sie einmal das Tintenfaß ausgeschüttet, mit dem Taschentuch die ausgeflossene Tinte weggeputzt und dafür daheim Schläge bekommen. . . Als kritisches Erlebnis aus Rosas Kindheit ist noch zu melden, daß sie im Alter von acht bis neun Jahren „verführt“ wurde. Der Verführer bot ihr Geld und Schokola­de und drohte: „Da passiert etwas, wenn du der Mutter was sagst.“ Tatsächlich schwieg sie aus Angst, lebte also in einem inneren Konflikt, bis schließlich durch andere Verführte die Sache aufkam.558

Die Autorin dieser “psychologischen Studie” fährt ohne jeden Kommentar fort:

Sie wollte Hebamme werden, ein Beruf, zu dem natürlich keine Vierzehnjährige zugelassen wird. ... Danach kann sie als Hausgehilfin zu einer Frau, ... Nach dem Einzug der Truppen verkehrten ausländische Soldaten bei dieser Frau, und bald war auch Rosa mit einem befreundet. ... Der Vater war zu jenem Zeitpunkt noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt, Mutter und Tochter bangten vor diesem Au­genblick. ... Schließlich drängte sie der Vater, ihm den neuen Aufenthaltsort des Freundes zu sagen, worauf sie ihn belog. ... Als sie nun zurückkehrte, schlug sie der Vater. ... Sie zeigte ihren Vater wegen Misshandlung an. ... Auch noch zur Zeit der Aussprache ... fehlte ihr die Selbsteinsicht zu ehrlicher Kritik an dem ei­genen Verhalten, das in seiner Unzuverlässigkeit den Vater erregen und reizen musste.

Vermutlich war die Anzeige der Gewalttätigkeit des Vaters der Grund für die Heimein­weisung der jungen Frau, die trotz der Erniedrigung durch den Missbrauch kühn und stolz geworden war, ob der Gewalttäter verurteilt wurde, ist fraglich.

Es ist klar, woran Zillig hier mitwirkt: Es geht um die (Wieder)Herstellung des Macht­gefälles zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen, auch wenn die Menschenwürde auf der Strecke bleibt.

Mit fünfzehn Jahren will Rosa ihren ersten Geschlechtsverkehr, mit zehn Jahren ihre Menarche gehabt haben. ... In der Verbindung mit ihrer Mitteilung, als Neun­jährige einem „Jugendverderber“ in die Hände gefallen zu sein, 559 gewinnt man den Eindruck, daß Rosa ein sexuell frühreifes Kind war.560

Für Maria Zillig war ein Mädchen, das im Alter von 8 Jahren missbraucht worden war, ein „sexuell frühreifes Kind“561.

Koller zitiert Zillig, orientiert sich nach ihr und paraphrasiert deren damals gängige Thesen:

„.jener Verinnerlichungsprozess, den wir als wesentliches seelisches Merkmal der Reifungsjahre der Jugend eines Kulturvolkes betrachten, [wurde] aufgehalten oder gestört. Das Ausbleiben oder die Störung seelischer Verinnerlichung bei gleichzeitigem körperlichen Reifen begünstigt eine auf äusseren Lustgewinn ein­gestellte Ichhaftigkeit, die fast zwangsläufig ... ungeordnete sexuelle Beziehun­gen zum anderen Geschlecht anknüpfen ließ.“ 562

Nach Koller verhindert die Notwendigkeit der Sicherung der materiellen Grundlagen die der Pubertät angemessene „introversive Wendung“563, was sie aber nicht daran hin­dert, 12-14stündige unbezahlte Arbeitstage von den 14jährigen Schulentlassenen im Rahmen einer Lehre zu verlangen.564

„Die einseitige Überwertung der Gewinnseite der ungelernten Arbeit veranlasst die jungen Mädchen zur Annahme von Industriearbeit und drängt sie in eine Le­bensform, in der eine jugendgemäße Entwicklung und Reifung weitgehend un­möglich gemacht wird.“565

Die jungen Mädchen verhindern selbst ihre „jugendgemäße Entwicklung und Reifung“, indem sie - bezahlte - „Industriearbeit“ annehmen, gegen diese „Fehlentwicklungen“ will Koller angehen; es handelt sich um die gleiche Denk- und Handlungsstruktur, die gesellschaftliche Veränderung mittels Verfolgung unverheirateter Mütter aufzuhalten versucht.

9.9 Wiedergängerinnen

In einem Aufsatz über „Zwangs- und Fürsorgeerziehung in Hamburg 1887-1933“566 zählt Heike Schmidt auf wenigen Seiten all jene Topoi auf, die nach stürmischen Zeiten, nach anscheinend tiefgreifenden politischen Umbrüchen, bei unseren Autorinnen wie­der auftauchen, als ginge es um die Pflege einer traditionellen Kunstform, wie z.B. der Ikonenmalerei und nicht um lebendige Menschen.

„Auftrieb erhielten die fürsorgerischen Bemühungen durch einen immensen Be­deutungszuwachs von Pubertät und Adoleszenz vor der Jahrhundertwende. ... Eng verknüpft damit war die Dringlichkeit, den bereits diagnostizierten Fehlent­wicklungen in der neuen Generation mit Macht zu begegnen. ... Die Jugendfür­sorge beanspruchte ihre Zuständigkeit für Mädchen in vollem Umfang erst, als der bevölkerungspolitische Impetus auch ihnen den gesonderten Status Jugend zubil­ligte. ... Sexuelle Devianz wurde zum zentralen Topos der Debatten um ,Mädchenverwahrlosung‘, sie geriet zum Interpretationsrahmen aller ande­ren Delikte.567

Wissenschaftliche Untersuchungen luden weibliche Devianz sexuell auf; in letzter Instanz schien jedes als sozial auffällig eingeschätzte Verhalten von Mädchen und Frauen triebhaft motiviert und eine Ankündigung geschlechtlicher Verwahrlo- sung‘ zu sein. ... Das ,verfrühte Sexualerlebnis‘ - verstanden als der erste Ge­schlechtsverkehr mit einem Mann - war Angelpunkt des pädagogischen und sozi­almedizinischen Diskurses über weibliche Devianz. Wiederholt verwies die For­schung darauf, daß ein zu frühes Erleben von Sexualität die Entwicklung zu In­nerlichkeit und Mütterlichkeit verstelle.568

Die Pubertät galt auch bei ihnen als schwere Krise, als eine Art Wasserscheide, die die Gesunden von den ,Abgearteten‘ trennte.

In der gesamten Diskussion über den Zusammenhang von Sexualität und Störun­gen der Persönlichkeitsentwicklung unterschied kaum jemand zwischen selbstbe­stimmten Sex, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Die Schuldzuweisungen und moralischen Vorwürfe blieben auch denjenigen nicht erspart, von denen man wußte, daß sie Opfer sexueller Gewalt waren. ... In den milieutheoretischen Auseinandersetzungen waren es vornehmlich die beunruhigenden Seiten der Mo­derne, die für die Jugendverwahrlosung verantwortlich gemacht wurden.569 Die Degeneration der Fürsorgezöglinge sollte in Intelligenztests meßbar werden - in einer verwirrenden, häufig herabsetzenden Prozedur, der sich Kinder und Ju­gendliche nicht immer freiwillig unterzogen - durch Wissensfragen, die von den Probanden mit nur unvollständiger Schulbildung oft gar nicht beantwortet werden konnten. ... Schließlich wurde die Erblichkeit der Degeneration in der Fami­lienanamnese aufgespürt.570

Angelehnt an die theoretischen Debatten um die Verwahrlosung entwickelte sich die Pädagogik in der Jugendfürsorge vor allem zu einer Pädagogik der Sortie­rung. . Geschlechtsreife und sexuelles Verhalten geriet bei Mädchen zum vor- rangigen Ordnungskriterium.“571

Ähnlich wie die Texte von NS-Psychiatern in der Nachkriegszeit immer wieder unver­ändert aufgelegt wurden, scheinen die Texte aus der Zeit der Jahrhundertwende über die verwahrlosten Mädchen, in Österreich, in der Zweiten Republik, allerdings von anderen Verfasserinnen geschrieben, unverändert wieder aufzutauchen.

In einem Aufsatz über „Die Prostituierte im 19. Jahrhundert. Zur Entstehung und Ent­wicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ wird beschrieben, wie sich die „Denkkol­lektive“ um 1900 verschränkten, um die Prostituierte gemeinsam verobjektivieren zu können“.572 Zu diesem Zitierzirkel zählt Cesare Lombroso mit seiner kriminalanthropo­logische Deutung der Prostituierten als „Degenerierte“,573 ein Begriff, der anscheinend im Umfeld Aspergers zur „Depravierten“ wurde, und eine ganze Reihe von Psychiatern, die mit der gleichen Methode wie Marianne Estl arbeiteten: Exploration mittels ver­schiedener Techniken der Intelligenzprüfung, der Typologie des Erscheinungsbildes, des unter Zwang verfassten „Lebenslaufs“, der prozentualen Aufgliederung der psychi­schen Defektzustände, der erblichen Bedingtheit und der Erörterung der relativen Be­deutung dieser Gesichtspunkte als Charakteristik für diese „sozial tiefst stehenden Be­völkerungsschicht“574 „mit besonderer Berücksichtigung der Minderjährigen und Min­575 derwertigen“ .575

10 Fallgeschichten

In meinen „Fallgeschichten“ werden vor allem jene zwei Texte vorgestellt, die von vo­rangegangener Benachteiligung, auch von banalem Pech erzählen, die als Text Ernied­rigung herstellen und bei denen auf Grund der Positionen der Autorinnen zu vermuten ist, dass sie für ein ganzes Segment der Jugendfürsorge handlungsleitend wurden.

Überraschenderweise konstruieren die beiden Autorinnen nicht eigentlich positiv Ge­schlecht. Das Ziel, dem alles untergeordnet wird, ist das Verhindern von Sexualität und von allen anderen Vergnügungen. Aber auch die zentralen Aspekte von katholischer Weiblichkeit - selbstgewähltes Dienen, Mütterlichkeit, Opferbereitschaft, Frömmigkeit - stehen den Mädchen gar nicht zu, nach Koller waren sie nicht einmal für die Ehe brauchbar, auch eifrigen Kirchgängerinnen gibt die Religion „keinen Halt“. Im Gegen­teil, Leben von „Geschlecht“, mit welchem Inhalt immer, ist den Beschriebenen versagt, es liegt außerhalb ihrer Reichweite, sie sind davon durch Mauern und Gittern getrennt, vom Zeitpunkt der Einweisung an werden sie nichts als Minderwertigkeit leben, Min­derwertigkeit, vertieft, verschärft und vervielfältigt durch Geschlecht. Ihre Minderwer­tigkeit wird durch ihre Weiblichkeit veranschaulicht, entlarvt. Der Geschlechtscharakter wird nicht durch komplementäre Zuschreibungen gebildet, sondern im Aberkennen von Freiheit und Würde.

Die Schweizer Historikerin Brigitte Studer erklärt die „Geschlechterordnung der bürger­lichen Gesellschaft“ strukturell als einen Prozess der gleichzeitigen (weiblichen) Fami- liarisierung und der (männlichen) Individualisierung. Dieser Ausschluss von den Indi­vidualisierungsopportunitäten der bürgerlichen Gesellschaft wäre nach Studer ein Struk­turmerkmal der modernen Nationalstaaten, allerdings müsse „die Ausweisung des weiblichen Geschlechts aus dem Kern des historischen Projekts der Rechtsgleich­heit und Freiheit ... verteidigt und stets wieder erneuert werden. ... Dies stelle eine Konstruktionsleistung dar, die in den letzten zwei Jahrhunderten einen guten Teil der geistigen Ressourcen der bürgerlichen Gesellschaft mobilisiert hat.“576

Bei Estl besteht die verbleibende Geschlechtskonstruktion des genuin Weiblichen darin, dass die Minderwertigkeit nach unten hin überhaupt nicht mehr begrenzt ist und auch für eine „Rettung“ nicht zugänglich ist, so dass die von Estl Identifizierten verwahrt werden müssen. Sie haben nicht etwas falsch gemacht, wie die Burschen, sondern sie sind innen und außen, ganz und gar, degeneriert.

Die untersuchten Mädchen, zu einem Drittel schon vor der Geschlechtsreife miss­braucht, haben vorweg - ohne die Fähigkeit zu autonomen Handeln dennoch schuldhaft - den Verdacht hervorgerufen, sie hätten ein weibliches Geschlechtsorgan, daraus folgt unausweichlich und folgerichtig: das Vorhandensein von Geschlechtlichkeit macht je­des Persönlichkeitsrecht zunichte. Ein weiblicher Körperbau - pyknisch! - gibt dem geschulten Auge der Wissenschaftlerin bereits den entscheidenden Hinweis.

Estl vergisst auch nicht auf Berechnungen zur Menschenökonomie:

„Die Kosten für Spitalsaufenthalte, Inhaftierungen etc. belasten die Gemeinschaft zudem finanziell schwer.“ (S 99) „Es konnte [von Estl selbst] nachgewiesen wer­den, daß 2/3 der untersuchten Mädchen als debil anzusehen sind.“ (S 101) „Durch die Depravationsentwicklung werden die Arbeitsqualitäten erheblich reduziert, sodaß ... Mädchen zu keiner beruflichen Bewährung und zu keiner „Arbeit“ im Sinne einer Werkerfüllung gelangen können.“ (S 103)

In den über hundert Seiten der Dissertation Estls lässt sich nichts finden, was der Wei­terexistenz dieses „Materials“ einen Sinn geben könnte, es lässt sich kein Grund finden, warum und wozu das „Material“ weiterleben sollte.

Die Dissertationen jener Psychologinnen, die im Rahmen des Jugendamtes tätig waren, aber sich nicht mit „verkommenen“ Mädchen befassten, sind - soweit ich das beurteilen kann - frei von expliziter Menschenverachtung,577 auch jene, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt verfasst worden waren, wie die von Elfriede Fasold, Maria Nekula und Otto Pawlik, der vor Marianne Estl Leiter der Erziehungsberatung war.

Nicht alle Dissertationen waren greifbar, auch kann ich über die weitere Tätigkeit der PsychologInnen und ihre allfälligen Anpassungsleistungen an die Mentalitäten in ihrem Arbeitsbereich nichts aussagen. Die Dissertation von Ingeborg Agricola zum Beispiel enthält noch keine „Verlogenheit“ und „Triebhaftigkeit“, die sie in einer ihrer Experti­sen im Rahmen der Institution zu konstatieren meint, sondern sie spricht von den „Be­dürfnissen der reifen Kindheit“. Sie bedauert sogar das Verschwinden „aller zweckfrei­en ,Gstätten‘, Ueberreste eines weniger rationellen Zeitalters“578 und sie spricht davon, dass sich „im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Arbeiterschaft der Pflegezustand der Kinder wesentlich gebessert“ hätte.579

10.1 Marianne Estl

Dem Lebenslauf, der ihrer Dissertation580 beigelegt ist, kann entnommen werden, dass Marianne Estl nach dem „Anschluss“ in den durch die Vergrößerung des Gemeindege­biets entstandenen „Landbezirk“ versetzt wurde, nämlich in das Wohlfahrtsamt Liesing, Allgemeine Fürsorge,581 das wird im Amtskalender 1941582 auch im Personenverzeich­nis bestätigt: „Estl Marianne, Hauptfürsorgerin, Fürs.A. 25“583. Wegen dieser Verset­ zung musste sie ihr Studium unterbrechen.

Eine Einsichtnahme in den Personalakt konnte mir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gewährt werden.584 Ich kann deshalb keine Aussage darüber machen, wann und aus welchem Grund Estl aus dem öffentlichen Dienst ausschied, wann sie wieder eintrat und was es mit der „Arbeit an der heilpädagogischen Beobachtungsstation der Stadt Wien Schloß Wilhelminenberg“, auf sich hat, wo sie - wie sie in ihrem Lebenslauf an­gibt - 3 Jahre gearbeitet hätte, für deren Existenz sich im angegebenen Zeitraum jedoch in keiner anderen Quelle ein Beleg finden lässt.

Estl war in der NS-Zeit im Wohlfahrtsamt Liesing beschäftigt, allerdings in der Allge­meinen Fürsorge585. Hermine Koller berichtet, vermutlich von Estl persönlich infor­miert, dass die Wohlfahrtsämter in den durch die Schaffung von Groß-Wien entstande­nen Bezirken 22 bis 26 auch die Agenden der Jugendämter übernommen hätten.586

In ihrer Dissertation 1952 gibt Estl voller Stolz ihre bisherige Tätigkeit und die dabei erworbene Qualifikation an:

„Die Zuordnung zu den einzelnen Gruppen [der Verwahrlosung] war im Einzel­fall oft schwierig und geschah nach der Häufigkeit der Merkmale. Erleichternd war hierbei eine in jahrelanger nachgehender Fürsorgearbeit erworbene Ue- bung in der Beurteilung von Milieusituationen und die - dank der Mitarbeit meiner Kolleginnen in den Bezirksämtern - differenzierten und ausführlichen Un­terlagen hierzu.“ (S 27/28)

Ich möchte an dieser Stelle mit Nachdruck „die Kolleginnen in den Bezirksämtern“ ver­teidigen. Estl schreibt selbst: „von 43% konnten diesbezüglich [bezüglich der Familien­verhältnisse] keine Angaben aufgetrieben werden“ (S 77), das heißt, dass die Fürsorge­rinnen in der Nachkriegszeit den Forderungen der „Milieu“-Forscherin bei einem gro­ßen Teil der Mädchen nicht nachkamen und nicht bereit waren, nach „Arbeitsscheu“, „Schwachsinn (wahrscheinlich)“, und erblicher „sittlicher Belastung (Prost. M.[Prostituiertenmilieu])“ in der gesamten Verwandtschaft zu fahnden und ihre so er­worbenen Kenntnisse über die „Milieusituation“ dem zu betreuenden Kind anzulasten.

Wir müssen sehen, dass Estl versuchte, die Methoden der NS-Fürsorge dem Ju­gendamt zu oktroyieren und sich eine gesetzlich abgesicherte Berechtigung zur Verhängung von Vorbeugehaft mit Zwangsarbeit zu verschaffen.

Estl geht bei ihren Verfolgungswünschen in der Zweiten Republik genau genommen weiter in der Überwindung von rechtsstaatlichen Fesseln, als es der NS-Fürsorge mög­lich war, sie wollte mehr, als ihr bei ihrer „jahrelangen nachgehender Fürsorgearbeit“ zugestanden wurde. Die Kompetenz zur Verhängung von (lebenslanger) Vorbeugehaft, die Estl- erfolglos - für eine neu zu bildende Fürsorge-Institution in ihrer Dissertation beansprucht (S 98), in Analogie zu den - wegen Verfassungswidrigkeit letztendlich ebenfalls vergeblichen - Bemühungen in Deutschland zur Einführung eines Bewah­rungsgesetzes, die sie nicht erwähnt, so als wüsste sie nichts davon, blieb in der NS-Zeit bis 1945 bei der Kriminalpolizei,587 die Wohlfahrtsinstitutionen blieben auf die Zuarbeit beschränkt.

Die Gestapo führte keine eigenen Dossiers über „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“, sie musste - wie der „Grunderlass Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ auch ausdrück- lich bestimmte - die Kenntnisse der Fachleute bei den Arbeitsämtern588 und den kom- munalen Wohlfahrtsämtern nutzen.589

Estl bietet ein vollständiges Inventar der Methoden, Begriffe und Haltungen der NS- Asozialenregistrierung anhand der „Prot.Nr.86“ und das im Jahre 1952. (Es findet sich außerdem wie bei Hermine Koller der häufige Anstaltswechsel als Vorwurf an das Op­fer der häufigen Anstaltswechsel.)

„Verwahrloste Milieuverhältnisse: Aufgelöstes Familiengefüge, sittlich verwahr­lostes Milieu, Prostituierten-, Trinker- oder Kriminellenmilieu, asoziale Arbeits­scheue, überwiegend negative Erziehungseinflüsse, häufiger Pflegewechsel, An­staltswechsel über 5 Anstalten. ...

Mädchen ist ehelich geboren, Vater hat ständig wechselnde Frauenbekanntschaf­ten, deretwegen die Eheleute viel streiten. Mutter primitiv, unwirtschaftlich, hat Gelegenheitsarbeiten, kommt mit der Haushaltsführung nicht zu Rande. Vater und noch ein Bruder, der auch noch zu Hause lebt, wegen Diebstahls vorbestraft, bei­de arbeitsscheu und zu keiner geregelten Tätigkeit zu bringen. Eine Schwester der Mutter Geheimprostituierte, hat vier Kinder, bei denen keine Vaterschaft festge­stellt werden konnte und von denen sie angibt, daß sie von verschiedenen Män­nern stammen, deren Namen ihr unbekannt sind.“ (S 27)

Zehn Jahre zuvor war bestimmt worden:

„Familien sind als asozial zu bezeichnen, wenn mehrere ihrer Mitglieder asozial (gemeinschaftsfremd) sind und die Familie selbst im Ganzen gesehen eine Belas­tung für die Volksgemeinschaft darstellt.“590

Estl wurde nach dem Krieg „Erziehungsberaterin“ und war in den Jahren 1973 bis 1983 Leiterin der „Erziehungsberatung“, also jahrzehntelang an Schlüsselstellen, ihre Nach­folgerin in der Position als Leiterin war Hermine Koller.

Die Durchführung ihrer psychologischen Arbeit, bei Professor Hubert Rohracher, ent­stand mit Unterstützung von „Herrn Obermagistratsrat Professor Tesarek“, Leiter des Jugendamtes und des Anstaltenamtes, dem damals die Fürsorgeheime unterstanden. Ob vom Leiter des Jugendamtes verlangt werden kann, die Dissertationen seiner Psycholo­gInnen zu lesen und deren demokratische Grundhaltung zu prüfen, ist eine offene Frage.

Zunächst wird das von der Autorin definierte Untersuchungsobjekt vorgestellt: „die Fälle sexueller Verwahrlosung bei jungen Mädchen“, die „die vielfältigsten Erschei­nungsformen bieten“, trotzdem aber summarisch als „diese“ Mädchen abgehandelt wer­den:

Über die „Wechselbeziehung von Intelligenz, resp. mangelhafter Intelligenz und Ver­wahrlosung“ findet sie nur in der „Verwahrlosungsliteratur“ Hinweise.591

„Wir gehen von der Hypothese aus, daß Sexualdepravation eine sich vorwiegend bei weiblichen Personen im Sexuellen auswirkende Form der Verwahrlosung ist...“592

Das ist natürlich keine Hypothese, es wird nur ein neuer Begriff eingeführt, statt „sexu­eller Verwahrlosung“, ein ebenfalls mit beliebigem Inhalt zu füllender Begriff, mit dem ebenfalls nur Mädchen und Frauen abgewertet werden.

Dieses Lieblingswort von Marianne Estl. „Depravation“ heißt dem Fremdwörterbuch zufolge 1) Wertminderung, bes. von Münzen. 2) Verschlechterung eines Krankheitszu- Standes, 3) Entartung. Heute wird der Begriff noch für Persönlichkeitsveränderungen im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch verwendet. Das sonst so großzügige Internet stellt nur einen einzigen Beleg in einer juristischen Spezialarbeit zur Verfügung.593 Ich habe den Begriff nur bei Hans Asperger [siehe 9.4.], Franz Winkelmayer und später bei Hermine Koller und bei Ingeborg Agricola wiedergefunden. Die Fundstelle bei Win­kelmayer findet sich in einer Tabelle aus dem Jahre 1928, allerdings gibt es bei ihm damals in der Zeile „Sexuell depraviert“ weder bei Knaben noch bei Mädchen eine La­dung.594

Estl referiert einige Autoren, die „Verwahrlosung“ in einem gestörten Verhältnis zur Gesellschaft, Gemeinschaft, einem Abfall von der Gesellschaft verorten, in der Zugehö­rigkeit zur „schlechten Gesellschaft“, die zu einer Schädigung der Gesellschaftsordnung führen kann und die Bezeichnung „ein Verwahrloster“ als ein Urteil vom Standpunkt der Gesellschaft sehen. Ein mehrfach zitierter Autor möchte die „moralische Abwegig­keit“ des Verwahrlosten abgegrenzt wissen von anderen Verhaltensweisen, die auch als „moralisch abwegig“ bezeichnet werden müssten, z.B. bei Psychopathen, Epilepti­kern[!] usw.595

Von Aichorn596 übernimmt Estl das „übermäßig herrschende Lustprinzip“ und wendet es - wie noch zu zeigen ist - auf Kinder an, deren „Depravation“ gerade darin besteht, dass sie keine(!) „Geschlechtsempfindungen“ beim (jeweils aufgezwungenen) Ge­schlechtsverkehr aufweisen.

Estl schließt sich einer Definition an, der zufolge die Verwahrlosung darin besteht, dass die Persönlichkeit durch das Triebleben richtunggebend und einseitig beeinflusst wird; diese Definition wird ebenso und gerade bei Mädchen angewandt, deren Triebleben nach den sehr präzisen Beschreibungen Estls in jeder denkbaren Weise defizitär und gerade deshalb „depraviert“ ist.

Estl zitiert aus einem Zitat aus einem anderen Werk:

„Denn die sittliche Verwahrlosung nimmt der Frau die Mutterstellung in der Fa­milie und damit die Grundlage, dem Staat und der Gesellschaft den Grundbau. Deshalb sieht sie [Carla Zaglitz] in der sittlichen Verwahrlosung des weiblichen Geschlechts das eigentliche Problem für Staat und Gesellschaft. Die Haupter­scheinung der sittlichen Verwahrlosung der weiblichen Jugend ist demnach die Prostitution.“597

Die von der Autorin Zaglitz wahrgenommene Gefährdung von „Staat und Gesellschaft“ wird auf den weiblichen Körper projiziert; ebenso wie der Anstieg unehelicher Gebur­ten598 wurde die „sexuelle Gefährdung“ junger Mädchen als Indiz für den Zerfall von Familie und Gesellschaft gewertet.

Als Ursachen, als „endogene Bedingungen zur Verwahrlosung“ werden von Estl „Schwachsinn“ und „abartige Persönlichkeit / Psychopathologie“, beides mehr oder weniger erblich, angeboten. Aber auch die Pubertät selbst wird als „begünstigender Fak­tor asozialen Verhaltens“ vorgestellt. (S 19) Sie behauptet sogar, dass „entwicklungs­psychologische Gegebenheiten (die frühen Pubertätsphasen) das Einsetzen einer Sexu- aldepravation begünstigen“. (S 100) (Wie in aller Welt sollen die Mädchen „die frühen Pubertätsphasen“ vermeiden?)

Ab dieser Stelle wird von den Probandinnen regelmäßig als „unserem Material“ gespro­chen.

„Bei dem besondersartigen, mir zugänglichem Material waren es bis auf wenige Ausnahmen defiziente, kümmerhaft, flach und undeutlich in der Symptomatik ... Pubertätsentwicklungen, ...“ (S 22)

„Defizient“ sind sie im Vergleich mit dem von S. Klimpfinger599 postulierten „Phasen eines normalen Pubertätsablaufes“, der u.a. eine „philosophische Krise“ vorsieht. Estl weiß schon, dass auch „undifferenzierte“ Jugendliche pubertieren, nur sind die Sym­ptome „weitgehend denaturiert“. (S 22) In Estls „Material“ liegt alles „in defizienter Form“ vor:

„... Genußsucht ... primitiver Lustgewinn, ... übermäßiger Drang nach Gesellig­keit und Tanz, häufiger Besuch minderwertiger Filme, .bei einer defizienten Pu­bertät [wird] die Verwahrlosungsdisposition so eindeutig, daß es nur mehr eines geringen Anstoßes bedarf, damit der Verwahrlosungsprozeß ausgelöst wird.“ (S 23)

Ähnlich wie bei der „Jugend“ insgesamt im nationalen Degenerationsdiskurs, sowie bei den „jugendlichen Verwahrlosten“ bei Koller, konstituieren „Tanz“ und „Kino“ bereits die Verwahrlosung, und im Durchlaufen eines (unvermeidlichen) Lebensabschnittes wird „die Disposition eindeutig“.

„Im Zuge der kindlichen Sexualentwicklung sind beim Mädchen mit Eintritt der ersten Menses die Geschlechtsorgane funktionsreif, es wird aber - außer bei pri­mitiven Stämmen oder in anderen geographischen Regionen - die psychische Rei­fe hierzu nicht gleichzeitig erreicht. In dieser Zeit, etwa der negativen Phase der Pubertät [12 - 15 J. nach S. Klimpfinger, Anm. Czi] einsetzende sexuelle Ernster­lebnisse (worunter vollzogener Koitus verstanden wird) sind fast durchweg als Kümmerformen anzusehen und können nicht selten zu traumatischen Erlebnissen werden.

In der Gesetzgebung wird diesen Tatsachen, nämlich dem Nichtzusammenfallen körperlicher und seelischer Geschlechtsreife Rechnung getragen und die Aus­übung eines Geschlechtsverkehrs mit einer noch nicht 14 Jährigen unter Straf­sanktion gestellt. (S 32)

In unserem Material fanden wir eine Reihe von Versuchspersonen, die den ersten Koitus vor der ersten menses angaben, also nicht nur vor der psychi­schen, sondern auch vor der physischen, der somatischen Reife. Die Zahl de­rer könnte noch höher angesetzt werden, da mit Rücksicht auf die erwähnte Strafbarkeit dieser, auch bei Zutreffen, kaum zugegeben wird.“ (S 33)

Was also sagt Estl hier, die nach dem Krieg bis 1983 jahrzehntelang junge Menschen, fast die Hälfte davon Mädchen, zu betreuen hatte:

1) Vollzogener Koitus bei Mädchen vor dem Eintreten der somatischen Geschlechtsrei­fe findet statt („fanden wir bei unserem ,Material‘“)600
2) diese sexuelle Ernsterlebnisse seien fast durchweg als Kümmerformen anzusehen und „können nicht selten zu traumatischen Erlebnissen werden“
3) derartige „Ernsterlebnisse“ werden von einer „Reihe von Versuchspersonen“ ange­geben, aber nicht von allen, denn sie werden - aus Furcht vor strafrechtlicher Verfol­gung (!) - „nicht zugegeben“.

Niemals - wie alt das Strafgesetz auch sein mag - wird ein Mädchen, ein Kind, schuldig an der an ihm verübten „Notzucht“ - in der Sprache des damals geltenden Gesetzes - gesprochen, sondern der Täter wird bestraft.601

Diese Konstellation, dass missbrauchte Mädchen im Strafrecht besser aufgehoben wa­ren als bei ihren „Betreuerinnen“ ist nicht auf Estl beschränkt, jedoch gibt es in unmit­telbarer zeitlicher und ideologischer Nähe, bei Otto Tumlirz - in Bezug auf „Erika“ - [siehe 10.3.] eine andere, eine menschlichere Sichtweise, eine realitätsgerechte Wahr­nehmung.

Obwohl Estl hier von „traumatischen Erlebnissen“ und daraus resultierenden „Kümmer­formen“ spricht - diese „Ernsterlebnisse“ entsprechen natürlich nicht einer für das Mäd­chen befriedigenden Sexualität, sondern vernichten als traumatisierende Gewalt auch die sexuelle Erlebensfähigkeit - wird sie, im weiteren Verlauf ihrer Arbeit gerade des­halb von „depravierten“ Mädchen sprechen. Trotz dieses mit wissenschaftlicher Akribie festgestellten Mangels an Befriedigung und des Fehlens von Libido spricht Estl von „willenloser / besonderer Triebhaftigkeit“.

Und was missfällt ihr an dem Missbrauch von Kindern „das nicht selten zu einem trau­matischen Erlebnis wird“? Ist es das Trauma, ist es die Verletzung des Selbstbestim­mungsrechtes, ist es der gewaltsame Übergriff? Nein, bei diesem „Ernsterlebnis“ gefällt ihr nicht, dass es eine „Kümmerform“ ist. Wovon eigentlich eine Kümmerform? Soll der Missbrauch, die erzwungene Unterwerfung, die Vergewaltigung, als ein verküm­merter Liebesakt gelten? Das Mädchen, das Kind hat also darin versagt, dass es seine erste Vergewaltigung nicht zu einer Vollform ganzheitlichem sexuellen Erleben mit geistig-seelischer Erfüllung gestalten konnte?

Die „Verzerrung“ der Sexualität wird also hervorgerufen durch das „Einsetzen“, dem Zeitpunkt, der überdeutlich nicht vom Mädchen selbst gewählt wird und vom „Ablauf“, der ebenso wenig vom Mädchen beeinflusst wird, sondern der im Gegenteil als „nicht selten traumatisch“ von Estl selbst bezeichnet wird und der „ohne Beteiligung abläuft“ - „die Sexualerregungen sind nur mehr rudimentär vorhanden“.(S 34) Trotzdem handelt es sich um eine sittliche Verfehlung der Betroffenen, die angeblich sogar selber glau­ben, sie hätten sich selbst strafbar gemacht und deren sittliche Schuld nur mehr durch „Prostitution“ eine Steigerung erfahren kann. Estl folgt der Beschreibung des „normalen psychophysischen Liebesleben gesunder Menschen“ durch Kretschmer.602

„Im Gegensatz hierzu stellt die Sexualdepravation eine gestörte Entwicklung dar. Die Bezeichnung „Depravation“ leitet sich vom lateinischen depravatio, onis, f, zu deutsch „Verdrehung“ Verzerrung ab und beinhaltet somit eine von der norma­len Entwicklung abweichende „Verzerrung“, ein „aus dem Gefüge geraten“, die Sexualdepravation ist also eine verzerrte, aus dem Gefüge geratene Entwicklung auf sexuellem Gebiet. (S 33)

Für eine „Verzerrung“ der sexuellen Entwicklung scheint es nach den Ergebnissen dieser Untersuchung drei Hauptsymptome zu geben, die sich nach folgenden Kri­terien einteilen lassen:

1. ) Nach dem Einsetzen der Geschlechtsbetätigung,
2. ) nach dem Ablauf der Geschlechtsbetätigung,
3. ) nach der Häufigkeit der Geschlechtsbetätigung.

Nach dem Einsetzen: also noch nicht der psychophysischen Entwicklung entspre­chend, vor Eintreten der psychischen, eventuell sogar vor Eintreten der körperli­chen Reife. (S 33)

Nach dem Ablauf: Die Sexualerregungen laufen ohne oder mit nur geringer psy­chischer Beteiligung ab, oder es fehlen selbst diese oder sind nur mehr rudimentär vorhanden, sodaß der Koitus mit nur geringer körperlicher und psychischer Betei­ligung abläuft.

Nach der Häufigkeit: Es scheint eine gestörte Bindungsfähigkeit an einen Sexu­alpartner vorzuliegen, oder eine abnorme Bereitschaft, diesen zu wechseln. Über­aus charakteristisch ist die Wahllosigkeit mit der sie in ihre Beziehungen eintre­ten.

Wir haben nun versucht auf Grund dieser Erkenntnisse eine Definition für den Begriff „Sexualdepravation“ zu formulieren und haben ihn wie folgt bestimmt: Sexualdepravation ist eine sich vorwiegend bei weiblichen Personen auf sexuel­lem Gebiet auswirkende Form der Verwahrlosung, durch welche, gelegentlich vor Erreichung der Geschlechtsreife, überwiegend mit Eintritt der ersten menses, bei weitgehender Defizienz der psychischen Seite somatische Genitalerregungen durch häufige, mehr oder minder wahllose Hingaben an Personen des anderen Ge­schlechtes, sei es zum Koitus oder anderen geschlechtlichen Handlungen befrie­digt werden, oder wobei bei auch defizienter Genitalerregung diese wahllose Hingabe selten ohne Entgelt (Geld, Geldeswert oder Vorteile) vor sich geht. [Her­vorhebung von Estl]“ (S 34)

Für die Untersuchung wird „in Anstalten angehaltenes Material“ herangezogen. Über die Auswahl wird nichts ausgesagt; es muss sich jedoch um Kinder und Jugendliche handeln, die entweder durch ihre Vorgeschichte schwer traumatisiert worden waren oder durch den Heimaufenthalt selbst (zusätzlich) ein undurchdringliches Misstrauen gegenüber allen Menschen, insbesondere ihren Betreuerinnen gegenüber gelernt haben und für die die „Unansprechbarkeif ‘ zu einem traurigen Ausweg wurde.

Eine Reflexion über die Auswirkung der „Untersuchung“ selbst auf das „Material“ fin­det nicht statt.

Marianne Estl selbst, die ja in jener Zeit sozialisiert worden war, in der „Spezialheime“ bestanden, regt im Schlussteil ihrer Arbeit, die Ausweitung „rechtlicher Möglichkeiten“ und „Unterbringung in speziell eingerichteten Anstalten“ (S 98) an.

Bedeutsam scheint uns noch zu sein, die Abgrenzung unseres Materials gegen die Prostitution vorzunehmen ... (S 35)

Für Prostitution gab es bereits ein etabliertes und noch lange weitergeführtes Regime, bei dem die Verfügungsgewalt der Polizei (in einem rechtsstaatlichen Graubereich) im Vordergrund stand, die Ausweitung fürsorgerischer Tätigkeit - Unterbringung in spe­ziell eingerichteten Anstalten - wäre hier auf eine nicht zu umgehende Konkurrenz ge­stoßen, Estl hält den angemessenen Respektabstand ein, verhandelt aber doch über eine Aufteilung des „Materials“ in Geheim- und Gelegenheitsdepravierte einerseits und „Prostituierte“ anderseits.

Diese Ausweitung des Betätigungsfeldes wurde schon in der NS-Zeit vorgenommen: Estl hat ja selbst an vorderster Front mitgewirkt und miterlebt, wie die Vorwürfe gegen „Asoziale“ immer geringfügiger, banaler und aufgebauschter wurden, je länger der Krieg dauerte. „Bei Frauen, bei denen insgesamt Anschuldigungen im Bereich Sexuali­tät im Mittelpunkt standen, verschoben sich diese vom Vorwurf tatsächlicher Prostituti­on bis zum Vorwurf wechselnder Männerbekanntschaften.“603

„II. Teil

A) Material und Versuchsanordnung a) Material

Bei der Suche nach dem Material zu unserer Untersuchung ergaben sich zahlrei­che Schwierigkeiten. Wir sind uns der Tatsache bewußt und möchten diesbezüg­lich erwarteten Einwänden begegnen, einseitig nur sozial unangepaßte, also in ir­gendeiner Form der öffentlichen Wohlfahrtspflege bekanntgewordene Depravierte zu der Untersuchung herangezogen zu haben. Es ist diesbezüglich festzustellen, daß Geheim- und Gelegenheitsdepravierte bestrebt sind, so lange irgend anhän­gig den Schein sozialer Unauffälligkeit aufrecht zu erhalten: Zu den Schwie­rigkeiten, bei diesen Personen Depravation mit einiger Sicherheit nachzuweisen, kommt noch deren geringe Ansprechbarkeit, sodaß dieser Personenkreis, der hin­sichtlich Intelligenzuntersuchungen interessante Resultate bieten könnte, praktisch Testversuchen verschlossen ist.“

Nach Estl sei es schwierig, Personen, die den „Schein sozialer Unauffälligkeit aufrecht erhalten“, Depravation nachzuweisen. Dieser Versuch, bei sozial unauffälligen targets doch noch Verfolgung einleiten zu können, erinnert an Robert Ritter, dem Schöpfer des Fachbegriffes „larvierter Schwachsinn“, den er anhand seiner Studien an jenischen Kin­dern entwickelte.604

„Wir mussten uns also an das zugängliche Material halten. Es hat sich als zweck­mäßig erwiesen, für die Untersuchung in Anstalten angehaltenes Material he­ranzuziehen, da bei den nicht Angehaltenen die Dauer der Versuche zu lange Zeit in Anspruch nahm, und diese Personen - sofern sie nicht überhaupt die Untersu­chung verweigerten - sich als nicht testbar erwiesen. Es konnte auch bei unseren Versuchen festgestellt werden, daß eine zunehmende Testwilligkeit mit zuneh­mender Beruhigung der (S 36) Versuchspersonen, d.h. mit deren längerem An­staltsaufenthalt Hand in Hand ging.

Zu den Versuchen wurden 100 weibliche Depravierte herangezogen, die wir in den verschiedenen Anstalten testeten.“ (S 37)

Von den 100 “Vpn” aus den Anstalten waren 41 zwischen 18 und 25 Jahren alt, (S 37) das heißt, bei einem beträchtlichen Teil der Eingesperrten gibt es weder eine rechtliche Handhabe für eine Freiheitsberaubung noch die Möglichkeit sich auf „Erziehung“ zu berufen. (Das Volljährigkeitsalter lag damals allerdings noch bei 21 Jahren.) Ein Ge­setz, das eine Haftstrafe für Geschlechtsverkehr einer 25-jährigen Frau anordnet, gibt es nicht, jedenfalls nicht in Österreich im Jahre 1950.

Eine Subvention für den Unterhalt unter dem Titel Jugendfürsorge werden die Heime von der Gemeinde Wien für Erwachsene nicht bezogen haben, sie müssen sich an der Arbeitsleistung der (illegal) festgehaltenen Insassinnen schadlos gehalten haben.

„Es kann ein gewisser Zusammenhang mit der Tatsache der Testverweigerung und der frischen Depravation (Unansprechbarkeit) festgestellt werden.“ (S 38)

Estl kann nur mit jungen Frauen was anfangen, die durch die Heimerziehung bereits zugerichtet waren. Eine andere Autorin, Zillig, die der Lebenswelt der Mädchen ebenso fremd und feindlich gegenübersteht, ist immerhin imstande die Wirkung des Heimes wahrzunehmen, sie äußert sich über ein bestimmtes Mädchen: „... jene Tarnungen und Masken, die die Zöglinge nach längerem Heimaufenthalt mehr oder weniger anlegen, funktionieren bei ihm noch nicht.“605

„Die Basis des Wechsler-Einteilungssystems der Intelligenzstufen beruht auf sta­tistischen Daten der amerikanischen Bevölkerung und diesbezüglichen langwieri­gen Berechnungen. (S 42)

In der Exploration sollte ein möglichst umfassendes Bild des bisherigen Lebens­weges, der Familienverhältnisse, der Schullaufbahn, Berufssituation, der Interes­sen und Pläne der Vpn gewonnen werden.“ (S 43)

Die „graphische Darstellung der Familienverhältnisse“ zur Veranschaulichung des Aso- zialenmilieus übernimmt sie von dem als Heilpädagogen bezeichneten Franz Winkel­mayer, leitender „Erziehungsberater“ in der NS-Zeit.

„Es war mir wertvoll, die Vpn zu einer subjektiven Darstellung ihres Lebens zu bringen, wobei es allerdings in den wenigsten Fällen glückte, sie zu einer kriti­schen Stellungnahme zu bewegen.“ (S 44)

Das Ziel war, die jungen Frauen zur „Erkenntnis der schuldhaften Fehlentwicklung“ (S 45) zu bewegen. Die „schuldhafte Fehlentwicklung“ bestand - zur Erinnerung - im Vor­kommen von Geschlechtsverkehr, der - vor allem von geschändeten Kindern - „defi­zient“ erlebt werde.

Estl schätzt ihre „anthropologische Erfahrung“ als gering ein, (S 46) dennoch gibt sie ihr Bestes; die Rubrik „Heredität“ wurde mit „Einsichten“ gefüllt, die sich auf „umfang­reiche Erhebungen“ stützten, (S 47) also auf solche, die bei der ganzen Verwandtschaft (körperliche und soziale) Mängel sammelten, ein Vorgehen, das in Wien im „Asozia- lenkataster“606 seine im ganzen Deutschen Reich anerkannte Vollendung erfuhr.

Im Zusammenhang mit der Tätigkeit der nur in Österreich errichteten607 „Asozialen- kommission“ spricht Katja Geiger608 (ident Misar) von einer verstärkten Verfolgung von Frauen als einem seit den 1930er Jahren in Deutschland einsetzenden Trend und sie erwähnt die Formulierung „Feminisierung in der Asozialenbekämpfung“ von Wolfgang Ayaß.609

Bei der allfälligen erblichen Belastung wollte Estl sich nicht auf die „Familiengeschich­ten“ der „Vpn“ selbst verlassen, sie wollte eine Kontrolle gegenüber der „konfabulie- renden Darstellung der Vpn“ haben. (S 47) Die Arbeitsweise des Fürsorgeamtes wurde, so wie sie sie gelernt hatte, einfach weitergeführt; die „hereditäre Belastung“ wird auf den Seiten 76-77 mit genauen Prozentzahlen angegeben. Wegen unvollständiger Unter­lagen wären bei 43 % keine Angaben aufgetrieben worden, 57% wären „mutmaßlich belastet“. Diese Belastung besteht zu 70% aus „Prostituiertenmilieu“, Kinder, die als Neugeborene abgenommen worden sind, werden hier mitgezählt.

„Abgesehen von der Tatsache, daß wir einen gewissen Prozentsatz an triebhaften Mädchen annehmen können, der unter allen Umständen und in jeder Umgebung depraviert wäre, beweist die Depravationshäufung bei den 16 und 17-Jährigen die große Bedeutung, die der Pubertät als einer Zeit krisenhafter, endogener Labilität zukommt. Bemerkenswert scheint mir ferner, daß die Kulmination der Anfalls­häufigkeit in die Phase der Pubertät fällt, die nach S. Klimpfinger als „Ich- zentriertheit bei weitgehender Ambivalenz mit hedonistischen, im primitiven Ge­nuß sich erschöpfender Einstellung“ charakterisiert ist und annähernd vom 15-17. Lebensjahr angesetzt wird. Daraus läßt sich schließen, daß die entwicklungspsy­chologisch gegebene Bereitschaft zu Ambivalenz und hedonistischem Streben nach primitivem Lustgewinn den Verhaltensweisen der Verwahrlosung im allge­meinen, in unserer Arbeit im speziellen der sexuellen Verwahrlosung, also der Depravation, weitgehend entgegenkommt oder die auf Grund andrerer Schädi­gungen bereits eingetretene Depravation weitgehend verstärkt. (S 49)

Unsere Untersuchungen decken sich weitgehend mit den von G. Sonnleitner [Fa­milienschädigung und Jugendkriminalität. Wien 1946.[siehe 9.6] in ihrer Arbeit an 312 kriminellen, ( S 49) vorwiegend männlichen Jugendlichen erzielten Resul­taten: Auch sie hat durchlaufend bei ihren Untersuchungen die besondere Gefähr­dung im 16. und 17. Lebensjahr hervorgehoben und weist für die von ihr bearbei­teten kriminellen Fälle einen Kurvenverlauf nach, der sich mit dem von uns ge­fundenen deckt. (S 50)

Die Übereinstimmung dieser, an so verschiedenem Material gewonnenen Ergeb­nisse scheint für uns die Richtigkeit unserer Annahme zu sprechen, daß entwick­lungspsychologische Faktoren, also die Pubertät und zwar wieder eine bestimmte Phase der Pubertät, erheblichen Anteil am Zustandekommen der Verwahrlo­sung haben. (S 50)

Wenden wir uns nun der eigentlichen Fragestellung der Arbeit „Wie ist Grad und Art der Intelligenz sexualdepravierter junger Mädchen“ zu. (S 50)

Es stehen somit 32 durchschnittlich begabten Versuchspersonen 68 intellektuell reduzierte Versuchspersonen gegenüber.

Mit anderen Worten ausgedrückt: wir können als Ergebnis unserer Untersuchun­gen festhalten, daß 2/3 der untersuchten Personen debil, d.h. intellektuell erheb­lich reduziert sind. [Hervorhebung von Estl] (S 51)

Das Resultat der Untersuchungen übertraf in seinem Ergebnis hinsichtlich des Prozentsatzes die Erwartung, die auf Grund beruflicher Erfahrung im Umgang mit dem speziellen Material gehegt werden konnte, sodaß die Frage nach der Art der Intelligenz dieser Mädchen aufstieg. (S 52)

In unserem Material übertraf die Anzahl der Debilen und Grenzdebilen die durch­schnitt-gemäße Bevölkerungserwartung um etwa das 10fache.

Anzuführen wäre noch, daß wir, was den Bereich der theoretischen Intelligenz an­langt, wiederholt Versuchspersonen hatten, die so erheblich reduziert waren, daß sie bereits als imbezill angesprochen werden müßten. (S 54)

Die bei der Frau als naturgewollter Trägerin der Fortpflanzung - im Gegensatz zum Manne - zentralere Stellung der Sexualentwicklung im Rahmen ihrer Persön­lichkeitsentwicklung bedingt bei Depravierten meist auch eine gestörte Persön­lichkeitsbildung, die sich vor allem in der sozialen und beruflichen Unange- paßtheit verschiedener Grade äußert.“ (S 57)

An dieser Stelle fügt Estl - auf der Seite unten - eine Anmerkung ein, wonach die Frage „der gestörten Persönlichkeitsentwicklung“ einer geplanten Folgearbeit vorbehalten bleiben muss. Eine derartige Folgearbeit ist nicht veröffentlicht worden. Die Formulie­rung der Lagerleiterin von Uckermark, Lotte Toberentz, die in die gleiche Richtung geht, nimmt sich gegen den Text von Estl - „Minderbegabung“ und nicht „imbezill“ - geradezu zivil aus:

„Der Typ des kriminellen und asozialen Mädchens ist einheitlicher geprägt [als die männlichen Inhaftierten in Moringen, Anm. Regina Fritz]. Ursache und Art des Entgleitens sind immer wieder entscheidend bedingt durch Triebhaftigkeit, die in Verbindung mit Hemmungslosigkeit und Minderbegabung zur sexuellen Ver­wahrlosung führt.“610

Die am Ende der Arbeit ausgeführten Vorschläge Estls sind von außerordentlicher Reichweite, es soll eine spezielle „Gefährdetenfürsorge“611 eingerichtet werden, hier wird wiederum in der Anmerkung auf „Näheres in der fürsorgerischen Auswertung der Arbeit“ verwiesen, zu der ohne Kenntnis interner Quellen nichts ausgesagt werden kann.

„Es liegt bei unseren, als Persönlichkeiten primitiv strukturierten Versuchsperso­nen ein durch Verwahrlosung und Depravation vermehrtes, der Rangordnung der Triebe nicht mehr entsprechendes Überwiegen des Sexualtriebes vor, das sich in einem Zustand sexueller Übererregbarkeit auswirkt, welcher besonders bei „aku­ter“ Depravation bis zur Unansprechbarkeit der betreffenden Personen gesteigert sein kann, und wie die Zahl unserer Testverweigerer bei Frischverwahrlosten zeigt, meist auch gesteigert ist. (S 57)

[Wechsler] unterstreicht, daß das Problem der defekten Intelligenzen weit davon entfernt ist, einheitlich zu sein und unterscheidet 3 Gruppen:

1. Intelligenzdefekt - mit dem Test zu erfassen
2. Sozialdefekt - wofür die Lebensgeschichte das bezeichnende Kriterium dar­stellt,
3. Emotional- oder Moraldefekt - Wechsler gibt keine Definition, nur den Hin­weis, daß deren Existenz jedem, der schon an einer größeren Klinik gearbeitet hat, evident ist.“

Estl gibt hier einen Hinweis auf die „Wissenschaftlichkeit“612 dieses Testpsychologen: „Moralische Minderwertigkeit“ ist „jedem, der schon an einer größeren Klinik gearbei­tet hat“ evident, das heißt, das bloße Innehaben einer bestimmten Funktion legitimiert (Vor-)Urteile.

„Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß wir bei der Untersuchung der Intelligenz sexualdepravierter junger Mädchen beim überwiegenden Teil erheb­lich reduzierte, unharmonisch, im theoretischen Bereich stark abfallende, im prak­tischen besser begabte Intelligenzen vorfanden, daß aber auch die weniger redu­zierten Begabungen infolge einer durch Sozial- und Moraldefekt bedingten be­trächtlichen Persönlichkeitsstörung nicht zur Auswirkung kommen. (S 58)

Sie stellen sich dadurch außerhalb des Rahmens des Sozialgefüges, opponieren gegen die Anforderungen der Gesellschaft und bilden - wie später noch zu erör­tern sein wird, eine eigene, ,dissidente Gesellschaft (im Sinne Rutishausers) der Sexualdepravierten. (S 72)

Von den 100 Versuchspersonen stammen nur vier aus geordnetem Milieu und vierzig, das ist das 10fache, aus verwahrlostem Milieu. (S 73)

Bei der sittlichen Gefährdung scheint somit den Milieufaktoren eine größere Be­deutung zuzufallen als beim kriminellen Abgleiten.“(S 74)

Die „Milieufaktoren“ konstituieren nach Estls eigenen Thesen ja die „sittliche Gefähr­dung“, es ist deshalb kaum überraschend, dass ihnen „eine größere Bedeutung“ zu­kommt.

„Eine besondere Schädigung durch die Tatsache der außerehelichen Geburt an sich (25% der Vpn) konnten wir angesichts der auch bei den ehelich Geborenen defekten Familienstruktur nicht nachweisen.

An kriminellen Delikten (soweit uns auf Grund amtlicher Unterlagen bekannt ge­worden ist) fanden wir Diebstahl, Vagabondage, Gewalttätigkeit, ferner immer wieder Übertretung der Meldevorschriften. (S 79)

Auf Grund der ausführlichen Explorationsprotokolle konnten wir festhalten, daß überwiegend Soldatenverkehr bei 36%, überwiegend Zivilistenverkehr bei 64% unseres Materials erhoben werden konnte. (S 80)

1/3 unserer Versuchspersonen war pyknisch, etwa 1/4 athletisch und nur etwa 1/5 war leptosom, der Rest Mischformen.“

Es wird eine „Zuordnung zu den Typen nach Kretschmer“ vorgenommen:

„Aus diesen Ausführungen kann geschlossen werden, daß die zykloiden Tempe­ramente, die der pyknischen Konstitution zuzuordnen sind, mit ihrer raschen Umstellbarkeit, geschwätzigen Heiterkeit, der extensiven Auffassung, ihrer ra­schen Beweglichkeit und geringen Intensität, den Verhaltensweisen der Depra­vation entgegenkommen.“

Mit den Hinweis auf die „pyknische Konstitution“ führt Estl einen Anpassungsvorgang an die Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des staatlichen Rassismus durch und entwirft im Sinne Kretschmers eine Art von beliebigem Privatrassismus; diese spezielle Konstitution würde der „Depravation“ „entgegenkommen“: Das Wort „entgegenkom­men“ wird mehrfach verwendet, es umgeht jede logische Stringenz.

„Bei der nun folgenden Zusammenstellung körperlicher Reifung und erstes sexu­elles Ernsterlebnis (vollzogener Koitus) sehen wir, daß eine Reihe von Vpn ihren ersten Geschlechtsverkehr noch vor Eintritt der menses angaben (und dies unbe­schadet des jeweiligen (S 83) Lebensjahres der körperlichen Reifung).

Wie bereits festgehalten wurde, ist ein so zeitiges Einsetzen geschlechtlicher Be­tätigung als für den Verlauf der weiteren Persönlichkeitsentwicklung besonders ungünstig, ja nicht selten als traumatisch und die Mechanismen der Depravation auslösend zu betrachten. (S 84)

Stellen wir uns die Frage, ob der Grad der Intelligenz den Zeitpunkt des ersten Koitus in ein höheres Lebensjahr hinausschiebt, also einen gewissen retardieren­den Einfluß ausübt? Bei den Angaben unserer Vpn diesbezüglich (wir waren auch hier ausschließlich auf ihre Angaben angewiesen) spielte sicher die Kenntnis der Strafbarkeit eines Geschlechtsverkehrs vor dem 14 Lebensjahr eine gewisse Rolle, doch können die Zahlenverhältnisse damit nicht ausschließlich erklärt wer­den. Es ist wohl anzunehmen, daß ein höherer Intelligenzgrad einen gewissen Halt vom Intellekt her vermittelt und retardierend auf den altersmäßigen Zeitpunkt des Einsetzens des ersten Koitus wirkt. Wir sehen an unseren Zahlenverhältnissen, daß die Angabe der sexuellen frühen Ernsterlebnisse auf die intellektuell er­heblich reduzierten Gruppen beschränkt bleibt.“ (S 85)

Die Vermutung, dass „erhebliche intellektuelle Reduktion“ bei dem „Material“ Estls schon durch die Art der Fragestellung, durch vorangegangene Traumatisierung, durch Beeinträchtigung von kindlichen Grundbedürfnissen, gehässige Behandlung, Verweige­rung von Anregungen entstanden ist oder verstärkt wurde, ist zulässig.

„An unserem Material konnten wir sehen, daß sich bei den Versuchspersonen die Ansprüche offenbar in relativ weitgehender Unabhängigkeit von den Gegebenhei­ten geltend machen. „Zweischichtenleben der Depravierten“

Die schriftliche Darstellung des bisherigen Lebens konnten wir von 76% der Ver­suchspersonen erhalten, 24% verweigerten dies ohne Angabe von Gründen, 10 Vpn schrieben nur, daß sie eine schriftliche Darstellung verweigerten.“ (S 87)

Wie erfreulich, dass auch jene, die laut Estl „als imbezill angesprochen werden müssen“ (S 54), Lesen und Schreiben gelernt haben. Entsprechend dem Geburtsjahr der „Vpn“ müssen die Debilen und Imbezilen einen Teil ihrer Heimkarriere in nationalsozialisti­scher Zeit absolviert haben. Die Frage, ob es ähnliche Testergebnisse aus Estls Zeit „in nachgehender Fürsorgearbeit“ am Wohlfahrtsamt Liesing, das die Agenden der Jugend­fürsorge mit übernommen hatte, gegeben hat, könnte nur aufgrund der Archivbestände beantwortet werden. Die damals - von wem immer - als „imbezill“ Getesteten könnten diese Zeit mit einer solchen Diagnose möglicherweise nicht überlebt haben.

[Ein Beispiel ausgewählt von Czi] „Ich bin mit 2 Monat von meine Eltern fort und war bis zu 14 Jahre in die Heime. Dann wurde ich entlassen und kam als Hausge­hilfin nach Wien. Im Jahr 1945 in September komme ich in das Lehrlingsheim ...dort war ich bis 18 Jahre. Dann wurde ich entlassen und lernte 1 Ami kennen, mit den bin ich gegangen 8 Monat und das war ein Mensch den habe ich gerne gehabt - Und jetzt bin ich 21 Jahre und mein Leben ist ruiniert, da ich nie eine Mutter gekannt habe.“ (S 90)

Die hier zitierte “Prot. Nr. 27“ gehört übrigens zur „Gruppe der Debilen“, es wird der gleichen Protokollnummer auf Seite 97 vorausgesagt, dass „einem Abgleiten in die Prostitution kaum entgegengewirkt werden kann.“ Diese Formulierung soll die Not­wendigkeit einer unbefristeten Verwahrung nahelegen.

„Aus diesen wenigen, ausgewählten Beispielen ersieht man, daß die Darstellung neben der Primitivität unkritisch ist und die objektiven Vorgänge nicht, oder nur beschönigend erwähnt sind.“ (S 90)

Was in der kurzen Lebensgeschichte dieser jungen Frau, “Prot. Nr. 27“, „die nie eine Mutter gekannt hat“, beschönigend sein soll, ist wohl nur für Estl selbst nachvollzieh­bar. (Es könnte sein, dass die Mutter von Prot.Nr.27, die die junge Frau nie gekannt hatte, als Prostituierte vermerkt war. Das Kind wäre verpflichtet gewesen, diesen Um­stand anzugeben.)

„Die erhobenen Zahlen zeigen, daß ca 3/4 der Versuchspersonen keinen Lebens­plan haben und sich von den (S 91) Eingebungen des Augenblicks treiben lassen.“

Das Fehlen eines Lebensplanes wird von mehreren anderen Autorinnen beklagt, gehört aber nicht nur zum Inventar der „Verkommenheit“ von Fürsorgezöglingen, sondern auch zur „Verkommenheit“ der „heutigen Jugend“ insgesamt. Eine „augenblicksbezo­gene Grundhaltung“ wird auch in einer kulturpessimistischen Anwandlung in der histo­rischen Selbstdarstellung des Jugendamtes noch 1987 beklagt, aber für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen und zwar vermutlich von Hermine Koller.613

„Wenn wir nun abschließend einen kurzen Überblick über die Sexualdepravation geben wollen, so müssen wir uns um des besseren Verständnisses willen auch noch die kindlichen Sexualerlebnisse erwähnen, die im ungünstigen häuslichen Milieu mit der mangelhaften Erziehung und Beaufsichtigung ungleich häufiger sind, als man anzunehmen geneigt ist: frühzeitige Aufklärung über das Ge­schlechtsleben, sei es durch Bücher oder Wahrnehmungen im Elternhaus oder auf der Straße (Wohnungsnot und schlechte wirtschaftliche Verhältnisse verschärfen die Situation noch mehr). Eine spätere Depravation bereitet sich gewöhnlich und in der Mehrzahl der Fälle in frühkindlichem, übersteigerten(sic!) Sexualinteresse vor.“ (S 94)

An dieser Stelle wird die Schuldumkehr, von der bei anderen Autorinnen nur andeu­tungsweise die Rede ist, präzisiert, allerdings dreht sich die Argumentation ein bisschen im Kreise: einmal führt die „Erregung“ zum Missbrauch, dann wieder der Missbrauch zur „Erregung“:

„Diese Interessen sowie eine frühzeitige Erregung und Übersteigerung des Sexu­altriebes können zu einem Mißbrauch oder zu einer Schändung des Kindes durch verantwortungslose, abnormale Erwachsene führen. Eine Schändung bedeutet in der Mehrzahl der Fälle einen traumatischen Eingriff in die normale Entwicklung eines jugendlichen Individuums und hat sexuelle Übererregung zur Folge. Wird dieser Entwicklung nicht Einhalt geboten, so kann unter Umständen in der Puber­tät die Triebsteigerung so weit gehen, daß es zur (S 95) Lösung von der psychi­schen Seite der somatischen Genitalerregungen kommt und die Mechanismen der Depravation einsetzen.

Hier kommt das Dornröschen-Märchen ins Spiel, der Volksglaube nämlich, dass das erste Auftreten von weiblicher Libido von der Aktivität eines Mannes ausgelöst wird.

Mitgefühl mit den - aus welchen Gründen immer - verstörten Geschöpfen kennt Estl nicht. Nie spricht Estl von den eigenen Gefühlen, nie wird von der eigenen Irritation gesprochen, nie von der Wut und Hilflosigkeit, die entstehen mussten als naheliegende Reaktion auf die unerträgliche Peinlichkeit beim Anblick eines Kindes, das seine Ver­letzungen - „sexuelle Übererregung“ - hinausschreit.614

Ernst Berger hat eine Arbeit vorgelegt, in der eine reaktive psychische Störung intellek­tuell behinderter Frauen beschrieben wird, aufbauend auf dem Wissen, dass sexueller Missbrauch in der Familie an behinderten Frauen zu charakteristischen psychopatholo- gischen Reaktionsbildungen führt, zu Veränderungen des Realitätsbezugs und zu Be­wusstseinsstörungen. „Die verbleibende Ausdrucksebene ist das demonstrative Agieren mit (mehr oder weniger) symbolischen Inhalten.“ Er fasst diese Erscheinungen - Psy­chosen nach schwerer Traumatisierung - unter dem Begriff „Ophelia-Syndrom“ zu­sammen.615

„Aus der anfänglich hemmungslosen und wahllosen Triebbefriedigung wird dann die Einnahmsquelle und ein trügerisch einfacher Gewinn. Aus den komple­xen soziologischen Beziehungen, in die jedes Individuum eingebettet ist, löst sich eine Bindung nach der anderen. Im Verlauf unserer Arbeit konnte der Nachweis erbracht werden, daß diese Mädchen in vielfacher Hinsicht geschädigt sind: Im überwiegenden Teil fand sich ein Intelligenzdefekt als Voraussetzung für die Depravation, diese störte wieder die Persönlichkeitsbildung und erschwerte die Berufseingliederung. Durch das Phänomen der Sexualdepravation wird in der weiteren Folge die Persönlichkeit soweit abgebaut, daß die Mädchen dumpf und primitiv, ohne planende Vorausschau, ohne Interessen, ohne Einsichten auf nied­rigster Stufe dem Augenblick leben. (S 95)

Auch in ihren Sozialbezügen sind sie gestört: von der Gesellschaft ausgeschlos­sen, deren Lebensgesetze sie mißachten, bilden sie eine Dissidentengruppe der Depravierten innerhalb welcher sie eine feste Rangordnung haben, die durch Rangkämpfe zu ihren Gunsten geändert werden soll. Am tiefsten Punkt ihres sozi­alen Abbaus treffen wir sie dann, ohne Unterstand, ohne Geld und immer wieder krank, von der Polizei aufgegriffen, eingesperrt und im Spital.“ (S 95)

Diese Passage bedient sich literarisch-poetischer Mittel, die soziale Abwehr verdichtet sich zu einem Fluch.

Auf den folgenden Seiten wird eine Art „Gutachten“ durch Systematisierung der „Er­gebnisse“ erstellt, mit Fremdwörtern angereichert und mit einer „Prognose“ abgeschlos­sen. Die Imitation des Gebarens der Gutachter - Psychiater und „Heilpädagogen“ - etabliert verbal den gewünschten Status.

Das Konstrukt Estls wird zu einem „Phänomen“, also zu einer Erscheinung in der Wirk­lichkeit.

„Wenn wir nun als Abschluß unserer Arbeit eine Einteilung der Sexualdepravati­on versuchen wollen, so soll dies nach den 3 Gesichtspunkten geschehen, die - wie wir im Verlaufe unserer Untersuchungen beweisen konnten - für Entstehung und Ablauf dieses Phänomens relevant sind: ...“ (S 96)

Es folgen Vorschläge der Autorin; die von ihr „angeregten Maßnahmen“ scheinen auf den ersten Blick einzig und allein aus einem ausgeprägten Selbstwertgefühl zu fließen, schon weil sie sich fernab von den Grundprinzipien eines demokratischen Staatswesens bewegen. Ohne Kenntnis der internen Vorgänge können Nachweise über die Implemen­tierung ihrer Vorschläge nicht erbracht werden, man kann aber von einer freundlichen Stimmung für die Überzeugungen Estls an ihrem Dienstort ausgehen.

Wie bereits mehrfach erwähnt, hatte der Gedanke eines „Bewahrungsgesetzes“ breite Unterstützung bei Vertretern der Fürsorgebranche.616 Die Zentrumspolitikerin und Für­sorgerin Helene Wessel setzte sich sowohl in der NS-Zeit als auch in der Nachkriegszeit für die zeitlich unbegrenzte Verwahrung von Frauen ein.617

In Wien war zur Zeit der Abfassung dieser Dissertation die Diskussion über die Mit­gliedschaft Ouredniks bei der NSDAP beendet und da sein Dienstverhältnis ungestört von diesen Diskussionen weitergelaufen war, wurde er 1950 definitiv gestellt.618 Es sollte ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz geschaffen werden und Ourednik dürfte der einzige in ganz Österreich gewesen sein, der zur legistischen Arbeit an einem solchen Gesetz befähigt war. Er konnte sich vermutlich sein eigenes Gesetz zusammenstellen,619 hielt sich aber sehr eng an das RJWG 1922 / die Jugendwohlfahrtsverordnung 1940 [siehe 6.], an Gesetze, die obrigkeitsstaatlich verfassten Gemeinwesen angemessen wa­ren. Die weitergehenden Vorschläge Estls griff selbst Pg. Ourednik nicht auf.

„Die Ergebnisse unserer Arbeit können einer speziellen Gefährdetenfürsorge (Anm.: Näheres in der fürsorgerischen Auswertung der Arbeit), einer Vereinheit­lichung und Zusammenfassung der auf dem einschlägigen Gebiet von den ver­schiedenen Institutionen unternommenen Teilaktionen als Diskussionsgrundlage dienen.

Jugendliche Depravierte sind in den entsprechenden Erziehungsanstalten unterge­bracht, müssen aber aus der im Jugendwohlfahrtsgesetz festgelegten Fürsorgeer- ziehung meist frühzeitig wegen Aussichtslosigkeit entlassen werden.620 Die bisher durchgeführten Maßnahmen für erwachsene Depravierte sind überwiegend ge­sundheitlicher Art und beschränken sich auf die von den Sanitätsgesetzen umfaß­ten Fälle. Die Depravierten sind also fürsorgerisch keineswegs lückenlos und wirksam betreut.

Es darf nach den Ergebnissen vorliegender Arbeit als nachgewiesen gelten, daß die auf dem Boden beträchtlicher intellektueller Reduziertheit zustande gekom­menen Sexualdepravation die Individuen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Sozialanpassung so beeinflußt, daß sie außerstande sind für sich selbst Sorge zu tragen, daß sie „hilfsbedürftig“ (im fürsorgerechtlichen Sinn) werden und spe­zielle Fürsorge, Erziehung und eventuell Unterbringung in speziell eingerichte­ten Anstalten benötigen.“

Diese Arbeit wurde im Jahre 1952 geschrieben und abgeschlossen; der Hinweis auf den Zeitpunkt der Abfassung der geäußerten Vorschläge scheint immer wieder erforderlich zu sein.

„Um eine breite Basis aller interessierten Stellen zu schaffen sei die Bildung einer ARBEITSGEMEINSCHAFT [Hervorhebung Estl] aller mit dem Problem der Depravation befaßten Stellen (Jugendamt, Erziehungsberatung, Gesundheitsamt, Anstaltenamt, Polizei-GMReferat, etc.) angeregt. (S 98)

Die angestrebten Synergien erinnern stark an die Zusammensetzung der Asozialen- kommissionen.

Vorzuschlagen ist:

1. Früherfassung der Depravationsgefährdeten. (Sexuelle Früherlebnisse, beson­ders im schlechten Milieu, Überwachung in geeigneter Form durch Jugendamt und Erziehungsberatung),
2. Ausbau der Schwachsinnigenfürsorge621 (Schulmädchen und -19 Jahre) Er­weiterung der gesetzlichen Grundlage,
3. Aufbau einer entsprechenden Nachfürsorge für Sexualdepravierte (Perso­nen ab 18 Jahre), Nacherziehung für Erwachsene.“ (S 99)

Die Idee Marianne Estls in Analogie zur Jugendfürsorge eine Art „Frauenfürsorge“ ein­zuführen, für „schwachsinnige“ Frauen oder für Frauen, denen man sexuelle Aktivitäten vorwerfen kann, ließ sich jedenfalls - in der von ihr vorgeschlagenen Form einer vor­beugenden „Schutzhaft“ in Zwangsarbeitsanstalten ohne zeitliche Beschränkung - nicht umsetzen.

Zwanzig Jahre später, 1979, als Leiterin der „Erziehungsberatung“, in einem Text zu „Überlegungen zum neuen Jugendwohlfahrtsgesetz aus psychologischer Sicht“622 scheint Estl ihre eigenen Positionen zu relativieren, wohl auch im Interesse einer „mo­derneren“ Legitimierung von Heimerziehung:

„... diese Progredienz, welche meines Erachtens den quasipönalen Charakter des bisher geltenden Jugendwohlfahrtsrechtes mitbestimmte, sollte zugunsten der problemrelevanten Intervention zurücktreten. Es war eine besondere Sorge in der praktischen Arbeit, daß die Jugendrichter die Maßnahme je nach der Schwere der Verfehlung wünschten (analog zum Strafrecht); Verwarnung, dann verschiedene Steigerungen und als Letztes, fast als Drohung gab es die Heimeinweisung. Das scheint uns von den psychologischen Erkenntnissen her nicht vertretbar.“623

Im Jahre 1954 enthält das Jahrbuch der Stadt Wien aber unter dem Titel „Fürsorgeer­ziehung und Schutzaufsicht“ einen Text, der durchaus von Estl verfasst worden sein könnte:

„Der Erziehungserfolg war wie bisher bei den männlichen Zöglingen größer als bei weiblichen. Dies erklärt sich daraus, daß es sich bei den Mädchen um Ver­wahrlosung auf sexuellem Gebiet handelt, die die jugendliche Persönlichkeit schwer schädigt, bei den jungen Männern dagegen um kriminelle Neigungen, die durch den Wechsel der Umgebung und Gewöhnung an produktive Arbeit besser überwunden werden können. Bemerkenswert ist, daß die zunehmende Verwahrlo­sung bei weiblichen Jugendlichen im Jahre 1954 zu Schwierigkeiten geführt hat, weil diese über kein Personal verfügen, das den besonderen Anforderungen ge­wachsen ist. Der Orden vom „Guten Hirten“, der in seinen Heimen seit Jahrzehn­ten den Großteil der Wiener Fürsorgezöglinge betreute, hat den Vertrag mit der Gemeinde Wien aus solchen Erwägungen gekündigt.“624

Um den Realitätsgehalt dieser Aussagen zu überprüfen, müssten weitere Quellen heran­gezogen werden. So berichtet Koller in der historischen Darstellung, dass das Fürsorge­erziehungsheim „Zu den guten Hirtinnen“ in Theresienfeld wegen des Mangels an qua­lifiziertem Personal aufgelassen wurde625, und nicht wegen einer „zunehmenden Ver­wahrlosung bei weiblichen Jugendlichen im Jahre 1954“.

Es fällt aber immer wieder auf, dass der Erziehungserfolg der eigenen Bemühungen nicht nur von Estl außerordentlich schlecht beurteilt wurde, auch und besonders bei Zöglingen, die ihr ganzes Leben in Heimen verbracht hatten.

In der historischen Selbstdarstellung des Jugendamtes wird erwähnt, dass - in einer nicht genannten Quelle - von einer Zunahme der Erziehungsschwierigkeiten bei Kin­dern und Jugendlichen berichtet wurde.626 Trotzdem wiesen die Zahlen jener Kinder, die in Fürsorgeeinrichtungen kamen, „eine sinkende Tendenz“ auf, so wird - vermutlich von Koller - geklagt.

„Es zeigte sich nämlich zunehmend, daß der Nacherziehungserfolg selbst im Rahmen der Fürsorgeerziehung oft relativ gering war. Bei Burschen wurden rund 57%, bei Mädchen rund 44% als erfolgreich abgeschlossene Fürsorgeerziehungen ausgewiesen.“627

Die Prozentzahlen der „Erfolge“ sind natürlich wegen des Fehlens von objektvierbaren Kriterien völlig irrelevant. Noch im Jahre 1993 konstatierte eine Wiener Diplomarbeit:

„Inwieweit die Fremderziehung in Wien mit Erfolg arbeitet, kann nicht beantwor- tet werden, da diesbezügliche Langzeituntersuchungen nicht vorhanden sind.“628

Man könnte zu dem Schluss kommen, dass die große Zahl der Misserfolge, die so be­reitwillig zugegeben wurde und die trotz Ausschöpfung aller Erziehungsmittel Bestand gehabt hätte, zum Beweis dafür dienen sollte, dass die Zöglinge in ihrem Menschsein unheilbar (erblich) minderwertig gewesen wären, die Mädchen in Hinblick auf das be­sondere Gefährdungspotential ihrer „Persönlichkeit“, noch ein bisschen minderwertiger als die Buben.

Auch diese Interpretationsstrukturen haben eine weit zurückreichende und weit verbrei­tete Tradition, wie Heike Schmidt für die Weimarer Republik festhalten kann:

„Sexuelles Fehlverhalten von Mädchen und Frauen hingegen schien ihre gesamte Persönlichkeit zu durchdringen. Mit der Einweisung offenbarte sich die vermeint­lich pathologische Persönlichkeit der Mädchen, während bei den Jungen eher Er­ziehungsdefizite vermutet wurden.“629

Mit der Zwangs- bzw. Fürsorgeerziehung war ihre gesamte Persönlichkeit für den Rest ihres Lebens diskreditiert.

Marianne Estl orientiert sich später, wie einem 1963 erschienen Aufsatz zu entnehmen ist, an Erwin Ringel und dem Begriff der „Neurose“, unter Beibehaltung des Begriffs der „Depravation“:

„Ebenso war in nahezu allen Fällen eine Depravationsentwicklung im Sinne der von mir seinerzeit aufgestellten Definition (nach Art, Grad und Häufigkeit nicht der Alterserwartung entsprechende Sexualbetätigung) festzustellen. Auch diese Entwicklung war durch neurotische Mechanismen fixiert.“630 „... sogar die Ruhigstellung der Mädchen durch Herausnahme aus dem Konflikt­milieu [geschieht] nicht in dem Umfang, der zu wünschen wäre. Der hohe Pro­zentsatz unserer Mißerfolge ist beunruhigend, .“631

Gefordert wird nunmehr eine „wirksame, allen psychologisch-psychiatrischen Anforde­rungen Rechnung tragende Beobachtungsstation“, mit „entsprechenden Therapiemög­lichkeiten“ und „ein dichtes Netz therapeutisch geführter, kleiner Heime“; die Aufent­haltsdauer soll nun nicht mehr unbefristet sein, sondern drei bis sechs Monate betra- gen.632

10.2 Hermine Koller

Hermine Koller, geboren im Jahre 1928, hat die zweijährige Fürsorgeschule der Stadt Wien besucht, sie war von 1950 bis zum Abschuss ihres Studium und ihrer Dissertati­on633 bei Sylvia Bayr-Klimpfinger 1962 als Fürsorgerin am Jugendamt beschäftigt und dann ab 1964 im Psychologischen Dienst und ab 1983 als Nachfolgerin Marianne Estls dessen Leiterin.634 Ihre Dissertation bietet also einen authentischen Katalog von im Jugendamt vertretenen Sichtweisen an Hand von 25 Fallgeschichten auf 283 engbe­schriebenen Seiten („Anhang“) und 180 Seiten635 theoretischer Fundierung. Die Arbeit wurde im Dienststand mit Unterstützung der Behörde, Angehörigen beider großen Par­teien, durchgeführt.

„Frau Senatsrat Dr. Koller“ wurde noch im Jahre 1987 mit der Redaktion eines Teiles des Berichtes des Jugendamtes636 zu seinem 70jährigen Bestehen beauftragt.

Die bereits erwähnte historische Arbeit, ebenfalls unter der Herausgeberschaft des Wie­ner Jugendamtes, ein graphisch bescheiden gehaltenes Nebenprodukt der genannten Festschrift, hat Hermine Koller 1990 ganz allein verfasst.637

In dieser Arbeit wird auch die Situation im Heim Rochusgasse im Jahre 1950 erwähnt: zu dieser Zeit „befaßte sich die Erziehungsberaterin mit 401 Jugendlichen, 42 von die­sen waren geschlechtskrank, fünf gravid. 85 von diesen waren von der Polizei aufge­griffen worden (weit mehr als Burschen).“638 Es gibt keinen Hinweis auf die Inzidenz von Geschlechtskrankheiten in der Gesamtbevölkerung und auch keinen auf den Pro­zentsatz von jugendlichen Erstgebärenden.

Die Diagnose „sexuell verwahrlost“ ist verknüpft mit den Prozentzahlen der Ge­schlechtskrankheiten in der Gruppe, der die Betreffende zugezählt wird, der Hinweis auf das Vorkommen einer Geschlechtskrankheit entwertet nicht nur sie selbst, sondern alle mit ihr gemeinsam genannten.

„Die Diagnose einer Geschlechtskrankheit genügte zur Stigmatisierung als „aso­zial“.639

Was Herwig Czech für das Vorgehen der NS-Behörden gegen Frauen beschreibt, findet sich in den Äußerungen von Estl und Koller wieder.640

Die hier von Koller genannten Zahlen sind genauso im Verwaltungsbericht641 enthalten. Bei den Mädchen wird die Zahl der Geschlechtskranken angegeben - nicht so bei den Burschen (im Durchzugsheim „Im Werd“): ihr Geschlecht ist „rein“, sie stellen keine Ansteckungsgefahr dar.

Koller stellt auch die Zeit, die sie gar nicht selbst in verantwortlicher Position erlebt hatte, überaus verständnisvoll dar, sie beschreibt, wie sich der Aufgabenkreis des „Er­ziehungsberaters“ in der NS-Zeit ausweitete:

„Das Verwaltungsjahr 1942/43 zeigt als neuen Anlaß für die Vorstellung eines Jugendlichen in der Erziehungsberatung Arbeitsflucht auf, er ist mit 16,6 Prozent belegt. Die Anzahl der Jugendlichen, die in der Erziehungsberatung vorgestellt wurden, war steigend, ... „642

Unerwähnt bleibt in dieser historischen Darstellung, dass in ihren eigenen „Fallge­schichten“ die „Arbeitsflucht“ - unter der Formulierung „die berufliche Eingliederung ist nicht gelungen“ - bei allen von ihr beschriebenen irgendwie dem Jugendamt bekannt gewordenen weiblichen Jugendlichen Anlass für die Einweisung in ein geschlossenes Erziehungsheim darstellte und somit der nationalsozialistische Arbeitszwang in der Nachkriegszeit, noch in den 1960er Jahren, verallgemeinert wurde. Im allgemeinen Teil ihrer Dissertation regt Koller den Ausbau des Heimwesens an „vor allem in Hinblick auf die Arbeitserziehung der Jugendlichen“643.

Zwischen 1947 und 1966 kam zu einer Zunahme der fremduntergebrachten „Verwahr­losten“ von 2.500 „auf über 4000“644 (Zählweise Koller), wie von Koller in der Selbst­darstellung des Wiener Jugendamtes 1987 berichtet wird, die Anzahl der Jugendlichen, die in der Erziehungsberatung vorgestellt wurden, stieg in diesem Zeitraum an, ähnlich wie oben für die Zeit des Nationalsozialismus ab 1942 beschrieben.

Karl Ourednik war in jenem Zeitraum, in dem die Zahl der Heimkinder so stark anstieg und offenbar im Jahre 1967 ihr Maximum erreichte, Leiter des Jugendamtes. Ab 1. Jän­ner 1968 war Dr. Walter Prohaska Leiter des Jugendamtes.645

In der Einleitung der gleichen Publikation andererseits gilt es im Jahre 1987 als Erfolg, dass die Zahlen der fremduntergebrachten Kinder zwischen 1967 und 1986 von 5.472 auf 3.866 absanken.646

Eine - wie immer - objektivierbare Notwendigkeit für die Zunahme der Heimeinwei­sungen lässt sich in dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs kaum finden. Es bleibt nur - wie in der NS-Zeit auch - das zunehmende Interesse an ordnungspoliti­schem Druck als Erklärung, ein Interesse, das von Koller deutlich geteilt wird und das in den 1970er Jahren an Legitimation verlor.

Die „Polizei-Verordnung zum Schutze der Jugend“ vom 10. Juni 1943 blieb bis 1963 in Geltung und wurde intensiv genutzt; sie wurde vom Wiener Jugendschutzgesetz (LGBl. für Wien Nr. 23) abgelöst.647 Noch zu diesem Zeitpunkt machte man sich große Sorgen um die Jugend und bezog sich auf eine - nicht näher identifizierbare - gute alte Zeit: „Dem Gesetz gingen Beratungen voraus, die ... aufzeigten, daß die heutige Jugend für eine echte Gefährdung anfälliger ist, .“648

Bei einem Großteil der 25 Fallgeschichten Kollers ist aus heutiger Sicht ist überhaupt kein Problem zu erkennen; es geht um Nicht-Arbeit von einigen Wochen, Wechsel des Arbeitsplatzes, Geschlechtsverkehr, Übernachten außerhalb der Wohnung des „Erzie­hungsberechtigten“, kleine Reisen, Verdacht auf Diebstähle, Abenteuerlust. In einem Fall „ging“ das zu disziplinierende Mädchen vom Lehrlingsheim zu den Eltern „durch“!

Das alles wird jeweils als zu strafende Handlung präsentiert, für die mehrjähriger Frei­heitsentzug die angemessene Folge ist. Die Überfüllung der Heime, die - heute als Ent- schuldigung vorgebrachte - Überlastung der Erzieherinnen, ist also eine selbstprodu­zierte649, eine solche Politik ist nur denkbar, wenn die Kosten der Heimunterbringung durch schlechte Versorgung und Verwertung der Arbeitskraft der Insassinnen niedrig gehalten werden können.

Neben dem ungestörten Fortschreiben nationalsozialistischer Überzeugungen und Ein­richtungen, der Kontinuität des Führungspersonals, biete ich eine weitere Erklärung an: der Bedeutungsverlust von konfessioneller Bindung führte in den 1950er Jahren zu ve­hementen Gegenreaktionen650:

„.. .der bereits seit Kriegsende unternommene und Mitte der 50er Jahre wieder in­tensivierte Versuch, durch eine Betonung der christlichen Grundlagen von Staat und Gesellschaft und insbesondere durch eine Rekatholisierung die wegbrechen­den Stützpfeiler der traditionellen Gesellschaft zu restabilisieren.“651

Die Vorherrschaft der katholischen Kirche auf dem Gebiete der Schule und der Bildung in Österreich galt umso mehr auch für „Schwererziehbare“. Klösterliche652 Lebensfor­men sollten als allgemeingültiges Vorbild etabliert werden, Redeverbote waren üblich. Es ging nicht darum, die Abweichung von der gesellschaftlichen Norm zu sanktionie­ren, sondern die eigenen Normen, nicht nur auf dem Gebiet der Sexualmoral, durchzu­setzen, dafür nahm Koller völlig selbstverständlich die Dienste der Polizei in Anspruch.

Wie schon erwähnt, beschreibt Koller die Aufgaben ihrer Vorgänger als „Begutach­tung“ der vorgestellten Kinder; der „Erziehungsberater“ hätte „im Falle der Anstaltsbe­dürftigkeit eines Kindes dessen Abgabe in die entsprechenden Anstalten vorzuse- hen“653, Koller nennt mehrfach den Namen Winkelmayer. Auch erwähnt sie, dass diese Aufgabe dem „Erziehungsberater“ insbesondere in „heiklen“ Fällen vorbehalten war, [siehe 7.] die Meldungen der vom „Erziehungsberater“ zu begutachtenden Kinder er­folgten auch in der NS-Zeit selbstverständlich über die Fürsorgerinnen.654

„Berüchtigt wurde jener Teil der Einrichtung „Am Spiegelgrund“, der dem Ge­sundheitsbereich unterstand und in dem, wie später bekannt wurde, umfangreiche Untersuchungs- und Euthanasieprogramme an Kindern ausprobiert wurden.“655

Nach dem Ausprobieren der Euthanasieprogramme waren die Kinder tot.

In beiden Publikationen,656 herausgegeben vom Jugendamt der Stadt Wien, werden die Worte „Euthanasie“ und „euthanasieren“ ohne Anführungszeichen verwendet. Auch Mischlinge, ebenso Minderwertige und Erbuntüchtige tauchen im Jahre 1990(!) ohne Anführungszeichen auf.657.

In einer Dienstanweisung aus dem Jahre 1950 heißt es:

„Der Erziehungsberatung sind grundsätzlich folgende Erziehungsfälle vorzustel­len: Fälle, in denen die Einweisung in eine Anstalt aus Erziehungsgründen oder in die Beobachtungsstation beabsichtigt ist, sowie Erziehungsfälle, die über gerichtl. oder polizeil. Anzeigen wegen schwerer Verwahrlosung anhängig werden.“658

Die „Amtliche Erziehungsberatung“ wäre in die Kinder- und Jugendpsychologischen Beratungsstellen integriert worden, wo „psychologisch-therapeutische Interventionen“ eingesetzt worden wären.659

„Die Scheidung zwischen den Fällen der Beratungsstelle und jenen der Amts­Erziehungsberatung könnte man ... folgendermaßen skizzieren: all das, was zur ... Einflußnahme eines gewissen amtlichen Drucks bedarf, ... In diese Gruppe fal­len sowohl die desinteressierten, uneinsichtig konzeptlosen und gewalttätigen El­tern als auch die schulstürzenden, strabanzenden und in krimineller Hinsicht ge­fährdeten Kinder. Ferner durchlaufen jene Fälle die Erziehungsberatung, über die amtsintern oder seitens anderer Behörden ein schriftliches Gutachten benötigtwird.“660

Auf welcher Seite die Stadtverwaltung stand, kommt in einem Vorwort 1970 von Maria Jacobi, Amtsführender Stadtrat für das Wohlfahrtswesen, in höflicher Verklausulierung zum Ausdruck:

„Der psychologische Dienst ... hat neben seiner amtlichen Sachverständigentätig­keit schon seit langem versucht, Ratsuchende auf freiwilliger Basis „unamtlich“ anzusprechen . Besonders deutlich trat das allerdings erst vor etwa zwei Jahren 1967 mit der Errichtung der Kinder- und Jugendpsychologischen Beratungsstel­len in Erscheinung.“661

Die seit den 1970er Jahren einsetzenden Reformversuche mussten vermutlich auf die Forcierung von Parallelstrukturen zurückgreifen, die alten Strukturen konnten sich of­fenbar nicht erneuern. Der zentrale Verschubbahnhof für die zu Deportierenden von einem Heim, das sie los werden wollte in ein anderes Heim, zum Zweck der Drohung, der Vereinzelung und der Vereinsamung, zur Durchsetzung administrativer Willkür662 namens „Erziehungsberatung“ konnte offenbar nicht zu einer unterstützenden Beratung umgebaut und erst nach langer Zeit abgeschafft werden.

Im Jahre 1983, Koller wurde Leiterin der Erziehungsberatung und gibt einen Überblick über die Tagungsberichte seit 1954. „Dieser Überblick zeigt, daß die Jugendamtspsy­chologen in einer jahrzehntelangen Tradition stehen, die weiterentwickelt werden soll.“ Inmitten von ganz neuen Themen, „systemischer Sichtweise“, „Familientherapie“, „Paartherapie“, besteht sie auf ihrer selbstgewählten Lebensaufgabe, die sie mit Mari­anne Estl teilt: dem Einsperren von Mädchen:

„... (bemerkt sei, daß schon im Jahre 1954 Heimplätze für sexuell depravierte, disziplinär schwierige Schulmädchen nicht ausreichend vorhanden waren).“663

Zwischen 1973/74 bis 1982/83 führte der „Psychologische Dienst“ - im gleichen Zeit­raum war Marianne Estl Leiterin der „Erziehungsberatung“ - auch die Eignungsuntersu­chungen für die Aufnahme in die Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Stadt Wien durch. Danach zog die neugegründete „Akademie für Sozialarbeit der Stadt Wien“ unter der Leitung von Maria Simon diese Aufgabe an sich.

Koller promovierte im Jahre 2008, im Alter von 80 Jahren, noch einmal und zwar in Theologie über „Drittgeborene Kinder Benedikts. Geschichte und Gegenwart der Bene­diktineroblaten“664, über klösterliches Leben außerhalb der Klostermauern nach den Regeln Benedikts.

Die Dissertation Kollers 1962 übernimmt von zwei Vorbildern deren Methode, unter anderem einen bis in die banalsten und privatesten Details gehenden Fragebogen,665 und die als Fallgeschichten bezeichneten Klassifizierungen von Individuen,666 die durch die Formulierungskunst Kollers zu einem Höhepunkt dieses literarischen Genres werden.

Durch diese Dissertation, durch die Beschreibung von Alltagsleben mit dem Recht auf moralische (Ab)Wertung, wurde Koller zur „Psychologin“.

Gründe für die Heimeinweisung sind Arbeitslosigkeit, auch kurzfristige, „wechselnde Männerbekanntschaften“ und das „Herumtreiben“, das Zusammenstehen in Gruppen von Jugendlichen, der Besuch von Tanzveranstaltungen, das Wegbleiben über Nacht. Diese Umstände werden sich bei ziemlich vielen weiblichen Jugendlichen finden, so dass das Betätigungsfeld eigentlich grenzenlos ist, andererseits die Auswahl der letzt­endlich Betroffenen willkürlich erscheinen muss.

Das „Durchgehen“, das Übernachten in anderen Wohnungen als in der bisherigen, fand aus Gründen statt, die schon in den 1950er und 1960er Jahren als nachvollziehbar emp­funden wurden: Wenn dem neuen Stiefbruder, mit dem das Mädchen in einem Kabinett zusammen schlafen musste, „die Schändung noch nicht erwiesen ist“, wenn von der Familie des Mädchens nur mehr die Stiefmutter übriggeblieben ist, die auch noch für eigene Kinder zu sorgen hatte, oder wenn aus anderen Gründen kein Platz mehr war. Auch durchtanzte Nächte und Abenteuerlust galten als bedenklich und typisch für die „heutige Jugend“. Als Verbrechen, das mit mehrjährigem Freiheitsentzug zu bestrafen wäre, galt so etwas nur für Betrunkene am Stammtisch, es sei denn, eine Autorität hat dafür die Verantwortung übernommen.

Die Alternativen, die abverlangt werden - Theater, Oper, Operette und Konzert, sonsti­ge Vergeistigungen, in der Heimrealität Schürzen nähen lernen, wirken auf die damit konfrontierten Mädchen so weltfremd, dass sich eine Gesprächsbasis erst gar nicht her­stellt: „wenn man jahrelang im Heim ist, kann man keine Zukunftspläne haben“.667

Koller selbst hat - schon als Dissertantin - Zukunftspläne: nämlich den Ausbau des Heimwesens „vor allem in Hinblick auf die Arbeitserziehung der Jugendlichen“.668 Es sollte eine Ausstattung der Heime „mit modernen Haushaltsgeräten und -maschinen erfolgen, mit deren Handhabung die Mädchen vertraut gemacht werden könnten“ oder „z.B. ein vereinfachtes Fliessbandverfahren, nach dem Kartonagen- oder Papierarbeiten durchgeführt werden“669 zur Verfügung gestellt werden.670

Die zu erziehenden Jugendlichen sollten also „Sacklpicken“, und zwar am Fließband; anders als bei den Häftlingen war ihre Internierung671 zeitlich nur durch das Ende ihrer Minderjährigkeit mit 21 Jahren beschränkt, sie wurden zumeist mit 18 Jahren entlassen, Estl berichtet allerdings in ihrer Dissertation von eine beträchtlichen Zahl von Frauen zwischen 18 und 25 Jahren, die sich - ohne strafrechtlichen Anlass - in geschlossenen Heimen befanden.672

Die Mädchen kamen in das Durchzugsheim Rochusgasse entweder im Rahmen der „freiwilligen Erziehungshilfe“ oder der „gerichtlichen Erziehungshilfe“, weil ihnen „ei­ne Arbeitseingliederung nicht gelungen ist“. Der im Gesetz gegebenen Unterschied ist in der Praxis der Behandlung der beiden Gruppen nicht erkennbar, sie werden unter­schiedslos von Koller „jugendliche Verwahrloste“ genannt; mit wenigen Ausnahmen endet die Geschichte mit der Einweisung in ein geschlossenes Heim, dazu brauchte man das Gericht, das die Verfügungen des Jugendamtes durchzuwinken hatte.

Für die Steiermark in den Jahren 1945-1950 gibt Otto Tumlirz [siehe 10.3.] an, dass nur in einigen wenigen Fällen von insgesamt 800 den Anträgen der Bezirksjugendämter auf Einweisung in die Fürsorgeerziehung nicht sofort entsprochen wurde.673

„Alle administrativen Maßnahmen im System der Fürsorge bilden ... eine Kaska­de der wechselseitigen Bestätigungen, in deren Verlauf die erste, noch in Alltags­sprache, aber oft sehr energisch vorgetragene Diagnose der Fürsorgerin sich Stufe für Stufe in eine scheinbar sichere, psychologisch, ärztlich und juristisch formu­lierte Festschreibung verwandelt.“674

Die Einbeziehung von Gerichten, die dem Vorgehen den Anschein von Rechtsstaatlich­keit geben sollte, hatte offenbar die gleiche Funktion wie die Errichtung der „Erbge­sundheitsgerichtsbarkeit“, die ebenfalls in erster Linie der Suggestion von Rechtssi­cherheit durch das rechtsförmige Verfahren675 diente.

Auf welcher rechtlichen Basis das Wegsperren der „jugendlichen Verwahrlosten“ er­folgte, die der freiwilligen Erziehungshilfe unterlagen, ist unklar. Bei einer ganzen An­zahl der von Koller beschriebenen Lebenssituationen wird nur ein Platz zum Wohnen gebraucht, wenn zum Beispiel die Mutter in ein Spital eingeliefert wurde, solche Situa­tionen werden umgemünzt zur Notwendigkeit der „Erziehungshilfe.

Michaela Ralser kommt zu dem gleichen Ergebnis: „Die im Jugendwohlfahrtsgesetz vorgenommene Differenzierung in Pflegekinderheime und Fürsorgeerziehungsheime ist in der Praxis kaum auffindbar.“676

Und - was für ein Zufall! - Koller findet bei „diesen“ / „solchen“ eine Unzahl von wei­teren gemeinsamen übereinstimmenden Merkmalen und Mängel, obwohl die ursprüng­liche Auswahl der jugendlichen Verwahrlosten nicht nach diesen Merkmalen erfolgt ist.

Erstaunlicherweise werden - schon vor den Beobachtungen und Erkenntnissen Kollers - ganz ähnliche Züge ganz woanders, nämlich in der BRD und dort bei der „Jugend“ insgesamt, nicht bei Fürsorgezöglingen, festgestellt:

„Die Psychologin Helma Engels etwa bezeichnete in der Zeitschrift Jugendschutz die Jugend als eine Gemeinschaft von genußsüchtigen, zügellosen Halbwüch­sigen‘, die vollständig gefangen ist, in ihrer Kinobesessenheit, ihrer erschre­ckenden geistigen Anspruchslosigkeit, ihrer anscheinend willenlosen Triebhaf­tigkeit bis zu restlos verantwortungs-unbewußten frühzeitigen geschlechtli­chen Betätigungen, ohne jegliches Gemeinschaftgefühl, lediglich verhaftet an das gegenwärtige, greifbare Heute‘.“677

Hermine Koller, später an leitender Stelle in der Jugendfürsorge, im Originalton:

„Die jugendlichen Verwahrlosten lassen sich von einem Leben im hier und jetzt restlos absorbieren.“678

„Persönlichkeitsentfaltung im Sinne einer Weiterentwicklung kennt die jugendliche Verwahrloste nicht“679

„Die jugendlichen Verwahrlosten.. .gestalteten ihr Leben völlig egozentrisch und ihr Denken war vorwiegend an der Traumwelt des Amüsierbetriebes orientiert“680

„Kennzeichnend für die jugendlichen Verwahrlosten ist die auf unmittelbare Erfüllung gerichtete Vergnügungssucht. So gingen die von mir befragten Mädchen mehrmals wö­chentlich ins Kino“681

„Die jugendlichen Verwahrlosten stellten auch an Druckwerke keine hohen Ansprü­che“682

„Tanzen wurde von der überwiegenden Mehrzahl dieser jungen Mädchen als Lieblings­beschäftigung angegeben“683

„Sie haben nicht verzichten gelernt, dafür aber den häufigen Partnerwechsel ihrer Müt­ter miterlebt“684

„Dieses Streben nach Triebbefriedigung macht Mädchen ... so depravationsgefähr-det“685

„Die Eheschliessung wurde ... als die einzige soziale Aufstiegsmöglichkeit gesehen, wenngleich sie ausser Acht liessen, dass sie hiefür mehr als ihr Sosein mitbringen müss- ten“686

„Die Neigung der jugendlichen Verwahrlosten zum Vagieren steht in engstem Zusam- menhang mit ihrem hemmungslosen Vergnügungsstreben“687

„Kein Mädchen besass eine tiefere religiöse Bindung“688

Es stellt sich eine schwer beantwortbare Frage: Wenn die Jugend als Ganzes von Ju- gendschutz-Vertreterlnnen nahezu wortident, oder sogar noch verächtlicher beschrieben wird, als dies durch Koller bei „Verwahrlosten“ erfolgt, wie kann dann die These des „derart negativ abweichenden Verhaltens“689 aufrecht erhalten werden? Für welche der beiden Gruppen - der „Jugend“ oder der „Verwahrlosten“ - soll in einer historischen Arbeit, wie der vorliegenden, die gleichlautenden Zuschreibungen als unglaubwürdig, als nicht realitätsgerecht, fallengelassen werden, für welche Gruppe als zutreffend ak­zeptiert werden?

Mit welcher Begründung, aus welchem Grund wurden also einzelne Jugendliche mit angeblich „abweichendem Verhalten“ in Heime eingewiesen, wenn das gleiche vernich­tende moralische Urteil die ganze Jugend traf?

Wie also muss man Urteile auf dieser Basis nennen, die eine jahrelange Freiheitberau­bung unter den von ehemaligen Heimkindern berichteten Bedingungen zur Folge hat­ten?

10.2.1 Die Fallgeschichten Kollers

Es handelt sich um 25 Fallgeschichten, die Koller aus den Akteninhalten, Informationen der Fürsorgerinnen, gegebenenfalls durch die - auch ohne jeden Anlass vorgenommene - Überwachung alleinstehender Mütter, aus Befragungen der Nachbarschaft und den Äußerungen der Mädchen zusammenstellt.

„Zur Durchführung der Arbeit standen mir die Zöglinge eines städtischen Erzie­hungsheimes690 zur Verfügung, in das Mädchen im Alter von 14 bis achtzehn Jah­ren nur vorübergehend zur Beobachtung, psychologischen und - wenn erforder­lich - psychiatrischen Begutachtung eingewiesen werden, ehe über ihre länger dauernde Unterbringung in einem bestimmten Erziehungsheim entschieden wird.“691

Die Verwendung des Wurzbacherschen Fragebogens führt dazu, dass die Geschichten nicht auf den Einweisungsgrund hin zugespitzt sind, sondern Alltagsleben von überwäl­tigender Alltäglichkeit wortreich ausbreiten. Diese Methode eröffnet, wahrscheinlich unfreiwillig, einen Blick auf den „Zögling-außerhalb-der-Akten“, nach der Wortprä­gung in der Arbeit von Markus Furrer:

„So entstanden im Rahmen der Fürsorgeerziehung praktisch zwei simultane „Zög­linge“: einer in den Akten und einer ausserhalb der Akten. Dabei hat der „Zög- ling-ausserhalb-der-Akten“ auf den Akten-Zögling nur marginalen Einfluss, wäh­rend der „Zögling-in-den-Akten“ in hohem Masse auf das reale Leben des erste- ren einwirkt und dessen Leben zu bestimmen beginnt.“692

In keinem einzigen Fall wird die Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung (wegen Selbst- oder Fremdgefährdung) plausibel693 ; überraschenderweise wird auch „Prostitution“ nur gelegentlich angedeutet oder für die Zukunft befürchtet.

Ein Hinweis auf „Prostitution“ liegt darin, dass sich die Mädchen von „Männern aushal­ten ließen“, das heißt, sich von den Burschen die Zeche bezahlen ließen. Dazu muss man wissen, dass es damals als ganz unüblich, ja unangemessen galt, wenn eine Frau bei einem Lokalbesuch versuchte, ihre Konsumation selbst zu bezahlen. Diese Prostitu­tionsvermutung richtete sich also gegen alle Frauen, die ein Lokal besuchten.

Schon das Betreten der einzigen öffentlichen Räume, die für (junge) Frauen aus den von Jugendfürsorge betroffenen Schichten zugänglich war, die Straße und preiswerte Gast­ronomie-Betriebe nämlich, galt bereits als Sündenfall.

Der Begriff „wechselnde Männerbekanntschaften“ wird verwendet, wenn das Mädchen überhaupt irgendwelche soziale Beziehungen hat, wenn es überhaupt irgendwie an der Gesellschaft andockt, zu der ja Männer gehören, wenn die junge Frau Menschen / Män­ner außerhalb der Familie kennt. Besonders unverhüllt wird so bei „Herta“ vorgegan­gen.

Koller konnte darauf vertrauen, dass der Mechanismus der Vorurteilsproduktion schon auf Grund dieser zarten Andeutungen in Gang kam.

Aber es ist auffällig, wie sehr sich Koller freihält von der Obsession „weibliche sexuelle Verwahrlosung“, auch ihrer direkten Vorgängerin Estl: Sie betont disziplinäre Verfeh­lungen, wie „Durchgehen“ und Wechsel des Arbeitsplatzes, wie sie auch den Burschen zugeschrieben wurden.

Nur in drei oder vier Fällen unter den 25 beschriebenen gibt es soziale Probleme, bei denen öffentliche Unterstützung hilfreich gewesen wäre, und die über entwicklungsbe­dingte Konflikte mit den Eltern, die allgegenwärtige Wohnungsnot und Anpassungs­schwierigkeiten an eine inhumane Arbeitswelt hinausgingen.

Die Darstellung des Privatlebens der Probandinnen mit allen ihren Details, von denen man nicht weiß, aus welchem Grund sie erwähnt werden, mutet harmlos und freundlich an, sie erfolgt ausführlich ohne Angabe der Quelle, durch die allwissende Erzählerin, sozusagen aus dem off.

Entsprechend dem übernommenen Fragebogen werden bestimmte Fragen immer wieder gestellt und werden immer wieder gleich beantwortet - kein Interesse für „Natur“, kein Interesse für „Religion“; kein Interesse für „Theater, Konzert, Oper, Operette“; ob das Fehlen dieser Interessen mitentscheidend für die Heimeinweisung war oder später, als die Autorin bereits selbst „Erziehungsberaterin“ war, mitentscheidend wurde, wird nicht klar.

Es gibt in der Klientel mehrere Mädchen, die in einem explizit konfessionellen Milieu lebten: wöchentlicher Besuch des Gottesdienstes, jahrelange Mitgliedschaft in konfessi­onell gebundenen Jugendgruppen. Auch bei ihnen bezweifelt Koller, dass die Religion ihnen „Halt“ geben könnte.

Bei allen Mädchen wurde konstatiert, dass sie gerne tanzten, ohne eine Tanzschule be­sucht zu haben; das „Tanzen“ ist sehr wahrscheinlich Bestandteil der Verwahrlosungs­Vorstellung der Autorin; die Eingriffsmöglichkeit des Jugendamtes beruht auf der be­kannten NS-Polizeiverordnung, die frühere Polizeibefugnisse erweiterte und verschärf­te.

Die Lebensentwürfe der Mädchen entsprechen völlig den Vorgefundenen Konventionen, diese Anpassung wird den Mädchen jedoch nicht zugutegehalten, sondern ein Streben nach Höherem gefordert, u.a. eine Berufsvorstellung. Dabei wird übersehen, dass bei ungefähr der Hälfte der Mädchen bereits ein früherer Aufenthalt in einem Heim vor­liegt, mit der charakteristischen Beeinträchtigung der Schullaufbahn, durch Beschrän­kung auf Heimschulen oder auf den B-Zug der Hauptschule, wodurch die Berufswahl­möglichkeit stark reduziert ist. Und - es wird nicht zugegeben, dass später die Berufstä­tigkeit einer Ehefrau und Mutter von der Jugendfürsorge unter Drohungen vehement abgelehnt wird, und die einhellige Entmutigung der Erwerbsarbeit von verheirateten Frauen ein längerer Bildungsweg den Mädchen sinnlos und für das Ziel „Ehe“ kontra­produktiv erscheinen muss.

Zum Vergleich eine Darstellung der Lebensvorstellungen von Mädchen außerhalb der Jugendfürsorge:

„Die Verallgemeinerung des bürgerlichen Lebensstils‘, die erst nach 1945 Platz gegriffen hat, ist ohne die aktive Teilnahme der Frauen nicht denkbar. Auch die ... bei 14jährigen Hauptschülerinnen durchgeführte Umfrage im Jahr 1954 bestä­tigte die restaurative Grundstimmung. Die Lebenspläne der Schülerinnen zentrier­ten sich um die häusliche-mütterliche Sphäre, die Familiengründung wurde vom überwiegenden Teil der Befragten als eigentliche Lebenserfüllung gesehen, die Berufstätigkeit nur als ambitionsloses Zwischenstadium betrachtet.“694

Im Gegenteil, eine (starke) Berufsorientierung konnte richtig gefährlich werden: Nicht einmal die „Arbeiterpartei“ verfolgte eine klare Linie, Frauen als Arbeiter zu sehen und für sie Solidarität aufzubringen, man (Emmerich Wagner am Parteitag 1953) stellte sie vor die Alternative, entweder auf (mehr) Gleichheit oder auf Mannesliebe - und damit auf ein „erfülltes Frauenleben“ verzichten zu müssen.695 Im wissenschaftlichen Befund galt folgende Krankheitsbeschreibung: „Neurotische Identifizierung mit dem Vater und Ablehnung der Identifizierung mit der eigenen Mutter“.696 [siehe auch 9.5. Rosa Dwor- schak]

Die Einstellungen der Mädchen zu vorehelichen Intimbeziehungen und ihre stets erfrag­ten Heiratspläne decken sich ebenfalls zur Gänze mit den Konventionen in ihrer Umge- bung, den Mädchen aber werden sie zum Vorwurf gemacht. Die Überzeugung der Au­torin darüber, „wie man sich zu verhalten hätte“, wird nur mehr von einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe geteilt, der die Mädchen mehrheitlich nur aus Konformitäts­gründen angehören und deren Vorstellungen von geschlechtlicher Moral schon damals von der Gesamtgesellschaft nicht ernst genommen wurden.697

Phasen der Ehelosigkeit gehören seit der Zeit der Frühindustrialisierung zur Lebenswelt der proletarischen Schichten, woraus nicht geschlossen werden kann, dass die Ursache für das soziale Elend in der Nichtbeachtung sexueller Enthaltsamkeit lag.

Bekämpft werden soll offensichtlich die nunmehr gesamtgesellschaftliche Toleranz zu Lasten ihrer schwächsten Vertreterinnen und die zunehmende Abkehr von katholischen Normen fordert Strafwut auf jene heraus, die durch eine prekäre Situation vulnerabel sind.

Für das Leben dieser jungen Frauen wird aus dem Zufall ihrer Geburt - 25 Jahre zu früh geboren - nicht nur eine lächerliche, sondern eine wirkliche Tragödie: Im Jahre 1989, nur zwei Jahre nach der von der Kollerschen Geschichtsschreibung geprägten Fest­schrift, gibt das Jugendamt der Soziologie - Leopold Rosenmayr - breiten Raum:

„So wird auch das späte Nachhause-Kommen, das Wegbleiben über Nacht, das vor 25 Jahren in Familien wahre Tragödien heraufbeschwor, im großen und gan­zen viel stärker akzeptiert.“

„Permissivität läßt sich gegenüber Jugendlichen-Sexualität auch durch starke Ver­änderungen in den Haltungen kirchentreuer Katholiken in Österreich nachweisen. In den letzten zwanzig Jahren haben sich in Umfragen, auch bei den Katholiken, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen, überwältigende, selbst bei den über 60jährigen praktizierenden Katholiken, solide Mehrheiten für eine Akzeptanz „vorehelichen Geschlechtsverkehrs“ gefunden, wie ich in einigen Studien zeigenkonnte.“698

Schon aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Jahre 1949 hatte sich ergeben, dass bereits zu diesem Zeitpunkt nur 12% der Männer und 20% der Frau­en in Deutschland voreheliche intime Beziehungen für verwerflich hielten,699 in Öster­reich dürfte die Situation ähnlich gewesen sein.

Auch die später geborenen Jugendlichen können vom Einstellungswandel auch der ka­tholischen Reichshälfte nicht profitieren, wenn die Geisteshaltung Kollers das Vorgehen des Jugendamtes weiterhin prägt.

In allen Geschichten Kollers wird das Streben nach „Lust“ kriminalisiert, etwa in der Form: an freien Tagen macht sie, „wozu sie Lust hat“, „Streben nach Triebbefriedigung macht Mädchen ... so depravationsgefährdet“, Kinogehen bedeutet „hemmungslose Vergnügungssucht“. Von der 14jährigen Doris, jenem Mädchen, das die Schule im A- Zug abschloss und ins Polizeijugendheim kam, weil ihre Mutter ins Krankenhaus muss­te, wird einem Bericht entnommen: „Gut essen, spielen und lesen, das ist das einzige, wofür sich Doris begeistern kann.“700 Koller kommt zu dem Schluss, dass sie deshalb „nur nach dem Lustprinzip lebt“701.

Mehrmals wird „Reizhunger“ erwähnt, was aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr verstanden wird: „Emma ist reizhungrig, sie liest Zeitschriften, .Daneben liest sie wahllos alle Bücher, .“ Aus heutiger Sicht würde Lesen eher für eine von der Autorin so bitter vermisste Vergeistigung sprechen. Meiner These zufolge ist „Reizüberflutung“ ein weiterer Topos der Klagen gegen die Modernisierung der Gesellschaft, sie wird wie die den wirtschaftlichen Aufschwung begleitende und fördernde Konsum- und Medien­orientierung, liberalere Sexualmoral, Generationskonflikte und Jugendkultur, den Mäd­chen zur Last gelegt und individualisiert.

Wie zu erkennen ist, genügen Koller bei Mädchen minimale Verstöße gegen die von ihr selbst postulierten Moral zur Verurteilung und zur Heimeinweisung. Kollers Vorgehen ist eine Übersteigerung des allgemeinen restaurativen Trends:

„Der schriftliche Diskurs wie auch die in anderen Forschungsarbeiten gewonne­nen mündlichen Erzählungen von ehemaligen Fürsorgerinnen zeigen in der zwei­ten Hälfte der 1950er Jahre erneut eine starke Irritation, als Kinder und Jugendli­che zunehmend als hedonistische Konsumenten von Mode, Musik, Alkohol und Nikotin, Mopeds, Kinos usw. in Erscheinung treten In die diesbezügliche Skepsis der Fürsorge ... mischen sich unverkennbar Forderungen nach Askese und Dis- ziplin.“702

Kollers Kampf richtet sich gleichzeitig und aussichtslos gegen Aufklärung703 und For­dismus, zu deren Protagonisten die Mädchen - selber ahnungslos - bestimmt werden und so in die Schusslinie kommen.

Anders als Sieder und Smioski, die die Entscheidungen zur Kindesabnahme in der Re­gel nicht für unangemessen oder überzogen und in vielen Fällen „wenn auch keines­wegs in allen“ für alternativlos halten704, kann ich bei der Mehrzahl der von Koller be­schriebenen Fällen keinen Nutzen der verfügten Maßnahmen sehen, sondern sie veran­lassen im Gegenteil in mehreren Fällen eine tragische Wendung im Lebensvollzug.

Die „life events“ aller Kinder der Familien werden erwähnt und es wird klar, dass die Heimeinweisung immer das Mittel der ersten Wahl darstellt.

Hermine Kollers vordringlichstes Anliegen war „die berufliche Eingliederung“ der „verwahrlosten Jugendlichen“, die „Arbeitserziehung“.

Viele der Mädchen sind erst 15 Jahre alt, also haben sie bereits in einem einzigen Jahr im Alter von 14 Jahren ihre „Verwahrlosung“ dadurch bewiesen, dass sie es in diesem Jahr nicht durchgehend bei einem einzigen Arbeitgeber / einer einzigen Arbeitgeberin / bei einem einzigen Lehrherrn ausgehalten haben.

Der aus heutiger Sicht seltsam anmutende Eifer Kollers, die Mädchen in eine ganz be­stimmte Lehre einzuweisen und sie dort auch festzuhalten, muss auf dem Hintergrund der Rolle der „Berufsberatung“ gesehen werden, die über derartige Eingriffsrechte ver­fügte, über deren Zwangscharakter sich jedoch Otto Pawlik schon im Jahre 1959 Ge­danken machte. Er stellt seinem Aufsatz „Berufsberatung als Zwang und Monopol?“ ein Zitat aus der Bundesverfassung als Motto voran: „Es steht jedermann frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will.“705

„Die freie Wahl der Ausbildungseinrichtung und der Ausbildungsstätte ist als staatsbürgerliches Grundrecht nicht anzutasten. Es gibt aber im Rahmen der Be­rufsberatung und Lehrvermittlung Zwangsmaßnahmen, die in ihrer Tendenz und Auswirkung indirekt einer Einengung der genannten Grundrechte nahekommen. Gegenwärtig ist - zumindest in Wien - die Situation so, dass jeder, der eine Lehr­stelle antreten will, also auch wenn er sie selbst gefunden hat und mit dem Meister einig ist, zur Berufsberatung gehen muß, ...

Die rechtlichen Grundlagen für diese Zwangsmaßnahmen scheinen nicht sehr so­lid gefügt zu sein. So hat der Verfassungsgerichtshof anläßlich eines konkreten Falles erkannt, daß die aus ehemaligen deutschen Bestimmungen abgeleitete Mo­nopolstellung mit Recht anfechtbar sei, da die genannten Bestimmungen NS- Gedankengut seien.

Nun sind für Berufsberatung und Lehrvermittlung neue rechtliche Grundlagen im Entstehen.“706

Die „neuen rechtlichen Grundlagen“ dürften bei Koller im Jahre 1962 noch nicht so recht angekommen sein.

Wie sich Pawliks Rolle als Vorgesetzter von Estl und Koller gestaltete, darüber kann ohne Kenntnis interner Dokumente nur spekuliert werden. Noch im Jahre 1972 bei der 19. Arbeitstagung der Jugendamtspsychologen, im Jahr vor seinem Tod, gelang es ihm nicht, die Kolleginnen mit dem Hinweis auf die Verfassung dazu zu bewegen, von der „Arbeitspflicht“ abzulassen. [siehe 7.]

Koller beschreibt in ihren Fallgeschichten den ganz normalen Alltag der großen Mehr­heit der Wiener Bevölkerung als „Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher“. Das „Ki­no“, die „Straße“, mangelnde „Gemütlichkeit“ der Wohnungen - und Koller hat sehr genaue Vorstellungen von Gemütlichkeit - , beengte Wohnverhältnisse, Wechsel der Arbeitsstelle und das Interesse von Burschen an den Mädchen stellten die „Verwahrlo­sung“ her, der Anlass für die Heimeinweisung das „Durchgehen“, ein Begriff aus der Kutschersprache, z.B. der Versuch eines halbwüchsigen Mädchen zu seinem Vater nach Deutschland707 zu fahren.

Die von Koller immer wieder aufgezählten Banalitäten in ihren Fallbeschreibungen, repräsentiert durch die Worte „Kino“, „Tanz“ sind also als Protokoll wiederholter strafwürdiger Handlungen zu lesen. Wegen dem Besuch von Tanzveranstaltungen wur­den „notwendige Fürsorgemaßnahmen eingeleitet“.

Maria Durchgehend in allen Texten zur öffentlichen Erziehung ist die Parteinahme für das männliche Geschlecht: die Verantwortungslosigkeit, Gewalttätigkeit des Mannes wird jeweils - wie auch schon in der Ersten Republik und auch von sozialdemokrati­scher Seite - auf die Unfähigkeit der Ehefrau, ein gemütliches Heim zu schaffen, zu­rückgeführt.

„...der Vater hatte keinen Einfluss auf die Familiensituation und auf die Erzie­hung der Kinder, da ihm das meiste von dem, was die Kinder betraf, verschwie­gen wurde. Die Mutter behauptete wohl, dies nur zu tun, um die Kinder vor dem Jähzorn des Vaters zu schützen, jedoch scheinen eher Nachlässigkeit und Interes­selosigkeit der Mutter die Ursachen für dieses Verhalten gewesen zu sein.“708

Diese Gewichtung überrascht etwas, heißt es doch an anderer Stelle:

„.der Vater scheute sich nicht, einer Fürsorgerin einen Topf mit Milch nachzu­werfen.“

Auch weiß Koller genau, woran die Ehe der Eltern gescheitert war:

„Mit Rücksicht auf das Verhalten der Mutter liess sich der Vater einige Zeit später scheiden.“709

Wirklich erschreckend ist die Blindheit und Parteilichkeit für die sexuelle Benutzung von Mädchen durch Männer, der durchgehende Zug in allen Fallgeschichten von Für­sorgerinnen.

„Schon vor Schuleintritt gehörte die Straße zu Marias beliebtestem Aufenthaltsort, wo sie gemeinsam mit den Geschwistern oder allein ihre Entdeckungen machte. In diese Zeit fällt auch ihr erstes sexuelles Erlebnis, die Schändung durch einen Mann...

Die Umwelt besteht für Maria aus Strasse, Gasthaus und Kino, dort wird ihr alles geboten, was sie vom Leben erwartet . . .

(Diese Charakterisierung kann sich nur auf jene wenige Monate beziehen, in denen sich das Mädchen im Alter von 14 Jahren außerhalb eines Heimes befunden hat, den Groß­teil ihrer Kindheit war sie ja in - neun verschiedenen - Heimen.)

Eine Scheu vor dem unbekannten Draußen kennt sie nicht, es ist ihr vielmehr un­begreiflich, dass sie nicht hingehen kann, wohin sie will. Wäre Maria sich selbst überlassen, würde sie wahrscheinlich den Weg in die Prostitution gehen.“710

Die Formulierung, die „Schändung“ eines Vorschulkindes, das mit seinen Geschwistern im Freien spielt, wäre „das erste sexuelle Erlebnis“ dieses Kindes gewesen, gehört zu den Unfassbarkeiten dieses Abschnittes, die Formulierung „Eine Scheu vor dem unbe­kannten Draußen kennt sie nicht, es ist ihr vielmehr unbegreiflich, dass sie nicht hinge­hen kann, wohin sie will.“ gehört zu dem Kapitel „Geschlechtskonstruktion“.

Sie war auch zumindest in einem konfessionellen Heim und es darf ohne weitere Anga­ben angenommen werden, dass der Umstand ihrer „Schändung“ als Vorschulkind nicht zu einer besonders liebevollen und achtungsvollen Behandlung oder auch nur zum Ver­ständnis ihrer Reaktionen führte: „das Schändungserlebnis kann wohl als die Grundlage ihres starken sexuellen Interesses angesehen werden, . schon in ihrer Volksschulzeit verleitete sie andere Kinder zu sexuellen Spielereien...“711

Ihr Tagebuch wurde gelesen, ihre Selbstmordversuche verhöhnt.

Diesem Mädchen wurde offenbar besonders übel mitgespielt: in acht Jahren ihres Heimaufenthaltes, während ihrer ganzen Schulzeit, war sie in neun Heimen unterge­bracht, ging also in neun verschiedene Heimschulen, sie wurde mit einem IQ von - trotz allem - 90 vorzeitig aus einer Sonderschule für Schwachbefähigte ausgeschult, offenbar zur Strafe für ihr Benehmen, „Die vorzeitige Ausschulung machte jeden Berufswunsch unmöglich.“712 Dass dieses Kind ein Produkt der Heimerziehung und ein Produkt der Verständnislosigkeit für das erlittene Trauma ist, kommt überhaupt nicht in den Blick.

Koller referiert die Maßnahmen des Heim- / Fürsorgesystems als Selbstverständlichkeit, es gibt nicht die leiseste Kritik daran, dass ein normal begabtes Kind als Idiotin und ein Kind, das sein ganzes Leben in Heimen verbracht hat, als Hure für den Rest seines Le­bens stigmatisiert wird. An leitender Stelle wird sie ebenso vorgehen.

Es werden Maria „Prostitutionstendenzen“ bescheinigt, die sich trotz jahrelangen Heimaufenthaltes in den drei Monaten Aufenthalt außerhalb des Heimes bemerkbar machten - es handelt sich offenbar um ein System, das sich jeder Reflexion verweigert.

„Für Maria ist ein weiterer Heimaufenthalt vorgesehen“713, obwohl es an anderer Stelle heißt, dass sie „mit Rücksicht auf ihre „Heimmüdigkeit“ nicht mehr ohne Gefahr für die Gruppe im Heim zu halten war“714. In dieser Konstellation und auf Grund der Miss- brauchs-Vorgeschichte wird jede Form von psychischer und physischer Gewalt gegen das Opfer glaubwürdig.

Missbrauchte Mädchen scheinen die Täter-Opfer-Umkehr, die von Reinhard Sieder als durchgängiger Zug beobachtet wird, bei Koller und Estl, leider auch bei Dworschak, in besonderem Maße anzuziehen.

„Bis heute begegnen wir in unseren Gesprächen der Verkehrung von Ursache und Wirkung., wenn jene psychischen, sozialen und materiellen Schädigungen, die eine jahrelange Heimerziehung und insbesondere oft erlebte exzessive Gewalt hervor­gebracht haben, in eine Schuld der betroffenen Menschen verkehrt werden.“715

Hermi Hermi „ging durch“, wie alle beschriebenen Mädchen, d. h. in ihrem Fall über­nachtete sie gelegentlich nicht im Lehrmädchenheim, sondern bei den Eltern ihres Freundes.

Aus einer Friseurlehre wird sie entlassen - „Es wird wohl mit Recht anzunehmen sein, dass der Grund für die Entlassung in Hermis Verhalten gelegen sein dürfte“716 - und sie verließ selbst eine Wäscheschneiderlehre, in die sie von der Behörde eingewiesen wur­de. Schon Anfang der 1960er Jahre war eine „Wäscheschneiderlehre“ bereits eine Aus­bildung ohne die geringste Zukunftsaussicht, wie überhaupt die Vorstellungen für die „berufliche Eingliederung“ eher nach Bestrafung klingen als nach Kenntnis des Ar­beitsmarktes.717 Der dritte Abbruch einer Lehre hat die Einweisung in ein geschlossenes Heim - für die nächsten drei oder vier Jahre - zur Folge.

„Hermi, die Geborgenheit sucht und in ihrer unkritischen Art schwer ,nein‘ sagen kann, ist im besonderen Masse depravationsgefährdet. Der Aufenthalt in einem geschlossenen Heim wird ihr die Möglichkeit zu einer Nachreifung geben; so kann diese Gefährdung möglicherweise hintangehalten werden.“718

Hermi soll also in einem Heim, in dem jede Minute geregelt ist, nicht die geringste Möglichkeit einer autonomen Entscheidung besteht und jeder Widerstand gegen Anord­nungen bestraft wird, „Nein“ sagen lernen und in dieser infantilisierenden Umgebung „nachreifen“.719

Roswitha Roswitha war bis zu ihrem 16. Lebensjahr - einschließlich des Durchzugs­heimes - in elf verschiedenen Heimen.

„An die Erzieherinnen hat Roswitha keine tragfähige Bindung. Sie kennt nur ein Streben, aus dem Heim zu entkommen und es ist fraglich, ob Roswitha überhaupt fähig ist, dauernde Bindungen einzugehen.“

Es wirkt wie ein bitterer Witz, dass ein Zusammenhang mit der Häufigkeit der Verle­gungen nicht gesehen wird. Die Autorin dieser Zeilen galt als „Psychologin“ und war jahrzehntelang als „Erziehungsberaterin“ tätig.

Regina ist 17 Jahre alt und es ist „ein längerer Aufenthalt in einem geschlossenen Heim geplant, im dem Regina Gelegenheit haben soll, ihre Arbeitshaltung zu verbessern.“720 Sie hatte „unter dem Vorwand, (wozu braucht sie einen Vorwand?)... eine Hilfsarbeit angenommen“721. Koller äußert - 1962 - mehrmals ihr Missfallen an dem Vorhanden­sein und der Verwendung von Geld bei ihrer Klientel.

Heike Schmidt beobachtet in ihrem Untersuchungszeitraum 1887-1932, dass Arbeit und Freizeit von Unterschichtjugendlichen in der modernen Großstadt einer besonderen Aufsicht bedürftig erschien:

„Bei Schulentlassenen wurde der Verlust erzieherischer Kontrolle im Fall von un­gelernter Arbeit ebenso beklagt wie die Verfügungsgewalt der Jugendlichen über ihren Lohn.“722

Es scheint so zu sein, dass Regina zum Zeitpunkt der Einweisung auf Veranlassung ihrer Großeltern, den einzigen verbliebenen Verwandten, in ein geschlossenes Heim, ein festes, relativ gut bezahltes Arbeitsverhältnis in einem Kleinbetrieb hatte. „Das lange Stehen an der Maschine bereitete Regina keine Schwierigkeiten.“ Auch sonst ist kein Anlass für eine Heimeinweisung zu erkennen, außer dem Druck der Großeltern.

Erika ist außerehelich geboren und lebt völlig unauffällig und geborgen mit ihrer Mut­ter und dem Großvater. Aber wegen der Erziehungsaufsicht gelangen die von ihren An­gehörigen kaum als solche empfundenen innerfamiliären Probleme zur Kenntnis des Jugendamtes. Erika ist erst 14 Jahre alt, hatte aber schon verschiedene Arbeitsverhält­nisse und wird anscheinend auch direkt von einer Anstellung weg ins Heim gebracht, offenbar gegen den Willen der Mutter, die aber von der unehelichen Geburt an kein Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind hatte.

Obwohl der angebliche Zweck der Vormundschaft, das Eintreiben von Kindesunterhalt vom Kindesvater zunächst mangelhaft war - „Erikas Vater zahlte bis zu seinem Tode geringe Unterhaltsbeiträge“ - und dann ganz wegfiel, blieb die Amtsvormundschaft aufrecht. In mehreren Fällen stellt sich die Frage, ob nicht eine Waisenrente zu beantra­gen gewesen wäre - die gab es damals schon -, davon wird nie etwas berichtet.

Die Mutter wurde des Öfteren „zur Fürsorge“ vorgeladen, vermutlich wegen schlechter Schulnoten des Kindes, dies wären „stets unangenehme Wege gewesen“, wie die Für­sorgerin Koller selbst schreibt, also offenbar das Gegenteil von unterstützend, und die Mutter musste von ihrem Arbeitsplatz wegbleiben - die „Parteien“ hatten zwischen 8 und 9 Uhr früh zu erscheinen - was gerade in untergeordneter Stellung gefährlich ist.

Einer der häufig geäußerten Vorwürfe ist es, dass die Arbeit als solche für die betref­fende Jugendliche keinen sittlichen Wert bedeute, sondern nur als notwendig gelte, um leben zu können. Die 14Jährige hatte, wie viele der anderen Halbwüchsigen auch, einen Arbeitstag - mit den Wegzeiten - von bis zu 14 Stunden.

In diesem Fall werden Vorwürfe gemacht, die ebenfalls bereits die Qualität von Lächer­lichkeit erreichen: „Auf Ordnung hält die Mutter sehr, ... alles wirkt nüchtern. Selbst die Scheibenvorhänge dienen eher dazu, die Blicke der Nachbarn abzuhalten, als dazu die Wohnung zu verschönern.“723 Und „Die Strasse hatte für Erika stets einen besonde­ren Reiz, mit dem Rad fuhr sie stundenlang spazieren.“

Elli Bei Elli „wurde bereits vor Jahren von der Kinderklinik, in der sie untersucht wor­den war, die Anstaltsunterbringung vorgeschlagen“724 ;

„Sie machte als Kleinkind zweimal eine ... (Art der Krankheit) durch, die bei der Untersuchung an der Kinderklinik als Ursache ihrer Schwierigkeiten angesehen wurde, die sich in besonderer Triebhaftigkeit, wiederholten Diebstählen und Nei- gung zum Vagieren äußerten, woraus sich wieder ihre sexuelle Gefährdung er­klärte.“725

Diese Bemerkungen geben Anlass zu dem Verdacht, an der Wiener Kinderklinik wären ähnliche Vorgangsweisen wie in Innsbruck zur Anwendung726 gekommen: Nach dem Stand der Wissenschaft im Jahre 1960 gab es sicher keine Krankheit eines Kleinkindes, die sich in „wiederholten Diebstählen und Neigung zum Vagieren äußerte, woraus sich wieder ihre sexuelle Gefährdung erklärte” und die durch eine Anstaltseinweisung zu behandeln gewesen wäre. Der „Heilpädagoge“ Asperger727 schreibt gelegentlich von „geborenen Huren“ und wie ich von einer seiner Schülerinnen im Rahmen eines Exper­teninterviews728 informiert wurde, verwendete er diese „Diagnose“ auch in seiner prak­tischen Arbeit [siehe Experteninterview 9.4., Anmerkung]. Es dürfte sich aber um einen anderen „Diagnostiker“ handeln, der diese Diebstahl-Vagieren-Huren-Krankheit bei diesem kleinen Kind feststellte und wahrscheinlich auch bei anderen Kindern.729

In der Darstellung Kollers wird diese frühe medizinische Diagnose vollinhaltlich im weiteren Verlauf des Lebens bestätigt, nämlich: Elli tanzt gern und sie hat im Hof des Gemeindebaus mit anderen Jugendlichen eine „Hetz“, alles gravierende Symptome.

Die Situation der Familie ist dramatisch, es gibt neun Kinder, obwohl die soziale Lage so ernst ist, bleibt Koller dabei, ihre schäbigen kleinen Vorurteile abzulassen: der Vater war Angestellter gewesen, arbeitet jetzt als Arbeiter „diese Ehe bedeutete für ihn einen sozialen Abstieg, der sich auch im Wechsel der Berufstätigkeit ausdrückt“, die Familie bekommt eine Gemeindewohnung, in der ein Badezimmer eingerichtet ist, „sonst wäre die Familie nie zu diesen Dingen gekommen“, für die im Heim befindlichen Kinder ist kein Bett vorgesehen, mit deren Rückkehr wird „anscheinend gar nicht gerechnet“. Wie soll sich die Familie nach Abzug aller Heimkostenbeiträge eine Wohnung leisten kön­nen, in der man 11 Betten aufstellen kann?

Koller äußert auch hier, wie bei mehreren anderen ihrer Fallgeschichten, die Vermu­tung, dass Elli zwar noch Urlaubsanspruch erworben hatte, aber „ohnedies nicht ge­wusst hätte“, was sie mit einem Urlaub angefangen hätte.

Im Rahmen der Entwicklung des Sozialstates gab es immer wieder Verhandlungen zur Erweiterung des Urlaubsanspruches; Koller nimmt mit den gleichen Worten bei fast jedem ihrer Fälle politisch Stellung gegen ihre Schützlinge.

Von der Jugendfürsorge ist keine Hilfe zu erwarten, der Vater muss 10% seines Ein­kommens je Kind für die im Heim befindlichen Kinder abliefern, nach dem „Aufgrei­fen“ von Elli durch die Polizei nach einer durchtanzten Nacht kommen weitere 10% dazu, wodurch sich die Situation der Familie von Armut möglicherweise zu völligem Elend verschiebt. Von einer Beratung in Richtung auf Empfängnisverhütung ist selbst­verständlich nicht die Rede.

Lore war zwei Tage im Anschluss an eine Silvesterfeier abgängig, danach hatte sie Angst, sich zurückzumelden. Durch die Einweisung ins Heim verliert sie nicht nur das mit ausreichenden Mitteln ausgestattete angenehme Familienleben, sondern auch ihre Arbeit in einer Plastikfabrik und ihr kleiner Bruder verliert eine liebevolle Betreuerin.

Den jungen Mädchen wird regelmäßig der Eindruck zum Vorwurf gemacht, den sie auf die männlichen Jugendlichen machten.730 Dazu gibt es auch Phantasien und Projektio­nen, die eher aus dem Innenleben der Autorin kommen als aus der Beobachtung der Wirklichkeit: „Das zierliche, grazile Mädchen mit seinem bald kindlichen, bald raffi­niert anmutenden Verhalten, das eine gewisse Reife vortäuscht, ist sicher imstande, die männliche Bewunderung auf sich zu ziehen, sie nützte das reichlich aus.“ Solche Ver­mutungen über die Empfindungen von Männern beim Anblick der jungen Frauen gibt es immer wieder, die jungen Frauen existieren nicht für sich, sondern im Blick des Mannes, wie er von Koller phantasiert und übernommen wird.

Und immer wieder werden sexuelle Übergriffe als logische Folge des Verhaltens des Mädchens dargestellt:

„... am Abend stand sie beim Haustor und reizte die Burschen solange, bis diese zudringlich wurden, auf ihr Schreien erschien dann die Mutter und holte sie nach Hause.“731

Gegen die Mutter hat das Jugendamt nur einen Vorwurf: Lore steht

„als ausserehelich geborenes Kind unter gesetzlich geregelter Vormundschaft des Jugendamtes. Die durch die Fürsorgerin ausgeübte Kontrolle empfindet die Mut­ter als lästig, insbesondere dann, wenn ihren Wünschen nicht entsprochen wird. Hinsichtlich der Alimentationssache in Deutschland macht sie sich gerne selb­ständig, indem sie einfach an das deutsche Jugendamt schreibt, wenn ihrer Mei- nung nach die Überweisung des Geldes zu lange auf sich warten lässt.“732

Es ist offensichtlich, dass das Nicht-Betreiben von Unterhaltsforderungen als Machtmit­tel im personalen Bezug eingesetzt wurde. Es ist auch offensichtlich, dass eine Abtre­tung der Vormundschaft an die Mutter vom Jugendamt nicht gewollt ist, obwohl die Mutter in diesem Fall mit Auslandsbezug effizienter agiert als die Behörde und ihr viel Arbeit ersparen würde.

Herta war - u.a. wegen der psychischen Erkrankung ihrer Mutter - vier Jahre im Heim, in dieser Zeit “wechselte sie achtmal ihren Aufenthalt”733, soll heißen, sie wurde jeweils nach wenigen Monaten von ihren Erzieherinnen als unerträglich empfunden und verlegt und verladen wie eine Stück Vieh.

„Mit Rücksicht auf ihre Arbeitslosigkeit und ihre wechselnden[!] Männerbekannt- schaften wurde Herta in das Durchzugsheim aufgenommen.“734

Hertas Familie war aus einem anderen Kulturkreis mit sehr rigiden Moral- und Erzie­hungsvorstellungen zugezogen, Herta selbst lehnt „Ernstbeziehungen“ gänzlich ab. Das nützt ihr aber nichts.

„Ein aus dem Heim geschmuggelter Brief, in dem sie einen Mann bittet, ihr zu helfen aus dem Heim zu kommen, ist ein weiterer Beweis ihrer Bekanntschaf- ten.“735

Die Einweisungsgründe in ein Erziehungsheim bestehen also in Arbeitslosigkeit und sozialen Kontakten, „wechselnde“ nämlich zu Männern, laut Fallgeschichte u.a. in der Form eines Briefes.

Verschlüsselt wird das Gebrochen-Werden durch das Heim beschrieben:

„Bei ihrer Aufnahme in das Heim machte sie einen selbstsicheren, damenhaften Eindruck, der nach einigen Tagen Heimaufenthalt einer kindlichen Haltung wich.“736

Barbara

„Seit ihrem 14. Lebensjahr arbeitete Barbara als Hilfarbeiterin und steuerte ihren ganzen Lohn, das sind S 180.- bis S 250.- wöchentlich zum Familieneinkommen bei.“737

Die Mutter starb als Barbara drei Jahre alt war, der Vater zeigt brutales Verhalten, wenn er trinkt. Barbara musste schon als Schulkind auf die Kinder ihrer Stiefmutter aufpas­sen. Im Heim erhält sie weder Post noch Besuch von daheim. Ihre Tbc-Erkrankung scheint nicht ausgeheilt worden zu sein.

Koller nimmt das ganze Elend wahr, kann sich aber nicht verkneifen, zu berichten, dass sie am Weg zur Arbeit Burschen kennengelernt hat und dass sie sich an einem Haus­haltposten auch Diebstähle hat zuschulden kommen lassen, „die ihr jedoch nicht nach­gewiesen werden konnten“.

Flavia

“Als außereheliches Kind steht Flavia unter der Vormundschaft des Jugendamtes. Die Mutter lehnte die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ab und versuchte in Bezug auf Flavia immer wieder ihren Willen durchzusetzen, indem sie z.B. einer Heimunterbringung von Amtswegen durch eine Internatsunterbringung zuvor­kam.“738

Es stellt sich die Frage, ob die Jugendfürsorge in Bezug auf uneheliche Kinder nicht das Gebot der Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung verletzt hätte und was überhaupt das „Mandat“ gewesen wäre, dem sie nachzukommen hatte; wie aus den zitierten „Verwaltungsberichten“ [siehe 7.] hervorgeht, war es sicher nicht politischer Wille, Jugendliche, die ein jugendgemäßes Leben unter dem Schutz einer durchsetzungsfähi­gen Mutter führten, in geschlossene Heime zu verfrachten.

Flavia wollte in einem Lehrmädchenheim nicht bleiben; aus den Fallgeschichten wird deutlich, dass auch Lehrlingsheime nicht als Unterkunft für arbeitende Jugendliche ge­dacht waren, sondern als disziplinierende, ja freiheitseinschränkende Anstalten geführt wurden. Sie wurde an einen Haushaltsposten vermittelt: „Ihre Entlassung aus dem Pos­ten machte eine neuerliche Aufnahme im Durchzugsheim notwendig; nun ist für Flavia ein längerer Heimaufenthalt vorgesehen.“739 Das heißt, die Entlassung durch den Dienstgeber aus einem Haushaltsposten führt zu einer mehrjährigen Haftstrafe.

Liese In der Geschichte von Liese ist auch überhaupt kein Anlass für eine Heimerzie­hung zu finden. Sie hat in den zwei Jahren seit ihrer Schulentlassung mit einem durch­schnittlichen Hauptschulzeugnis bei sieben Arbeitsstellen gearbeitet. Da dieser in den Augen der - beamteten - Fürsorgerinnen „häufige Arbeitsplatzwechsel“ der Grund für die Einweisung in ein geschlossenes Heim gewesen ist, kommt die Vermutung auf, dass die Aufgabe der Jugendfürsorge in der Interpretation durch Koller vorrangig darin be­stand, billige junge Zwangsarbeiterinnen bereit zu stellen und deren freie Wahl des Ar­beitsplatzes zu konterkarieren.

Wieder sollen am Imago Vater allfällige Beschuldigungen abprallen:

„seit er der Freundin und ihr Bilder zeigte, über die sie nicht einmal zu reden ver­mag, hat sie keine Achtung mehr vor ihm.“740

In ihrer „Trotzhaltung“ sucht sie immer wieder etwas, „womit sie den Vater belasten kann“.

Grete Der Anlass für eine Heimeinweisung ist in dieser Fallgeschichte überhaupt nicht aufzufinden; allerdings teilen die väterlichen Großeltern und die Behörde die Ansicht über die Mutter, diese wäre unwirtschaftlich und schlampig. „Inwieweit ein längerer Heimaufenthalt Gretes Arbeitshaltung bessern wird, bleibt abzuwarten.“741 Obwohl nicht einmal die Behörde selbst an einen positiven Effekt glaubt, soll die freiheitsent­ziehende Maßnahme jahrelang beibehalten werden. Grete war auch, wie viele der Pro- bandinnen, „lange Zeit im Spital“.

Bei dem, was im Volksmund als charakteristisch für die gefürchteten Besuche der Für­sorgerinnen galt, nämlich die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Ordnung im Inneren der Kästen und der Erziehungsfähigkeit der Mutter, hält sich Koller in ihren Fallgeschichten auffallend zurück. Nicht so in diesem Fall. Die Großeltern sind „nett“, die Mutter ist eine „dicke, schwammige Frau“, und schon hat sie ihr Erziehungsrecht verloren.

Kollers Äußerungen sind nicht beliebig böswillige Vorurteile, sondern Begründungen ihres Richterspruches. Ich gebe sie kommentarlos wieder:

„Die Großeltern gelten als sehr ordentliche Leute“

„Sie kam aus der verwahrlosten Wohnung der Mutter in die nette, saubere Woh­nung der Großeltern, in der sie sich aber nicht einleben konnte. Grete wollte ihre Freiheit nicht aufgeben und die Großeltern waren den ständigen Auseinanderset­zungen mit der Mutter, die das Mädchen zurückforderte, auf die Dauer nicht ge­wachsen. Grete zog daher zur Mutter zurück; da sie bei dieser keine erzieherische Führung hatte, wurde ihre Aufnahme in das Durchzugsheim notwendig.“ „Das Leben daheim stand von jeher im Zeichen der grenzenlosen Schlamperei und Unwirtschaftlichkeit der Mutter. Das vorhandene Geld wird planlos ausgege­ben; Die Möbeln ... sehen ... ausgesprochen armselig aus.“

„Es wird immer nur billiges Zeug angeschafft, das, solange es geht hergetragen wird.“

„Grete kennt kein Hinaufstreben über das häusliche Milieu, .“

„Bei jedem Programmwechsel, also mindestens zweimal die Woche, war Grete im Kino zu finden.“

„jeder lebt in den Tag hinein, ohne ... sich für das eigene Leben einem höheren Wesen gegenüber gebunden zu fühlen.“

„der höhere Verdienst verleitete sie zu Ausgaben für Süßigkeiten, Make-up und ähnliches.“

Gretes Eltern liessen sich scheiden, ... da der Vater, ... mit der unwirtschaft­lichen Mutter nicht länger leben wollte.“

„Es besteht jedoch eine derart intensive Bindung des Mädchens an die Mutter, dass aus diesem Grund bisher von einer Entfernung des Kindes aus dem häusli­chen Milieu abgesehen wurde.“

„Aber gerade diese leichte Kontaktfindung mit dem anderen Geschlecht, macht Grete in erhöhtem Masse depravationsgefährdet. Um sich die „Bur­schen vom Leib zu halten“ trägt Grete an der linken Hand einen Ehering, den sie für S 5.- gekauft hatte. ,Dann glauben alle ich bin verlobt.‘“

„Sie bringt für eine Ehe noch keine Voraussetzungen mit, da sie nicht kochenkann;“742

Koller ging hier bei der - realitätsfernen - Abwertung der „Verwahrlosten“ noch weiter als bei anderen Fällen: Das Mädchen, das sogar einen falschen Ehering trug „um sich die Burschen vom Leib zu halten“, wäre „in erhöhtem Ausmaß depravationsgefährdet “.

Elfi Der Grund für die Heimeinweisung liegt hier vermutlich in dem Vertrauen der Eltern der Behörde gegenüber: sie standen in Verbindung mit dem Jugendamt, weil sie dem schwächlichen Kind einen Erholungsaufenthalt im Rahmen des Wiener Jugend­hilfswerkes ermöglichen wollten.

Elfi lernte nach Schulaustritt ein Mädchen kennen, bei dem sie mehrere Male übernach­tete, ein anderes Mal ließ sie sich von einer Gruppe Jugendlicher auf eine Berghütte mitnehmen.

„Die Eltern erstatteten jedes Mal nach Elfis Ausbleiben die Abgängigkeitsanzeige, doch kehrte Elfi aus eigenem Antrieb nach Hause zurück, sie musste sich dann bei der Polizei melden.“743

Den Eltern war nicht klar, dass ihnen ihre eifrige Überanpassung schaden und nicht ge­würdigt werden würde: „Die Mutter gewährte Elfi große Freiheiten, die für die halt­schwache Jugendliche in der Pubertät geradezu eine Gefährdung bedeuteten.“

Auch Elfi ist vom Wert guten Benehmens überzeugt, „sie ist mindestens nach außen hin um Anpassung bemüht“, aber das nützt ihr nichts, Koller weiß es besser: „All dies aber bleibt an der Oberfläche und Elfis tiefere Schichten werden davon nicht berührt.“ Sie wird zwei Jahre in einem geschlossenen Heim verbringen, ausgeliefert Erzieherinnen und Jugendlichen, die vom Wert guten Benehmens nicht ganz so überzeugt sind.

Klara ist unehelich geboren, hat aber ein gutes Verhältnis zu ihrem Stiefvater, die Fa­milie ist katholisch, man spart für den Ankauf einer Eigentumswohnung, auf die Woh­nungspflege wird großer Wert gelegt, es werden auch gemeinsame Ausflüge gemacht. Einen Kritikpunkt gibt es doch:

„Besuchte die Familie in ... noch die, in mehrmonatigen Abständen stattfinden­den Vorstellungen einer Laienspielbühne, auf deren Programm leichte Volksstü­cke standen, so ist es in Wien nur mehr das Kino, in dem man seine Unterhal­tung sucht.“744

„Klara geht lieber in der Stadt mit der Freundin bummeln.“ Gelegentlich büxt Klara aus, fährt per Autostopp herum, dieser Versuch, etwas zu unternehmen, um nicht vor Lan­geweile zu sterben, kostet sie drei Jahre Haft in einem geschlossenen Heim.

Ingrid Hermine Koller hatte noch Jahrzehnte in leitender Stellung am Wiener Jugend­amt vor sich und die Möglichkeit ihre fundamentalistischen Vorstellungen zur Geltung zu bringen:

„Trotz ihrer wahllosen Bekanntschaften hatte Ingrid noch keine Intimbeziehun­gen, doch wäre sie bei dieser Lebensweise früher oder später sicher in die Depra- vation abgeglitten, umso mehr als sie voreheliche Beziehungen bejaht,..“745

Fast alle Mädchen, auch jene aus kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Familien geben - laut Koller - an, voreheliche Beziehungen als normal zu betrachten; das weist einerseits darauf hin, dass voreheliche Beziehungen in deren Umfeld als normal galten und ande­rerseits, dass die Mädchen zum Zeitpunkt der Befragung (noch) nicht bereit waren, über ihre persönliche Weltsicht zu lügen und nicht bereit waren, die von konfessionellen FunktionsträgerInnen gewünschte Unterwerfung unter deren Sexualmoral wenigstens vorzuheucheln.

Hanni In den „Fallgeschichten“ tauchen sicher weit überproportional monatelange Auf­enthalte in „Heilstätten“ und Erholungsheimen auf, so dass oft ein Schuljahr verloren geht. (Man hat sich also nicht die Mühe gemacht, in diesen Heimen auch nur ein Mini­mum an Unterricht bereitzustellen.) Diese Auffälligkeit kann ich nicht klären. Ebenfalls in einer weit überproportionalen Zahl kann auf Tbc geschlossen werden, eine Krankheit, die 1962 schon im Verschwinden war.

Katja Geiger / Misar legt eine ganze Reihe von Belegen über mehrere Seiten vor, denen zufolge zwischen „Asozialität“ und der Tuberkuloseerkrankung von nationalsozialisti­schen Medizinern und Fürsorgebeamten ein Bedingungszusammenhang wahrgenom­men wird.746 Es könnte sein, dass sich diese Verbindung von Vorstellungen - somatisch krank / psychisch abnorm / asozial - bis in die Geisteswelt Kollers erhalten hat. Für eine „kriminelle Gefährdung“, die in das Gespräch mit den Angehörigen eingebracht wird, fehlt ja jeder Anhaltspunkt.

Ein älterer Sozialarbeiter der Bewährungshilfe erinnert sich:

„Auch der Blick auf den Tuberkulosekranken blieb vom Maßstab des Wohlver­haltens geprägt. Nicht die Verhältnisse, sondern die Unterstellung eigenen Ver­schuldens prägten den Blick auf die Krankheit: Wer unter Tuberkulose leidet, macht mit seiner Krankheit auf schuldhaftes Verhalten aufmerksam. ... Diese „sozialen Diagnosen“ waren lange wirksam, ich habe das selbst in meiner Ausbil- dung, Anfang der 70er Jahre noch gelernt.“747

In der Fallgeschichte Hanni wird ein möglicher Zusammenhang angedeutet:

„Die Vormundschaft über Hanni wird vom Jugendamt geführt, da sie außerehe­lich geboren ist. Damit verbunden ist die regelmäßige Betreuung des Mädchens durch die Fürsorgerin des Jugendamtes. So sehr die Mutter einerseits bei der Für­sorgerin Rat und Hilfe suchte und auch die Möglichkeit einer Erholungsverschi­ckung im Rahmen des Wiener Jugendhilfswerkes in Anspruch nahm, so sehr stell­te sie sich gegen den Verbleib Hannis in einem geschlossenen Heim nach der Be­obachtungszeit im Durchzugsheim. Sie lehnte alle wohlmeinenden Vorschläge ab und setzte die Rückgabe des Mädchens mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durch.“748

Sowohl der Kontakt mit der Tbc-Fürsorge-Stelle als auch mit dem Wiener Jugendhilfs­werk könnte das Interesse der Jugendfürsorge geweckt haben und die Gefahr der Inter­nierung in einer geschlossenen Anstalt vergrößert haben. Wirklich überraschend ist, dass eine „Erholungsverschickung“ auf direktem Weg - „wohlmeinend“ - in ein ge­schlossenes Heim führen soll.749

Die eigentliche, die angebliche Aufgabe der Amtsvormundschaft wurde nicht erfüllt:

„Alimente für Hanni langen nicht ein.“750

Hanni wohnt in jener Wohnung, in der sich ein „Herrenzimmer“ mit Lederfauteuils be­findet, sie selbst hat ein „richtiges Mädchenzimmer mit hellgrün gestrichenen Mö- beln“751

Sie wollte als Serviererin in einem Kaffeehaus arbeiten, wurde aber in der Küche be­schäftigt.

„sie war daher nach einer Woche von der Arbeit enttäuscht und ging nicht mehr hin. Von diesem Zeitpunkt bis zu ihrer Heimunterbringung [im Durchzugsheim], nach Hannis Schätzung etwa drei Wochen, ging sie keiner Arbeit nach.“752

Sie sollte also ins Heim kommen, weil sie unehelich geboren wurde, weil sie krank war, weil sie nicht als Küchenhilfe ihr Leben verbringen wollte und weil sie drei Wochen lang nicht arbeitete.

„[alle Familienmitglieder] zeigen für die, für Hanni notwendigen Erziehungsmaß­nahmen kein Verständnis und wollen auch die sittliche und kriminelle Gefähr­dung [Hervorhebung Czi] und charakterliche Fehlentwicklung des Mädchens nicht wahrhaben.“753

Unter den in den „Fallgeschichten“ berichteten Geschichten von Geschwistern werden zwei weitere Fälle unehelicher Kinder angeführt, deren Väter sich der Unterhaltspflicht entzogen; von irgendwelchen Anstrengungen des Jugendamtes seiner Aufgabe - der Sicherung des Kindesunterhalts - nachzukommen, wird nicht berichtet.

Edith Auch hier kann die Amtsvormundschaft ihrer Aufgabe nicht nachkommen:

„Ediths Vater verstand es stets sich seiner Unterhaltsverpflichtung zu entziehen.“754

In diesem Fall arbeitete das Mädchen zwei Monate lang vor ihrer Heimeinweisung nicht.

Ilse kam als Dreijährige in ein Kinderheim und wurde dort im Alter von zehn Jahren von einer Heimangestellten als Pflegekind angenommen. Die Geschichte dieses „Pfle- ge“verhältnisses ist überaus merkwürdig: Ilse blieb mit der Pflegemutter im Heim, bei der Versetzung der Pflegemutter musste sie auch das Heim wechseln und schlief immer im Schlafsaal der Kinder. Später durfte Ilse zu der Mutter der Pflegemutter übersiedeln. Die Pflegemutter ließ sich von den Kinderheimen weg in eine andere Dienststelle ver­setzen, während dieser Zeit wurde Ilse von der Pflegemutter eine Zeit lang privat in einem Internat untergebracht, dann zog Ilse in ihre Wohnung, allerdings wurde sie wäh­rend der Ferien wieder in Kinderheimen untergebracht.

„Die ,Großmutter‘ war es auch, die der Pflegemutter sagte: ,Schlag das Kind nicht so viel, sonst zeige ich dich bei der Fürsorge an‘, die Pflegemutter hat näm­lich eine leichte Hand. Bevor Ilse von daheim weglief, schlug sie die Pflegemutter mit dem Besen.“755.. ..Die Kontaktschwierigkeiten zwischen Ilse und der Pflege­mutter Einmal - Ilse war „nach einem Streit“ mit der Pflegemutter weggelaufen - ersuchte sie bei der Polizei um Aufnahme ins Heim.

Die Pflegemutter gibt an, dass sie Ilse „aus Mitleid“ angenommen habe; trotzdem bleibt das Motiv unklar. Ihre Versetzungen in verschiedene Heime und letztendlich die Ver­setzung an einen anderen Arbeitsplatz lassen die Vermutung aufkommen, dass ihre „leichte Hand“ auch zu „Kontaktschwierigkeiten“ mit anderen, mit allen Heimkindern geführt hatte, und sich dabei auch Gewaltexzesse nicht ausschließen lassen, die - nach vielen Jahren - doch nicht mehr als tragbar erschienen.

Und Ilse hält sich selbst für „schlimm“, das zumindest hat man ihr beigebracht, und wird in ein geschlossenes Heim eingewiesen, obwohl: „sexuelle Beziehungen haben dzt. noch eine untergeordnete Bedeutung, trotzdem ist die Gefahr eines Abgleitens in die Depravation gegeben.“ Die Gefahr eines Abgleitens in die Depravation ist nach ei­nem fast lebenslangen Heimaufenthalt „gegeben“, diese zwölf Jahre sollen jetzt noch um etwa drei Jahre verlängert werden, vielleicht um das Ergebnis der ersten zwölf Jahre abzusichern?

Lotte

„In den Arbeitsprozess war Lotte noch nicht aktiv eingeschaltet, da ihr Versagen in der Handelsschule einen Zusammenbruch ihrer ganzen Lebenshaltung nach sich zog, der die Unterbringung im Heim notwendig machte.“756

In diesem Fall stehen nach der Darstellung Kollers psychische Probleme - auch bei der Mutter - im Vordergrund: ein „geschlossenes Heim“ würde Lotte „die Möglichkeit der Beruhigung“ geben; danach folgt der Stehsatz bei psychischen Problemen:

„eine therapeutische Behandlung bietet mit Rücksicht auf ihre geringe intellektu- elle Begabung wenig Aussicht auf Erfolg.“757

Zum Schwimmen, ihrer Lieblingsbeschäftigung, wird sie im Heim wohl auch keine Gelegenheit haben.

Doris In diesem Fall stehen psychische / psychiatrische Probleme der Mutter im Vor­dergrund.

Mit sieben Jahren kam Doris ins Heim, weil sich die Krankheit des Vaters (vermutlich Tbc) verschlechtert hatte und Ansteckungsgefahr bestand. Andere Lösungsmöglichkei­ten dieses Problems werden gar nicht angedacht.

Sie verbrachte einige Zeit in Kinderheimen, warum ein Heimwechsel „notwendig“ war, lässt sich dieser Geschichte, wie allen anderen Geschichten auch, nicht entnehmen. Nach Ende der Schulzeit kam sie zur Mutter:

[Sie wurde] „bereit zwei Wochen später wegen Klinikeinweisung der Mutter ins Polizeijugendheim aufgenommen und [wurde] anschließend in ein Lehrmädchen­heim überstellt.“758

Die Jugendfürsorge hält es für völlig selbstverständlich, dass ein 14järiges Schulkind im Falle der Erkrankung der Mutter von der Polizei eingesperrt wird. Der Vater war ver­storben und wegen der psychiatrischen Probleme der Mutter war Doris vogelfrei.

„Wegen ihres ständigen Durchgehens [aus dem Lehrmädchenheim] war Doris nicht zu halten, sie wurde daher ... in ein geschlossenes Heim transferiert.“759

Doris kam in ein geschlossenes Heim, weil sie nicht in einem halb-geschlossenen Heim leben wollte.

An mehreren Stellen dieser Berichte lässt sich die Einengung der Handlungsmöglich­keiten der Fürsorgerinnen auf Eskalation der Strafmaßnahmen erkennen.

Im geschlossenen Heim machte die Jugendfürsorge eine Erfahrung, die ihr bereits aus hunderten vorhergehenden Fällen bekannt gewesen sein musste: es kam wieder zu einer „Entweichung“, in diesem Fall war „die neuerliche Aufgreifung erst nach Monaten möglich, dies war gleichbedeutend mit der Aufnahme ins Polizeijugendheim.“760 Der Jugendlichen wurde also nachgejagt wie einem Verbrecher, einzig und allein wegen dem Klinikaufenthalt der Mutter. Von der Polizei gesucht, konnte sie sich, ganz allein, ohne jede Hilfe, mehrere Monate durchbringen, „Einsatzbereitschaft und Energie“ wer­den ihr trotzdem abgesprochen.

Bei der nächsten Entweichung wird Doris befragt:

„Warum? Weil ich zu meiner Mutter ins Spital wollte. Ich darf sie nie besuchen gehen, darum werde ich immer wieder versuchen abzuhauen.“761

Auch die Mutter besuchte sie im Heim, wenn immer es ihr möglich war. Trotzdem heißt es über ihre Beziehungen zur Mutter: an ihr „ist sie insofern interessiert, als sie die Mut­ter braucht und diese ihr Unterkunft bietet.“

Bei vielen der Mädchen werden Beziehungen zu Angehörigen als korrupt geschildert, nur von dem Interesse nach Befreiung aus dem Heim, nach einem lockereren Erzie­hungsstil bestimmt.

Sie trat mit einem „mittelmäßigen“ Zeugnis aus der vierten Klasse Hauptschule, A-Zug aus. Wie wir aus der Untersuchung Leirer762 wissen, war ein „A-Zug“ für Heimkinder noch Anfang der 1970er Jahre eine Seltenheit. Völlig ungeniert wird angegeben, dass der Plan zum Besuch einer Handelsschule gegeben war, „doch wurde der Plan durch den neuerlichen Heimaufenthalt von Doris durchkreuzt.“763 Koller fügt noch einige von ihr wahrgenommenen Eigenschaften an, aus denen sie schließt „dass sie voraussichtlich Schiffbruch erlitten hätte.“

„Da Doris im Heim zu keiner Anpassung kam und die vorerst erwartete Ruhig­stellung wegen ihres häufigen Durchgehens nicht gelang, konnte ein neuer Ver­such einer beruflichen Eingliederung auf Grund einer Eignungsuntersuchung nicht mehr gemacht werden.“764

Sogar „die Möglichkeit im Heim die Haushaltsschule besuchen zu können, hat sie durch ihr ständiges Durchgehen verdorben.“ Sie verbringt also ihre Jugendjahre in einer Art Hochsicherheitstrakt und nach dem Abschluss der Hauptschule im A-Zug, was einem Gymnasium gleichzustellen ist, ohne jede geistige Anregung.

Wir blicken in eine Welt, in der die Fixierung eines Menschen, der nichts verbrochen hat, isoliert hinter Gittern, einen Wert darstellt, der jene Werte, die aus heutiger Sicht das Wesen einer Fürsorge für Heranwachsende ausmachen, zur Gänze auslöscht.

Die Maßnahmen des Jugendamtes, die aus Anlass der Klinikeinweisung der Mutter ein­geleitet wurden, haben also das denkbar schlechteste Ergebnis gezeitigt, das Jugendamt hat der Jugendlichen nachhaltig Schaden zugefügt und wird ihm weiterhin psychischen und physischen Schaden zufügen.

Es wird von Konflikten mit Mitzöglingen berichtet, von der Angst Doris in das Heim Wiener Neudorf765 verlegt zu werden, offenbar war ihr bereits mit diesem Heim gedroht worden; ich gehe davon aus, dass man ihr in jedem Heim, möglicherweise unter Zuhil­fenahme der anderen Insassinnen, übel mitspielen wird. Wegen ihrem Selbstbewusst­sein, ihrer Freiheitsliebe und ihrem Durchsetzungsvermögen sind Gewaltexzesse nicht ausgeschlossen.

Emma

„Um 5 Uhr früh gingen die anderen [vom Kaffeehaus] nach Hause, da sie [Emma] aber nicht wusste, wohin sie gehen sollte, nahm sie der Mann in ein Hotel mit.

Emma bat ihn wohl, dies zu lassen und nur zu warten, bis sie wieder allein auf die Straße gehen könnte, aber es nützte ihr nichts.“766

„Emma wurde schließlich in einem Hotel, in dem sie mit einem Mann genächtigt hatte, aufgegriffen und ins Polizeijugendheim gebracht.“767

Wegen der Bedrohung durch das polizeiliche Aufgreifen zum „Schutz der Jugend“ ist das Mädchen völlig den Männern in ihrer Umgebung ausgeliefert, eine Bitte von einem Geschöpf ohne jeden sozialen Rückhalt und ohne Schutz durch das Recht hat keine Aussicht auf Erfolg.

Emma fühle sich auch ohne Arbeit wohl, „das unangenehme an dieser Art zu leben war nur die immer wiederkehrende Angst vor dem Aufgegriffenwerden.“768

Der öffentliche Raum war ein gefährlicher Ort, jedenfalls für junge(?) Frauen, inwie­weit polizeistaatliche Überwachung das Leben der Gesamtbevölkerung einschränkte, kann ich im Rahmen dieser Arbeit nicht nachvollziehen; weder über das Arbeitshaus769, noch über „Vagabondage“, einem Straftatbestand in Österreich zu dieser Zeit, ist Se­kundärliteratur verfügbar.

Erna Koller ist voll des Lobes über diese Familie: „Die Mutter ist eine stille, arbeitsa­me Frau“, „Erna ist länger kindlich geblieben“, „Erna hilft der Mutter viel“, „sie war bis zu ihrem Durchgehen ein stilles, folgsames Kind, . . . eine Ohrfeige war nur selten not- wendig“.770

„Umso überraschender war es für alle, dass die wohlbehütete Erna eines Tages durchging. Das erste Mal fuhr sie in einen steirischen Wallfahrtsort, dort meldete sie sich bei der Gendarmerie, die ihre Abholung durch die Mutter veranlasste. Für ihr Durchgehen weiß Erna keine Gründe anzugeben.“

Beim zweiten Mal wurde sie in der Nähe eines Bahnhofs aufgegriffen und ins Polizei­jugendheim gebracht.

„Wegen ihres unmotivierten Durchgehens wurde Erna einem Psychiater vorge­stellt. Nach dem ärztlichen Gutachten zeigt Erna psychopathische Züge, auf die auch ihr Durchgehen zurückzuführen ist. Vorgeschlagen wurde ein längerer Heimaufenthalt, von dem jedoch wegen guter Führung des Mädchens . . . abgese­hen wurde.“771

Es ist dies das zweite Mal unter 25 Fallgeschichten, dass ein Arzt772 „einen längeren Heimaufenthalt“ als Heilmittel für „Psychopathie“ vorschlägt; es handelt sich dabei um die gleichen Heime, die von allen Beteiligten als Strafe empfunden werden:

„Sie hat eine sehr unbestimmte Sehnsucht nach fernen Ländern, reisen würde sie gerne, aber Durchgehen wird sie nicht mehr, da braucht sie jetzt nur mehr an das Durchzugsheim denken, dann überlegt sie sich’s bestimmt.“773

Der ideologische Hintergrund der Skandalisierung von kleinen Reisen, bei denen sich die Jugendlichen kurzfristig aus der Verfügungsgewalt der zuständigen Autoritäten ent­fernen, schließt vermutlich an die gerade vergangene politische Periode an. Ich kann aber der Entstehungsgeschichte dieses Ordnungsdenkens und dieser „Freiheits“-Panik im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgehen.

Eva Eva ist seit ihrem 12. Lebensjahr mit einem um 5 Jahre älteren Burschen befreun­det, sie schlief auch bei ihm, er wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem halben Jahr verurteilt, diese Strafe führte aber nicht zu einem Abbruch der Beziehung. Trotz dieser doch auffälligen Vorgeschichte kommt Eva glimpflicher als andere Mädchen davon.

An dieser Familie hat Koller fast nichts auszusetzen, nur: „Daheim gibt es keine richtige Geselligkeit, im wesentlichen kommen die Besucher wegen des Fernsehens.“774

Wegen Evas „mangelnden Arbeitstugenden“ bezweifelt Koller den Erfolg des in Aus­sicht genommenen Lehrvertrages, „umso mehr als Eva über Betreiben der Eltern nach Hause entlassen werden soll und so den auf sie aus der Umwelt eindringenden Reizen erneut ausgesetzt ist.“775

An dieser Stelle wird klar, dass „aus der Umwelt eindringende Reize“ schädlich sind, auch wenn das Mädchen in so erfreulichen und stabilen Verhältnissen lebt. Das klingt nach dem Abschottungswahn einer Sekte und nicht nach „öffentlicher Erziehung“.

Der in jedem Fall verwendete Kutscher-Ausdruck „durchgehen“ ist hier auf die Spitze getrieben: „Nachdem Eva nun vom Lehrlingsheim nach Hause durchging, .. ,“776

Einen Hinweis zur Koller’schen Geschlechterordnung gibt folgender Satz: Der nunmehr 20-Jährige Freund des Mädchens wohnt bei seinem Bruder und dessen Frau, „die nicht ordentlich für ihn sorgt.“777

Möglicherweise war Eva dazu vorgesehen, hatte eine gewisse Existenzberechtigung darin, besser für den jungen Mann zu sorgen.

Susi Koller berichtet in ihren Fallgeschichten, dass Susi vom Stiefvater „sekkiert“ wor­den wäre, was sowohl von der Mutter als auch von der Tochter angegeben wird. „.die Weisung des zuständigen Jugendamtes, dass Susi nicht mehr nach Hause darf, legen die Annahme nahe, daß unter „sekkieren“ eine sexuelle Annäherung[!] zu verstehen ist.“778 Nicht der Täter, sondern das Opfer wird entfernt und in weiterer Folge - wegen der Re­aktion des Kindes auf den Missbrauch - wird es in ein Heim gebracht; zunächst kommt es zu einer „plötzlichen Übersiedlung“ Susis in eine Pflegefamilie in Wien. „Über Drängen des Mannes“ steht die Rückkehr des Mädchens nach Hause im Raum, das Mädchen verübt unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Gefahr einen Selbstmord­versuch.

„In der Pflegefamilie war Susi gern gesehen und hätten sie die Pflegeeltern auch nach dem Selbstmordversuch wieder bei sich aufgenommen, ohne ihr etwas nach­zutragen, . . . auch dürfte die angestrebte Ruhigstellung des Mädchens im Heim leichter erreicht werden, daher erwies sich die Aufnahme in ein städtisches Heim vorteilhafter.“

Hier wird unterstellt, dass ein Selbstmordversuch aus Angst vor Missbrauch dem Kind „nachzutragen” ist; die zugrundeliegende katholische Geisteshaltung - Selbstmord als Sünde - führt dazu, dass „Susi“, statt zu ihrer Pflegefamilie, was von beiden Seiten ge­wünscht ist, in ein - vermutlich geschlossenes - städtisches Heim, zur “Ruhigstellung” verbracht wird. Es handelt sich auf jeden Fall um eine Zwangsmaßnahme gegen die von beiden Seiten gewünschte Lösung; die Pflegefamilie brauchte ja die Pflegebewilligung. Eine Spezialmeinung, die für die Gesamtgesellschaft in den 1960er Jahren nicht mehr verbindlich ist, die Spezialmeinung derjenigen Religionsgesellschaft, der die Fürsorge­rin / Psychologin angehört779, wird zum Schaden und gegen den vernünftigen Willen einer von der öffentlichen, kommunalen Fürsorge des immer noch „Roten“ Wien ver­walteten Jugendlichen angewendet.

Zwei Seiten mit Beschreibungen von Banalitäten weiter ist das Verbrechen und die deutliche Artikulation des Mädchens vergessen und der Grund für den Selbstmord­versuch in das defekte Innere des Mädchens verlagert:

„Susis Neigung zu depressivem Verhalten, sowie die beginnende neurotische Verwahrlosung als deren Ursache wohl die emotionale Vernachlässigung anzuse­hen ist, waren Ursache für den von ihr gemachten Selbstmordversuch, der einen Klinikaufenthalt erforderte.“780

Nachdem die Geschichte des sexuellen Übergriffs und der von dem Kind mit Recht befürchteten Vergewaltigung im Raum steht, erscheinen andere von Koller verwendete Formulierungen geradezu zynisch: Susi hoffte, von daheim wegzukommen, wegen der „bestehenden Spannungen mit dem Lebensgefährten der Mutter“781. Das Wochenende war „durch die Anwesenheit des Stiefvaters ziemlich spannungsgeladen.“782

„Die Mutter gefällt sich in der Rolle der vom Leben enttäuschten Frau und vermag ei­genes Versagen so darzustellen, dass der unbefangene Zuhörer...“783 Aus den geschil­derten Umständen kann „der unbefangene Zuhörer“ nicht erraten, worin das Versagen der Mutter bestehen könnte.

Trotz der verschleiernden Sprache wird hingegen das Versagen des Jugendamtes deut­lich: Susi wurde unehelich geboren, das Jugendamt müsste als Amtsvormund agieren, es geschieht aber nichts: in Deutschland hatte die Mutter Beziehungen zu einem deut­schen Wehrmachtsangehörigen, denen Susi entstammt, dieser Mann hätte in keiner Weise für sie und das Kind gesorgt. Für solche Fälle wurde ja angeblich die Berufsvor­mundschaft geschaffen.

Gabriele In Gabrieles Geschichte wird ihr Versuch zu ihrem (ehelichen, daher berech­tigten) Vater - nach Deutschland - zu gelangen, als „Durchgehen“ bezeichnet; es wer­den zwar für die Übergabe an den Vater „Erhebungen durchgeführt, doch erscheint für das Mädchen vorerst eine Ruhigstellung im neutralen Milieu eines Heimes zweckmäßi- ger.“784 An anderer Stelle heißt es jedoch: „Gabriele wurde in das Durchzugsheim auf­genommen, da sie nichts arbeitete, ...“785. Wieder an anderer Stelle heißt es: „in dieser Arbeit blieb sie bis zu ihrem Durchgehen.“

Es scheint so zu sein, dass jene beiden bei Koller im Vordergrund stehenden Vorwürfe für sich genommen auch für die Autorin selbst nicht auszureichen scheinen, die Zwangserziehung zu rechtfertigen, und deshalb in jedem Fall „Nicht-am-zugewiesenen- Platz-befindlich“ und „Nicht-Arbeit“ kombiniert werden müssen.

Hier wie in mehreren anderen Fallgeschichten wird angegeben, dass die Vermittlung durch das „Berufsberatungsamt“786 nicht in Anspruch genommen wurde und quasi ei­genmächtig eine Arbeitsstelle gesucht wurde. Möglicherweise hätte Koller gerne das Übergehen des Berufsberatungsamtes auch als Disziplinlosigkeit geahndet.

10.2.2 Das Geisteshaltung Kollers und das Jugendamt

Wie schon erwähnt, liegen zwei von Koller verfasste geschichtliche Darstellungen vor, aus dem Jahre 1987 und 1990, die sich über alle Bemühungen zur Vergangenheitsbe­wältigung und über den in der Zwischenzeit vollzogenen tiefgreifenden Wertewandel hinwegsetzen. Wie ebenfalls bereits erwähnt, gab es noch im Jahre 1936 eine Dienst­anweisung im Wiener Jugendamt, die sich mit großer Klarheit und Entschiedenheit ge­gen Gewalt gegen Kinder aussprach, an diese Tradition der Ersten Republik schloss man sich in der Zweiten Republik nicht an.

In diesen historiographischen Veröffentlichungen Kollers wird unbefangen offenbart, wie Heimkindern jedes Entwicklungspotential, ja das Mensch-Sein selbst, abgesprochen wurde.

1949 hatte das Institut für Erziehungshilfe mit seiner Tätigkeit begonnen:

„Die Zielvorstellung, auch verwahrloste Kinder, die in Anstalten leben, zu behan­deln, erwies sich als nicht realisierbar. Abgesehen davon, daß Verwahrloste kaum einen tragfähigen Kontakt herstellen können, waren die Anstalten nicht in der La­ge, den Schwierigkeiten, die sich aus der Therapie ergaben, entsprechend zu be­gegnen.“787

Die „Fürsorge“ und die „Heime“ bestanden darauf, dass die in ihre Gewalt gelangten Kinder vollständig ihrer Gewalt ausgeliefert bleiben sollten, wie Tiere gesehen und gehalten werden sollten, die Psychologin war da ganz dieser Meinung.

Die Fürsorgezöglinge sollten nicht nur von jeder öffentlichen Hilfe von außen isoliert werden, sondern auch ihrer Identität, ihrer Herkunft und ihrer Familie, ihres letzten so­zialen Ankers, beraubt werden:

„Bewährt hat sich die seit dem Jahre 1953 erfolgte Unterbringung von Fürsor­geerziehungs-Zöglingen in Heimen anderer Bundesländer. In manchen Fällen er­möglichte die Entfernung von Wien Erziehungserfolge, die in Wiener Heimen wegen der nicht ganz auszuschaltenden negativen Einflüsse von Angehörigen so- wie des sozialen Umfeldes nicht zu erreichen waren.“788

An anderer Stelle der gleichen Publikation, im „Geleitwort“ von Ingrid Smejkal, damals Amtsführender Stadtrat für Bildung, Jugend, Familie und Soziales, wird hingegen pro­klamiert:

„Kein Kind sollte aus erzieherischen Gründen seine Familie verlassen müssen, wenn die Familie auf irgendeine Weise zur Selbsthilfe, zur Bewältigung der Schwierigkeiten geführt werden konnte.“789

Die „Abnahme“ leitete eine Serie von traumatisierenden Maßnahmen ein, deren Wahr­nehmung als „Gewalt“ gegenüber der physischen Gewalt, die nunmehr ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, mehr Phantasie erfordert: Von der Kinderübernahmsstelle, wo die Kinder, wie isolierte Bakterien zwischen Glasplatten unter dem Mikroskop790, von allem Menschlichen abgeschnitten wurden, über das Kleinkinderheim, das als Spital geführt wird, als wäre das Findelhaus791 erhaltenswertes Brauchtum, wo dann im 6. Lebensjahr wieder die Test-Psychologen eingesetzt wurden, die aber nicht endlich stabi­le Gruppen, soziale Lebensgemeinschaften auf Dauer in irgendeiner Form mit verlässli­chen Bezugspersonen einzurichten hatten, sondern die Schulreife testen sollten, so dass die Kinder im exakt richtigen Zeitpunkt aussortiert werden und - allein zum Zwecke der administrativen Ordnung - aus allem und jedem, das bisher ihr kleines Leben ausmach­te, pünktlich und vollständig heraus gerissen werden konnten, um wieder als Nummer in einem anderen Heimen zu landen.

In allen Fallgeschichten wird mit großer Unbefangenheit die Anzahl der „Verlegungen“ berichtet, ja „die Anzahl der Verlegungen“ scheint der Charakterisierung der Mädchen zu dienen; daran ist zu erkennen, dass es sich bei diesem „Reigen“ der Heime nicht nur um organisatorische Unfähigkeit handelte, sondern andere Gründe ausschlaggebend waren.

Über das Ausmaß der Verletzung, das diese Verlegungen mit sich brachten, bringen mussten, kann ich nur Vermutungen anstellen: es handelte sich jedes Mal um einen Hi­nauswurf, um eine Ausstoßung mit folgender Botschaft: „Du bist uns unerträglich, du bist es nicht wert, in unserem Haus, wie fürchterlich es hier auch immer sein mag, zu bleiben; nachdem wir dich jetzt einige Monate kennengelernt haben, wollen wir dich so schnell wie möglich wieder loswerden; die Bezüge, in denen du glaubtest, deine Persön­lichkeit zumindest in minimalem Ausmaß bilden zu können, gibt es nicht, du hast dich ihrer unwürdig erwiesen.“

Eine Statistik, wie oft derartige Ereignisse in das Leben eines durchschnittlichen Heim­kindes einschnitten, gibt es noch nicht. Zur vollständigen Zerstörung des Selbstwertge­fühles genügt wohl ein einziger derartiger Vorfall: Einen anderen Ort für sein Ich als das jeweilige Heim hat das Kind ja nicht. Da jede Lebensäußerung zwanghaft fremdbe­stimmt war, löscht das Heim das Selbst des Kindes aus, es wird Bestandteil des Heimes.

Nach der „Konsolidierung des Referates Erziehungsberatung im Jahre 1950“ wurden die „Arbeitsgebiete neu strukturiert und differenziert“:792

„...weitere Aufgaben der in der Kinderübernahmsstelle tätigen Psychologen wa­ren die Überprüfung und die Beurteilung der einlangenden Transferierungsanträge der städtischen und privaten Erziehungsheime, .

Psychologische und heilpädagogische Betreuung der städtischen und privaten Heime. Diese konnte vorerst nur ausnahmsweise geleistet werden, jedoch wurde eine regelmäßige Betreuung der Heime angestrebt. . Die Betreuung sollte dazu beitragen, Transferierungen weitgehend zu vermeiden ...“793

Daraus ergibt sich:

Die Heime lagerten ihre Probleme auf kindliche Symptomträger aus, die „Erziehungs­berater“ teilten diese Sichtweise und agierten dementsprechend, indem sie das Strafbe­dürfnis des Heimpersonals anerkannten und ihm Raum gaben; die Erziehungsberaterln- nen hatten über die „Transferierungsanträge“ Einblick in jene Vorgänge, die Jahrzehnte später zur Anerkennung von Betroffenen als „Verbrechensopfer“ führen. Sie hatten akademischen Status, sie hatten den Auftrag, sie hatten die Kenntnisse - und sie spielten mit. Nicht nur die unqualifizierten Erzieherinnen, in einem Gewaltsystem korrumpiert, sondern auch die PsychologInnen, denen die Krisenfälle vorgeführt wurden, stehen in der Verantwortung.

Koller kämpfte auf der Grundlage einer Dienstanweisung von Ourednik, wie gezeigt wurde [siehe 8.], für den Erhalt des Züchtigungsrechtes, noch im Jahr vor der Reform des Strafrechtes und der ersatzlosen Streichung der einschlägigen Paragraphen.

Unfassbar ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der man (Koller) eine Kontinuität über die Zeit des Nationalsozialismus hinweg herstellte: „Fürsorgerinnen ... erhielten nun die Bezeichnungen ,Organisationsfürsorgerinnen‘ ... durch ... die Behandlung von Anzeigen der Polizei über Jugendliche im Jugendamt war eine stärkere Inanspruchnah­men der ,Erziehungsfürsorge‘ gegeben.“

„Verwaltungsbehörden konnten nun zum Beispiel die im österreichischen Recht den Strafgerichten vorbehaltene Zwangseinweisung ,Asozialer‘ in Anstalten wie Arbeitshäuser veranlassen. Auch die Geheime Staatspolizei war berechtigt ,asozi- ale Personen einer nutzbringenden Arbeit durch Anhaltung in entsprechenden Einrichtungen zuzuführen‘“794

Weder distanzierte man (Koller) sich von diesen NS-Maßnahmen noch nahm man (Kol­ler) wahr, dass die Verwaltungsbehörde Jugendamt nach dem Ende des NS-Regime die auf Grund der NS-Polizeiverordnungen „aufgegriffenen“ Jugendlichen ganz analog wie in der NS-Zeit in geschlossene Verwahrung einwies, festhielt und dort „einer nutzbrin­genden Arbeit durch Anhaltung in entsprechenden Einrichtungen zuführte“.

Auch sonst war man (Koller) stolz auf die Leistungen der NS-Zeit:

„Im Gesundheitsamt bestand ab 1940 ein von einer Fürsorgerin geführtes Referat für Wohnungsfürsorge. Vordringliche Fälle von Wohnungsnot konnten von den Jugendämtern und den Tuberkulosefürsorgestellen gemeldet werden. Das Referat hatte die Aufgabe, in diesen dringenden Fällen beim Wohnungsamt „Mietscheine“ zu beschaffen, allerdings nur, wenn die „Erbkartei“ die „Unbedenklichkeit“ der Wohnungsbedürftigen bestätigte.“795

So steht es wirklich in einer Publikation des Wiener Jugendamtes im Jahre 1987 - es fehlt der Hinweis darauf, dass es sich bei diesen freiwerdenden Wohnungen um Woh­nungen enteigneter, delogierter, geflüchteter und vertriebener Juden handelte. Dass ein Zehntel der Wiener Bevölkerung mit allen ihren Kindern, den großen und den kleinen, den braven und den schlimmen, verfolgt und ermordet wurde, wird mit keinem Wort erwähnt.796

Zwei längere Absätze in dieser Publikation sind jener gegen die Erscheinungen der mo­dernen Gesellschaft gerichteten Privat-Philosophie Kollers vorbehalten, die schon an den „jugendlichen Verwahrlosten“ exerziert worden waren.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), das Pontifikat Johannes‘ XXIII (1058-1963) hat bei Koller nicht zu einem aggiornamento geführt. Sie verharrte in jener Phase des Katholizismus der Nachkriegszeit, in der er zielgerichtet an einer Umorientie­rung der Gesellschaft unter christlich-katholischen Wertvorstellungen arbeitete797 und eine der aufkommenden Konsum- und Massenkultur widersetzende Grundhaltung ein­nahm.

1987 - Koller konnte der Gesellschaft, so wie sie war, noch weniger abgewinnen - er­scheinen ihr auch Erwachsene erziehungsbedürftig798 und Koller konnte ihre Ansichten in dieser Festschrift des Jugendamtes ausbreiten, allerdings folgenlos für die zu erzie­henden Erwachsenen.

Nicht so viel Glück hatten die zu erziehenden Kinder und Jugendlichen, die zur Durch­setzung randständiger katholischer Überzeugungen in Heimen verwahrt worden waren und weiterhin verwahrt wurden.

10.3 Otto Tumlirz

Otto Tumlirz war Professor an der Universität Graz, er publizierte über Anthropologi­sche Psychologie, 1939 erstmals veröffentlicht, ein zweites Mal kaum verändert 1955 und über Pädagogische Psychologie; sein „Abriß der Jugend- und Charakterkunde“ er­schien in mehreren Auflagen von 1940 bis 1953.

Die Sichtweise von Tumlirz soll als Folie dienen; sie besteht - ebenso wie die von Kol­ler und Estl - in einer katholisch-konservativen Grundhaltung, in einem autoritären Staats- und Gesellschaftsverständnis und in der Verabsolutierung der Geschlechterhie­rarchie als moralischem Wert.

Tumlirz bringt aber im Einzelfall Verständnis auf, auch hält er z.B. einen länger dau­ernden Heimaufenthalt für unzumutbar und unzweckmäßig und verweist auf einen ir­gendwie doch verständlichen „Lagerkoller“, der ja auch im militärischen Zusammen­hängen auftauche.

Die Affinität Tumlirz zum Nationalsozialismus wurde von verschiedenen Autorinnen799 bewertet, für die vorliegende Arbeit genügt es zu wissen, dass er angab, er wäre schon im September 1937 illegales Mitglied bei der Grazer Ortsgruppe gewesen.800

„Zwei Gruppen von Grundformen des menschlichen Seins ... von besonderer Wichtigkeit, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen den Rassen.“801

Im Zuge der Entnazifizierung wurde er im Juni 1945 seines Amtes als Universitätspro­fessor enthoben und auf der Grundlage der Sonderbestimmungen (§ 19 des Verbotsge­setzes) für Vertreter der Fächer Philosophie. Psychologie, Pädagogik, usw., die ein fünf- bis zehnjähriges Berufsverbot auch für Minderbelastete vorsahen, pensioniert.802 Er erhielt eine leicht gekürzte Pension.803

1948 wurde Otto Tumlirz, der zu dieser Zeit nicht an der Universität lehren durfte, von der Steiermärkischen Landesregierung beauftragt, „besonders schwierige Fälle von Für­sorgezöglingen psychologisch zu begutachten“804. Er bearbeitete 880 Akten von Für­sorgezöglingen, die in den Jahren 1945 bis 1950 in Anstaltserziehung eingewiesen wor­den sind. „Die Zahl der männlichen und der weiblichen Fürsorgezöglinge war in den sechs Jahren eigenartigerweise genau gleich, nämlich je 440,“805 200 davon wurden genauer untersucht, unter ihnen befanden sich mehr weibliche als männliche Zöglinge (123 zu 77), weil sich in Graz selbst zwei Mädchenheime befanden und die Begutach­tungen sich deshalb leichter durchführen ließen,806 die Arbeit über die „Jugendverwahr­losung“ enthält deshalb mehr „Fallgeschichten“ von Mädchen.

Im Unterschied zum Wiener Jugendamt ist er sich bezüglich der besonderen Gefähr­dung des unehelichen Kindes nicht ganz so sicher:

„Ob jedoch die allgemein verbreitete Anschauung richtig ist, daß es [das uneheli­che Kind] leichter verwahrlose und verbrecherisch werde als die ehelichen Kin- der, werden wir noch zu untersuchen haben.“807

Er berichtet von einer Therese, die mit besonderem Interesse und Mitgefühl geschildert wird, was sich vermutlich darauf zurückführen lässt, dass sie „vor dem Zusammenbruch Führerin einer Jungmädelgruppe“ war; deshalb habe sie sich bis zu einem gewissen Grade vermännlicht. „Sie will frei und unabhängig sein. Der Hauptzug ihres Charakters ist Willenskraft.“808

Die Tumlirz vorliegenden Akteneintragungen der Fürsorgebehörde werden ebenfalls häufig relativiert: „Der Vorwurf sexueller Triebhaftigkeit [bei Therese] dürfte ganz un­zutreffend sein.“

„Weil sie angeblich diebisch und verlogen war, ...“, sie wird auch als „hilfsbereit, leicht lenkbar und nett“ geschildert, dieser Widerspruch weise nach Tumlirz darauf hin, dass mehr die Familienverhältnisse als ihr Verhalten ihre Einweisung bedingten. Denn: „Der Vater, bei dem sie lebte, mußte zum Kriegsdienst einrücken, weshalb eine ander­weitige Unterbringung notwendig wurde.“

Tumlirz spricht hier etwas aus, das bis zur Gegenwart einfach hingenommen wurde: Kinder, die nichts anderes brauchten als eine Unterbringungsmöglichkeit, wurden - im Augenblick der Einweisung, gleichgültig in welches Heim - zu „Fürsorgezöglingen“ und im Zuge dieses Vorganges mit den entsprechenden Eigenschaften versehen, die nicht mehr zu hinterfragen waren und die die weitere Heimkarriere bestimmten. Die im Zuge der Einweisung geschaffenen Wertungen werden rückblickend als sinnhaft, folge­richtig, als berechtigt empfunden und anerkannt.

Noch im Jahre 1974 stellt Koller diese Situation genauso dar: die halbtot geprügelten Kinder wurden abgenommen und eingewiesen, das Heim war aber in den Augen Kol­lers selbst kein Ort des Schutzes, sondern ausschließlich ein Ort der Disziplinierung. Praktischer Weise konnte sie diagnostizieren, dass die misshandelten Kinder außerdem auch „schwererziehbar“ waren und deshalb das „Heim“ angemessen war.809

Tumlirz beschreibt dieses Vorurteil, dem alle erliegen, wenn sie sich mit Heimen befas­sen, dem auch ich anfänglich erlegen bin:

„.nach der allgemein herrschenden Anschauung [wird] der Fürsorgezögling als ein Taugenichts beurteilt, der schon irgend etwas angestellt haben müsse, sonst wäre er eben nicht in die Zwangserziehung gekommen. Durch den Ausspruch der Fürsorgeerziehung ist er daher mit einem Makel behaftet und hat oft genug im späteren Berufsleben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, um die volle Gleichbe­rechtigung mit den nicht in Fürsorgeerziehung Gewesenen zu erlangen.“810

Tumlirz tritt nicht für die Abschaffung dieser Diskriminierung ein, sondern er verlangt eine „sorgfältige Prüfung aller Umstände besonders in den Fällen der vorbeugenden Fürsorgeerziehung“811.

Andere Konstellationen nimmt Tumlirz als gegeben hin:

„die Flucht und ein während der Heimabwesenheit begangener Diebstahl, für den sie eine vierwöchige Arreststrafe erhielt, ... Diese Abwärtsentwicklung...“812

Dass das Einsperren notwendigerweise Fluchten provoziert, dass die Flucht, die ja selbst schon kriminelle „Vagabondage“ ist, ohne kriminelle Handlungen kaum möglich ist und so die „geschlossenen Anstalten“ (Klein-)Kriminelle produzieren, auch bei der normalen Entlassung, bei der die Jugendlichen ohne Geld und ohne soziale Fertigkei­ten813 sich selbst überlassen wurden, bei all dem wurde an eine Änderung der Strukturen nicht gedacht.

In frauenfeindlicher Voreingenommenheit steht Tumlirz den beiden Wiener Erzie­hungsberaterinnen nicht nach:

„Rosa weiß um ihre Verdorbenheit .Sie sei ... [von ihrem Vater] oft ungerecht geprügelt worden, sie deutet sogar sexuelle Beziehungen an. Man könnte an einen negativen Vaterkomplex denken, in den befangen sie ein Luderleben geführt habe um den Vater absichtlich tief zu kränken ... Sie haßt ihren Vater wohl deshalb, weil er sie, solange sie in seinem Haus lebte, am hemmungslosen Ausleben ihrer Triebe hinderte. ... Sie ist die geborene Dirne, schwachsinnig, faul, arbeitsscheu, unbeschwert von sittlichen Gedanken . eitel, putzsüchtig, dann wieder maßlos schlampig und schmutzig. Diese Verhaltenswidersprüche könnten auf seelische Regelwidrigkeiten hinweisen,...“814

Zwar erst nach der Zuschreibung „geborene Dirne“, aber immerhin, zieht Tumlirz „see­lische Regelwidrigkeiten” in Betracht, das macht aber keinen Unterschied, weil (psychi­sche) Krankheit - auch von FunktionärInnen der Jugendfürsorge, die wegen der „Gnade der späten Geburt“ nicht mehr als NationalsozialistInnen bezeichnet werden (können) - nicht anders als „moralische Verkommenheit“ behandelt wird.

Von einer „Maria“ berichtet Tumlirz, die „entsprechend ihrer schweren Debilität weder sittliche Vorstellungen noch sittliche Hemmungen besitzt“, und doch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, und zwar wird sie „wegen Landstreicherei zu 14 Tagen Arrest verurteilt.“815

Aber in der Fallgeschichte „Erika“ hebt sich die Sichtweise von Tumlirz deutlich von der - sehr ähnlichen - Kollerschen Fallgeschichte „Maria“ ab:

„...ihre Antworten verraten geistige Beweglichkeit und selbständiges Denken.“ So et­was gibt es bei Koller schon einmal gar nicht.

„Dieses kluge Mädchen besucht die Hilfsschule und wurde als schwachsinnig, ja sogar als imbezill bezeichnet. ... Wir haben Erika absichtlich „klug“ genannt und wollen damit sagen, daß sie nicht nur gut begabt ist, sondern sich in ihrem Denken bereits den Erwachsenen nähert, also frühreif ist. Diese seelische Frühreife, die so sehr der körperlichen Unreife widerspricht, ist das Ergebnis unkindlicher Erfah­rungen und Erlebnisse, die ihre kindliche Eigenwelt zerstört haben. ... Der eine Bettgeher ... schändete wiederholt Erika und ihre um drei Jahre ältere Schwester. Die Kleine war beim ersten Notzuchtsakt sieben Jahre alt. . Diese Erfahrungen konnte sie gefühlsmäßig noch nicht bewältigen, sondern nur durch eine Versach­lichung verstandesmäßig erfassen.“816

Die Kollersche „Maria“, die im gleichen Alter nicht einen „Notzuchtsakt“ erlitt, sondern ein „sexuelles Erlebnis“ hatte, erzielt, getestet in einer feindseligen Atmosphäre, eine Intelligenzquotienten von 90, besitzt also normale Intelligenz; Koller gibt es überhaupt nicht zu denken, dass Maria - nach mehr als zehn Jahren Heimeinschluss - als nicht bildungsfähige Hure entlassen werden wird.817

Allerdings bezeichnet auch Tumlirz hier den Gewaltakt an einem kleinen Kind als „se­xuelle Verführung“.

Dieser Fall, „Erika“, gehört zu den wenigen unter allen „Fallgeschichten“ von Mäd­chen, die ich gelesen habe, bei dem von einer Verhandlung vor einem Strafgericht we- gen sexuellen Missbrauchs berichtet wird.818

Bei Tumlirz gibt es, im Unterschied zu Estl und Koller, so etwas wie positive Gutachten und Fehler(!) in der Begutachtungspraxis:

„Über Antrag des zuständigen Jugendamtes sprach das Gericht die vorläufige Für­sorgeerziehung über die 15jährige Josefa aus, da sie von der Polizei wegen He­rumtreibens mit halbwüchsigen Burschen beanstandet worden war. ... Auf Grund des Gutachtens unterblieb die Einweisung in ein Erziehungsheim. ... Ohne Ein­greifen des Landesjugendamtes hätte ihre Entwicklung keine so günstige Rich­tung genommen, da unberechtigte Heimeinweisungen die Jugendlichen zum äu- ßersten Widerstand herausfordern.“819

„Die sehr intelligente und willenskräftige 16jährige Anna ist als uneheliches Kind bei ihrer Mutter aufgewachsen. Als sie neun Jahre alt war, heiratete die Mutter. Mit der Ankunft zweier eheliche Kinder verschlechterte sich ihre Lebenslage im­mer mehr. ... Im Juni 1949 wurde sie wegen Vagabondage und des Verdachtes der geheimen Prostitution verhaftet, 18 Tage in der Polizeijugendzelle festgehal­ten und dann in ein Erziehungsheim überstellt. Der Verdacht war ganz unberech­tigt, denn die polizeiärztliche Untersuchung ergab, daß sie noch eine virgo intacta war. . Den Grund für das Davonlaufen gibt sie nicht an, doch hat sie vermutlich der Stiefvater mit unsittlichen Anträgen bedrängt. ... sondern daß die Mutter sie ohne vorherige Mitteilung ihrer Absichten zur Polizei brachte und dort ihre Toch­ter, ..., offenbar der Vagabondage und Prostitution beschuldigte. ... [Annas] Un­zufriedenheit mit ihrem Schicksal wird durch die Erkenntnis gesteigert, daß sie im Erziehungsheim nichts zu ihrem Lebensunterhalt beitragen kann und, wenn sie entlassen wird, nicht besitzt und nichts gelernt hat. Denn je älter sie wird, desto schwerer ist es für sie, als Lehrling unterzukommen.“820

Diese beiden Geschichten, die Geschichte jenes Mädchens, das ins Erziehungsheim kam, weil ihr Vater, bei dem sie lebte, zum Militär eingezogen wurde und die Geschich­te dieses Mädchens, das von einem Gewaltakt ihres Stiefvaters bedroht war und deren Mutter sich nicht anders zu helfen wusste, als die Einweisung in ein Erziehungsheim zu betreiben, schon diese beiden Geschichten allein beweisen, dass es eine staatliche Für­sorge überhaupt nicht gegeben hat, die für die „sozialen Notfälle“ da sein hätte müssen, für jene Fälle, wo Kinder und Jugendliche nur Unterkunft und Sicherheit gebraucht hät­ten, auch sie waren schuldig qua Status als (soziale) Waisen.

Unter jenen ehemaligen Heimkindern, die bereit waren, mit Professor Sieder Gespräche zu führen,

„... befanden sich zu mindestens zwei Dritteln Männer und Frauen, die als Kin­der, oft schon als zwei und dreijährige Kinder, einfach das Pech hatten, dass in ih­rer Herkunftsfamilie ... ,kein Platz‘ für sie war. ... Sie alle werden in den Erzie­hungsheimen den gewaltsamen Methoden der Heimerziehung unterworfen, so als wären sie ,schwererziehbare‘ Kinder.“821

Von Otto Tumlirz lässt sich ein schöner großer Bogen wieder zurück zu Marianne Estl schlagen:

„Unheilbar sind nach unseren Erfahrungen die Mädchen, die sich der Prostitution ergeben haben. ... wie erwähnt, [kann] die Erziehung die zerstörten biologischen Schranken der Scham, der Furcht vor Schwängerung, der weiblichen Verwund­barkeit nicht wieder aufrichten. ... In den meisten Fällen aber handelt es sich bei den jugendlichen Prostituierten um jene geistig minderwertigen, hemmungslos Triebhaften, die ihrem ganzen Wesen nach dem Dirnentum zuneigen.“822

So soll es sein: Frauen sollen als Opfer der „Schranken der Scham“, der Angst vor einer Schwangerschaft, von Verwundbarkeit allein auf Grund ihrer Weiblichkeit in ewiger Furcht leben, alles biologisch so vorgegeben, ihre Sexualität soll als Ort des Ausgelie- fert-Seins erlebt werden, sodass für Frauen die ganze Welt zum Ort des Ausgeliefert­Seins wird, hingegen soll der Freier zur Steigerung des Mehrwerts der bezahlten Dienst­leistung sich einbilden dürfen, es würde ihm „hemmungslose Triebhaftigkeit“ entge­gengebracht und dass er die Schuld an der Sünde an die Frau delegieren könne. Amen.

Zu ergänzen wäre vielleicht, dass Tumlirz im Juni 1938 eine Dissertation an der Uni­versität Wien angenommen hat (nach der Vertreibung von Karl Bühler supplierte Tum- lirz vorübergehend dessen Lehrstuhl823 ), die völlig frei ist von nationalsozialistischem oder sonst menschenverachtendem Gedankengut ist, nämlich von Maria Nekula824 ; die­ser Text verzichtet sogar auf geschlechtsbezogene Vorurteilshaftigkeit: die Kinder sind Kinder, nicht einmal die Eigenschaften werden geschlechtsspezifisch konnotiert. Maria Nekula wurde in der NS-Zeit in den Dienst der Jugendfürsorge aufgenommen825, wurde „Erziehungsberaterin“, was sie nach dem Krieg auch blieb. Der Frage, ob sie sich im Dienst der Jugendfürsorge verändert hat, konnte ich nicht nachgehen.

11 Zusammenfassung

Zwei Fürsorgerinnen - später leitende Beamtinnen des Jugendamtes - haben im Dienststand psychologische Dissertationen über „verwahrloste“ Mädchen verfasst, die Auskunft geben, wie von bestimmten FunktionärInnen des Jugendamtes Wirklichkeit konstruiert und das Geschlechterverhältnis normiert wurde. Gerade in dem Bemühen um einen wissenschaftlichen Deutungsrahmen enthüllt sich die Fiktionalität der Darstel­lung. Das Wesen der targets entsteht im Prozess der Kategorisierung, die Übernahme solcher Zuschreibungen in die Selbstbilder der Beschriebenen ist Teil des hegemonialen Spiels. Der Konnex zwischen den Beschreibungen und den Beschriebenen wird durch Beschreibungs-Muster hergestellt, die über Jahrzehnte fortgeschrieben wurden und in den 1950er Jahren, der Zeit der Restauration, gelegentlich auch für die gesamte „heutige Jugend“ Anwendung fanden. Bei Hermine Koller (1962) [siehe 10.2] steht der „Zög- ling-ausserhalb-der-Akten“ (Markus Furrer, 2011) dem Akten-Zögling wegen der litera­rischen Ausführlichkeit ihrer Arbeit deutlich sichtbar gegenüber.

Der Handlungsauftrag, den führende VertreterInnen der Fürsorge zu sehen meinten, ging vor allem von ihnen selbst aus. Von Teilen der Jugendfürsorge wurde versucht, den Zuständigkeitsbereich auf große Gruppen der arbeitenden Bevölkerung auszudeh­nen, noch über jene mindestens 10% der Mütter hinaus, die - unverheiratet - angeblich keine rechtschaffene Familie bilden könnten, nämlich auf alle „Industriekinder“. Alle jungen Hilfarbeiterinnen werden von Hermine Koller (1962) als „Gefährdete“ bezeich­net, Marianne Estl (1952) [siehe 10.1] hatte versucht, diesem Asozialenverzeichnis auch noch „schwachsinnige“ erwachsene Frauen hinzuzufügen.

Bei der Suche nach Begründungen, wie es zu exzessiver institutioneller Gewalt kom­men konnte, wäre auch der Beitrag einzelner Personen einzubeziehen, die mit wissen­schaftlichem Anspruch Argumente zur Abwertung der Fürsorgeobjekte, zur Aberken­nung des Subjektstatus, lieferten.

Meine Ausgangsthese scheint sich bestätigt zu haben: an den weiblichen Jugendlichen und den „unehelichen“ Müttern wurden andere - zusätzliche - gesellschaftliche Prob­leme abgearbeitet, nämlich ähnliche, wie sie die Kulturkritiker schon vor dem ersten Weltkrieg mit den Erscheinungen der industriellen Moderne hatten: Den Frauen wurde die Verantwortung für den „Verlust der sittlichen Ordnung“ zugeordnet, das ist die Um­schreibung für das Infrage stellen der hierarchischen Geschlechterverhältnisse, für den gesellschaftlichen Wandel. Den nicht-bürgerlichen Schichten sollten vor allem über die Disziplinierung dieser beiden - weiblichen - Gruppen, ihre verdorbene Lebenswelt aus­getrieben werden, was natürlich nicht gelang, aber bei den Schwächsten zum Kollateral- schaden führte.

Der Fundamentalvorwurf „Prostitution“ sollte eine ganze Klasse einschüchtern. Die Welt des Gastgewerbes, in der ja viele Frauen der Unterschicht arbeiten mussten und einer der wenigen Orte ist, wo Frauen arbeiten konnten, wird - gerade deshalb? - global der Prostitution zugerechnet. „Die Straße“ als Lebensraum ist ein typisches Merkmal der Armutssubkulturen innerhalb industrialisierter Gesellschaften; sie wird ebenfalls zur Chiffre für „Prostitution“, und das schon bei Kleinkindern und bei Mädchen, die auf der Straße Radfahren. [siehe 10.2. Koller]

„Jeden Abend ist sie außer Haus“ stellt das Zentralverbrechen bei Mädchen dar, das „Zuhause sein“ gilt als ihre Lebensleistung und als jener Lebensentwurf, der von der Fürsorgeerziehung erzwungen werden soll. Die Verhinderung autonomen Handelns ist die Lebenszielbestimmung. Auch Buben und Burschen sollen möglichst keine Freiräu­me haben. Bei jungen Frauen gibt es eine eindeutige Hierarchie: der Wert „Nicht“ in Bezug auf Sexualität steht über dem Wert „Leben“. Leben von weiblichen Wesen ist nur insoweit zulässig, als es zum Wert „Nicht“ beiträgt, diesen Wert jedenfalls nicht im Entferntesten gefährdet. Durch die Inbetriebnahme des weiblichen Geschlechtsorgans - vor dem von der Behörde, nicht von gesamtgesellschaftlichen Moralvorstellungen, be­stimmten Zeitpunkt - wird in der Sichtweise der Behörde die „Persönlichkeit“ der Mäd­chen zerstört und zwar rettungslos und lebenslänglich; die diesen Mädchen zugestande­ne „Persönlichkeit“ existiert offenbar nur innerhalb des Wertes „Nicht“. Die Verfehlun­gen der Burschen werden als akzidentiell, mittels „Führung“ behebbar, das männliche Ungestüm wird als strafwürdig, aber als nachvollziehbar angesehen.

Im Fall von „Inzestkindern“ erfuhr die Hierarchie von „Nicht“ und Leben eine Auswei­tung: die Wahrung der Autorität von Autoritätspersonen, die von Kindern beschuldigt wurden, galt als das - beiden anderen Werten - übergeordnete Gut. Die Tat selbst blieb im Dunkeln, aber der Wert „Nicht“ war nun mal zerstört, übrig blieb nur das dadurch entwertete „Leben“. Dieses schwarze Loch aus Minderwertigkeit zog auf magische Weise auch die Strafbarkeit auf sich; wenn sich die Mädchen (für die Täter) schämten, galt das für Marianne Estl als Beweis und Eingeständnis der Schuld der Mädchen!

Es scheint sich ein Paradoxon zu öffnen: die Betroffenen werden als Frauen, als Mäd­chen erniedrigt, aber nicht mit dem Mittel der Geschlechtsstereotypisierung. In den Be­schreibungen finden sich kaum „natürliche“ Attribute, es wird ihnen kein - auch kein gering zu schätzendes - weibliches „Wesen“ positiv zugestanden, sie werden nur über Minderwertigkeit definiert. Eigendeutungen, wie Heirats- und Kinderwünsche, Plan eines „weiblichen“ Berufes, gehen, wie andere Eigendeutungen auch, in der verabsolu­tierten Minderwertigkeit unter.

Den unverheirateten Müttern wird der - gerade im Bereich Sozialer Arbeit überhöhte - Zentralwert der „Weiblichkeit“, die Mutterschaft, zunächst vom Recht (automatische Amtsvormundschaft) abgesprochen, später mittels der berufsständisch motivierten Pra­xis vorenthalten.

Auch „kriminelle Delikte“ werden von Estl in ihrem „Material“ registriert, und zwar „immer wieder Übertretung der Meldevorschriften“! Hermine Koller nimmt Positionen ein, die den Eindruck erwecken, dass sich die Interessen der Jugendfürsorge mit den Interessen der Arbeitgeber decken und - gegen ihre Schützlinge - auch durchgesetzt werden sollen.

Sowohl in Bezug auf Misshandlung als auch in Bezug auf Missbrauch steht für das da­malige Jugendamt das So-Sein der Opfer als berücksichtigenswerter Anlass der Über­griffe im Vordergrund. Aus einem Dokument geht hervor, dass Erzieher der Caritas über die Rechtslage zur Frage der Körperstrafen in Anstalten niemals aufgeklärt wur­den, [siehe 8.1.] die Konsequenz bei exzessiver Gewalt im Heim war die Verlegung des betroffenen Zöglings, nicht die Bestrafung des Täters.

Die Idee der Asozialität wird in der vom Nationalsozialismus konkretisierten Form in die Nachkriegszeit übernommen, Prostitution und „sexuelle Depravation“ stellt eine Art Steigerungsstufe davon dar, der Begriff dürfte von Asperger und Estl als Ersatz für die unmodern gewordene „Degeneration“ geprägt worden sein. Die repressiven Tendenzen dürften sich nach 1945 in jenen gesellschaftlichen Teilbereichen konzentriert und ein Rückzugsgebiet gefunden haben, die eine weit zurückreichende Geschichte der Repres­sion aufweisen. Noch über die Zeit des Wandels 1968/1974 hinaus musste die Wiener Jugendfürsorge mit widersprüchlichen Tendenzen im Inneren fertig werden.

Das Beharrungspotential gesellschaftspolitischer Vorstellungen beruht auf dem bruchlo­sen Anschluss an den Nationalsozialismus, auf der vorweg gegebenen Geschlechterhie­rarchie, auf der Vereinzelung der Adressatinnen und der Erzeugung eines Klimas der Angst bei einer größeren Zahl von möglicherweise Gefährdeten. Über die Signalwir­kung waren alle Frauen bedroht und ihr Handlungsspielraum eingeengt - und doch wa­ren es vor allem Frauen, die in die Nische „Fürsorge“ eindrangen und sich dieser Ni- schen-Macht bemächtigten. Das Wiener Jugendamt war zum Zweck der Übernahme der Vormundschaft, zur Entmündigung der nicht verheirateten Mütter und der Verdächti­gung, Verachtung und Überwachung der „unehelichen“ Kinder gegründet worden und Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung haben seit Beginn des Jahrhunderts versucht, ihre Konzepte einzubringen, die mit diesen Zielen durchaus kompatibel wa­ren.

Die Heimeinweisung wirkte sich, wie die Erinnerungen der „Heimkinder“ zeigen, de­nen nunmehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und wie die bereits durchgeführten For­schungen erkennen lassen,[siehe 3., Literatur in den Anmerkungen] in unterschiedlich massivem Ausmaß negativ auf deren Entwicklung und deren Entwicklungsmöglichkei­ten aus. Heime, die sich als Unterbringungsmöglichkeit für Kinder, die sonst nirgends einen Platz hatten, verstanden, gab es nicht, das Heim hatte Strafcharakter und die In­sassen wurden durch die mit der Einweisung verbundene Etikettierungspraxis „schwer­erziehbar“, das galt auch für missbrauchte und misshandelte Kinder.

Die Wirkung über die Grenzen ihrer marginalen Zuständigkeit hinaus in die Mitte der Gesellschaft traf zunehmend auf andere gesellschaftspolitischen Kräfte: Insbesondere die von den amtlichen Meinungsbildnerinnen selbst definierte Aufsichtsbedürftigkeit weiblicher Wesen wurde nicht mehr verstanden. Kindlicher Lebenswillen kam zu Eh­ren, die Punzierung „schuldig qua Armut“ verlor an Überzeugungskraft, zwei Jahrzehn­te später begann sich auch die Dunkelheit der Nacht „schuldig qua erlittener sexueller Gewalt“ zu lichten.

Der Besessenheit vom unehelichen Kind war schon lange ihr Angriffsziel abhanden gekommen - die sozial schwache Frau nämlich, die gerade deshalb weiter zu schwä­chen sei. Dieses Betätigungsfeld verlor seine Legitimität wegen der Verringerung des Einflusses der katholischen Kirche, die „uneheliche“ Mutter fand Rückhalt in den Re­formen des Rechts, im Sozialstaat, fand Arbeit und Anerkennung. Die uneheliche Mut­ter, damals vom Berufsvormund gedemütigt und für unfähig erklärt, ihr Kind ohne Auf­sicht zu erziehen, ist heute Präsidentin des Nationalrats.826 Ebenso wie bei dem Vorge­hen gegen „Zöglinge“ im Heim wäre bei dem Vorgehen gegen unverheiratete Frauen die Frage nach der Zulässigkeit des staatlichen Übergriffs zu stellen, die Verfassung war ja schon damals eine demokratische.

Neben „Geschichtsschreibung als Anklage und Wiedergutmachung“ (Elena Wilhelm, 2005) konnten in der vorliegenden Arbeit auch Transformationen innerhalb der Institu­tion selbst, das Gegeneinander der Kräfte, sowohl bei den damaligen AkteurInnen als auch in der Literatur über diese Zeit in Deutschland und in Österreich dargestellt wer­den.

12 Literaturverzeichnis

Aichhorn, August: Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung; zehn Vorträge zur ersten Einführung. Bern 1. Aufl. 1951.

Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kan­ton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regie­rungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf- Ausgabe, Luzern 2012.

http://www.disg.lu.ch/schlussbericht_aufarbeitung_kinderheime_120731.pdf [26.10.2012]

Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch samt den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, verweisenden und erläuternden Anmerkungen und einer Über­sicht der Rechtsprechung der Gerichte, insbesondere des Obersten Gerichtsho­fes. Auf der Grundlage der von Dr. Josef Schey eingerichteten Ausgabe heraus­gegeben von Dr. Hans Kapfer, Bundesminister für Justiz. 25. Auflage. Wien 1955

Antosch, Friederike: Literatur- und Sprachuntersuchungen mit dem vereinfachten Ak­tionsquotienten. Wien Univ.Diss. 1949.

Arlt, Ilse: Wege zu einer Fürsorgewissenschaft. Notring der wissenschaftlichen Ver­bände Österreichs Wien 1958. Zit.: nach: Maiss, Maria / Pantucek, Peter: Theo­rie mit Leidenschaft. Ilse Arlt und aktuelle Fragen der Sozialen Arbeit. Beitrag in: Soziale Arbeit - Zeitschrift für Soziale und sozialverwandte Gebiete, Nr. 6/2008, S 202-211. http://inclusion.fhstp.ac.at/downloads/publikationen/publikationen/arlt theorie- leidenschaft.pdf [3.6.2012]

Asperger, Hans: Heilpädagogik. Einführung in die Psychopathologie des Kindes für Ärzte, Lehrer, Psychologen, Richter und Fürsorgerinnen. Wien 2. Aufl. 1956.

Autorenkollektiv: Gefesselte Jugend. Fürsorgeerziehung im Kapitalismus. Frankfurt am Main 1971.

AYAß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995.

AYAß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Überblick über die Breite der Maßnahmen gegen soziale Außenseiter und die hieran beteiligten Stellen. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftli­cher Außenseiter. Zürich 2005.

AYAß, Wolfgang: Das Arbeithaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhäl­ter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874-1949). Kassel 1992.

AYAß, Wolfgang: Die Einweisung von „Asozialen“ in Konzentrationslager. Die „Aktion Arbeitsscheu Reich“ und die kriminalpolizeiliche Praxis be der Verhängung von Vorbeugehaft. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfol­gung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005.

AYAß, Wolfgang: Nicht der Einzelne zählte...“Gemeinschaftsfremd“ im nationalsozia­listischen Österreich. In: Verein zur Förderung der DOWAS (Hg.): Aus so krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. 30 Jahre DOWAS Innsbruck 2006. http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34- 2007012916878/3/oesterreich.pdf

Baar, Edeltrud: Psychologische Untersuchung von tauben, schwerhörigen und sprach­lich speziell gestörten Kleinkindern. Basel / New York 1957.

Bailer, Brigitte: Wiedergutmachung. Kein Thema. Österreich und die Opfer des Nati­onalsozialismus. Wien 1993.

Banach, Sarah: Der Ricklinger Fürsorgeprozess 1930. Evangelische Heimerziehung auf dem Prüfstand. (Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich Verlag, 2007)

Bang, Ruth (Hg.): Sexuelle Fehlhaltungen. Ursachen, Erscheinungsformen und Mög­lichkeiten der Hilfe. Beiträge zur Information von Sozialarbeitern und Pädago­gen. München / Basel 1968.

Bauer, Ingrid: Die veränderten Rollen von Mann und Frau in Familie und Gesellschaft. Hausarbeit aus Geschichte, Universität Salzburg 1979.

Bauer, Rudolf: Frauen im Verein. Zur Sozialgeschichte und -psychologie des Weibli­chen in der Bürger/innen/gesellschaft. In: Kruse, Elke und Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Farmington Hills 2007.

Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Ju­gendhilfe zwischen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999.

Becker, Peter: Rezension zu: Opitz, Claudia / Studer / Brigitte / Tanner, Jakob (Hg.): Kriminalisieren, Entkriminalisierungen, Normalisieren. Zürich 2006. In: H-Soz-u-Kult, 26.11.2008. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-4-172

Bemerkungen zur rassistischen Dissertation von Eva Justin unter besonderer Berücksichtigung ihrer Haltung gegenüber den darin - neben den Sinti - eben­falls als „erblich Minderwertige“, „Primitive“ und „Asoziale“ dargestellten Jeni­schen. S 4. http://www.sifaz.org/bemerkungen zur dissertation eva justin.pdf

Benad, Matthias / Schmuhl, Hans-Walter / Stockhecke (Hg.): Endstation Freistadt. Fürsorgeerziehung in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bis in die 1970er Jahre. Gütersloh 2009. Reihe: Schriften des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel - Band 16.

Benetka, Gerhard / Rudolph, Clarissa: Zur Geschichte der Einbindung psychologi­scher Testverfahren in den Kontext der Wiener Jugendfürsorge während der NS- Zeit. http://sfu.ac.at/psychologie/index.php?id=18 [20.6.2012]

Benninghaus, Christina: Aller Anfang ... - Geburt - Birth - Naissance. Wiener Ge­spräche zur Sozialgeschichte der Medizin, 2. Bis 5. Oktober 2002. Tagungsbe­richt. In: L’Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft. 14. Jg. Heft 1 2003.

Benninghaus, Chrisina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind .“. Beiträge zur Geschlechtergeschichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999.

Berger, Ernst: Von der Schulverweigerkommission zur psychosozialen Kommission - Interdisziplinäre Kooperationen zum Wohle der Wiener Schulkinder. http://www.univie.ac.at/kjnp-rehab- integra/proiekt/Psvchosoz%20Kommission%20SSR%2003.htm [17.7.2012]

Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS- Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

Bertels, Gesa: Rezension vom 16.05.2011 zu: Dollinger, Bernd / Schmidt- Semisch, Henning (Hrsg.): Handbuch Jugendkriminalität. Wiesbaden 2010. In: socialnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/9523.php [18.03.2012]

Biondi, Ursula: Initiantin und Projektleiterin www.administrativ-versorgte.ch

Birtsch, Vera / Münstermann, Klaus / Trede, Wolfgang (Hg.): Handbuch Erzie­hungshilfen. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und Forschung. Weinheim 2004.

Blaschitz, Edith / Seibt, Martin (Hg.): Medienbildung in Österreich. Historische und aktuelle Entwicklungen, theoretische Positionen und Medienpraxis. Wien 2008.

Blaschitz, Edith: Kampf gegen Schmutz und Schund. Medienrezeption in Österreich (1945-1965). In: Blaschitz, Edith / Seibt, Martin (Hg.): Medienbildung in Ös­terreich. Historische und aktuelle Entwicklungen, theoretische Positionen und Medienpraxis. Wien 2008.

Bock, Gisela: „Zum Wohle des Volkskörpers...“ Abtreibung und Sterilisation im Nati­onalsozialismus. In: Journal für Geschichte (1980) 6.

Bosch, Edgar: Die Personensorge der Mutter für ihr uneheliches Kind als ihr Unter­haltsbeitrag. Stuttgart 1965.

Brainin, Elisabeth (Hg.): kinderpsychotherapie. Symposion: „50 Jahre institute für er­ziehungshilfe“. Wien 2001.

Brainin, Elisabeth: Psychoanalytische Überlegungen zu den Gesprächen und Intervie- wiews mit Überlbenden vom „Spiegelgrund“ In: BERGER, Ernst (Hg.): Verfolgte

Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

Brandhauer-Schöffmann, Irene / Hornung, Ela (Hg.): Wiederaufbau weiblich. Do­kumentation der Tagung „Frauen in der österreichischen und deutschen Nach­kriegszeit“. Wien-Salzburg 1992.

Brückner, Margrit: Alte und neue Geschlechterverhältnisse in der Sozialen Arbeit. In: sozialextra Oktober 2004. S 42-45.

Brückner, Margrit: Geschlechterverhältnisse und Soziale Arbeit: „De“- und „Re“- Gendering als theoretische und praktische Aufgabe. http://www.hawk- hhg.de/hochschule/media/satz brueckner.pdf [27.5.2012]

BRUHNS, Kirsten (Hg.): Geschlechterforschung in der Kinder- und Jugendhilfe. Praxis­stand und Forschungsperspektiven. Schriften des Deutschen Jugendinstituts: Gender. Wiesbaden 2004.

Bundesjugendvertretung (Hg.): Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Na­tionalsozialismus. Wien 2010.

Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004.

Bütow, Birgit: Rezension vom 03.06.2008 zu: Wallner, Claudia: Feministische Mäd­chenarbeit. Münster 2006. In: socialnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/4098.php

Byer, Doris: Die Strategien des Lebens. Rassehygiene und Wohlfahrtswesen - zur Ent­stehung eines sozialdemokratischen Machtdispositivs in Österreich bis 1934. Diss.Univ.Wien 1986.

Castell, Rolf: Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961. Unter Mitarbeit von Uwe-Jens Gerhard. Göttingen 2003.

Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialis­mus. Univ. Diss Wien 2007.

Czech, Herwig: Erfassung, Selektion und „Ausmerze“. Das Wiener Gesundheitsamt und die Umsetzung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik“ 1938 bis 1945. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 41. Wien 2003.

CZEIK, Andrea: „Privilegierung“ und Vorurteil. Positionen der Bürgerlichen Frauenbe­wegung zum Unehelichenrecht und zur Kindstötung im Kaiserreich. Köln / Weimar / Wien 2005.

Damberg, Wilhelm (Hg.): Mutter Kirche - Vater Staat? Geschichte, Praxis und Debat­ten der konfessionellen Heimerziehung seit 1945. Münster 2010.

Danninger, Gertrude: Zum Problem der Erhebung von Heimsituationen. Ein systema­tischer Vergleich. Wien Univ.-Diss. 1960.

Dickmann, Barbara / Bassler, Sibylle (Hg.): Gestohlene Kindheit. Wie Fürsorgehei­me Kinder zerstört haben. Reihe: Ein ML-Mona-Lisa-Buch. Frankfurt 2008.

Dollinger, Bernd / Schmidt-Semisch, Henning (Hg.): Handbuch Jugendkriminalität. Wiesbaden 2010.

Dollinger, Bernd: Jugendkriminalität als Kulturkonflikt. Wiesbaden 2010

Dworschak, Rosa: Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mäd­chen und Frauen. In: Bang, Ruth (Hg.): Sexuelle Fehlhaltungen. Ursachen, Er­scheinungsformen und Möglichkeiten der Hilfe. Beiträge zur Information von Sozialarbeitern und Pädagogen. München / Basel 1968.

Dworschak, Rosa: Der Verwahrloste und seine Helfer. Aus der Praxis des Sozialarbei­ters. München 1969. In der Serie „Einzelfallhilfe (Casework) in der Praxis der Sozialarbeit“ erschienen.

Ebbinghaus, Angelika (Hg.): Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien des National­sozialismus. Nördlingen 1987.

Eckensberger, Dietlind: Sozialisationsbedingungen der öffentlichen Erziehung. Vor­wort von Tobias Brocher. Frankfurt am Main 1971.

Edlbacher, Oskar: Betrachtungen zum neuen Entwurf eines Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtstellung des unehelichen Kindes , ÖJZ 1956, S 148.

Edlbacher, Oskar: Das Für und Wider der sogenannten österreichischen Lösung im Unehelichenrecht. In: Schriften des deutschen Instituts für Vormundschaftswe­sen II, 24.

Edlinger, Birgit: Über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Bildung bei verwahr­losten Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Erziehungsinstitutionen Heute. Am Beispiel von Institutionen der Stadt Wien. Wien 1993.

Elling-Ruhwinkel, Elisabeth: Sichern und Strafen. Das Arbeitshaus Benninghausen (1871-1945). Forschungen zur Regionalgeschichte. Bd. 51. Paderborn 2005.

Ent, Herbert: Fünf Jahrzehnte des Familienrechts - prägender Ausdruck der Zeitge­schichte. In: Fachverband der Österreichischen Standesbeamten (Hg.): 50 Jahre Fachverband der Österreichischen Standesbeamten. (1947 - 1997); Festschrift. Gesamtred.: Wolfgang Teschner. Wien 1997.

Ent, Herbert: Moderne Familienfürsorge, Zielgruppen und Methoden - aus juridischer Sicht. Vortrag. In: SPIEL, Walter / PROHASKA, Walter: Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. In­stitut für Sozialforschung. Wien o.J. 1975.

ESSER, Klaus: Zwischen Albtraum und Dankbarkeit. Ehemalige Heimkinder kommen zu Wort. Freiburg 2011.

ESTL, Marianne: Die neurotische Verwahrlosung jugendlicher Mädchen. In: Soziale Berufe. 15. Jahrgang Nr. 12 Jänner Februar 1963. S 12- 18.

ESTL, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Univ.Diss. 1952.

Eyferth, Hanns: Gefährdete Jugend. Erziehungshilfe bei Fehlentwicklung. Hannover 1950.

Fasold, Elfriede: Der Dresdner Bildungsplan. Wien Univ.Diss. 1937.

Fasold, Elfriede: Verwahrlosung in unserer Zeit. Vortrag in der Arbeitsgemeinschaft für Heilpädagogik und im Jugendamt der Stadt Wien. Kleine Reihe für den Er­zieher. Hg. von der Österreichischen Gesellschaft für die Fürsorge und Erzie­hung des Kleinkindes (Ernst Kothbauer) / Wien 1956, mehrere Auflagen bis 1962.

Feil, Erich: Die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes (ab 1. Juli 1971). Eisenstadt 1971.

Fesel, Verena / Rose, Barbara / Simmel, Monika (Hg.): Sozialarbeit - ein deutscher Frauenberuf. Kontinuitäten und Brüche im 20. Jahrhundert. (Aktuelle Frauenfor­schung; Bd. 9) Pfaffenweiler 1992.

Fontana, Julia: Fürsorge für ein ganzes Leben? Spuren der Heimerziehung in den Bio­graphien von Frauen. Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungs­wissenschaft, Band 3. Opladen & Farmington Hills 2007.

Foregger, Egmont / Kunst, Günther (Hg.): Das österreichische Strafvollzugsgesetz (StVG.). Wien 1970.

Foregger, Egmont / Serini, Eugen (Hg.):Das österreichische Strafgesetz samt den wichtigsten Novellen und Nebengesetzen. Mit einer Einführung und Erläuterun­gen unter Verwertung und Zitierung des Schrifttums und der Rechtsprechung sowie Verweisungen auf die einschlägigen Gesetzesstellen. o.O. o.J. 1960

Frankenberger, Tamara: Gedenk-Lücken zur „Stunde Null“. Die fehlende Erinnerung an die „Displaced Persons“ S 36-41. In: Mehrwald, Silke: „Stunde Null“. Kontinuitäten und Brüche. Archiv der deutschen Frauenbewegung. Kassel 1995.

Frankenstein, Luise: Soldatenkinder. Die unehelichen Kinder ausländischer Soldaten mit besonderer Berücksichtigung der Mischlinge. Hg. Internationale Vereini­gung für Jugendhilfe, Genf. Zehntes Beiheft zu „Unsere Jugend“. München / Düsseldorf 1954.

Freud-Widder, Michaela: Frauen unter Kontrolle. Prostitution und ihre staatliche Be­kämpfung in Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik. Münster 2003.

Frey, Cornelia: ,Respekt vor der Kreativität der Menschen‘ - systemische Ansätze bei Ilse Arlt. In: Kruse, Elke und Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Farmington Hills 2007.

Friebertshäuser, Barbara / Bitzan, Maria (Hg.): Sozialpädagogik im Blick der Frau­enforschung. Weinheim 1997.

Frings, Bernhard / Kaminsky, Uwe: Gehorsam - Ordnung - Religion. Konfessionelle Heimerziehung 1945 - 1975. Münster 2012. 596 S.

FRlEßNEGGER, Jutta Maria: Obsorgeentzug nach Verdacht nach Kindesmisshandlung. Graz DA 2011.

Fritz, Regina: Die „Jugendschutzlager“ Uckermark und Moringen im System national­sozialistischer Jugendfürsorge. In: BERGER, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

Fuchs, Robert (Hg.) im Auftrag des Arbeitskreises zur Aufarbeitung der Heimerzie­hung im Land Bremen: „Und keiner hat sich gekümmert“. Dokumentation zur Geschichte der Bremer Heimerziehung 1945-1975. Bremen 2012.

Fuchs, Walter: Zwischen Deskription und Dekonstruktion: Empirische Forschung zur Jugendkriminalität in Österreich von 1968 bis 2005. Eine Literaturstudie. IRKS Working Papers No 5. [Wien] 2007.

FURRER, Markus: Zusammenfassung des Zwischenberichts. Untersuchung Kinderheime im Kanton Luzern (1930-1970er Jahre). Luzern 2011.

Gehltomholt, Eva und Hering, Susanne: Das verwahrloste Mädchen. Diagnostik und Fürsorge in der Jugendhilfe zwischen Kriegsende und Reform (1945-1965). Opladen 2006.

Gipser, Dietlinde und Zillmer, Heiner: Der Fürsorge entkommen, der Forschung nicht. Hamburg 2011.

Goessler-Leirer, Irmtraud / Halletz, Claudia: Abschlussbericht zur Studie: Spezielle Berufsproblematik bei Sozialberufen, dargestellt am Beispiel der Heimerzieher. Wien 1974. Typoskript.

Goessler-Leirer, Irmtraud / Steinert, Herbert: Kriminalität der Frau in Österreich. Forschungsbericht. Ludwig Boltzmann Institut für Kriminalsoziologie. Wien 1974.

Grestenberger, Josef (Hg.): Modelle der Sozialpädagogik des Jugendamts der Stadt Wien. Institut für Sozialforschung. Wien 1977.

Groth, Sepp: Kinder ohne Familie. Das Schicksal des unehelichen Kindes in unserer Gesellschaft. Bd. 8 der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge. München 1961

Gruber, Christine / Fröschl, Elfriede (Hg.): Gender-Aspekte in der Sozialen Arbeit. Wien 2001

Hacker, Hanna: Nicht weiß weiß nicht: Übergänge zwischen Critical Whiteness Stu­dies und feministischer Theorie. In: L‘ homme. Zeitschrift für feministische Ge­schichtswissenschaft. Wien 2005. 16 (2005), 2. S 13-27.

Halbmayr, Christine: Kinder und Jugendliche im Kinzentrationslager - Verfolgungs­umstände, Überlebenschancen und Schicksale. In: Bundesjugendvertretung (Hg.): Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Wien 2010.

Hafner, Urs: Heimkinder. Eine Geschichte des Aufwachsens in der Anstalt. Baden 2011.

Handbuch der Stadt Wien. 69. Jahrgang. Nachtrag Dezember 1954.

Handbuch des Reichsgau Wien, 63./64. amtlich redigierter Jahrgang. Deutscher Ver­lag für Jugend und Volk. Wien o.J. 1941.

Henkelmann, Andreas (Hg.): Verspätete Modernisierung: Öffentliche Erziehung im Rheinland - Geschichte der Heimerziehung in Verantwortung des Landesju­gendamtes (1945-1972). Essen 2011.

Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integrati­on, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen 2002.

Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen 2002.

Hering, Sabine (Hg.): Aus der Pionierzeit der Sozialarbeit. Elf Frauen berichten. Weinheim 1984.

Hering, Sabine (Hg.): Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa (1900-1960). Wichtige Pionierinnen und ihr Einfluss auf die Entwicklung internationaler Or­ganisationen. Opladen 2002.

Hering, Sabine (Hg.): History of social work in Europe (1900-1960. Female pioneers and their influence on the development of international social organisations. Opladen 2003.

Hering, Sabine / Münichmeier, Richard: Restauration und Reform - Die Soziale Ar­beit nach 1945. In: THOLE, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einfüh­rendes Handbuch. Wiesbaden 4. Auflage 2012.

Hering, Sabine und Waaldijk, Berteke(Hg.): Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa (1900-1960). Wichtige Pionierinnen und ihr Einfluss auf die Entwick­lung internationaler Organisatoren. Opladen 2002.

Hering, Sabine: Die Macht der „Diagnosen“ - und die Geduld der Opfer, Mädchen in der Fürsorgeerziehung 1945-1965 In: sozialextra Dezember 2006 Thema.

Hering, Sabine: Differenz oder Vielfalt? - Frauen und Männer in der Geschichte der Sozialen Arbeit. Wiesbaden 2006. In: Zander, Margherita (Hg.): Geschlecht Ne­bensache? Zur Aktualität einer Gender-Perspektive in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden 2006.

Hochgerner-Bittner, Agnes: Über die Konzeptionen und die Bedingungen öffentli­cher Erziehung im Jugendheim Spattstraße. Versuch einer Heimanalyse. Wien Univ.-Diss. 1976.

Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergeb­nissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Enquete „Moderne Fami­lienfürsorge“ am 16. und 17. Januar 1974. Wien 1974.

Jahrbuch der Stadt Wien. 19.. in zwei Teilen. I. Die Verwaltung der Stadt Wien im Jahre 19.. II. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien für das Jahr 19.. mehrere Jahrgänge.

Jancsy, Peter: Jugendfürsorge in Österreich 1918-1934 unter besonderer Berücksichti­gung des Wiener Wohlfahrtswesens. Wien 1982.

JOCHUM, Manfred: Sozialpädagogische Aspekte der Heimerziehung bei Erziehungs­schwierigen und Dissozialen. Wien Univ.-Diss 1972, veröffentlicht als Ty­poskript 1975.

John, Michael: „Wannst net brav bist, kommst ins Heim ...“ Wegscheid - Von der Korrektionsbaracke zum sozialpädagogischen Jugendwohnheim. http://www.servus.at/VERSORGER/71/wegscheid.html

John, Michael (Hg.): Wegscheid. Begleitpublikation zur Ausstellung: von der Korrek­tionsbaracke zur sozialpädagogischen Institution. Linz 2006.

Jugendamt der Stadt Wien (Hg): Der Wiener Weg der Heimerziehung. Vorträge des Symposions vom 5. Mai 1988, das vom Jugendamt der Stadt Wien veranstaltet wurde. Wien 1988.

Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987.

Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Gesellschaft Jugend und Jugendwohlfahrt im Wandel der Zeit. Wien 1989.

Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990.

Kappeler, Manfred: Fürsorge- und Heimerzeiehung - Skandalisierung und Reformfol­gen. In: Schreiber, Horst, Genslucker, Lisa, Jarosch, Monika, Weiss, Alexandra: Gaismair-Jahrbuch 2010.

Kazak, Claudia: Von der Heimunterbringung zur ambulanten Betreuung verhaltensauf­fälliger Kinder und Jugendlicher. Der Einfluss des Bildes des Verwahrlosten bei August Aichhorn und Rosa Dworschak und deren Betreuungskonzepte auf die Behandlung schwererziehbarer Kinder und Jugendlicher von Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart; unter besonderer Berücksichtigung des Wiener Instituts für Erziehungshilfe. Wien Univ. Dipl.-Arb. 2003.

Kepplinger, Brigitte: Fürsorgeakten als historische Quelle. Die Betreuungsakten des Linzer Jugendamtes (1918-1950); in: Stadtarchiv und Stadtgeschichte. For­schungen und Innovationen. Festschrift für Fritz Mayrhofer zur Vollendung sei­nes 60. Lebensjahres. Hrsg.: Walter Schuster - Maximilian Schimböck - Anne­liese Schweiger (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004). - Linz 2004, S. 303-309. Volltext: Ighistl 2003 04 0303-0309.pdf 66 Kb [17.8.2010]

Kerscher, Ignatz (Hg.): Konfliktfeld Sexualität. Darmstadt 1977.

Kimmel, Josef: Österreichisches Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz. Wien 1962.

Klachler, Gertrud: Rechtsfürsorge. Ein Leitfaden für Berufsvormünder und Fürsorge­rinnen und zum Gebrauche in Fürsorgeschulen. Schriftenreihe der Fürsorgeab­teilung des Amtes der o.-ö. Landesregierung Nr. 4. Linz 1949.

Klement, Johannes: Katholischer Katechismus. Wien / München 3. Auflage 1961 1962.

Klinglmair, Alfred: Das Kind in der unvollständigen bzw. ergänzten Familie. In: Psy­chologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 26. Arbeitsta­gung der österreichischen Jugendamtspsychologen. Ehe und Scheidung. Wien 1979.

Klumker, Chr. J.: Sozialrechtliche Einrichtungen (Vormundschaft - Uneheliche Kin­der) in den europäischen Staaten. In: Keller, Arthur / Klumker, Chr. J. (Hg.): Säuglingsfürsorge und Kinderschutz in den europäischen Staaten. Ein Handbuch für Ärzte, Richter, Vormünder, Verwaltungsbeamte und Sozialpolitiker, für Be­hörden, Verwaltungen und Vereine. Berlin 1912.

Knab, Eckhart (Hg.): Die vernachlässigten Hoffnungsträger. Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe. Freiburg im Br. Lambertus 2009.

Kogler, Nina: GeschlechterGeschichte der katholischen Aktion im Austrofaschismus. Diskurse - Strukturen - Relationen. Graz 2011.

Kogler, Nina: GeschlechterGeschichte der katholischen Aktion im Austrofaschismus. Diskurse - Strukturen - Relationen. Graz 2011. KOHLTZ. Kerstin: „Ich war ihm zu Willen, trotzdem sträubte ich mich.“ Zur Sexualität „verwahrloster“ Mädchen in der Zeit der Weimarer Republik. In: Benninghaus, Chrisina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind ...“. Beiträge zur Geschlechterge­schichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999.

Koller, Hermine: Drittgeborene Kinder Benedikts. Geschichte und Gegenwart der Benediktineroblaten. Studien zur monastischen Kultur Band 2. EOS-Verlag o.O. 2009.

Koller, Hermine: Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. Jugendamt der Stadt Wien, Psychologischer Dienst. Wien 1974.

Koller, Hermine: Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher unter Be­rücksichtigung ihrer Einstellung zu den verschiedenen Lebensbereichen (An­hang: Fallgeschichten). Wien Diss. 1962.

Kollerics, Franz: Zur Typologie der Jugendverwahrlosung. Wien Univ.Diss. 1960.

Kolmitzer, Andrea: Das Dispositiv der Lust. Sexualität, Geschlechterdifferenz und Prostitution im Kontext der Foucault’schen Macht- und Diskursanalyse. Wien DA 2009.

Kommission Wilhelminenberg. Leitung Dr. Barbara Helige. Zwischenberichte. www.kommission-wilhelminenberg.at

Kössler, Nicole: „Helft steirischen Kindern!“ Eine Auseinandersetzung mit der Ju­gendwohlfahrt in der Nachkriegssteiermark. Graz 2007.

Köster, Markus und Küster, Thomas (Hg.): Zwischen Disziplinierung und Integrati­on. Das Landesjugendamt als Träger öffentlicher Jugendhilfe in Westfalen und Lippe (1924-1999) Paderborn 1999.

Köster, Markus: Die Fürsorgeerziehung. In: Köster, Markus und Küster, Thomas (Hg.): Zwischen Disziplinierung und Integration. Das Landesjugendamt als Trä­ger öffentlicher Jugendhilfe in Westfalen und Lippe (1924-1999) Paderborn 1999.

Kreitner, Christoph: „Jugendfürsorge“ während des Nationalsozialismus in Kärnten (1938-1945). Klagenfurt Diss 2006.

Kruse, Elke und Hering, Sabine (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozia­len. Wohlfahrtsgeschichte in Spiegel der Genderforschung. Festschrift für Sabi­ne Hering. Opladen 2007.

Kruse, Elke und Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozi­alen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Far­mington Hills 2007.

Kuhlmann, Carola: „So erzieht man keinen Menschen!“ Lebens- und Berufserinnerun­gen aus der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre. Wiesbaden 2008.

Kuhlmann, Carola: Abschnitt: Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschafts­system. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden 4. Auflage 2012.

Kuhlmann, Carola: Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe und Aussonderung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen 1933-1945. Weinheim 1989.

Kuhlmann, Carola: Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe zwischen Zuwendung und Vernichtung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen 1933-1945. Dissertation. Weinheim und München 1989

Kuhlmann, Carola: Expertise für den Runden Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“. Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der 50er und 60er

Jahre - Maßstäbe für angemessenes Erziehungsverhalten und für Grenzen aus­geübter Erziehungs- und Anstaltsgewalt. Bochum 2010.

Landwehr, Achim: Diskurs und Diskursgeschichte, Version: 1.0. In: Docupedia- Zeitgeschichte. 11.2. 2012. https://docupedia.de/zg/Diskurs_und_Diskursgeschichte?oldid=84596

Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974].

Leukauf, Otto / Steininger, Herbert (Hg.): Strafgesetzbuch. Testausgabe mit zwei Übersichten und einer Gegenüberstellung zum alten Strafgesetz. Eisenstadt 1974.

Ley, Astrid: Zwangssterilisation und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-1945, Frankfurt/M. 2004.

Lindner, Andrea: 100 Jahre Frauenkriminalität. Die quantitative und qualitative Ent­wicklung der weiblichen Delinquenz von 1902-2002. Frankfurt am Main 2006.

Lueger-Schuster, Brigitte: Psychotraumatologische Fragestellungen zu Gewalt und Missbrauch in der Katholischen Kirche. Forschungsprojekt. Wien 2012.

LÜTZKE, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder „sittlich verwahrloster Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule-Essen 2002. http://duepublico.uni- duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-11226/luetzke.pdf [13.10.2011]

Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Die Verwal­tung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Wien 1949. Ausgaben bis 1970 verwendet.

Magistrat der Stadt Wien (Hg.): Jahrbuch der Stadt Wien (mehrere Jahrgänge). Wien ab 1952. Siehe auch Jahrbuch ...

Maierhofer, Bibiane E.: Jugendfürsorgepolitik und Sozialpädagogik Österreichs in der Ersten Republik. Graz 1996.

Maiss, Maria / Pantucek, Peter: Theorie mit Leidenschaft. Ilse Arlt und aktuelle Fra­gen der Sozialen Arbeit. Beitrag in: Soziale Arbeit - Zeitschrift für Soziale und sozialverwandte Gebiete, Nr. 6/2008, S 202-211.

http://inclusion.fhstp.ac.at/downloads/publikationen/publikationen/arlt theorie- leidenschaft.pdf [3.6.2012]

Maiss, Maria: Soziale Arbeit im Dienst der Ermöglichung substanzieller/materieller Bedingungen von Freiheit und Wohlleben. In: Pantucek, Peter / Maiss, Maria (Hg.): Die Aktualität des Denkens von Ilse Arlt. Wiesbaden 2009.

MALINA, Peter: Aus den Erziehungsakten des Wiener städtischen Kinderheimes Bie­dermannsdorf. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugend­liche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

MALINA, Peter: Die Wiener städtische Erziehungsanstalt Biedermannsdorf als Instituti­on der NS-Fürsorge - Quellenlage und Fallbeispiele. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

Mann, Werner: Beitrag zur Analyse der Berufswahl der Schulmündigen. In: Psycholo­gische Rundschau. Band 2. Jahrgang 1951. S 29-38. http://www.sulb.uni- saarland.de/uni/zeitschriften/psy rs/1951/PR 1951.pdf [22.7.2012]

Marinelli, Lydia: Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. Das Wiener Fürsor­gesystem und „die sittliche Verwahrlosung der weiblichen Jugend“. 1918-1933. Diplomarbeit am Institut für Geschichte an der Universität Wien 1990.

Mattl, Siegfried: „Aufbau“ - eine männliche Chiffre der Nachkriegszeit. In: Brand- hauer-Schöffmann, Irene / Hornung, Ela (Hg.): Wiederaufbau weiblich. Do­kumentation der Tagung „Frauen in der österreichischen und deutschen Nach­kriegszeit“. Wien-Salzburg 1992.MEHRWALD, Silke: „Stunde Null“. Kontinuitä­ten und Brüche. Archiv der deutschen Frauenbewegung. Kassel 1995.

Mehrwald, Silke: „Stunde Null“. Kontinuitäten und Brüche. Archiv der deutschen Frauenbewegung. Kassel 1995.

Meidl, Margit und Wolf, Anneliese: „Von Rechts wegen...“ Die Rechtsstellung des Kindes und ihre sozialpädagogische Bedeutung für uneheliche Kinder am Bei­spiel der Einführung der Berufsvormundschaft in der Gemeinde Wien um 1900. Diplomarbeit Wien 2007.

Meinhof, Ulrike Marie: Bambule. Fürsorge - Sorge für wen? Berlin 1974.

Melinz, Gerhard: Hilfe, Schutz und Kontrolle. Versuch zur historischen Genese der öffentlichen „Jugendfürsorge“ in Österreich, unter besonderer Berücksichtigung von Wien (1980 - 1914). Wien Univ.-Diss.1982.

Mesner, Maria: Die „Neugestaltung des Ehe- und Familienrechts“. Re­Definitionspotentiale im Geschlechterverhältnis der Aufbau-Zeit. In: Zeitge­schichte 5-6/24.Jg. 1997. S 186-210.

Mesner, Maria: Geburtenkontrolle. Reproduktionspolitik im 20. Jahrhundert. Wien Köln Weimar 2010.

Mesner, Maria: Rezension zu: Pawlowsky, Verena: Mutter ledig - Vater Staat. Das Gebär- und Findelhaus in Wien 1784-1910. Innsbruck 2001, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2002, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/NG-2002-049 [23.8.2012]

MIGGLAUTSCH, Stefanie: Der Schutz des Kindes im Strafrecht. Graz DA 2912

MIRECKI, Lizzi: Erinnerungen an die Entstehung der Modelleinrichtung: Institut für Erziehungshilfe, unter Einbeziehung des Nachlasses von Prof. Rosa Dworschak. In: Brainin, Elisabeth (Hg.): kinderpsychotherapie. Symposion: „50 Jahre insti­tute für erziehungshilfe“. Wien 2001.

Misar (Geiger), Katja: „Vorposten des Gesundheitsamtes“. Fürsorgerinnen im natio­nalsozialistischen Wien. Wien DA 2006.

Moser, Gabriele: Rezension von: Ley, Astrid: Zwangssterilisation und Ärzteschaft.

Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-1945, Frankfurt/M. 2004. In: sehepunkte 5 (2005), Nr. 1 [15.01.2005], http://www.sehepunkte.de/2005/01/6079.html [12.8.2012]

MÖSTL, Sandra: Erziehungsbedürftig oder krank? Grenzfälle und Kooperationen zwi­schen stationärer Einrichtung der Jugendwohlfahrt und der Kinder -und Jugend­psychiatrie in der Steiermark. Graz 2009 Volltext Internet Ressource.

Mozelt, Anna: Biographische Hintergründe früher sexueller Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Dissertation Salzburg 1986.

Nährich, Walter: Die Kriminalität der unehelich Geborenen. Kriminologische Unter­suchungen. Bonn 1951.

Nekula, Maria: Das soziale Verhalten des Kindes im 1. Und 2. Lebensjahr. Wien Univ.Diss 1938.

Oelkers, Nina / Feldhaus, Nadine: Das (vernachlässigte) Normativitätsproblem in der Sozialen Arbeit. In: Mührel, Eric / Birgmeier, Bernd (Hg.): Theoriebildung in der Sozialen Arbeit: Entwicklungen in der Sozialpädagogik und der Sozialar­beitswissenschaft. Wiesbaden 2011. S 70/71. Volltext im Internet, Zugang vom Campus.

Opitz, Claudia / Studer / Brigitte / Tanner, Jakob (Hg.): Kriminalisieren, Entkrimina- lisierungen, Normalisieren. Zürich 2006.

Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.): Die natürliche Bevölkerungs­bewegung im Jahre 1955. Beiträge zur österreichischen Statistik. 19. Heft. Wien 1956.

Ostler, Jürgen: Lebensräume von Jugendlichen in der Öffentlichkeit. In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Lebensräume der Jugend 3/93. S 68-74.

Ourednik, Karl / Schuppich, Walter (Hg.): Jugendrecht und Jugendwohlfahrt, Eine Sammlung der wichtigsten einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Erlässe nach dem Stande der österreichischen Gesetzgebung vom 1. April 1951. Hand­ausgabe österreichischer Gesetze und Verordnungen. Neue Folge Band 20 Wien 1951.

Ourednik, Karl: Das Wiener Jugendwohlfahrtsrecht. Sonderveröffentlichung der Schriftenreihe des Wiener Magistrats „Die öffentliche Fürsorge“. Wien 1956.

Pantucek, Peter / Maiss, Maria (Hg.): Die Aktualität des Denkens von Ilse Arlt. Wies­baden 2009.

Papick, Petra: Die Entwicklung des Vormundschaftsrechts vom ABGB 1812 bis zur Gegenwart. Graz DA 2006.

Paulitsch, Kerstin: Frauen- und männerspezifische Leistungen der Sozialen Arbeit. Eine Strukturanalyse in der Steiermark. Masterarbeit Graz 2010.

Pawlik, Otto: Aufgaben eines modernen Kinderpsychologischen Instituts. In: Soziale Berufe. 13. Jahrgang Nr. 10 Oktober 1961. S 173- 177.

Pawlik, Otto: Berufsberatung als Zwang und Monopol? In: Soziale Berufe 11. Jahr­gang Nr. 2 Feber 1959. S 37- 39.

Pawlowsky, Verena: Mutter ledig - Vater Staat. Das Gebär- und Findelhaus in Wien 1784-1910. Innsbruck 2001, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2002, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/NG-2002-049 [23.8.2012]

Peschel-Gutzeit, Lore-Maria: Die Entwicklung des Familienrechts in der BRD. www.fes-forumberlin.de/pdf 2008/Vortrag Peschel-Gutzeit.pdf

PONGRATZ, Lieselotte: Prostituiertenkinder: Umwelt und Entwicklung in den ersten acht Lebensjahren. Sozialwissenschaftliche Studien 6. Stuttgart 1964.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien 1919-1969. Festschrift. Wien o.J. 1970.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1972.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 20. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1973.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 26. Arbeitstagung der österreichischen Jugendamtspsychologen. Ehe und Scheidung. Wien 1979.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 28. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1981.

Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 30. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1983.

QUENSEL, Stephan: Rezension vom 21.02.2012 zu: Dietlinde Gipser, Heiner Zillmer: Der Fürsorge entkommen, der Forschung nicht. Edition Zebra (Hamburg) 2011. ISBN 978-3-928859-07-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, http://www.socialnet.de/rezensionen/12792.php [18.03.2012]

QUENSEL, Stephan: Rezension vom 23.9.2010 zu Bernd Dollinger: Jugendkriminalität als Kulturkonflikt. Wiesbaden 2010. In: socialnet Rezensionen. http://socialnet.de/rezensionen/9574.php [18.3.2012]

Ralser, Michaela / Bechter, Anneliese / Guerrini, Flavia: Geschichte der Tiroler und Vorarlberger Erziehungsheime und Fürsorgeregime der 2. Republik - Eine Vor-

Studie, erstellt im Auftrag der Länder Tirol und Vorarlberg. Forschungsbericht 2012.

Renn, Mario: Zur Erwerbstätigkeit von Frauen in den Jahren des österreichischen Wirt­schaftsaufschwungs. Lebenslagen zwischen traditionellem Familienbild und moderner Konsumgesellschaft. Wien DA 2009.

Richter, Johannes: „Gute Kinder schlechter Eltern“. Familienleben, Jugendfürsorge und Sorgerechtsentzug im Hamburg, 1884-1914. Wiesbaden 2011 [Online Res­source]

Richter, Johannes: Fürsorgenutzung in Hamburger Vormundschaftsfällen des 19. Jahrhunderts. In: Andresen, Sabine / Tröhler, Daniel (Hg.): Gesellschaftlicher Wandel und Pädagogik. Studien zur historischen Sozialpädagogik. Freiburg 2002. S 117-127.

Rose, Barbara: „ In der Hauptsache ist der Sozialpädagoge eine Frau“ - statt einer Ein­leitung. In: Fesel, Verena / Rose, Barbara / Simmel, Monika (Hg.): Sozialarbeit - ein deutscher Frauenberuf. Kontinuitäten und Brüche im 20. Jahrhundert. (Ak­tuelle Frauenforschung; Bd. 9) Pfaffenweiler 1992.

Rosen, Rita: „Sexuelle Verwahrlosung“ von Mädchen - Anmerkungen zur Doppel­moral in der Sozialarbeit. In: Kerscher, Ignatz (Hg.): Konfliktfeld Sexualität. Darmstadt 1977.

Roth, Thomas: Von den „Antisozialen“ zu den „Asozialen“. Ideologie und Struktur kriminalpolizeilicher „Verbrechensbekämpfung“ im Nationalsozialismus. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftli­cher Außenseiter. Zürich 2005.

Rudloff, Wilfried: Rezension zu: von der Osten, Petra: Jugend- und Gefährdetenfür- sorge im Sozialstaat. Auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945­1968. Paderborn 2002. In: H-Soz-u-Kult, 01.04.2003. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-2-002 [11.11.2012].

Rudolf. Clarissa / Benetka, Gerhard: Zur Geschichte des Wiener Jugendamtes. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

Rudolph, Clarissa: „Ich ersuche höflich um Anstellung als Kinderpsychologin in der Wiener städtischen Nervenklinik für Kinder ...“ Zur Professionalisierung der Psychologie am Beispiel des Wiener Fürsorgewesens in der NS-Zeit. Wien Univ.-Diss. 2008.

Rudolf, Clarissa: Kontinuität oder Bruch? Zur Geschichte der Intelligenzmessung im Wiener Fürsorgewesen vor und in der NS-Zeit. Wien DA 2004.

Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren. Der Endbericht und alle Zwischenberichte sind unter www.rundertisch-heimerziehung.de/ greifbar.

Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/ Abschlussbericht 2011.

SABISCH, Katja: Die Prostituierte im 19. Jahrhundert. Zur Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. In: L’Homme. Eropäische Zeitschrift für Fe­ministische Geschichtswissenschaft. 21. Jg.2010. Heft 1. Wien 2010. S 11- 28.

SACHßE, Christoph: Mütterlichkeit als Beruf. Sozialarbeit, Sozialreform und Frauenbe­wegung 1871-1929. Frankfurt am Main 1986.

Schäfter, Gabriele / Hocke, Martina: Mädchenwelten. Sexuelle Gewalterfahrungen und Heimerziehung. Heidelberg 1995.

Scheider, Kurt: Studien über Persönlichkeit und Schicksal eingeschriebener Prostitu­ierter. Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Kriminalpsychologie. Heidel­berger Abhandlungen. Heft 4. Berlin 1921.

Schenk-Danzinger, Lotte: Die Daseinsformen des unehelichen Kindes. Referat über das Buch „Kinder ohne Familie“ von Sepp Groth, gehalten in der Arbeitsge­meinschaft der Schulpsychologen und Schulberater für die Pflichtschulen des Stadtschulrates für Wien. In: Soziale Berufe. 15. Jahrgang Nr. 4 April 1963. S 65-72.

SCHIKORRA, Christa: Schwarze Winkel im KZ. Die Haftgruppe der „Asozialen“ in der Häftlingsgesellschaft. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ul­rike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005.

Schilde, Kurt: Rezension zu: Banach, Sarah: Der Ricklinger Fürsorgeprozess 1930. Evangelische Heimerziehung auf dem Prüfstand. Opladen & Farmington Hills 2007, in: H-Soz-u-Kult, 08.07.2008, http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/2008-3-019

Schindler, Sepp: Jugendkriminalität - Struktur und Trend in Österreich, 1946-1965. Wien 1968. Zit. nach: FUCHS, Walter: Zwischen Deskription und Dekonstrukti- on: Empirische Forschung zur Jugendkriminalität in Österreich von 1968 bis 2005. Eine Literaturstudie. IRKS Working Papers No 5. [Wien] 2007. S 8.

SCHLÜTER, Anne (Hg.): Erziehungswissenschaftlerinnen in der Frauen- und Geschlech­terforschung. Opladen 2008.

Schmidt, Heike: Gefährdete und gefährliche Mädchen. Zwangs- und Fürsorgeerzie­hung in Hamburg 1887-1933. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erzie­hungssoziologie ZSE, 17.Jg. 1997, H4. S 394-404.

Schmidt, Heike: Gefährliche und gefährdete Mädchen - Weibliche Devianz und die Anfänge der Zwangs- und Fürsorgeerziehung. Opladen 2002.

Schmidt, Heike: „... vom ganzen Elend einer trüben allzufrüh entfachten Sinnlichkeit“ - Hamburger Anstaltserziehung für „verwahrloste“ Mädchen, 1887-1932. In:

Benninghaus, Chrisina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind ...“. Beiträge zur Geschlechtergeschichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999.

Schmidt-Degenhard, Tobias Joachim: Robert Ritter (1901-1951). Zu Leben und Werk des NS-„Zigeunerforschers“. Dissertation an der med. Fak. Tübingen 2008.

Schmuhl, Hans-Walter: Rezension von Westermann, Stefanie: Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutsch­land. Köln 2010 in: H-Soz-u-Kult, 15.05.2012, http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/2012-2-109

Schmuhl, Hans-Walter: Rezension zu: Westermann, Stefanie: Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutsch­land. Köln 2010. in: H-Soz-u-Kult, 15.05.2012, http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/2012-2-109 [15.6.2012].

Schölper, Dag: Disziplinierung der Geschlechter im Namen des Kindeswohls. Eine

Geschichte der Beistandschaft des Jugendamtes für „uneheliche“ Kinder. Disser­tation an der Freien Universität Berlin. Gutachter Sabine Berghahn und Wolf­Dieter Narr. Berlin 2010. http://www.diss.fu- ber- lin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS derivate 000000009591/Diss ertati- on Schoelper ,pdf:isessionid=CEAFB999FABE96A57AB7BD8C7A6C1C08?h osts=[8.10.2011]

Schreiber, Horst / Arora, Steffen: Im Namen der Ordnung. Heimerziehung in Tirol. Innsbruck / Wien 2010.

Schreiber, Horst: Geschlossene Fürsorgeerziehung in Tirol. Ein historischer Streifzug. In: Heimatlos 2009. Innsbruck / Wien 2009.

Schreiber, Horst / Genslucker, Lisa / Jarosch, Monika / Weiss, Alexandra: Gais- mair-Jahrbuch 2010.

SCHÜTT, Peter: Rezension vom 03.11.2009 zu: Julia Fontana: Spuren der Heimerzie­hung in den Biographien von Frauen. Opladen; Farmington Hills 2007. In: soci­alnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/4975.php [28.04.2012].

Schwerhoff, Gerd: Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitätsforschung. Tübingen 1999.

Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Au­ßenseiter. Zürich 2005.

Seegers, Lu: Rezension zu: Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Ge­schichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004.

In: H-Soz-u-Kult, 15.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-036 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: „Der Kindheit beraubt“. Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. Wien 2012. 580 Seiten.

Sieder, Reinhard: Die Rückkehr des Subjekts in die Kulturwissenschaften. Wien 2004. http://homepage.univie.ac.at/reinhard.sieder/ [16.6.2010]

Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012.

Sieder, Reinhard: Patchworks - das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder. Vorabdruck. Stuttgart 2008.

http://www.systemagazin.de/buecher/vorabdrucke/sieder patchworks.php [21.5.2012]

Simon, Maria Dorothea: Untersuchung an Kindern mit dem Children’s Apperception Test von Bellak. Wien Univ.-Diss. 1952.

Simon, Maria Dorothea: Von der Fürsorge zur Sozialarbeit. Vortrag in der Wiener Psy­choanalytischen Vereinigung am 2. Oktober 2004 (Dr. Maria Dorothea Simon, em. Direktorin für Sozialarbeit der Stadt Wien)

http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true &getDoc=...&detail=1 [3.6.2012]

Spiel, Walter: Aktuelle Probleme der Heimerziehung mit Ergebnissen der Wiener Heimkommission. Institut für Stadtforschung Wien 1971. Kommunale For­schung Bd. 4.

Spiel, Walter / Prohaska, Walter: Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnis­sen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Institut für Sozialforschung. Wien o.J. 1975.

SPÖ-Parlamentsklub (Hg.): Christian Broda. Gedenken und Ausblick. Festveranstal­tung anlässlich des 25. Todestages des großen Justizreformers. Wien 2012.

Spring, Claudia Andrea: Zwischen Krieg und Euthanasie. Zwangssterilisationen in Wien 1940-1945. Wien, Köln, Weimar 2009.

Stadt Wien, Presse- und Informationsdienst (PID) (Hg.): 50 Jahre Psychologischer Dienst der Stadt Wien. 1919-1969.

Stark, Anna: Die Generalsvormundschaft. Erweiterte Seminararbeit. Wien o.J. 1946

Steinbacher, Sybille: Rezension zu: Bauer, Ingrid; Hämmerle, Christa; Hauch, Gabriella: Liebe und Widerstand. Ambivalenzen historischer Geschlechterbezie­hungen. Wien 2005. In: H-Soz-u-Kult, 19.10.2006,

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-4-061. [15.12.2012]

STUDER, Brigitte: Familiarisierung und Individualisierung. Zur Struktur der Geschlech- terordnung.in der bürgerlichen Gesellschaft, in: L’Homme 11 (2000), Nr. 1, 83­104.

Thurner, Erika „Genossinnen, bleiben sie die Frauen, die wir lieben!“. Sozialistische Frauen zwischen Beharrung und Wandel. In: Zeitgeschichte 19. Jahrgang (1992), 7/8, S 243.

Thurner, Erika: Weibliche Lebenszusammenhänge und Frauenerwerbsarbeit in Öster­reich seit 1945. In: Alexandra Weiss und Verena Simetzberger (Hrsg.), Frauen im 21. Jahrhundert. Situationen / Herausforderungen / Perspektiven. Gesell­schafts- und sozialpolitische Aspekte, Innsbruck 2010, 21-32.

Tiefenthaler, Paula: Vater Staat und seine Kinder. Die Entwicklung der öffentlichen Jugendwohlfahrt in Österreich von der Amtsvormundschaft zur gewählten Inte­ressenvertretung. Innsbruck 2003.

Tschinkel, Gernot: Der geistige Anschluss - die Nazifizierung des österreichischen Wissenschaftsbetriebes im Bereich der Philosophie anhand ausgewählter Bei­spiele. Diplomarbeit Graz 2009.

Tumlirz, Otto: Die Jugendverwahrlosung. Ihre psychologischen, pädagogischen und sozialen Probleme. Graz / Wien 1952.

Ubbelohde, Julia: Der Umgang mit jugendlichen Normverstößen. In: Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberali­sierung 1945-1980. Göttingen 2002. S 403-434.

Urbaner, Eva: „und weil die Naturbestimmung des Weibes Liebe und Mutterschaft ist (...), deshalb ist ihr die Produktivität auf wissenschaftlichem Gebiet versagt“ Das Frauenbild im Werk des Grazer Pädagogik Professors Otto Tumlirz und die „wesensgemäße“ Mädchen- und Frauenbildung im Nationalsozialismus. Dip­lomarbeit Graz 2001.

Verein der Amtsvormünder Österreichs (Hg.): Der österreichische Amtsvormund. Mitteilungsblatt des Vereines der Amtsvormünder Österreichs. Klosterneuburg 1969-2008.

VILLINGER, Werner: Kindesmißhandlungen und psychiatrische Mitwirkung: Bemerkun­gen zu den Arbeiten von Hagenau, Bergmann und Hetzer. Zeitschrift für Kinder­forschung [Elektronische Ressource]. Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Vereins zur Fürsorge für Jugendliche(sic!) Psychopathen. Bd. 47, 1939, Hft. 3 S 262-266.

VON DER Osten, Petra: Jugend- und Gefährdetenfürsorge im Sozialstaat. Auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945-1968. Paderborn 2002.

Wallner, Claudia: Feministische Mädchenarbeit. Münster 2006.

Walter, Hans Jürgen: Ein Wissenschaftler, der treu blieb - Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Metzger. Druckfassung eines Vortrages auf der 11. Wissenschaftli­chen Arbeitstagung der Gesellschaft für Gestalttheorie und ihre Anwendungen an der Universität Graz vom 11.-14. März 1999. http://www.gestalttheory.net/gta/Dokumente/tmetzger.htnl [28.5.2012]

WEISS, Hans: Tatort Kinderheim. Ein Untersuchungsbericht. Wien 2012.

Weissenborn, Answin: Drei Deka Fürsorge. Zur Berufsgeschichte der Sozialarbeit. Aus einem Gespräch mit Answin Weissenborn. http://www.dowas.org/index.php/iahrbuch05/43-drei-deka-fuersorge [5.12.2012]

Wensierski, Peter: Schläge im Namen des Herrn: die verdrängte Geschichte der Heim­kinder in der Bundesrepublik. 3. Aufl. München 2006.

Westermann, Stefanie: Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS- Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 2010.

Wieser, Renate: „Fromm bin ich nicht, aber ich glaube schon ...“: Glaubensdiskurse und religiöse Subiektivierungsweisen katholisch sozialisierter alter Frauen im 21. Jahrhundert. Graz Univ.-Diss. 2011.

Wilhelm, Elena: „Degeneriert“, „verwahrlost“, „moralisch defekt“. Eine Anthologie von Existenzen im Zugriff der rationellen Jugendfürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Teil II der Dissertation Universität Jena 2004. Im Internet zugäng­lich, auch als Buch erschienen: Bern Haupt 2005. Teil I: Rationalisierung der Jugendfürsorge. Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Jena 2004. http://www.db- thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-18376/Wilhelm/TEIL I.pdf

Willing, Matthias: Das Bewahrungsgesetz. Eine rechtshistorische Studie zur Ge­schichte der deutschen Fürsorge. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhun­derts 42. Tübingen 2003.

Winkelmayer, Franz: Heilpädagogik und Erziehungsfürsorge in Österreich. Zeitschrift für Kinderforschung [Elektronische Ressource]: Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Vereins zur Fürsorge für Jugendliche(sic!) Psychopathen. Bd. 31, 1926, Hft. 1. S 34-39.

Winter, Gerd: Sozialer Wandel durch Rechtsnormen, erörtert an der sozialen Stellung unehelicher Kinder. Berlin 1969.

Wolf, Julius: Moderne Heimerziehung. Vorträge und Ergebnisse der Erziehertagung auf Schloß Traunsee im Sommer 1848, herausgegeben im Auftrag des Bundes­ministeriums für Unterricht. Wien 1949.

WOLFGRUBER, Gudrun: „Von der Fürsorge zur Sozialarbeit - Individuelle Wohltat oder gesellschaftspolitisches Engagement“ Vortrag 30.11.2005, Veranstaltung Sozi­alarbeit im Wandel - Vergessene Geschichte und zeitlose Professionalität. http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true &getDoc=...&detail=1 [21.5.2012]

WOLFGRUBER, Gudrun: Kinder- und Jugendfürsorge im Roten Wien - Zwischen sozia­ler Kontrolle und Hilfe. Dargestellt am Beispiel der Kindesabnahmen. Wien 1996.

WOLFGRUBER, Gudrun: Zwischen Auftrag und Eigensinn. Berufsbiografische Erzäh­lungen von Fürsorgerinnen und Sozialarbeiterinnen der Wiener Jugendwohl­fahrt. Wien, Univ. Diss. 2011.

Wolschansky, Hans: Jugendwohlfahrt. Schriftenreihe Verwaltung der Alpen- und Donau-Reichsgaue. Band 14. Wien 1942.

Wurzbacher, Gerhard / Jaide, Walter / Wald, Renate / von Recum, Hasso / Cremer, Marlies: Die junge Arbeiterin. Beiträge zur Sozialkunde und Jugendarbeit. Mün­chen 1958. 439 Seiten.

ZAFT, Matthias: Der erzählte Zögling. Narrative in den Akten der deutschen Fürsorge­erziehung. Bielefeld 2011.

Zander, Margherita (Hg.): Geschlecht Nebensache? Zur Aktualität einer Gender- Perspektive in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden 2006.

Ziegler, Beatrice: Rezension zu Hafner, Urs: Heimkinder. Eine Geschichte des Auf­wachsens in der Anstalt. Baden 2011. In: H-Soz-u-Kult, 05.06.2012. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-160 [12.8.2012]

Ziegler, Otto: Österreich. In: Klumker, Chr. J.: Sozialrechtliche Einrichtungen (Vor­mundschaft - Uneheliche Kinder) in den europäischen Staaten. In: Keller, Ar­thur / Klumker, Chr. J. (Hg.): Säuglingsfürsorge und Kinderschutz in den euro­päischen Staaten. Ein Handbuch für Ärzte, Richter, Vormünder, Verwaltungsbe­amte und Sozialpolitiker, für Behörden, Verwaltungen und Vereine. Berlin 1912.

Ziering, Gabriele: 90 Jahre Jugendamt Ottakring. 1013 bis 2003. Von der Berufsvor­mundschaft zur Jugendwohlfahrt der MAG ELF. Wien 2003.

Zillig, Maria: Gefährdete weibliche Jugend unserer Tage. Paderborn 1951.

Zimmermann, Susan: Die bessere Hälfte? Frauenbewegungen und Frauenbestrebungen im Ungarn der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918. Wien-Budapest 1999.

Zimmermann, Susan: Frauenbewegung und Kinderschutz zu Beginn des 20. Jahrhun­derts. Doppelte Geschlechtsspezifik im Dreieck fürsorgepolitischer Interessen. In: Historische Sozialkunde. Geschichte - Fachdidaktik - Politische Bildung. 4/2005. Zivilgesellschaft, Partizipation und lokale Sozialpolitik. S 11-17.

Zimmermann, Susan: Prächtige Armut. Fürsorge, Kinderschutz und Sozialreform in Budapest. Das „sozialpolitische Laboratorium“ der Doppelmonarchie im Ver­gleich zu Wien 1873-1914. Sigmaringen 1997.

Zimmermann, Verena: Rezension von: Von der Osten, Petra: Jugend- und Gefährdeten- fürsorge im Sozialstaat. Der Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945-1968,

Paderborn 2002. In: sehepunkte 3 (2003), Nr. 10 [15.10.2003] http://www.sehepunkte.de/2003/10/2699.html [12.8.2012]

Zukrigl, Maria: Adoption, gesehen als Problem der natürlichen Mutter und als Prob­lem des Sozialarbeiters. In: Soziale Berufe 14. Jahrgang Nr.7/8 Juli August 1962. S 135- 141.

Zukrigl, Maria: Die Arbeit in der Adoptionsstelle. In: Soziale Berufe 16. Jahrgang Nr. 4 April 1964. S 51-54.

13 Quellen

Für ein modernes Österreich. Rede des Bundesparteivorsitzenden Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky auf dem Parteitag der SPÖ am 12. Juni 1970. In: Die Zu­kunft. Sozialistische Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur. Anfang Juli 1970, Heft 13.

Experteninterview 8.7.2009, Brigittaplatz, 11h45-12h30.

Stenographische Protokolle, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung - 29. und 30. Ok­tober 1970.

Die Frau. früher: Die Unzufriedene. Einzelne Bände.

Begutachtungsentwurf für ein Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz

2012 (KindNamRÄG 2012), Parlamentarische Materialien, Vorblatt

Aus den Beständen des Wiener Jugendamtes

Ergänzung zur Dienstanweisung für die Fürsorgerinnen der städt. Bezirksjugend­ämter (Sprengelfürsorgerinnen) zu Mag.Abt.11 - II/12/50. Wien, am 19. Juli 1950.

Normale II/9. Vorgangsweise bei Mißhandlung, Vernachlässigung und sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen. MA 11 - X/21/91. MA 11 - 07 - 915 in der Mappe GKST1-33.

Behandlung von Mibhandlungsfällen, Neuauflage des Normale, Wien, am 25. Februar 1965. M.Abt. 11 - V/5/65. Mappe AP6 - 69.

Estl, Marianne: Überlegungen zum neuen Jugendwohlfahrtsgesetz aus psychologischer Sicht. In: information zur bildung und fortbildung für erzieher und sozialarbeiter 2/1979. GZ11.18-01-07.

Wiener Stadt- und Landesarchiv

Dr. Alfred Seemann (Leiter des Jugendamtes 1946 bis 1948) Wiener Stadt- und Lan­desarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A5 - Personalakten 1. Reihe / 1920-1973 908 (Dr. Alfred Seemann)

Dr. Ottokar Karbas (Leiter des Jugendamtes 1948 bis 1950) Wiener Stadt- und Landes­archiv, M.Abt. 1.3.2.202.A5: 1294 (Dr. Ottokar Karbas)

Anton Tesarek (Leiter des Jugendamtes 1950 bis 1962) Wiener Stadt- und Landesar­chiv, M.Abt. 1.3.2.202.A6: 1138 (Anton Tesarek)

Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

1.3.2.207.A1 - Allgemeine Registratur / 1923-1930, 1946-1969, die ersten drei (unge­ordneten) Aktenbündeln.

14 Anhang

14.1 Auszug aus den rechtlichen Bestimmungen

Arbeitshausgesetz.

Hier in der Fassung von 1960:

§ 1. (1) Wird jemand wegen einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangenen Übertretung nach dem §§ 1 bis 6 des Gesetzes vom 24. Mai 1855, RGBl. Nr. 86, verur­teilt, so ordnet das Gericht seine Unterbringung in einem Arbeitshaus an, wenn sie er­forderlich ist, um den Verurteilten an einem rechtschaffenen und arbeitsamen Lebens­wandel zu gewöhnen.

(Die Einweisung ins Arbeitshaus erfolgt - ebenso wie die Einweisung in eine Bundes­anstalt für Erziehungsbedürftige - nach der Bestrafung, also zusätzlich.)

Gesetz vom 24. Mai 1885, RGBl. Nr. 89, womit strafrechtliche Bestimmungen in Betreff der Zulässigkeit der Anhaltung in Zwangsarbeits- oder Besserungsanstal­ten getroffen werden.

§ 1. Wer geschäfts- und arbeitslos umherzieht und nicht nachzuweisen vermag, daß er die Mittel zu seinem Unterhalte besitzt oder redlich zu erwerben suche, ist als Land­streicher zu bestrafen. ...
§ 2. Wegen Bettelns ist zu bestrafen: Wer an öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus bettelt oder aus Arbeitsscheu die öffentliche Mildtätigkeit in Anspruch nimmt. ...
§ 3 Arbeitsfähige Personen, welche kein Einkommen und keinen erlaubten Erwerb ha­ben und die Sicherheit der Person oder des Eigentums gefährden, ...
§ 4. Jede Gemeinde ... ist berechtigt [diesen Personen] Arbeit gegen Entlohnung oder Naturalverpflegung zuzuweisen.
§ 5. Die Bestrafung der Frauenspersonen, welche mit ihrem Körper unzüchtiges Gewer­be treiben, ist der Sicherheitsbehörde überlassen. Wenn solche Frauenspersonen

1) ihr unzüchtiges Gewerbe ungeachtet der polizeilichen Bestrafung fortsetzen, oder
2) insofern polizeiliche Anordnungen bestehen, hierbei denselben zuwiderhandeln, oder
3) ihr unzüchtiges Gewerbe betreiben, obwohl sie wußten, daß sie mit einer venerischen Krankheit behaftet sind, oder
4) durch die Öffentlichkeit ein auffallendes Ärgernis veranlassen, oder
5) jugendliche Personen verführen, so sind sie mit strengem Arreste, ... zu bestrafen.

In den Fällen Ziffer 1 und 2 tritt die strafgerichtliche Verfolgung auf Begehren der Si­cherheitsbehörde ein.

§ 6 Wer unter Polizeiaufsicht gestellt ist

Dieses Gesetz vom 24. Mai 1885, R.G.BI. 89 und 90, betreffend die Zwangsarbeits­und Besserungsanstalten, wird von Winkelmayer 1926 als für die Fürsorgeerzie- hung geltende Rechtsgrundlage bezeichnet.827

Österreichisches Strafgesetz 1945

In der Zeit zwischen 1938 bis 1945 blieb ... das österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen weiter in Kraft.828 Mit Gesetz vom 12. Juni 1945 ... wurde dann das Straf- gesetz in der Fassung vom 13. März 1938 wieder in volle Geltung gesetzt.829 1954 wur- de auf Wunsch des Nationalrates eine große Strafrechtskommission eingesetzt.830

Notzucht

§ 125. Wer eine Frauensperson durch gefährliche Bedrohung, wirklich ausgeübte Ge­walttätigkeit oder durch arglistige Betäubung ihrer Sinne außerstande setzt, ihm Wider­stand zu tun, und sie in diesem Zustande zu außerehelichem Beischlafe mißbraucht, begeht das Verbrechen der Notzucht.

§ 126. Die Strafe der Notzucht ist schwerer Kerker zwischen fünf und zehn Jahren. Hat die Gewalttätigkeit einen wichtigen Nachteil ., so soll die Strafe auf eine Dauer zwi­schen zehn und zwanzig Jahren verlängert werden. ...

§ 127. Der an einer Frauensperson, die sich ohne Zutun des Täters im Zustande der Wehr- oder Bewußtlosigkeit befindet, oder die noch nicht das 14 Lebensjahr zurück­gelegt hat, unternommene außereheliche Beischlaf ist gleichfalls als Notzucht anzuse­hen und nach § 126 zu bestrafen.

Schändung

§128. Wer einen Knaben oder ein Mädchen unter vierzehn Jahren, oder eine im Zustan­de der Wehr- und Bewußtlosigkeit befindliche Person ... geschlechtlich mißbraucht, begeht, . das Verbrechen der Schändung, und soll mit schwerem Kerker von einem bis zu fünf Jahren, bei sehr erschwerenden Umständen bis zu zehn, ... bestraft werden.

Blutschande

§131. Blutschande, welche zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie, ihre Verwandtschaft mag von ehelicher oder unehelicher Geburt herrühren, begangen wird.

Verführung zur Unzucht

§132 Verführung, wodurch jemand eine seiner Aufsicht oder Erziehung oder seinem Unterrichte anvertraute Person zur Begehung oder Duldung eine unzüchtigen Handlung verleitet.

Unter Verführung (zur Unzucht) versteht das Gesetz den Mißbrauch bestimmter Autori­tätsverhältnisse zur Verleitung anvertrauter Personen zur Unzucht. Die Rechtsprechung legt die Tatbildmerkmale weit aus.

Vorschrift für unverehelichte schwangere Frauenspersonen

§ 339. Eine unverehelichte Frauensperson, die sich schwanger befindet, muß bei der Niederkunft eine Hebamme, einen Geburtshelfer oder sonst eine ehrbare Frau zum Bei­stande rufen.

§ 340. Die gegen diese Vorschrift geschehene Verheimlichung der Geburt wird nach Herstellung der Verheimlichenden mit strengem Arreste von drei bis sechs Monaten bestraft.

Mißhandlungen bei häuslicher Zucht

§413. Das Recht der häuslichen Zucht kann in keinem Falle bis zu Mißhandlungen ausgedehnt werden, wodurch der Gezüchtigte am Köper Schaden nimmt.

Daher sind dergleichen Mißhandlungen der Eltern an ihren Kindern, der Vormünder an Mündeln, eines Gatten an dem anderen, der Erzieher und Lehrer an ihren Zöglingen und Schülern, der Lehrherren an ihren Lehrjungen, und der Gesindehälter an dem Dienst­volke als Übertretungen zu bestrafen.

In den Erläuterungen heißt es: Schaden am Körper ist jede körperliche Beschädigung; die §§ 413 und 421 sind jedoch bei schweren körperlichen Beschädigungen nie anzu­wenden, bei leichten nur dann, wenn die Beschädigungen durch Ausübung der häusli­chen Zucht entstanden sind. „Häusliche Zucht“ ist die Verwendung eines herkömmli­chen Zuchtmittels in Erziehungsabsicht.

§ 414. Bei Mißhandlungen der Eltern an ihren Kindern sind die ersteren vor Gericht zu berufen, ...

§415. Bei einem dritten Rückfalle, oder wofern entweder die erste Mißhandlung schon an sich sehr schwer oder die Gemütsart der Eltern so beschaffen wäre, daß für das Kind weitere Gefahr zu besorgen stünde, ist sogleich das erste Mal auf die oben angedrohte Strafe zu erkennen, .

Mißhandlung der Mündel von Seite der Vormünder. Strafe.

§ 417. Die Bestrafung der Mißhandlung eines Vormundes an seinem Mündel ist sogleich das erste Mal Entsetzung von der Vormundschaft, .

§ 418. Läßt ein Vormund sich eine solche Mißhandlung bei einem anderen Mündel nochmals zu Schuld kommen, oder treten auch bei einer ersten Mißhandlung die Um­stände des § 415 ein, so ist derselbe ferner zu Vormundschaften unfähig zu erklären, nebstbei auf die Bestrafung zu erkennen, welche im § 416 in solchen Fällen für die El­tern festgesetzt worden.

§ 420. Erzieher oder Lehrer von beiderlei Geschlecht, die an ihren Zöglingen Mißhand­lungen verüben, sind das erste Mal mit Arrest von drei Tagen bis zu einem Monate zu bestrafen; im wiederholten Falle aber nebst der erstbestimmten Strafe fernerhin zu dem Lehramte oder Erziehungsgeschäfte untauglich zu erklären.

Erläuterung: Lehrer, Erzieher, Dienstgeber und Lehrherren haben kein Züchtigungs­recht mehr; das Züchtigungsrecht anderer Personen (z.B. der Eltern) kann als persönli­ches Recht auf sie nicht übertragen werden, daher können die gleich den §§ 413 bis 418 auf der Überschreitung eine Züchtigungsrechtes beruhenden §§ 420, 421 heute nicht mehr zur Anwendung kommen.

Entehrung einer minderjährigen Anverwandten durch einen Hausgenossen. Stra­fe.

§ 504. Ein Hausgenosse, der eine minderjährige Tochter oder eine zur Haushaltung ge­hörige minderjährige Anverwandte des Hausvaters oder der Hausfrau entehrt, soll für diese Übertretung nach Unterschied seines Verhältnisses zu der Familie mit strengem Arreste von einem bis zu drei Monaten bestraft werden.

Schmutz- und Schundgesetz

Bundesgesetz vom 31. März 1950, BGBl. Nr. 97, über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung.

§ 2. (1) Eines Vergehens macht sich schuldig, wer wissentliche

a) eine Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung, die geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, oder einen solchen Film oder Schall­träger einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt anbietet oder überläßt,

c) einer Person unter 16 Jahren ein solches Laufbild oder einen solchen Schallträger vorführt oder ... Veranstaltungen der bezeichneten Art zugänglich macht.

§ 16. Es tritt außer Kraft

b) die Verordnung der Bundesregierung vom 23. März 1934, BGBl. I Nr. 171, zum Schutze der Sittlichkeit und der Volksgesundheit.

Polizeiaufsichtsgesetz

Gesetz vom 10. Mai 1873, RGBl. Nr. 108, womit polizeistrafrechtliche Bestimmun­gen wider Arbeitsscheue und Landstreicher erlassen werden

§ 4 Personen, ... oder welche als Landstreicher verurteilt worden sind und für die Si­cherheit des Eigentums gefährlich erscheinen, können mit den im § 9 dieses Gesetzes bezeichneten Wirkungen unter Polizeiaufsicht gestellt werden.

§ 9. Die Stellung unter Polizeiaufsicht darf nicht über drei Jahre, vom Tage der Entlas­sung aus der Strafe angefangen, ausgedehnt werden.

Jugendwohlfahrtsgesetz - JWG

Bundesgesetz vom 9. April 1954, womit Grundsätze über die Mutterschafts-, Säug­lings- und Jugendfürsorge aufgestellt und unmittelbar anzuwendende Vorschriften über die Jugendwohlfahrt erlassen werden, BGBl. Nr.99.

Abschnitt II

Übernahme in fremde Pflege, Pflegeaufsicht, Erziehungshilfe

A. Übernahme in fremde Pflege (Pflegekinder)

§ 5. (2) Keiner Bewilligung bedarf die Übernahme in fremde Pflege:

4. durch Lehrherren zur Ausbildung in einem Gewerbe sowie in der Land- und Forst­wirtschaft;

6. durch Inhaber von Heimen, die zur Übernahme von Pflegekindern bestimmt sind.

§ 7. (1) Die Pflegaufsicht erstreckt sich auf

1. uneheliche Minderjährige unter 16 Jahren;

2. eheliche Minderjährige unter 16 Jahren, (wenn sie bei fremden, nicht verwandten Personen in Pflege sind).

(2) Öffentlich befürsorgte eheliche Minderjährige unter 19 Jahren, die bei Verwandten ... in Pflege sind, können von der Bezirksverwaltungsbehörde unter Pflegeaufsicht ge­stellt werden, wenn eine zweckwidrige Verwendung der Fürsorgeleistung zu befürchten ist.

§ 8. (1) Von der Pflegeaufsicht sind Minderjährige ausgenommen,

3. solange sie, außer in den Fällen der Z1, in einer der Aufsicht der Landesregierung, der Justizverwaltungsbehörde oder der Unterrichtsbehörde unterstehenden Anstalt in Pflege sind;

4. solange sie als Lehrlinge bei ihren Lehrherren in Pflege sind.

Abschnitt III

§ 12. (1) Die Länder haben für die Errichtung von Fürsorgeerziehungsheimen, die zur Durchführung der Fürsorgeerziehung notwendig sind, vorzusorgen. Soweit Heime der freien Jugendwohlfahrtspflege bestehen, sollen sie als Fürsorgeerziehungsheime ver­wendet werden, wenn sie als solche im Einzelfall von der Landesregierung anerkannt werden.

(Außer dieser „Anerkennung“ als Fürsorgeheim sind in diesem Gesetz keine wei­teren Möglichkeiten oder Vorschriften zur Kontrolle von Heimen zu finden.)

ZWEITER TEIL

Als unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht haben nachfolgende Bestimmungen zu gelten:

ABSCHNITT I Amtsvormundschaft

§ 16. Die Bezirksverwaltungsbehörde wird Vormund in den durch die folgenden Be­stimmungen vorgesehenen Fällen (Amtsvormundschaft). Das Standesamt hat ihr die Geburt jedes unehelichen Kindes anzuzeigen.

§ 19. Das Vormundschaftsgericht hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag als Amtsvormund zu entlassen und einen Einzelvormund zu bestellen, wenn dies dem Wohle des Mündels besser entspricht. Beantragt die Bezirksverwaltungsbehörde nicht selbst ihre Entlassung, so ist sie vor der Entscheidung zu hören.

(Nur in den Erläuterungen zu § 19 heißt es: „Die gesetzliche Amtsvormundschaft soll nicht die Möglichkeit nehmen, einen Einzelvormund zu bestellen, ... [Unter bestimmten Umständen] wird kein Einwand bestehen, auch die Mutter selbst zur Vormünderin ihres unehelichen Kindes zu bestellen.“)

ABSCHNITT III

Anstalts- und Vereinsvormundschaft § 25. (1) Der Vorsteher einer Anstalt (eines Heimes), die unter der Verwaltung des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts steht, kann auf seinen Antrag hin zum Vormund oder Kurator bestellt werden. Vor der Bestel­lung ist die Bezirksverwaltungsbehörde zu hören, wenn sie Vormund oder Kurator des Minderjährigen ist.

(2) Gleiches (Abs.1) gilt für Vorsteher einer privaten Anstalt (eines privaten Heimes) oder eines Vereines, wenn ihn der Landeshauptmann zum Antrag allgemein ermächtigt. Der Landeshauptmann darf diese Ermächtigung nur erteilen, wenn die Anstalt (das Heim) oder der Verein nach Einrichtung und Führung die volle Gewähr für eine ord­nungsgemäße Sorge für den Minderjährigen bietet.

Erläuterungen: Die Anstaltsvormundschaft ist bereits durch eine Novelle zum ABGB geschaffen worden und ist in dessen § 207 verankert. Der § 42 der VO über Jugend­wohlfahrt brachte darüber hinaus die Vereinsvormundschaft.

ABSCHNITT IX

Schluß- und Übergangsbestimmungen

§ 38 (2) Ist auf Grund der Verordnung über Jugendwohlfahrt in der Ostmark vom 20. März 1940, Deutsches Reich RGBl. I S. 519, die Schutzaufsicht oder die Fürsorgeerzie­hung angeordnet, so gelten für das Erlöschen, die Endigung und die Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über Erziehungs­aufsicht und Fürsorgeerziehung sinngemäß. Beim Vormundschaftsgericht anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen über Erziehungsaufsicht und Fürsorgeerzie­hung fortzuführen.

Erläuterung: Diese Stelle des Gesetzes verfügt eine Übergangsregelung für die im Zeit­punkt des Inkrafttretens anhängigen Amtsvormundschaften, die anhängigen Verfahren und die verhängten Maßnahmen der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung.

Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz - Wr. JWG

Gesetz vom 17. Juni 1955, LGBl. f. Wien Nr. 14, betreffend die Jugendwohlfahrt

ABSCHNITT V

Heime für Pflegekinder

§18 Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb.

(1) Heime, die zur Übernahme von Pflegekindern bestimmt sind, dürfen nur mit Bewil­ligung der Landesregierung errichtet und betrieben werden. ...

(2) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn das Heim nach seiner Errichtung und Führung volle Gewähr für eine sachgemäße Pflege bietet.

§19 Vorläufige Bewilligung

§ 20 Widerruf der Bewilligung

§21 Aufsicht

§ 29 Verständigung der Erziehungsberechtigten

(1) Den Erziehungsberechtigten muß der Ort der Unterbringung des Fürsorgezöglings unverzüglich mitgeteilt werden, wenn dadurch der Erziehungszweck nicht ernstlich ge­fährdet wird.

(2) Eine ernsthafte Gefährdung des Erziehungszweckes ist insbesondere dann anzuneh­men, wenn aus dem bisherigen Verhalten der Erziehungsberechtigten geschlossen wer­den kann, daß sie in der ungünstigen Beeinflussung des Fürsorgezöglings verharren werden.

Jugendgerichtsgesetz 1961 - JGG 1961

Bundesgesetz von 26. Oktober 1961, BGBl. Nr. 278, über die Behandlung junger Rechtsbrecher.

Erziehungsmaßnahmen

Vormundschaftsbehördliche Verfügungen

§ 2. (1) Begeht ein Unmündiger [Kind bis 14 Jahren] oder Jugendlicher eine mit Strafe bedrohte Handlung oder Unterlassung und war zumindest eine der Ursachen hiefür ein mangelhafte Erziehung, so sind unabhängig vormundschaftsbehördliche Verfügungen zu treffen, insbesondere nach § 4 dieses Bundesgesetzes, nach den §§ 177, 178, 178a, 217 oder 254 ABGB oder nach den §§ 26, 28, 29 oder 31 des JWG.

(2) Die vormundschaftsbehördlichen Verfügungen sind, ..., aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist oder .wenn sich die Erreichung des Zwecks als voraussichtlich un­möglich erweist. Sobald der Rechtsbrecher das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, erlöschen alle noch aufrechten vormundschaftsbehördlichen Verfügungen.

§ 2 stellt die Bedingungen auf, .

a) Begehung einer (allenfalls auch bloß verwaltungsbehördlich zu ahndenden) Straftat durch einen Unmündigen oder Jugendlichen;

§ 3. Die Einweisung in eine Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige und die Anordnung der Fürsorgeerziehung

(2) Die Vollziehung von Freiheitsstrafen in Bundesanstalten für Erziehungsbedürftige weicht von der regelmäßigen Strafvollziehung soweit ab, wie es die Einrichtung der Anstalten mit sich bringt.

§ 59. (1) Dieses Bundesgesetz tritt am 1. Jänner 1962 in Kraft. Gleichzeitig verliert das Jugendgerichtsgesetz 1949, BGBl. Nr. 272, ... seine Wirksamkeit.

(2) Bis zur Erlassung eines Bundesgesetzes über die Bewährungshilfe steht die Bewäh­rungshilfe im Sinne der §§ 3 Abs.1 Z. 1 und 14 Abs 1 Z. 1 des Gesetzes über die be­dingte Verurteilung 1949 der Schutzaufsicht gleich.

Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes

Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes 4. Dem § 198 werden folgende Absätze angefügt:

„Für eine uneheliches Kind ist die Mutter auf ihren Antrag zum Vormund zu bestellen, wenn sie geeignet ist und ihr die Sorge für die Pflege und die Erziehung des Kindes zusteht; dies gilt auch, wenn für das Kind die gesetzliche Amtsvormundschaft besteht, außer diese entspricht dem Wohle des Kindes besser. Das gleich gilt sinngemäß für den Vater, dessen Vaterschaft festgestellt ist, wenn er sich in der Pflege und der Erziehung des Kindes bewährt hat.

Wird die Mutter eines unehelichen Kindes zum Vormund bestellt, so kann dennoch, vorbehaltlich des § 163a, falls es das Wohl des Kindes erfordert, allgemein die Bezirks­verwaltungsbehörde zum besonderen Sachwalter des Kindes für die Feststellung der Vaterschaft und die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bestellt werden.“

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch

samt den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, verweisenden und erläuternden Anmerkungen und einer Übersicht der Rechtsprechung der Gerichte, insbesondere des Obersten Gerichtshofes. Auf der Grundlage der von Dr. Josef Schey eingerichteten Ausgabe herausgegeben von Dr. Hans Kapfer, Bundesminister für Justiz. 25. Auflage. Wien 1955.

§ 144. Die Eltern haben das Recht, einverständlich die Handlungen ihrer Kinder zu lei­ten; die Kinder sind ihnen Ehrfurcht und Gehorsam schuldig.

§ 145. Die Eltern sind berechtigt, vermißte Kinder aufzusuchen, und flüchtige mit ob­rigkeitlichem Beistande zurückzubringen; sie sind auch befugt, unsittliche, ungehorsa­me oder die häusliche Ordnung und Ruhe störende Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche Art zu züchtigen.

§ 147. Die Rechte, welche vorzüglich dem Vater als Haupt der Familie zustehen, ma­chen die väterliche Gewalt aus.

§155. Die unehelichen Kinder genießen nicht gleiche Rechte mit den ehelichen...

§ 166. Auch ein uneheliches Kind hat das Recht, von seinen Eltern eine ihrem Vermö­gen angemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung zu fordern, und die Rechte der Eltern über dasselbe erstrecken sich soweit, als es der Zweck der Erziehung erfor­dert. Übrigens steht das uneheliche Kind nicht unter der väterlichen Gewalt seines Er­zeugers, sondern wird von einem Vormunde vertreten.

§ 167. Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kos­ten ihres Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu ersetzen.

§168. Schon vor der Geburt des Kindes kann das Gericht auf Antrag der Mutter, wenn sie dessen bedürftig ist und nicht einen unzüchtigen Lebenswandel führt, denjenigen, dessen Vaterschaft gemäß §163 glaubhaft gemacht wird, dazu verhalten, daß er den Betrag des dem Kinde zu gewährenden Unterhaltes für die ersten drei Monate sowie den gewöhnlichen Betrag der der Mutter nach § 167 zu ersetzenden Kosten bei Gericht erlege.

§ 178. Wenn der Vater seine Gewalt mißbraucht oder die damit verbundenen- Pflichten nicht erfüllt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, kann nicht nur das Kind selbst, sondern jedermann, der davon Kenntnis hat, be­sonders die nächsten Verwandten, den Beistand des Gerichtes anrufen. Das Gericht hat den Gegenstand der Beschwerde zu untersuchen und die den Umständen angemessenen Verfügungen zu treffen; ...

(9. § 178 ist durch die JugWohlfV. nicht außer Kraft gesetzt. 30.8.1950 SZ XXIII 236.)

§ 178a Wenn eine Anstalt oder ein Verein für Kinderschutz oder Kinderpflege die Pfle­ge und Erziehung eines mißhandelten, verlassenen oder verwahrlosten Kindes oder ei­nes Kindes übernommen hat, dem die Eltern die notwendige Aufsicht und Erziehung nicht gewähren, kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag der Anstalt oder des Ver­eines nach Untersuchung des Falles und Anhörung der Eltern aussprechen, daß das Kind vor Beendigung seiner Erziehung nur mit Zustimmung des Gerichtes der Anstalt oder dem Vereine gegen ihren Willen abgenommen werden kann.

§ 208 Insoweit geeignete Vormünder, die zur Übernahme des Amtes bereit sind, nicht zur Verfügung stehen oder dies zur wirksamen Wahrung der Rechte und Interessen un­bemittelter Pflegebefohlener erforderlich ist, kann die Vormundschaft einem geeigneten Organe der öffentlichen Verwaltung oder einer Vereinigung für Jugendschutz übertra­gen werden. Diese Übertragung kann sich auch auf einzelne Rechte und Pflichten des Vormunds beschränken. Die näheren Bestimmungen darüber werden durch Verordnung erlassen. Das Gericht kann die Übertragung widerrufen, wenn es im Interesse des Pfle­gebefohlenen gelegen ist.

14.2 Abstract

Die Arbeit versteht sich als Teil der historischen Aufarbeitung der Strukturen unter dem Signet „Jugendfürsorge“. Gerade der Untersuchungszeitraum von 1945 bis Anfang der 1970er Jahre entzieht sich durch die ihn umgebende Dunkelheit bisher der Aufklärung. Es werden die Maßstäbe der gegenwärtigen Selbstverständlichkeiten an die Zustände in diesem Zeitraum angelegt Dabei soll versucht werden, den Konstruktionscharakter der eigenen soziokulturellen Wirklichkeiten mitzudenken.

Die der Untersuchung zugrundeliegenden Texte, zwei psychologische Dissertationen über „verwahrloste“ Mädchen von Fürsorgerinnen, die danach zu führenden Persön­lichkeiten in diesem kleinem gesellschaftlichen Segment wurden, beanspruchen die mo­ralische Meinungsführerschaft zur Beurteilung des Alltags von nicht-bürgerlichen Schichten bis in die letzten Winkel der Privatheit. Sie entfalten die (katholische) Eigen­welt der Autorinnen, die an die Realität der „Fälle“ traditionelle Beschreibungsmuster anlegten, wie sie auch gegen die „heutige Jugend“ insgesamt vorgebracht wurden. Das repressive ordnungspolitische Denkmuster hatte nicht nur das Jahr 1945 überdauert, sondern blieb auch später - durch Zufall oder Systemdruck? - über „1968“ hinaus er­halten.

Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass den weiblichen „Asozialen“, sowohl den „sexuell verwahrlosten“ Jugendlichen als auch den „unehelichen Müttern“, nicht, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, bi-polare, komplementär gedachte Geschlech­terrollen zugeschrieben wurden. Vielmehr wurde ihnen alles aberkannt, was ein Subjekt ausmacht, nicht nur das Verfügungsrecht über sich selbst, sondern auch die Geschlecht­lichkeit, und zwar sowohl das Recht auf sexuelle Autonomie als auch das soziale Ge­schlecht (Gender). Es wurde ihnen kein - auch kein gering zu schätzendes - weibliches „Wesen“ zugestanden, sie wurden über Minderwertigkeit definiert. Die allen Fürsorge­zöglingen zugeschriebene Minderwertigkeit wurde bei den weiblichen zur Totalität, die totalitäre Maßnahmen erforderte, ihre - offenbar sehr schmal gedachte - „Persönlich­keit“ galt als gänzlich ausgelöscht, wenn sie ihre Sexualität lebten. Der sichtbare Be­weis gelebter Sexualität führte auch bei erwachsenen Frauen zum Verhängnis, zur Schande. Den Müttern wurde, weil der Mann fehlte, auch noch der Zentralwert der „Weiblichkeit“, die Mutterschaft, genommen. Sie gaben die „Erbsünde“ an ihre Kinder weiter, niemals wurde verabsäumt, deren Unehelichkeit im Akt zu vermerken.

Bestimmte gesellschaftspolitische Ideologien, die Frauen und Mädchen auf einen redu­zierten Status verwiesen und die der Lebenswelt nicht-bürgerlicher Schichten jede Exis­tenzberechtigung absprachen, sollten über die Eingriffe der Jugendfürsorge an einer möglichst großen Zahl von Ausgelieferten ihre Herrschaft ausüben können.

In meinem Untersuchungszeitraum und darüber hinaus, waren in der Jugendfürsorge Kräfte wirksam, die dazu beitrugen, das weibliche Geschlecht aus dem Kern des histori­schen Projekts der Rechtsgleichheit und Freiheit auszuschließen.

14.3 Lebenslauf

Ich wurde am 16. April 1943 in Wien als Tochter von Julia Czipke, Buchhalterin und Franz Czipke, Elektriker geboren.

Nach dem Besuch der Volksschule trat ich in ein neusprachliches Gymnasium ein, da­mals Frauenoberschule genannt, und legte die Reifeprüfung im Jahre 1961 ab.

An der Universität Wien inskribierte ich Geschichte und Germanistik. 1966 stand ich vor dem Abschluss dieses Studiums, es wurde mir deshalb mit der Auflage, das Studi­um bald zu beenden, ermöglicht, die Aufnahmeprüfung für den zweijährigen post­sekundären Studiengang „Politikwissenschaft“ am Institut für höhere Studien (Ford­Institut) abzulegen und diesen Studiengang als „Scholarin“ zu absolvieren.

Zu einem Abschluss des Universitätsstudiums kam es jedoch damals wegen der Geburt von Zwillingen 1969 nicht.

Von 1975 bis 2010 arbeitete ich als Auftragsnehmerin für das Unterrichtsministerium.

Während dieser Zeit durchlief ich auch eine dreijährige Ausbildung an der International Foundation for Biodynamic Psychology und erwarb das entsprechende Zertifikat für diese Form der humanistischen Psychotherapie und später eine Qualifikation im Bereich „Theaterpädagogik“, ein gruppenpädagogisches Modell, mit dem ich dann freiberuflich arbeitete.

Ebenfalls parallel zu meiner Tätigkeit für das Unterrichtsministerium war ich zehn Jahre lang als Parlamentarische Mitarbeiterin bei mehreren Abgeordneten der SPÖ angestellt.

Nach dem Ende meiner Berufstätigkeit habe ich das Studium am Institut für Zeitge­schichte wieder aufgenommen.

Gertrude Czipke 21. Jänner 2013

[...]


1 § 198 Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970, BGBl. Nr. 342, über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes. Zit. nach Feil, Erich: Die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes (ab 1. Juli 1971). Eisenstadt 1971. S 13

2 Am 1.3.1969, also ausgerechnet in der Entstehungsphase jenes Gesetzes, das die Amtsvormundschaft auf wenige Fälle beschränken sollte, fand die konstituierende Generalversammlung des „Vereins der Amtsvormünder Österreichs“ in Wien statt, die Proponenten waren allerdings alle aus Niederösterreich. Dieser Verein und sein Mitteilungsblatt „Der österreichische Amtsvormund“ existierten noch nachdem sowohl der Begriff des „Amtsvormundes“ aus der österreichischen Rechtsordnung verschwunden war und auch der Begriff „Vormundschaft“ durch „Obsorge“ ersetzt worden war.
Verein der Amtsvormünder Österreichs (Hg.): Der österreichische Amtsvormund. Mitteilungsblatt des Vereines der Amtsvormünder Österreichs. Klosterneuburg. 1969. Folge 1, Jahrgang 1. S 3.
Mit durchgehender Nummernzählung fortgeführt, später mit geändertem Untertitel: „Fachzeitschrift für Kindschaftsrecht, Familienrecht und Jugendwohlfahrt; Mitteilungsblatt der Österreichischen Arbeitsge­meinschaft für Jugendwohlfahrt“ wurde das Blatt im Jahre 2008(!) eingestellt.

3 Gehltomholt, Eva und Hering, Sabine: Das verwahrloste Mädchen. Diagnostik und Fürsorge in der Jugendhilfe zwischen Kriegsende und Reform (1945-1965). Opladen 2006. S 32.Gleichlautend auch Hering, Sabine: Die Macht der „Diagnosen“ - und die Geduld der Opfer. Mädchen in der Fürsorgeerzie­hung 1945-1965. In: sozialextra Dezember 2006. S 12.

4 Spiel, Walter: Aktuelle Probleme der Heimerziehung mit Ergebnissen der Wiener Heimkommission. Institut für Stadtforschung Wien 1971. Kommunale Forschung Bd. 4.

5 Bei der Arbeitstagung österreichische Jugendamtspsychologen im Jahre 1972 nimmt Josef Grestenber- ger „aus der Sicht der Heimerziehung“ zu diesem Thema Stellung; er spricht von „großen Schwierigkei­ten“ in den vorhandenen Heimstrukturen, mit den dort arbeitenden Erziehern Reformen durchzuführen und er schlägt „ambulante Betreuung“ vor, „ähnlich wie es die Bewährungshilfe macht“. Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1972. S 11-13.

6 Berger, Ernst: Von der Schulverweigerkommission zur psychosozialen Kommission - Interdisziplinäre Kooperationen zum Wohle der Wiener Schulkinder. http://www.univie.ac.at/kjnp-rehab- integra/projekt/Psychosoz%20Kommission%20SSR%2003.htm [17.7.2012] S 5.

7 Für ein modernes Österreich. Rede des Bundesparteivorsitzenden Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky auf dem Parteitag der SPÖ am 12. Juni 1970. In: Die Zukunft. Sozialistische Zeitschrift für Politik, Wirt­schaft und Kultur. Anfang Juli 1970, Heft 13. S 2.

8 Gertrude Fröhlich-Sandner, Vorwort zu Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Wien o.J. 1974 S 3.

9 Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 85.

10 Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 90.

11 Vorwort von Walter Prohaska, Leiter des Jugendamtes. In: Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Wien o.J. S 5.

12 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 63.

13 Klinglmair, Alfred: Das Kind in der unvollständigen bzw. ergänzten Familie. In: Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 26. Arbeitstagung der österreichischen Jugendamtspsy­chologen. Ehe und Scheidung. Wien 1979. S 46.

14 Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 71.

15 „Es wurde die Annahme geäußert, daß sich in diesen Familien Lebensbedingungen und Verhaltenswei­sen (der Verwahrlosung) von Generation zu Generation übertragen, wobei dieser Mechanismus durch die traditionellen Interventionen der Sozialadministration nicht durchbrochen wird, sondern die Institutionen an der Verwahrlosungsreproduktion mitbeteiligt sind.“ Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 72.

16 Ent, Herbert: Moderne Familienfürsorge, Zielgruppen und Methoden - aus juristischer Sicht. In: IN­STITUT für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 50-51: „So gewährt das neue Unehelichenrecht der Mutter einen Anspruch auf Übertragung der Vormundschaft über ihr Kind unter Ausschaltung der Amtsvormundschaft, ... Auch die zur Grundlage für die Reform des Jugendwohlfahrts­rechts dienenden Vorschläge respektieren den Vorrang der Familie.“ Ent zitiert in der Anmerkung die „Leitsätze für die Erstellung eines Entwurfes für ein neues Jugendwohlfahrtsrecht, aufgestellt vom Exper­tenkomitee der Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Fürsorge - nunmehr: Sozialhilfe - und Jugendwohl­fahrtspflege“ und den 1975 offenbar bereits ausformulierten Textvorschlag, der weitere 15 Jahre lie­genblieb.

17 „Die Gründerinnen der sozialen Frauenschulen legitimierten mit dem Konzept der „geistigen Mütter­lichkeit“ den sozialen Beruf als exklusiven Frauenberuf.“ Rose, Barbara: „In der Hauptsache ist der Sozi­alpädagoge eine Frau“ - statt einer Einleitung. In: Fesel, Verena / Rose, Barbara / Simmel, Monika (Hg.): Sozialarbeit - ein deutscher Frauenberuf. Kontinuitäten und Brüche im 20. Jahrhundert. (Aktuelle Frauenforschung; Bd. 9) Pfaffenweiler 1992.

18 Estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Univ.Diss. 1952.

19 Koller, Hermine: Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher unter Berücksichtigung ihrer Einstellung zu den verschiedenen Lebensbereichen (Anhang: Fallgeschichten). Wien Diss. 1962.

20 Herbert, Ulrich: Liberalisierung als Lernprozess. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte - eine Skizze. In: Herbert, Ulrich (Hrsg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integrati­on, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen 2002. S 40.

21 Mesner, Maria: Die „Neugestaltung des Ehe- und Familienrechts“. Re-Defmitionspotentiale im Ge­schlechterverhältnis der Aufbau-Zeit. In: Zeitgeschichte 5-6 / 24. Jg./1997. S 203. http://anno.onb.ac.at/ [30.11.2010]

22 Mesner, Maria: Die „Neugestaltung des Ehe- und Familienrechts“. Re-Definitionspotentiale im Ge­schlechterverhältnis der Aufbau-Zeit. In: Zeitgeschichte 5-6 / 24. Jg./1997. S 198. http://anno.onb.ac.at/ [30.11.2010]

23 Ent, Herbert: Moderne Familienfürsorge, Zielgruppen und Methoden - aus juridischer Sicht. Vortrag. In: Spiel, Walter / Prohaska, Walter: Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kom­mission „Moderne Familienfürsorge“. Institut für Sozialforschung. Wien o.J. 1975. S 50: „Es mag son­derbar anmuten, daß unsere Rechtsordnung nur sehr dürftig einen grundrechtlichen Schutz der Familie und des Familienlebens als solchen kennt. Erst durch die Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl. Nr. 210/1958), der spätestens seit 1964 Verfas­sungsrang zukommt, ... hat der einzelne einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens, so etwa darauf, daß er ... für seine eigenen Kinder selbst und nicht mittels staatlicher Fürsorge sorgen dürfe.“

24 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 28. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1981. S 29.

25 Normale II/9. Vorgangsweise bei Mißhandlung, Vernachlässigung und sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen. MA 11 - X/21/91. MA 11 - 07 - 915 Es tritt am 1. Juni 1991 in Kraft. In der Mappe GKST1-33.

26 Papick, Petra: Die Entwicklung des Vormundschaftsrechts vom ABGB 1812 bis zur Gegenwart. Graz DA 2006. Stark, Anna: Die Generalsvormundschaft. Erweiterte Seminararbeit. Wien o.J. 1947 Die Autorin die­ser Arbeit trat in den Dienst der Jugendfürsorge ein. Reicher, Heinrich: Das Mindestmaß an Erziehung. Wien 1909. Zit. nach Meidl, Margit / Wolf, Annelie­se: „Von Rechts wegen ...“ Die Rechtsstellung des unehelichen Kindes und ihre sozialpädagogische Bedeutung für uneheliche Kinder am Beispiel der Einführung der Berufsvormundschaft in der Gemeinde Wien um 1900. Wien DA 2007.

27 Kepplinger, Brigitte: Fürsorgeakten als historische Quelle. Die Betreuungsakten des Linzer Jugend­amtes (1918-1950); in: Stadtarchiv und Stadtgeschichte. Forschungen und Innovationen. Festschrift für Fritz Mayrhofer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres. Hrsg.: Walter Schuster - Maximilian Schim- böck - Anneliese Schweiger (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004). - Linz 2004, S. 303­309. Volltext: hjstl 2003 04 0303-0309.pdf 66 Kb [17.8.2010] S 304. Kepplinger beruft sich auf ein bereits 1975 erschienenes Werk: Brusten, Manfred: Dokumente formaler Kontrolle - zur quantitativen Analyse von Jugendamtsakten. In: Empirische Rechtssoziologie. Hg. von Erhard Blankenburg. München 1975. S 199-220. S 199.

28 Schwerhoff, Gerd: Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitäts­forschung. Tübingen 1999. S 10. Zit. nach: Andreas Schneider: Rezension zu: Lindner, Andrea: 100 Jahre Frauenkriminalität. Die quantitative und qualitative Entwicklung der weiblichen Delinquenz von 1902-2002. Frankfurt am Main 2006, in: H-Soz-u-Kult, 21.03.2008, http://hsozkult. geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/2008-1-224 [19.9.2011]

29 Dollinger, Bernd: Jugendkriminalität als Kulturkonflikt. Wiesbaden 2010.

30 Krucsay, Brita: Rezension von Dollinger, Bernd: Jugendkriminalität als Kulturkonflikt. Wiesba­den 2010. In: SWS-Rundschau (50Jg.) Heft 3/2010. S 368-371. S 119.

31 Krucsay, Rezension von Dollinger, S 370.

32 Bertels, Gesa: Rezension vom 16.05.2011 zu: Dollinger, Bernd/ Schmidt-Semisch, Henning (Hrsg.): Handbuch Jugendkriminalität. Wiesbaden 2010. 586 Seiten. In: socialnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/9523.php [18.03.2012]

33 Quensel, Stephan: Rezension vom 23.9.2010 zu Dollinger, Bernd: Jugendkriminalität als Kultur­konflikt. Wiesbaden 2010. In: socialnet Rezensionen. http://socialnet.de/rezensionen/9574.php

[18.3.2012]

34 Hacker, Hanna: Nicht weiß weiß nicht: Übergänge zwischen Critical Whiteness Studies und feminis­tischer Theorie. In: L‘ homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft. Wien 2005. 16 (2005), 2. S 13-27.

35 Besonders deutlich in der verstörende Veröffentlichung der Arbeit von Julia Fontana: Fontana, Julia: Fürsorge für ein ganzes Leben? Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen. Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, Band 3. Opladen & Farmington Hills 2007, sowie in der unkritischen Rezension dieses Buches: Schütt, Peter: Rezension vom 03.11.2009 zu: Julia Fonta­na: Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen. Opladen; Farmington Hills 2007. In: soci­alnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/4975.php [28.04.2012].

36 Wilhelm, Elena: „Degeneriert“, „verwahrlost“, „moralisch defekt“. Eine Anthologie von Existenzen im Zugriff der rationellen Jugendfürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Teil II der Dissertation Univer­sität Jena 2004. S 3. Teil I: Rationalisierung der Jugendfürsorge. Die Herausbildung neuer Steuerungs­formen des Sozialen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Jena 2004. http://www.db- thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-18376/Wilhelm/TEIL I.pdf [21.6.2012] Wilhelm gibt an, eher Foucaults sozialgeschichtliche Entzifferungen, als Bourdieus soziographische „Fallstudien“ zu belehnen. Wilhelm, „Degeneriert“. Jena 2005. S 13.

37 Wilhelm, „Degeneriert“. Jena 2005. S 15. „Wenn es den Geschichten gelingen könnte, vermeintliche Evidenzen fürsorgerischer Praktiken zu diskreditieren und ihnen die selbstverständliche Anerkennungs­würdigkeit zu nehmen, wenn es ihnen gelingen könnte freizulegen, was sie erzeugen, was sie hervorbrin­gen, was sie „positives“ schaffen, welche möglichen Effekte von den Praktiken ausgehen, dann hätten sie den Zweck ihrer Darstellung erreicht.“

38 Zaft, Matthias: Der erzählte Zögling. Narrative in den Akten der deutschen Fürsorgeerziehung. Biele­feld 2011. S 21.

39 Zaft, Der erzählte Zögling. Bielefeld 2011. S 25. „Beim Vorgang der Darstellung kommen Deutungs­und Plausibilitätsmuster zur Anwendung, die mit dem darzustellenden Gegenstand ursächlich nicht das Geringste zu tun haben müssen, mehr noch: beim besagten Gegenstand, in der Untersuchung dem Zög­ling, handelt es sich um das Objekt der Erziehungsmaßnahme, den das Aufschreibsystem der Fürsorgeer­ziehung als solchen erzeugte und hinterließ.“

40 Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren. Der Endbericht und alle Zwischenberich­te sind unter www.rundertisch-heimerziehung.de/ [30.7.2012] greifbar.

41 Es wird von Berufung, von der hingebenden Liebe zum Kind, vom liebenden Herzen gesprochen. „Auch die so viel geschmähte „Ohrfeige zur rechten Zeit“ könne eine „echte erzieherische Maßnahme“ sein, wenn „nur der Erziehende spürt, daß sie aus der liebenden Sorge um ihn erwachsen ist.“ Zit. nach Kuhlmann, Carola: Expertise für den Runden Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“. Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre - Maßstäbe für angemessenes Erziehungsverhalten und für Grenzen ausgeübter Erziehungs- und Anstaltsgewalt. Bochum 2010. S 30.

42 „Das Vorbild der Liebe Jesu Christi spielt hier immer eine große Rolle.“ Kuhlmann, Expertise. S 38.

43 WEISS, Hans: Tatort Kinderheim. Ein Untersuchungsbericht Wien 2012.

44 Wolfgruber, Gudrun: Zwischen ,Auftrag und Eigensinn’ - Berufsbiografische Erzählungen von Fürsorgerinnen und Sozialarbeiterinnen der Wiener Jugendwohlfahrt. Wien Univ.Diss. 2011.

45 Wolfgruber, Gudrun: „Von der Fürsorge zur Sozialarbeit - Individuelle Wohltat oder gesellschafts­politisches Engagement“ Vortrag 30.11.2005, Veranstaltung Sozialarbeit im Wandel - Vergessene Ge­schichte und zeitlose Professionalität. http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true&getDoc=...&detail=1 [21.5.2012]

46 Schäfter, Gabriele / Hocke, Martina: Mädchenwelten. Sexuelle Gewalterfahrungen und Heimerzie­hung. Heidelberg 1995. S 121.

47 Landwehr, Achim: Diskurs und Diskursgeschichte, Version: 1.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte. 11.2. 2012. https://docupedia.de/zg/Diskurs_und_Diskursgeschichte?oldid=84596 [28.10.2012]

48 Der Autor unterrichtet Medizingeschichte und -ethik in Halle-Wittenberg, er verweist auf die Bedeu­tung, die „Fallgeschichten“ in der Geschichte der Medizin hatten und dass sie im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert über die Klinik hinauswirkten und geradezu als Paradigma einer ganzen Kultur und Lite­ratur bezeichnet werden.

49 Wilhelm, „Degeneriert“. Jena 2005.

50 Leirer, Irmtraut / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung. Wien 1974. Die Autorinnen orientieren sich an Goffman, Erving: Asyle. Frankfurt 1971.

51 Seegers, Lu: Rezension zu: Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004, in: H-Soz-u-Kult, 15.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-036 [17.9.2011]. und Schmidt, Heike: Gefährdete und gefährliche Mädchen. Zwangs- und Fürsorgeerziehung in Hamburg 1887-1933. Girls at Risk and Risky Girls - correctional Education in Hamburg 1887-1933. ZSE, 17. Jg. 1997, H.4. S 394-404. „In der Zeit des Kaiserreiches liegen die Anfänge einer systematischen staatlichen Jugendpolitik, zu deren ersten Initiativen die Zwangserziehung gehörte. Den Mädchen kam hierbei vor allem mit den wachsenden bevölkerungspolitischen Impetus besondere Aufmerksamkeit zu. An ihnen machte sich das Unbehagen fest über die durch Urbanisierung, wachsende Frauenerwerbsarbeit und De­mokratisierung ins Wanken geratenen Geschlechtskonstruktionen.“ S 394.

52 Henkelmann, Andreas (Hg.): Verspätete Modernisierung: Öffentliche Erziehung im Rheinland - Ge­schichte der Heimerziehung in Verantwortung des Landesjugendamtes (1945-1972). Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Heimerziehung in der Zuständigkeit des größten deutschen Landesjugendamtes beim Landschaftsverband Rheinland. An dieser Geschichte wird die verspätete Modernisierung dieses margina- lisierten gesellschaftlichen Bereiches nachgezeichnet. Besondere Aufmerksamkeit widmen die Beiträge des Buches dem Alltag der Heimkinder.. .und der „Verbreiterung der pädagogischen Angriffsfläche“ durch Medikamenteneinsatz. (Klappentext)

53 Willing, Matthias: Das Bewahrungsgesetz. Eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deutschen Fürsorge. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 42. Tübingen 2003.

54 AYAß, Wolfgang: Rezension zu: Willing, Matthias: Das Bewahrungsgesetz. Eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deutschen Fürsorge. Tübingen 2003, in: H-Soz-u-Kult, 26.01.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1-045 [25.9.2011]

55 „Das dritte Kapitel untersucht die Beteiligung des KFV [Katholischer Fürsorgeverein (KFV) für Mäd­chen, Frauen und Kinder] bei der Schaffung eines Bewahrungsgesetzes, das schließlich nach zähem Rin­gen in das 1961 verabschiedete Bundessozialhilfegesetz einging.“ Und „Nach zähem Ringen wurde schließlich die Möglichkeit einer Bewahrung für Gefährdete auf gesetzlicher Grundlage mit in das Bun­dessozialhilfegesetz (BSHG) vom 30.6.1961 aufgenommen.“ Zimmermann, Verena: Rezension von: Von der Osten, Petra: Jugend- und Gefährdetenfürsorge im Sozialstaat. Der Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945-1968. Pader­born 2002. In: sehepunkte 3 (2003), Nr. 10 [15.10.2003] http://www.sehepunkte.de/2003/10/2699.html [12.8.2012]

56 Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Jugendhilfe zwi­schen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999.

57 Der Kommission „Moderne Familienfürsorge“ ist diese Angst bekannt und sie ist bestrebt, sie zurück­zudrängen: „Der exekutive Eingriff mit seiner Einschränkung von Rechten ist diskriminierend und ist gefürchtet, wodurch das Einsetzen anderer Mittel erschwert wird.“ „Wenn diese Mechanismen Bestand­teil des öffentlichen Bewußtseins sind, kann ... ein Druck ausgeübt werden, indem mit der Meldung ans Jugendamt gedroht wird.“. „...weil die ,Fürsorge‘ in der öffentlichen Meinung den Ruf einer repressiven Einrichtung bekommt.“ „Zur Förderung ambulanter Betreuung ist es notwendig, den repressiven Charak­ter fürsorgerischer Arbeit grundsätzlich abzubauen.“ Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 74.

58 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 53. Dieser Textteil stammt vermut­lich aus der Feder von Hermine Koller.

59 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974]. S 28. In dieser Arbeit von Leirer > Gössler > Karlsson werden Zahlen genannt: Im Jahre 1970 erfolgen im Rahmen der Freiwilligen Erziehungshilfe 60%, im Rahmen der Gerichtlichen Erziehungshilfe 30% und im Rahmen der Fürsorgeerziehung 9% der Heimunterbringungen. In Wien liegt der Anteil der Mädchen bei 40%, bei den Jugendlichen ist der Anteil der Mädchen höher als außerhalb Wiens. „Erklärbar ist dieser Unterschied vermutlich aus den Einweisungskategorien.“ S 28. Leirer, Verwaltete Kinder. S 28. Nur selten wird - wie hier - die Vermutung ausgesprochen, dass das Vorgehen der Behörden nichts mit der äußeren Realität zu tun hat, sondern einer inneren Logik folgt.

60 Im § 53 des Jugendgerichsgesetzes wird auf die Gewerbeordnung verwiese, der zufolge die Anhaltung im Lehrzeugnis oder Gesellenbrief nicht erwähnt werden darf, wenn in der Haft eine Lehre absolviert werden konnte, was gefördert wurde. Eine derartige Schutzbestimmung für den Aufenthalt in Heimen der Jugendfürsorge ist nicht vorgesehen.

61 Unter anderem: Kuhlmann, Carola: „So erzieht man keinen Menschen!“ Lebens- und Berufserinne­rungen aus der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre. Wiesbaden 2008. S 13: „Ob ein Mädchen eine Nacht außerhalb der elterlichen Wohnung verbrachte, ob sie sexuell missbraucht worden war oder „häu­fig wechselnden Geschlechtsverkehr“ hatte - dies alles wurde durch die Kategorie „sexuell verwahrlost“ ausgedrückt. Verwahrlosung wurde aber auch häufig dann unterstellt, wenn Kinder unehelich geboren waren. Automatisch war in diesen Fällen das Jugendamt der Vormund dieser Kinder und achtete beson­ders auf ein möglicherweise auffälliges Verhalten dieser Kinder.“

62 Siehe Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 1. „Verwahrloste weibli­che Jugend kennzeichnet dagegen vor allem die ungeordneten sexuellen Beziehungen; die Mädchen fan­gen schon zu einem früheren, für unzulässig gehaltenen Zeitpunkt an‘,...“ Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 1. Die umgangssprachliche Wen­dung: „Mädchen fangen früher an“ - auf der programmatischen ersten Seite - wird aus einem Werk aus dem Jahre 1918(!) zitiert, und zwar aus: Gregor Adalbert und Voigtländer Ilse: Die Verwahrlosung. Ber­lin 1918.

63 „Die tragenden Begriffe dieses Diskurses („Verwahrlosung“, „Arbeitsscheu“ u.a.) verleiten zur Ver­wechslung von Ursache und Wirkung und zur Verkehrung des Verhältnisses von Opfern und Tätern.“ Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 521.

64 Siehe Estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Diss. 1952.

65 Wolfgruber, Gudrun: Zwischen Auftrag und Eigensinn. Berufsbiografische Erzählungen von Für­sorgerInnen und SozialarbeiterInnen der Wiener Jugendwohlfahrt. Wien, Univ. Diss. 2011.

66 DER STANDARD, Karin Kirchmayr, Printausgabe 1.12.2010: Edith Blaschitz hat sich mit diesem Thema beschäftigt: Nicht nur die Katholische Jugend führte diesen Kampf mit Aggressivität - „Öster­reichs Untergang: Nicht Kriegsverluste, nicht Krebs,... sondern Volksseuche Unsittlichkeit“ - sondern auch die deutschsprachige Medienforschung versuchte den Mythos zu verwissenschaftlichen, dass man, wenn man ins Kino geht, als Verbrecher oder Prostituierte wieder herauskommt. „Der Kampf gegen Schmutz und Schund hat erheblich zur Identitätsfindung im Österreich nach 1945 beigetragen. Darauf konnten sich alle Parteien einigen, ... bis zu den Kommunisten.“ Diese Konstellation erinnert an die Entstehung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes in der Weimarer Republik 1922/24. Siehe auch: Blaschitz, Edith: Kampf gegen Schmutz und Schund. Medienrezeption in Österreich (1945-1965). In: Blaschitz, Edith / Seibt, Martin (Hg.): Medienbildung in Österreich. Historische und aktuelle Entwick­lungen, theoretische Positionen und Medienpraxis. Wien 2008. S 136ff.

67 „Die Straßen erscheinen als ,Brutstätten‘ aller möglichen Formen abweichenden Verhaltens, angefan­gen von der schwammig begriffenen ,Jugendverwahrlosung‘ über Bettelei, Frühsexualität, Renitenz so­wie Alkoholismus bis hin zu Jugendkriminalität und Bandenbildung. In der stark abwertend gemeinten Bewertung der Straße spiegelte sich eine zentral- und nordeuropäische Einstellung wider, die im mediter­ranen Raum keine Entsprechung fand. Beispielsweise verfügen ,Piazza‘ und ,Corso‘ in Italien als zentrale Kommunikationspunkte im gesellschaftlichen Leben stets über einen gänzlich anderen Stellenwert als nördlich der Alpen.“ Ostler, Jürgen: Lebensräume von Jugendlichen in der Öffentlichkeit. In: Beiträge zur historischen Sozi­alkunde. Lebensräume der Jugend 3/93. S 68-74. S 69.

68 Marinelli zitiert, leider ohne genauere Angaben, einen von einem „Verband jugendlicher Arbeiter“ und den „Kinderfreunden“ vermutlich 1920 veröffentlichten dringenden Appell: „Tausendfältig sind heute die Gefahren der Straße. Den Aufreizungen zu nutzlosen Demonstrationen und Ausschreitungen, der Versu­chung zu Gewalttätigkeiten und Plünderungen erliegt niemand so leicht wie unsere Jugend. Behaltet da­her eure Kinder, soweit als es möglich ist, daheim! Trachtet insbesondere, daß eure Jungen und Mädchen unter dem 18. Lebensjahr abends zu Hause bleiben.“ Marinelli, Lydia: Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. Das Wiener Fürsorgesystem und „die sittliche Verwahrlosung der weiblichen Jugend“. 1918-1933. Diplomarbeit Wien 1990. S 89f.

69 Wolschansky, Hans: Jugendwohlfahrt. Schriftenreihe Verwaltung der Alpen- und Donau­Reichsgaue. Band 14. Wien 1942. S 40ff

70 Der entscheidende Ubergangsprozess von den unterschiedlichen Familientypen der alteuropäischen Gesellschaft zur „modernen Familie“ ist „die Abgabe der Produktionsfunktion. In der Phase der Über­windung familienwirtschaftlicher Formen durch neue Formen der Arbeitsorganisation geriet das an tradi­tionelle Wirtschaftsstrukturen gebundene generative Verhalten auf der Basis der Ehe als Legitimation zur Zeugung in eine Krise, deren Auswirkung die steigende Zahl unehelicher Geburten war. Erst mit der Ausbildung des neuen Systems der Arbeitsorganisation auf der Basis der individuellen Lohnarbeit konnte sich auch die Gründung und Erhaltung der Familie auf dieser Grundlage durchsetzen. Damit ging die Zahl der unehelichen Geburten wiederum stark zurück.“ Mitterauer, Michael: Ledige Mütter: zur Ge­schichte illegitimer Geburten in Europa. München 1983. S 111. Gegen den ausdrücklichen Wunsch des akademisch etablierten Verfassers wurde der von ihm vorgesehe­ne Titel: „Illegitimität in Europa. Historische Bedingungen unehelicher Geburten in Familienverfassung, Arbeitsorganisation und Wertsystem“ abgeändert. Mitterauer, Ledige Mütter. München 1983 S 11. Nicht einmal eine wissenschaftliche Arbeit war also vor der reißerischen Individualisierung und Morali- sierung gefeit. Das gleiche ist Heike Schmidt passiert, deren Arbeit den Begriff der Verwahrlosung ad absurdum führt, die aber den Titel „Das verwahrloste Mädchen“ hinnehmen musste.

71 Zur Anzahl der unehelichen Geburten im 19. Jahrhundert siehe Mitterauer, Ledige Mütter. München 1983.

72 BÜTOW, Birgit: Rezension vom 03.06.2008 zu: Wallner, Claudia: Feministische Mädchenarbeit. Münster 2006. In: socialnet Rezensionen, http://www.socialnet.de/rezensionen/4098.php [16.06.2012]: „Der Film von Ulrike Meinhof „Bambule“ war Auslöser einer umfassenden Analyse und Veränderung der Fürsorgeerziehung von Mädchen. . . .In den Analysen zur weiblichen Fürsorgeerziehung wurde deut­lich, dass die Mädchen sehr häufig Gewalt erleben mussten und dass sich dieses in der öffentlichen Erzie­hung fortsetzte.“ Wallner stellt fest, dass es trotz öffentlicher Skandalisierung der Zustände in der Heim­erziehung keine Einmischung seitens der feministischen Mädchenarbeit gegeben habe. Dieses liege daran, dass es zwischen beiden Bereichen keine personelle Anbindung, keine Vernetzungen gab. In Österreich gab es die ORF-Sendung „Ohne Maulkorb“ („Verstaatlichte Kinder“ von Andreas Friesz, ORF 1975)

73 „Die meisten Psychologinnen und die meisten Heimerzieherinnen lernen ihr ,Handwerk‘ erst on the job von älteren Kolleginnen und Kollegen. Dies begünstigt im Untersuchungszeitraum die Fortführung berufsegoistischer Deutungen und latent rassistischer und postfaschistischer Redeweisen, ... „ Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 520.

74 Zaft, Mathias: Der erzählte Zögling. Narrative in den Akten der deutschen Fürsorgeerziehung. Biele­feld 2011. S 348.

75 Seegers, Lu: Rezension zu: Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004, in: H-Soz-u-Kult, 15.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-036 [10.10.2012]

76 Wien - Eine Stadt informiert. Vorwort Felix Slavik. Wien [o.J.]. S 15

77 Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.): Die natürliche Bevölkerungsbewegung im Jahre 1955. Beiträge zur österreichischen Statistik. 19. Heft. Wien 1956. S VII. Eigene Berechnung.

78 Jahrbuch der Stadt Wien 1960. In zwei Teilen: I Die Verwaltung der Stadt Wien im Jahre 1060. II Sta­tistisches Jahrbuch der Stadt Wien für das Jahr 1960. Hg.: Der Magistrat der Stadt Wien. S 69. In 621(!) [von 24.000] Fällen wurden Amtsvormundschaften in Einzelvormundschaften umgewandelt und „ver­sucht den Müttern die Vormundschaft über ihre Kinder anzuvertrauen.“ S 69.

79 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974]. S 22.

80 Simon, Maria Dorothea: Von der Fürsorge zur Sozialarbeit. Vortrag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung am 2. Oktober 2004 (Dr. Maria Dorothea Simon, em. Direktorin für Sozialarbeit der Stadt Wien) http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true&getDoc=...&detail=1 [3.6.2012]

81 Landwehr, Achim: Diskurs und Diskursgeschichte, Version: 1.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte. 11.2. 2012. https://docupedia.de/zg/Diskurs_und_Diskursgeschichte?oldid=84596 [28.10.2012]

82 Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf-Ausgabe, Luzern 2012. S 14/15.

83 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. Typoskript. Internet Ressource. Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: „Der Kindheit beraubt“. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien. Wien 2012. 580 Seiten. Kommission Wilhelminenberg. Zwischenberichte. Leitung Dr. Barbara Helige. www.kommission- wilhelminenberg.at 2012 Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren. Der Endbericht und alle Zwischenberichte sind unter www.rundertisch-heimerziehung.de/ greifbar. 2012 Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/ Ab­schlussbericht 2011.
Hafner, Urs: Heimkinder. Eine Geschichte des Aufwachsens in der Anstalt. Baden 2011. In dieser Ar­beit wird auch der Schock erwähnt, der durch das Bekanntwerden der Aktion „Kinder der Landstraße“ in den 1970er Jahren ausgelöst wurde: In diesem Programm hatte die bis dahin hoch angesehene Stiftung „Pro Juventute“ Fahrenden, in der Schweiz Jenische genannt, während rund fünfzig Jahren ihre Kinder entrissen und in Heime gesteckt.
Ziegler, Beatrice: Rezension zu Hafner, Urs: Heimkinder. Eine Geschichte des Aufwachsens in der Anstalt. Baden 2011. In: H-Soz-u-Kult, 05.06.2012. http://hsozkult. geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/2012-160 [12.8.2012]
Nach dem Skandal verweigerte die Stiftung weiterhin viele Jahre die Herausgabe der Akten, mit deren Hilfe die Betroffenen etwas über ihre Herkunft, die Eltern über das Schicksal ihrer Kinder erfahren und mit ihrer Situation fertig werden wollten.
Schreiber, Horst / Arora, Steffen: Im Namen der Ordnung. Heimerziehung in Tirol. Innsbruck / Wien 2010.
Schreiber, Horst: Geschlossene Fürsorgeerziehung in Tirol. Ein historischer Streifzug. In: Heimatlos 2009. Innsbruck / Wien 2009.
Fuchs, Robert (Hg.) im Auftrag des Arbeitskreises zur Aufarbeitung der Heimerziehung im Land Bre­men: „Und keiner hat sich gekümmert“. Dokumentation zur Geschichte der Bremer Heimerziehung 1945­1975. Bremen 2012. „Im Rückblick ist es aus politischer, vor allem aber aus menschlicher Sicht kaum vermittelbar, warum es erst in den letzten Jahren zu einer breiten gesellschaftlichen Aufarbeitung der Heimerziehung der Nachkriegszeit kommt - und das auch nur auf nachhaltigen Druck von ehemaligen Heimkindern und Opfern körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt.“
Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf-Ausgabe, Luzern 2012. „Mit diesem Forschungsauftrag ist der Kanton Luzern der erste Kanton der Schweiz, der die Problematik der Kinderheime historisch aufarbeiten lässt.
Er schliesst sich damit an Regierungen anderer Länder an, die ebenfalls eine historische Aufarbeitung eingeleitet haben; etwa Deutschland, Irland oder Australien.“ http://www.disg.lu.ch/schlussbericht_aufarbeitung_kinderheime_120731.pdf
Ries, Markus: Hinter Mauern. Vorkommnisse in Luzerner Kinder- und Jugendheimen werden auf gearbei­tet, die Studie wird zu einem späteren Zeitpunkt publiziert. Medienmitteilung 26.9.2012. „In kirchlichen Heimen ist für die Zeit bis 1960 Gewalttätigkeit ... festzustellen. Die Ursachen lassen sich in drei Kate­gorien gliedern: generelle Geringschätzung gegenüber Fremdplatzierten, zu wenig und zu wenig qualifi­ziertes Personal in den Heimen, weltanschaulich begründete Ursachen.“
John, Michael (Hg.): Wegscheid. Begleitpublikation zur Ausstellung: von der Korrektionsbaracke zur sozialpädagogischen Institution. Linz 2006.
Dickmann, Barbara / Bassler, Sibylle (Hg.): Gestohlene Kindheit. Wie Fürsorgeheime Kinder zerstört haben. Reihe: Ein ML-Mona-Lisa-Buch. Frankfurt 2008.
Esser, Klaus: Zwischen Albtraum und Dankbarkeit. Ehemalige Heimkinder kommen zu Wort. Freiburg 2011.
Ralser, Michaela / Bechter, Anneliese / Guerrini, Flavia: Geschichte der Tiroler und Vorarlberger Erziehungsheime und Fürsorgeregime der 2. Republik - Eine Vorstudie, erstellt im Auftrag der Länder Tirol und Vorarlberg. Forschungsbericht 2012.
Benad, Matthias / Schmuhl, Hans-Walter / Stockhecke (Hg.): Endstation Freistadt. Fürsorgeerziehung in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bis in die 1970er Jahre. Gütersloh 2009. Reihe: Schriften des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel - Band 16.
Lueger-Schuster, Brigitte: Psychotraumatologische Fragestellungen zu Gewalt und Missbrauch in der Katholischen Kirche. Forschungsprojekt. Wien 2012.
Frings, Bernhard / Kaminsky, Uwe: Gehorsam - Ordnung - Religion. Konfessionelle Heimerziehung 1945- 1975. Münster 2012. 596 S. D AMBERG, Wilhelm (Hg.): Mutter Kirche - Vater Staat? Geschichte, Praxis und Debatten der konfessio­nellen Heimerziehung seit 1945. Münster 2010. Biondi, Ursula: Initiantin und Projektleiterin www.administrativ-versorgte.ch Homepage: „In der Frau­enstrafanstalt Hindelbank wurden bis weit in die siebziger Jahre Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und auch Frauen untergebracht, die keine Straftet begangen hatten. Es genügte, wenn sie den Vormund­schaftsbehörden negativ aufgefallen waren. Sie wurden im Administrativ-Verfahren ohne Gerichtsurteil und meist ohne Anhörung in die Anstalt eingewiesen.“

84 Es kam immer wieder zu Zusammenkünften und gemeinsamen Veranstaltungen, z. B. wurde „in der Zeit vom 1. Oktober bis 3. Dezember 1969 wieder ein Seminar zur Fortbildung der Amtsvormünder ab­gehalten“, wo unter anderem das „Unehelichenrecht in Österreich und in Deutschland“ besprochen wur­de.“ Jahrbuch der Stadt Wien 1969. S 78.

85 Meidl, Margit und Wolf, Anneliese: „Von Rechts wegen...“ Die Rechtsstellung des Kindes und ihre sozialpädagogische Bedeutung für uneheliche Kinder am Beispiel der Einführung der Berufsvormund­schaft in der Gemeinde Wien um 1900. Diplomarbeit Wien 2007. S 170.

86 Die RJWV blieb übrigens auch in der DDR (mit Ausnahme des Vormundschaftsrechtes für uneheliche Kinder) bis zu ihrem Ende in Kraft.

87 „Das Nichtehelichenrecht von 1969, das am 1. Juli 1970 in Kraft trat ... verbesserte in der Tat die Stel­lung des nichtehelichen Kindes erheblich.“
Peschel-Gutzeit, Lore-Maria: Die Entwicklung des Familienrechts in der BRD. www.fes- forumberlin.de/pdf 2008/Vortrag Peschel-Gutzeit.pdf [20.1.2013]
In Deutschland wurde die Amtsvormundschaft mit gesetzlicher Deckung - ebenso wie in Österreich, hier ohne gesetzlicher Berechtigung - noch lange beibehalten: „Es hat ein richtiges Bemühen gekostet, um über eine Bundesinitiative dafür zu sorgen, dass endlich diese irrsinnige Amtspflegschaft für unsere West-Mütter aufgehoben wurde, weil wir nicht mehr glauben konnten, dass sie auch in den 90er Jahren immer noch zu dumm waren, um selbst ihre Kinder vertreten zu können. ... Aber es gab erhebliche Wi-
derstände zum Beispiel bei den Amtspflegern. Ich sehe noch heute die Vertreter der Amtspfleger zu mir kommen, die sagen: Das können Sie nicht machen. Wir wissen, das geht alles schief. Wir ken­nen die Frauen.“
Peschel-Gutzeit, Lore-Maria: Die Entwicklung des Familienrechts in der BRD. www.fes- forumberlin.de/pdf 2008/Vortrag Peschel-Gutzeit.pdf

88 Fontana, Julia: Fürsorge für ein ganzes Leben? Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen. Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, Band 3. Opladen & Farming­ton Hills 2007.

89 estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Diss. 1952.

90 Eckensberger, Dietlind: Sozialisationsbedingungen der öffentlichen Erziehung. Vorwort von Tobias Brocher. Frankfurt am Main 1971.

91 Nur vereinzelt lagen seine Arbeiten zum Hospitalismus damals auf Deutsch vor.

92 Eckensberger, Sozialisationsbedingungen. S 14.

93 Hering, Sabine: Die Macht der „Diagnosen“ - und die Geduld der Opfer, Mädchen in der Fürsorgeer­ziehung 1945-1965 In: sozialextra Dezember 2006 Thema. S 12-15.

94 „Gender spielt in Theorie und Praxis Sozialer Arbeit von der Entstehung bis zum heutigen Tage eine zentrale Rolle (vgl. Hering 2006). Die ersten Ausbildungsstäten wurden vor hundert Jahren von Frauen gegründet und boten sozial engagierten, bürgerlichen Frauen eine Chance qualifizierter Betätigung (Mau­rer 2001).“ Brückner, Margrit: Geschlechterverhältnisse und Soziale Arbeit: „De“- und „Re“-Gendering als theoretische und praktische Aufgabe. http://www.hawk-hhg.de/hochschule/media/satz brueckner.pdf [27.5.2012]
Hering, Sabine (Hg.): Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa (1900-1960). Wichtige Pionierinnen und ihr Einfluss auf die Entwicklung internationaler Organisationen. Opladen 2002.
Hering, Sabine (Hg.): History of social work in Europe (1900-1960. Female pioneers and their influence on the development of international social organisations. Opladen 2003.
Schlüter, Anne (Hg.): Erziehungswissenschaftlerinnen in der Frauen- und Geschlechterforschung. Opladen 2008.
Kruse, Elke und Hering, Sabine (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsge­schichte in Spiegel der Genderforschung. Festschrift für Sabine Hering. Opladen 2007. Friebertshäuser, Barbara und Bitzan, Maria (Hg.): Sozialpädagogik im Blick der Frauenforschung. Weinheim 1997.
Hering, Sabine (Hg.): Aus der Pionierzeit der Sozialarbeit. Elf Frauen berichten. Weinheim 1984. Hering, Sabine: Differenz oder Vielfalt? - Frauen und Männer in der Geschichte der Sozialen Arbeit. Wiesbaden 2006. In: Zander, Margherita (Hg.): Geschlecht Nebensache? Zur Aktualität einer Gender- Perspektive in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden 2006.
Gruber, Christine / Fröschl, Elfriede (Hg.): Gender-Aspekte in der Sozialen Arbeit. Wien 2001.

95 Brückner, Margrit: Alte und neue Geschlechterverhältnisse in der Sozialen Arbeit. In: sozialextra Oktober 2004. S 42-45. S 44: „Nach anfänglicher Dominanz stark defizitorientierter Zielgruppen­Diagnosen in den 1980er Jahren nahm die Kritik daran in der Frauen- und Mädchenarbeit zu und führte zu einem Paradigmenwechsel vom Defizitansatz zum Stärkeansatz, d.h. zur Ressourcenorientierung.“

96 Hering, „Diagnosen“. S 14.

97 Wensierski, Peter: Schläge im Namen des Herrn. Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik. München 2006.

98 Fontana, Julia: Fürsorge für ein ganzes Leben? Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen. Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, Band 3. Opladen & Farming­ton Hills 2007.

99 Henkelmann, Andreas (Hg.): Verspätete Modernisierung: Öffentliche Erziehung im Rheinland - Ge­schichte der Heimerziehung in Verantwortung des Landesjugendamtes (1945-1972). Essen 2011.

100 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 12.

101 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 15.

102 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 14.

103 Wensierski, Peter: Schläge im Namen des Herren. Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik. München 2006.

104 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 15.

105 „Dass sich leider auch viele engagierte Vertreter der sozialpädagogischen Bewegung einiges vom Nationalsozialismus versprachen - nicht zuletzt eine möglicherweise schnellere Durchsetzung ihrer Re­formen, dafür steht neben Selbstaussagen früherer Sozialarbeiterinnen auch der Rundbrief der ,Gilde Soziale Arbeit‘, in dem es heißt, dass sich wohl vieles von dem, was die Jugendbewegung immer gewollt habe, nach 1933 verwirklichen lassen werde (Dudek 1988, S 194).“ Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 17.

106 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S14.

107 Eyferth, Hanns: Gefährdete Jugend. Erziehungshilfe bei Fehlentwicklung. Hannover 1950. Dieses Buch beginnt mit den schönen Worten: „Die A n l a g e n, das Erbgut des Menschen von den Vorfahren her, . . .“ Hanns Eyferth war ab 1942 sogenannter „Erziehungberater“ der NSV in Berlin. Zu der Funkti­on von „Erziehungsberatern“ in der NS-Zeit, davor und danach, verfügen wir aus der Feder von Hermine Koller über eine sehr wertvolle Beschreibung. Siehe dort: Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. Walter Prohaska dankt der Frau Senatsrätin Dr. Koller, der Leiterin des Dezernates Psychologi­scher Dienst, für die Vorbereitung dieser informativen Publikation. [siehe 10.2.]

108 Jeder einzelne der Begriffe, mit denen Asoziale und verwahrloste Jugendliche gleichermaßen stigmati­siert wurden, hat eine je eigene Geschichte. Eyferth wirft hier sogar Verschleppten das „planlose Wan­dern über die Landstraßen“ vor.
Das „Herumstreunen“, einer der häufigsten Einweisungsgründe für Mädchen, ist auch rassistisch grund­gelegt: Robert Ritter, dem Schöpfer des Fachbegriffes „larvierter Schwachsinns“, als „Zigeunerritter“ eine Berühmtheit, Verfasser eines Buches mit dem Titel „Ein Menschenschlag - erbärztliche und erbge­schichtliche Untersuchungen über die Nachkommen von Vagabunden, Jaunern(sic!) und Räubern“ arbei­tete nach dem Krieg, gemeinsam mit einer Mitarbeiterin, auf dem Gebiet der „sozialärztlichen Jugendfür­sorge“ (Selbstdefinition) in Frankfurt.
http://www.sifaz.org/bemerkungen zur dissertation von eva justin.pdf [11.6.2012] Schmidt-Degenhard, Tobias Joachim: Robert Ritter (1901-1951). Zu Leben und Werk des NS- „Zigeunerforschers“. Dissertation an der med. Fak. Tübingen 2008. S 250: „1947 bewarb er sich erfolg­reich um die ärztliche Leitung der „Fürsorgestelle für Gemüts- und Nervenkranke sowie der Jugendpsy­chiatrie“ am Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main.“ Ein Verfahren im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit beim Reichsgesundheitsamt war eingestellt worden. Der Oberstaatsanwalt vermerkt: „Zahlrei- che Wissenschaftler haben lange vor 1933 die Anschauung vertreten, dass Zigeuneraussagen grundsätz­lich für die richterliche Überzeugungsbildung ausscheiden müssen.“ S 233.

109 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 14.

110 Eine besondere Variante von Nachkriegsklagen zur Schuldentlastung bietet Sabine Hering selbst in einem anderen Text: nicht nur der Nationalsozialismus hätte jeden Widerstand unmöglich gemacht, son­dern auch das Chaos der Kriegsfolgen: „In den hieraus [dem Kriegsende] entstehenden Auflösungser­scheinungen bricht auch die NS-Wohlfahrtspflege zusammen, so dass eine günstige Situation für grund­sätzliche Neustrukturierungen gegeben scheint. Freilich wird diese im Grundsatz existierende Chance durch die widrigen Bedingungen der Kriegsfolgen durchkreuzt. Für weitergehende Überlegungen scheint weder Kraft noch Zeit übrig zu sein.“ Hering, Sabine / Münichmeier, Richard: Restauration und Re­form - Die Soziale Arbeit nach 1945. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführen­des Handbuch. Wiesbaden 4. Auflage 2012.S 109.

111 Frankenberger, Tamara: Gedenk-Lücken zur „Stunde Null“. Die fehlende Erinnerung an die „Displaced Persons“ S 36-41. In: Mehrwald, Silke: „Stunde Null“. Kontinuitäten und Brüche. Archiv der deutschen Frauenbewegung. Kassel 1995. S 38. „ . . .die Gerüchte über sogenannte „marodierende Ausländerbanden“ zwischen Kriegsende und der Zeit nach der Befreiung [halten sich] bis heute. Dieser zentrale Aspekt in der Erinnerung deutscher Zeitzeuginnen an die ausländischen Arbeiterinnen bezieht sich fast ausschließlich auf „Polen“, „Russen“ und später auch jüdische DPs. Dazu auch: Wetzel, Juliane: „Displaced Persons“. Ein vergessenes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Beilage zur Wochen­zeitung Das Parlament. 10. Februar 1995. S 38.

112 Diese Formulierung lässt vermuten, dass diese Sprüche noch vor dem Zusammenbruch in dieser Form geprägt worden waren: „Besonders nach der Kriegswende 1942/43 verschärfte sich der kriminalpolizeili­che Zugriff gegen sozial abweichende Männer und Frauen . . .Noch im letzten Kriegsjahr hielt man an dieser Sichtweise fest, wenn man den in der Trümmerlandschaft umherirrenden Obdachlosen unterstellte, sie gingen „dunklen Geschäften“ nach oder würden „Plünderungen“ planen.“ Roth, Thomas: Die Kölner Kriminalpolizei im „Dritten Reich“, vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der vorbeugenden Verbre­chensbekämpfung. Unveröffentlichte Magisterarbeit Bonn 1998. Zit. nach: Roth, Thomas: Von den „Antisozialen“ zu den „Asozialen“. Ideologie und Struktur kriminalpolizeilicher „Verbrechensbekämp­fung“ im Nationalsozialismus. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowi-

AK, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 80.

113 Hering, Die Macht der „Diagnosen“ S 14.

114 Eyferth, Hanns: Gefährdete Jugend. Erziehungshilfe bei Fehlentwicklung. Hannover 1950. S 16.

115 Kuhlmann, Carola: Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe zwischen Zuwendung und Vernichtung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen 1933-1945. Dissertation. Weinheim und München 1989

116 Wolfgang Metzger trat 1933 der SA bei und 1937 der NSDAP bei. Walter, Hans Jürgen: Ein Wis­senschaftler, der treu blieb - Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Metzger. Druckfassung eines Vortrages auf der 11. Wissenschaftlichen Arbeitstagung der Gesellschaft für Gestalttheorie und ihre Anwendungen an der Universität Graz vom 11.-14. März 1999. http://www.gestalttheory.net/gta/Dokumente/tmetzger.htnl [28.5.2012]

117 Kuhlmann, Carola: Abschnitt: Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden 4. Auflage 2012. S 94.
ähnlich in: Kuhlmann, Carola / Schrapper, Christian: Geschichte der Erziehungshilfen von der Armen­pflege bis zu den Hilfen zur Erziehung. In: Birtsch, Vera / Münstermann, Klaus / Trede, Wolfgang (Hg.): Handbuch Erziehungshilfen. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und Forschung. Weinheim 2004. S 282ff.
Es hätte genügt, die Plausibilität zu prüfen: Kann man sich die „jungen, hochqualifizierten Pädagogen“ mit einigem Ehrgeiz, bei der einfühlsamen Beratung von jüdischen Witwen mit ihren halbjüdischen Mischlingskindern vorstellen oder auch von arbeitsunfähigen Eltern, Alkoholikern, Krüppeln, „erblich kriminell belasteten“ Jugendlichen, bevor diese als „Asoziale“ in ein KZ geschickt wurden? Die Mit­gliedschaft bei der NSDAP - NSV-Funktion - ist der Autorin bekannt.

118 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. S 18.

119 Auch Manfred Kappeler, ebenfalls Professor und kritischer Geist, bezieht sich in einem Aufsatz über Fürsorge- und Heimerziehung, auf den gleichen Text von Hanns Eyferth: Eyferth, der „Reformpädagoge“ hätte 1950 einen „Neuaufbau des Systems“ gefordert.
Kappeler, Manfred: Fürsorge- und Heimerziehung - Skandalisierung und Reformfolgen. In: Schreiber, Horst / Genslucker, Lisa / Jarosch, Monika / Weiss, Alexandra: Gaismair-Jahrbuch 2010. S 135.

120 „Von Entschädigungszahlungen waren Menschen, die aus Gründen sozial abweichenden Verhaltens verfolgt worden waren, in der Bundesrepublik (aber auch in der DDR!) und in Österreich ausgeschlossen. Als Ende der 1980er Jahre zunächst in Deutschland und mit gehöriger Verzögerung dann auch in Öster­reich eine Neubewertung einsetzte, kam dies für die überwiegende Mehrzahl der überlebenden Opfer zu spät.“
AYAß, Wolfgang: Nicht der Einzelne zählte... “Gemeinschaftsfremd“ im nationalsozialistischen Öster­reich. In: Verein zur Förderung der DOWAS (Hg.): Aus so krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. 30 Jahre DOWAS Innsbruck 2006 S 77-87. S 87f. http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2007012916878/3/oesterreich.pdf [24.6.2012]
Bailer, Brigitte: Wiedergutmachung. Kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus. Wien 1993. S 193-197.

121 „Auch nach der Befreiung begriffen die Organisationen der politischen Häftlinge ihre Mithäftlinge aus der Häftlingskategorie der „Asozialen“ nicht als Leidensgenossen, sondern als Bedrohung ihrer eigenen Bemühungen um Anerkennung und Entschädigung. Die negative Sichtweise hielt sich leider auch recht lange in der Forschungsliteratur.“ AYAß, Nicht der Einzelne zählte ... DOWAS Innsbruck 2006 S 77-87. S 81.

122 In Bezug auf die Jugend-KZ in Deutschland wird auf der Web-Site http ://www.augenblicke-zwischen- leben-und-tod.de/t2834f61-quot-Wir-hatten-noch-gar-nicht-angefangen-zu-leben-quot.html [6.6.2012] erwähnt, dass diese erst 1970 als Konzentrationslager anerkannt wurden, die Opfer bekamen eine halbjäh­rige Frist, um Anträge auf Wiedergutmachung zu stellen, diese Möglichkeit war jedoch nur in einem Bundesgesetzblatt bekanntgegeben worden. „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben“ Ausstellung über die beinahe vergessenen Jugendkonzentrationslage. 20.2.2006. Text von Alexandra Bader. Diese Jugend-KZ gehören zu jenen „entsprechenden Anstalten“ in die der „Erziehungsberater“ „im Falle der Anstaltsbedürftigkeit eines Kindes dessen Abgabe vorzusehen hätte.“ Siehe Anmerkung oben.

123 Spring, Claudia Andrea: Zwischen Krieg und Euthanasie. Zwangssterilisationen in Wien 1940-1945. Wien / Köln / Weimar 2009. Zahlreiche Hinweise.

124 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 29

125 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 13

126 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 9.

127 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 10.

128 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 40.

129 Kuhlmann, „So erzieht man keinen Menschen!“ S 39.

130 Kuhlmann, Carola: Expertise für den Runden Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“. Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre - Maßstäbe für angemessenes Erziehungsverhalten und für Grenzen ausgeübter Erziehungs- und Anstaltsgewalt. Bochum 2010. S 4.

131 Clara Schwancke über die Landeserziehungsanstalt Bräunsdorf für 100 „schwer verwahrloste Mäd­chen“, zit. in Kuhlmann, Carola: Expertise für den Runden Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“. Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre - Maßstäbe für ange­messenes Erziehungsverhalten und für Grenzen ausgeübter Erziehungs- und Anstaltsgewalt. Bochum 2010. S 11.

132 Benkel, Thorsten: Rezension vom 07.05.2012 zu: Andresen, Sabine / Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Zerstörerische Vorgänge. Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutio­nen. Weinheim 2012. In: socialnet Rezensionen http://www.socialnet.de/rezensionen/13199.php [14.06.2012].

133 Gehltomholt, Eva und Hering, Susanne: Das verwahrloste Mädchen. Diagnostik und Fürsorge in der Jugendhilfe zwischen Kriegsende und Reform (1945-1965). Frauen- und Genderforschung in der Erziehungswissenschaft. Band 4. Opladen 2006. S 19. Die unveröffentlichte Diplomarbeit von Eva Gehl­tomholt: ,Wenn Mädchen aus der Rolle fallen, trifft sie der Zorn der Gesellschaft. Mädchen in Einrich­tungen der Erziehungshilfe, 1985 in Münster verfasst, wurde erweitert, aktualisiert und gemeinsam mit Sabine Hering und in der von Sabine Hering herausgegebenen Reihe „Frauen- und Geschlechterfor­schung in der Erziehungswissenschaft“ 2006 als Band 4 publiziert.

134 Gehltomholt, Das verwahrloste Mädchen. S 51.

135 Gehltomholt, Das verwahrloste Mädchen. S 63.

136 Gehltomholt, Das verwahrloste Mädchen. S 99.

137 Gehltomholt, Das verwahrloste Mädchen. S 9.

138 Fontana, Julia: Fürsorge für ein ganzes Leben? Spuren der Heimerziehung in den Biographien von Frauen. Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, Band 3. Opladen & Farming­ton Hills 2007.

139 Richter, Johannes: „Gute Kinder schlechter Eltern“. Familienleben, Jugendfürsorge und Sorgerechts­entzug in Hamburg, 1884-1914. Wiesbaden 2011
http://www.springerlink.com/content/m8264v/#section=845263&page=1 [4.4.2012] Es ist durchaus denkbar, dass der Autor bei seinem literarischen Exkurs 2011 die beiden auffälligen Vorworte 2006/2007 im Auge gehabt hat.

140 Wichern, Johannes Hinrich: Hamburgs wahres und geheimes Volksleben. Zit. in Richter: „Gute Kinder schlechter Eltern“ S 65

141 Johann Hinrich Wichern, 1808 bis 1881, nach der Eintragung im Ökumenisches Heiligenlexikon, http://www.heiligenlexikon.de/BiographienJ/Johann Hinrich Wichern.htm [3.4.2012] schuf er den Be­griff der „Inneren Mission“ und gründete und leitete längere Zeit das „Rauhe Haus“, ein „Rettungshaus“ in der Nähe von Hamburg.

142 Richter: „Gute Kinder schlechter Eltern“ S 65

143 Popert, Hermann: „Helmut Harringa. Eine Geschichte aus unserer Zeit“. Zit. in: Richter: „Gute Kin­der schlechter Eltern“. S 67.

144 Popert, Hermann: „Helmut Harringa. Eine Geschichte aus unserer Zeit. Zit. nach: Richter: „Gute Kinder schlechter Eltern“. S 68.

145 Richter, „Gute Kinder schlechter Eltern“. S 62.

146 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 9.

147 Pongratz, Lieselotte und Hübner, Hans-Odo: Lebensbewährung nach öffentlicher Erziehung. Eine Hamburger Untersuchung über das Schicksal aus der Fürsorge-Erziehung und der Freiwilligen Erzie­hungshilfe entlassener Jugendlichen. Darmstadt, Berlin-Spandau, Neuwied am Rhein 1959.

148 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 99.

149 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 123.

150 Lieselotte Pongratz „wird 1923 geboren. Da der Vater Kommunist und arbeitslos ist, darf sie in der Nazizeit keine höhere Schule besuchen. Nur durch ein von ihr selbst geschaffenes soziales Netz schafft sie es, nach dem frühen Tod ihrer Mutter nicht in nationalsozialistische Heimerziehung zu kommen, son­dern als Minderjährige schon ein eigenes Leben zu führen.“ Gipser, Dietlinde: ,.. .und da fing es langsam bei mir innen zu brodeln...‘ - Lebenslaufanalysen zur Ausleuchtung von Randständigkeit. Forschungs­biographie von Lieselotte Pongratz 1923-2001. In: Kruse, Elke / Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Farmington Hills 2007. S 164. Die beiden Autorinnen stellen als Heldentat und Glück dar, dass es Liese­lotte Pongratz gelungen ist, der Heimerziehung zu entkommen und als Minderjährige schon ein eigenes Leben führen zu können. Die Heimerziehung, der sie entkommen ist, wird als „nationalsozialistische“ bezeichnet - von der Heimerziehung der Nachkriegszeit hätte sie sich voller Dankbarkeit betreuen lassen?

151 LÜTZKE, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder „sittlich verwahrloster Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule­Essen 2002. http://duepublico.uni-duisburg-essen. de/servlets/DerivateServlet/Derivate-11226/luetzke.pdf [13.10.2011] S 2.

152 Schmuhl, Hans-Walter: Rezension zu: Westermann, Stefanie: Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 2010, in: H-Soz-u-Kult, 15.05.2012, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-2-109 [15.6.2012].

153 Spring, Claudia Andrea: Zwischen Krieg und Euthanasie. Zwangssterilisationen in Wien 1940-1945. Wien, Köln, Weimar 2009. S 221.

154 Westermann, Stefanie: Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 2010. Zit. nach: Schmuhl, Hans-Walter: Rezension in: H-Soz-u- Kult, 15.05.2012, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-2-109 [7.6.2012].

155 Westermann, Verschwiegenes Leid. Zit. nach: Schmuhl, Rezension in: H-Soz-u-Kult, 15.05.2012, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-2-109 [7.6.2012]. Das Amtsgericht Hagen hatte keine Bedenken, Gutachten etwa von der Universitätsnervenklinik Marburg unter dem T4-Gutachter Werner Villinger einzuholen. [Werner Villinger] galt über seinen Tod 1960 hinaus als Vater der Jugend­psychiatrie.

156 Schenk, Britta-Marie, Rezension zu: Tümmers, Henning: Anerkennungskämpfe. Die Nachgeschichte der nationalsozialistischen Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik. Göttingen 2011. In: H-Soz-u- Kult, 4.1.2012, http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-1-005

157 Koller, Hermine: Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher unter Berücksichtigung ihrer Einstellungen zu den verschiedenen Lebensbereichen. Dissertation Wien 1962.

158 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 55.

159 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 54-56.

160 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? „Beide Elternteile werden in der Fürsorgeakte ungünstig beurteilt.. .Die Mutter ist als unsolide und unzuverlässig bekannt und soll HwG haben.“ Kommentar Fon­tana: „Die Mutter muss nach der Scheidung ein haltloses Leben geführt .haben.“ S 177. Kuhlmann, Carola: „So erzieht man keinen Menschen!“ Lebens- und Berufserinnerungen aus der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre. Wiesbaden 2008. S 5.

161 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 209

162 Dieser von der Fürsorgebehörde geäußerte Verdacht steht in der Tradition, die auch bei der Entstehung der Amtsvormundschaft eine Rolle spielte: uneheliche Mütter - hier also auch eine geschiedene Mutter - sollten aus ihrer „Sünde“, ihrer „Schande“ nicht den geringsten Vorteil lukrieren, auch nicht die lächerli­chen Beträge, die einzelnen Vätern als Kindesunterhalt abverlangt wurden. [Siehe 4]

163 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 211.

164 Kuhlmann, Carola: „So erzieht man keinen Menschen!“ Lebens- und Berufserinnerungen aus der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre. Wiesbaden 2008. S 5.

165 Es ist schwer nachvollziehbar, wie Neger und Zigeuner in ein im Jahre 2007 erschienenes Buch gera­ten können und dass diese Ausdrücke in den eigenen ganz selbstverständlichen Sprachgebrauch der Auto­rin einfließen.

166 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 108.

167 Das „Versagen am Dienstplatz“ ist ein immer wiederkehrender Topos in den Fallgeschichten Kollers und letztendlich Grund für Heimeinweisung; das extreme Machtgefälle zwischen den halbwüchsigen Kindern und dem fremden Haushalt, dem sie den ganzen Tag ausgeliefert waren und das durch die Dro­hung der Einweisung noch verschärft wurde, galt der Jugendfürsorge noch in den 1960er Jahren als an­gemessen. Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 112. Hier ist von einer 14Jährigen die Rede, „die bei Tisch essen durfte“.

168 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 106.

169 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 106.

170 Bei den Überlegungen des „Runden Tisches Heimerziehung“ in Deutschland spielt eine Rolle, dass „Zwangsarbeit“ arbeitsrechtlich keine Arbeit darstellt und es daher nicht möglich ist, die nicht eingezahl­ten Beiträge zur Rentenversicherung nachträglich - im Rahmen der „Wiedergutmachung“ - zu leisten und deshalb für die Zeiten der Zwangsarbeit Forderungen nach Rentennachzahlungen keine Aussicht auf Erfolg haben. Außerdem steht man jetzt nach mehrjährigen Verhandlungen- Überraschung! - vor dem Problem, dass nach allfälligen Entschädigungszahlungen die Hartz IV-Bezüge der Betroffenen wegfallen würden.

171 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 101.

172 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 149.

173 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 256. Dies ist ein besonders zynischer Vorwurf; es ist unbestritten, dass den Betroffenen keine Auskunft gegeben wurde und nicht einmal nachträglich Akten­einsicht gewährt wurde.

174 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 108.

175 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 155.

176 Siehe dazu: Regener Susanne: Visuelle Gewalt. Menschenbilder aus der Psychiatrie des 20. Jahr­hunderts. Bielefeld 2010. Die Verbreitung von Reformideen auch in der Psychiatrie der 1970er Jahre machte dem stereotypen Blick auf Kranke ein Ende, der diese in intentionaler Weise als Außenseiter markierte und konstruierte. „Ein spezielles Kapitel widmet Regener der Darstellung geisteskranker Frau­en; darin gelingt ihr ein besonders überzeugender Nachweis des normierenden und normalisierenden Gebrauchs der Fotographie.“ „Wer sich einmal mit Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1900 bis 1930 unterhalten hat, weiß um die Wirkmächtigkeit physiognomischer Stereotypen. Die Typen der konstituti­onsorientierten Charakterlehre Ernst Kretschmers etwa fanden sich noch in Taschenkalendern der 1950er- Jahre.“ Platz, Hannes: Rezension zu: Regener, Susanne: Visuelle Gewalt. Menschenbilder aus der Psy­chiatrie des 20. Jahrhunderts. Bielefeld 2010, in: H-Soz-u-Kult, 02.08.2011, http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/ 2011-3-081 [16.10.2011]

177 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 194, S 133, S 158.

178 Fontana, Fürsorge für ein ganzes Leben? S 114.

179 Personalakt Dr. Karl Ourednik, 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 Dr. Karl Ourednik. Die Magist­ratsdirektion der Stadt Wien begründet die „auszeichnungsweise Stufenvorrückung“ vom 26. Oktober 1961 u.a. mit folgendem Absatz: „Bemerkenswert sind seine Arbeiten auf legistischem Gebiet. Bei der Erstellung einer Reihe einschlägiger Gesetzes- und Verordnungsentwürfe hat er maßgebend mitgewirkt; so beim Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl.Nr. 99/1954, beim Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, LGBl.Nr. 14/1955, beim Fondsgesetz LGBl. 20/1956 (Wiener Jugendhilfswerk), Heimverordnung LGBl.Nr. 27/1956 und für ein Wiener Jugendschutzgesetz.“

180 Personalakt Dr. Karl Ourednik, 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 Dr. Karl Ourednik

181 Ourednik, Karl: Das Wiener Jugendwohlfahrtsrecht. Sonderveröffentlichung der Schriftenreihe des Wiener Magistrats „Die öffentliche Fürsorge“. Wien 1956. S 75. [siehe 6.]

182 Bruhns, Kirsten (Hg.): Geschlechterforschung in der Kinder- und Jugendhilfe. Praxisstand und Forschungsperspektiven. Schriften des Deutschen Jugendinstituts: Gender. Wiesbaden 2004. S 52.

183 Gipser, Dietlinde und Zillmer, Heiner: Der Fürsorge entkommen, der Forschung nicht. Hamburg 2011.

184 Quensel, Stephan: Rezension vom 21.02.2012 zu: Dietlinde Gipser, Heiner Zillmer: Der Fürsor­ge entkommen, der Forschung nicht. Hamburg 2011. in: socialnet Rezensionen

http://www.socialnet.de/rezensionen/12792.php [18.03.2012] Zu klären, wie der Titel „Der Fürsorge entkommen, der Forschung nicht“ im Verhältnis zum inhalt zu verstehen ist, dazu reichen meine Kennt­nisse der fachinternen Szene nicht aus.

185 Kruse, Elke: Die Geschichte Sozialer Arbeit unter der Genderperspektive - zur Einleitung. In: Kru­se, Elke und Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsge­schichte im Spiegel der Genderforschung. Oplade & Farmington Hills 2007. S 9.

186 Einleitung - Ist eine unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten rekonstruierte „Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa“ notwendig? In: HERING, Sabine und WAALDIJK, Berteke(Hg.): Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa (1900-1960). Wichtige Pionierinnen und ihr Einfluss auf die Entwicklung internationaler Organisatoren. Opladen 2002. S 12. Erstaunlich, dass dem Gender-Aspekt bei den Heldin­nen und Helden der Sozialen Arbeit so viel mehr Bedeutung beigemessen wird, als bei den Betreuten, obwohl Mädchen und Buben in der Fürsorgeerziehung als ganz unterschiedliche Ausprägungen mensch­licher „Fehlentwicklungen“ auftreten.

187 Begutachtungsentwurf für ein Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2012 (KindNamRÄG 2012), Parlamentarische Materialien, Vorblatt S 1. Das Gesetz tritt mit 1. Februar 2013 in Kraft.

188 LÜTZKE, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder ,sittlich verwahrlostet Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule­Essen 2002. http://duepublico.uni-duisburg-essen. de/servlets/DerivateServlet/Derivate-11226/luetzke.pdf [13.10.2011]
Der Träger einer Einrichtung, die besonders ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, hat selbst eine kritische Aufarbeitung in Auftrag gegeben: Benad, Matthias / Schmuhl, Hans-Walter / Stockhecke (Hg.): End­station Freistadt. Fürsorgeerziehung in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bis in die 1970er Jahre. Gütersloh 2009. Reihe: Schriften des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Kirchli­chen Hochschule Bethel - Band 16.

189 LÜTZKE, Annette: Abstract zu Dissertation „Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder ,sittlich verwahrlostet Mädchen und junger Frauen.“ http://deposit.d-nb.de

[3.4.2011]

190 Schmidt, Heike: Gefährliche und gefährdete Mädchen. Weibliche Devianz und die Anfänge der Zwangs-und Fürsorgeerziehung. Sozialwissenschaftliche Studien 38. Opladen 2002. Zugl.: Hamburg Dissertation 2002

191 Schmidt, Gefährliche und gefährdete Mädchen. S 25. Zit. nach Gehltomholt, Das verwahrloste Mädchen. S 23f.

192 Schäfter, Gabriele und Hocke, Martina: Mädchenwelten. . Sexuelle Gewalterfahrungen und Heim­erziehung. Heidelberg 1995.

193 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 35.

194 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 35.

195 Schäfter, Gabriele und Martina Hocke: Mädchenwelten: Sexuelle Gewalterfahrungen und Heimer­ziehung. Heidelberg 1995. Siehe das Literaturverzeichnis darin.

196 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 37.

197 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 41.

198 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 42.

199 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 68.

200 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 187.

201 Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 187ff.

202 Meidl, Margit und Wolf, Anneliese: „Von Rechts wegen.“ Die Rechtsstellung des Kindes und ihre sozialpädagogische Bedeutung für uneheliche Kinder am Beispiel der Einführung der Berufsvormund­schaft in der Gemeinde Wien um 1900. Diplomarbeit Wien 2007

203 Mozelt, Anna: Biographische Hintergründe früher sexueller Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Dissertation Salzburg 1986. „Die Schwestern vom Guten Hirten waren mir behilflich, die Interview­Partnerinnen auszuwählen.“ Vorwort.

204 Mozelt, Biographische Hintergründe. S 198.
1) Weibliche Jugendliche, die - auf der Basis von ähnlich formulierten Zuschreibungen - in Heime ein­gewiesen worden waren, wurden von dort den angehenden Wissenschaftlerinnen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Bei beiden scheint Zwang eingesetzt worden zu sein und „Lügen“ - Selbstbeschrei­bungen, subjektive Bedeutungsstrukturen, Sehnsüchte - werden ausfindig gemacht, aufgespießt und lä­cherlich gemacht. Die Auswahl erfolgte völlig willkürlich, trotzdem wurden für diesen zusammengewür­felten Haufen konzentrierten Elends sehr genaue Prozentsätze über (intellektuelle) Minderwertigkeit erhoben, so dass der Eindruck entstehen musste, diese Zahlen seien für irgendetwas repräsentativ, z. B. für Mädchen, die „frühreif“ waren.
2) Diese Mädchen und junge Frauen standen am Anfang ihres Lebens und befanden sich in einer Institu­tion, in der sie erzogen werden sollten. Trotzdem wissen die Dissertantinnen bereits vollständig Bescheid über deren Charakter, ja über ihr ganzes verpfuschtes Leben, als wäre es schon zu Ende,204 bei Estl wird (lebenslange) Verwahrung angeregt.
3) Die Wurzel alles Übels ist Sexualität, für die die Insasssinnen verantwortlich gemacht werden und die ihrer Triebhaftigkeit zugeschrieben wird, auch wenn die Konfrontation mit „Sexualität“ vor dem Eintritt der Geschlechtsreife stattgefunden hat, ja insbesondere in diesem Fall erscheint ihr Wert als Mensch auf alle Zeiten vernichtet. Weibliche Kinder, die in ihrem Umfeld vergewaltigt worden sind, werden in bei­den Arbeiten der „Promiskuität“ zugeordnet.

205 Hochgerner-Bittner, Agnes: Über die Konzeptionen und die Bedingungen öffentlicher Erziehung im Jugendheim Spattstraße. Versuch einer Heimanalyse. Wien Univ.-Diss. 1976. Begutachtet von Heit- ger. S 10:
„Ein vermehrtes und differenziertes Angebot an Integrationshilfen, die allerdings am pädagogischen Re­gulativ überprüft werden müssen, ob sie nämlich auf das Mündigwerden des Erzogenen bedacht sind, Öffentlichkeitsarbeit, die jener Tendenz entgegenwirken soll, Außenseiter von der Gesellschaft abzuson­dern und abzuschirmen,
Solidarität unter den Sozialarbeitern, die auch der Ungleichheit produzierenden Gesellschaft gegenüber eine kritische Haltung beibehält.“
Sie wird später - lt. Einladung der ARGE Alten- und Pflegeheime OÖ zu einem Informationsnachmittag am 12. Februar 2008 - an einem Ausbildungszentrum für Sozialbetreuungsberufe in Oberösterreich mit Diakonie und Caritas arbeiten.

206 Hochgerner-Bittner, Spattstraße. S 180.

207 Hochgerner-Bittner, Spattstraße. S 36.

208 Scheipl, Josef: Soziale Arbeit in Österreich - Stand in Theorie und Praxis. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden 4. Auflage 2012. S 425-434.

209 Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialismus. Univ. Diss Wien 2007.
Czech, Herwig: Erfassung, Selektion und „Ausmerze“. Das Wiener Gesundheitsamt und die Umsetzung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik“ 1938 bis 1945. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 41. Wien 2003.
Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.

210 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974].

211 Goessler-Leirer, Irmtraud / Steinert, Herbert: Kriminalität der Frau in Österreich. Forschungsbe­richt. Ludwig Boltzmann Institut für Kriminalsoziologie. Wien 1974.

212 Becker, Peter: Rezension zu: Opitz, Claudia / Studer / Brigitte / Tanner, Jakob (Hg.): Kriminali­sieren, Entkriminalisierungen, Normalisieren. Zurück 2006. In: H-Soz-u-Kult, 26.11.2008. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-4-172 [16.6.2012]

213 Marinelli, Lydia: Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. Das Wiener Fürsorgesystem und „die sittliche Verwahrlosung der weiblichen Jugend“. 1918-1933. Diplomarbeit Wien 1990. Die Autorin präsentiert mehrere in Deutschland in der Zwischenkriegszeit erschienene Texte, kommentiert deren Thesen, stellt aber überhaupt keinen Bezug zu den Mädchen in Eggenburg und zum Wiener Fürsorgewe­sen her.

214 Gregor, Adalbert und Voigtländer, Else: Charakterstruktur verwahrloster Kinder und Jugendlicher. In: Zeitschrift für angewandte Psychologie. Beiheft 31. Leipzig 1922. S 6. Zit. nach Marinelli, Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. S 132.

215 Marinelli, Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. S 128.

216 Scheider, Kurt: Studien über Persönlichkeit und Schicksal eingeschriebener Prostituierter. Abhand­lungen aus dem Gesamtgebiete der Kriminalpsychologie. Heidelberger Abhandlungen. Heft 4. Berlin 1921. Zit. nach Marinelli, Mädchen in der Erziehungsanstalt Eggenburg. S 159.

217 Brunner, Alexander: Über den Wandel im Umgang mit Armut, Krankheit und Abweichung. Beitrag zur Theoriegeschichte des Fürsorge- und Wohlfahrtswesens in Österreich im ersten Drittel des Zwanzigs­ten Jahrhunderts. Wien 1996.

218 Brunner, Fürsorge- und Wohlfahrtswesens in Österreich. S 158.

219 Sieder, Reinhard: Die Rückkehr des Subjekts in die Kulturwissenschaften. Wien 2004. http://homepage.univie.ac.at/reinhard.sieder/ [16.6.2010]

220 Brunner, Fürsorge- und Wohlfahrtswesens in Österreich. S 159: „Dies ist ein zentraler Aspekt der Kritik am „Falldenken“ innerhalb der Fürsorge/Sozialarbeit. Obwohl Menschen von „Helfern“ zum Teil im Stil „defekter“ Objekte, die es zu „reparieren“ und wieder „funktionstüchtig“ zu machen gilt, behan­delt wurden und werden, bleiben sie jenseits der Negierung ihrer Subjektivität trotzdem Subjekte, und man muß sich fragen, ob nicht in gewissen Bereichen die Objektivierung erst die Probleme hervorge­bracht hat bzw. bringt, die man nachher als „behandlungsbedürftig“ ausweist. . . . sondern den oft katast­rophalen institutionellen Bedingungen, die angesichts der menschlichen Überforderung, solches Denken und Handeln geradezu notwendig machen, ... Depersonalisierung innerhalb der Fürsorge/Sozialarbeit wird aber auch durch die wahrgenommene Abweichung des Verhaltens und Handelns einzelner Klienten­gruppen vom alltäglich gewohnten begünstigt.“

221 Wolfgruber, Gudrun: Kinder- und Jugendfürsorge im Roten Wien - Zwischen sozialer Kontrolle und Hilfe. Dargestellt am Beispiel der Kindesabnahmen. Wien 1996. Kapitel „Selbstreflexion contra Übertragung“ S 4ff.

222 Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass es Doris Byer war, die die „Eugenik“ in den Schriften Tandlers als erste thematisiert hatte:
Byer, Doris: Die Strategien des Lebens. Rassehygiene und Wohlfahrtswesen - zur Entstehung eines sozialdemokratischen Machtdispositivs in Österreich bis 1934. Diss.Univ.Wien 1986.

223 Wolfgruber, Kindesabnahmen, S 50f. Im gleichen Sinn berichtet Maria Dorothea Simon:
„Um Fürsorgerinnen zu gewinnen, deren Tätigkeit eher den Vorstellungen Tandlers entsprach, und nicht zuletzt um den Beruf auch Frauen aus den arbeitenden Schichten zu eröffnen, wurde eine zweite Klasse von Hilfsfürsorgerinnen ohne besondere schulische Vorbildung geschaffen.“ Simon, Maria Dorothea: Von der Fürsorge zur Sozialarbeit. Vortrag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung am 2. Oktober 2004 (Dr. Maria Dorothea Simon, em. Direktorin für Sozialarbeit der Stadt Wien) http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true&getDoc=...&detail=1 [3.6.2012]

224 Spiel, Walter: Aktuelle Probleme der Heimerziehung mit Ergebnissen der Wiener Heimkommission. Institut für Stadtforschung Wien 1971. Kommunale Forschung Bd. 4.

225 ZIERING, Gabriele: 90 Jahre Jugendamt Ottakring. 1013 bis 2003. Von der Berufsvormundschaft zur Jugendwohlfahrt der MAG ELF. Wien 2003.
Tiefenthaler, Paula: Vater Staat und seine Kinder. Die Entwicklung der öffentlichen Jugendwohlfahrt in Österreich von der Amtsvormundschaft zur gewählten Interessenvertretung. Innsbruck 2003.
Jancsy, Peter: Jugendfürsorge in Österreich 1918-1934 unter besonderer Berücksichtigung des Wiener Wohlfahrtswesens. Wien 1982.
KÖSSLER, Nicole: „Helft steirischen Kindern!“ Eine Auseinandersetzung mit der Jugendwohlfahrt in der Nachkriegssteiermark. Graz 2007.
Kroiss, Sabine: Jugendhilfe in Wien. Unter besonderer Berücksichtigung des Jugendamtes der Stadt Wien und der Arbeit der Sozialarbeiter in dieser Einrichtung. Wien 1988.
Melinz, Gerhard: Hilfe, Schutz und Kontrolle. Versuch zur historischen Genese der öffentlichen „Ju­gendfürsorge“ in Österreich, unter besonderer Berücksichtigung von Wien (1980 - 1914). Wien 1980. MÖSTL, Sandra: Erziehungsbedürftig oder krank? Grenzfälle und Kooperationen zwischen stationärer Einrichtung der Jugendwohlfahrt und der Kinder -und Jugendpsychiatrie in der Steiermark. Graz 2009 Volltext Internet Ressource.
Maierhofer, Bibiane E.: Jugendfürsorgepolitik und Sozialpädagogik Österreichs in der Ersten Republik. Graz 1996.
Haas, Gabriele: Die Institutionen für frühkindliche Fürsorge und Erziehung. Wien 1995.
Jochum, Manfred: Sozialpädagogische Aspekte der Heimerziehung bei Erziehungsschwierigen und Dis­sozialen. Wien Univ.-Diss 1972, veröffentlicht als Typoskript 1975.
Es gibt eine frühe Arbeit zu pädagogischen Problemen der Internate - Bundeserziehungsanstalten und Bundeskonvikte -, die damals für weiterbildende Schulen noch große Bedeutung hatten: Wolf, Julius: Moderne Heimerziehung. Vorträge und Ergebnisse der Erziehertagung auf Schloß Traunsee im Sommer 1848, herausgegeben im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht. Wien 1949.

226 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987.
Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Gesellschaft Jugend und Jugendwohlfahrt im Wandel der Zeit. Wien 1989.
Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990.
Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kom­mission „Moderne Familienfürsorge“. Enquete „Moderne Familienfürsorge“ am 16. und 17. Januar 1974. Wien 1974.
Grestenberger, Josef (Hg.): Modelle der Sozialpädagogik des Jugendamts der Stadt Wien. Institut für Sozialforschung. Wien 1977.
Jugendamt der Stadt Wien (Hg): Der Wiener Weg der Heimerziehung. Vorträge des Symposions vom 5. Mai 1988, das vom Jugendamt der Stadt Wien veranstaltet wurde. Wien 1988.

227 Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007.
Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialismus. Univ. Diss Wien 2007.
Czech, Herwig: Erfassung, Selektion und „Ausmerze“. Das Wiener Gesundheitsamt und die Umsetzung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik“ 1938 bis 1945. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 41. Wien 2003.
Misar (Geiger), Katja: „Vorposten des Gesundheitsamtes“. Fürsorgerinnen im nationalsozialistischen Wien. Wien DA 2006.
Kreitner, Christoph: „Jugendfürsorge“ während des Nationalsozialismus in Kärnten (1938-1945). Kla- genfurt Diss 2006.
Bundesjugendvertretung (Hg.): Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Wien 2010.

228 Haselbacher, Brigitta: Die „Revolte“ in der Erziehungsanstalt für Erziehungsbedürftige Kaiser­Ebersdorf im Jahre 1952. Wien DA 1991.

229 ORF teleobjektiv 1980, Bambule, Film und Buch: Meinhof, Ulrike Marie: Bambule. Fürsorge - Sor­ge für wen? Berlin 1974, zahlreiche weitere Ausgaben. Darin: Vorbemerkungen von Meinhof, die den Sendungen „Bambule“ und „Mädchen in Fürsorgeerziehung“ (Hessischer Rundfunk) sowie „Bunker, Bunker“ (Westdeutscher Rundfunk) entnommen.

230 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: „Der Kindheit beraubt“. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien. Wien 2012. 580 Seiten.

231 Kommission Wilhelminenberg. Zwischenberichte. Leitung Dr. Barbara Helige. www.kommission- wilhelminenberg.at

232 Jahrbuch der Stadt Wien 1956. S 85.

233 Psychologischer Dienst der Stadt Wien 1919-1969. Wien o.J. 1970. S 13: In dieser Hoch­glanz-Festbroschüre zur Geschichte des Psychologischen Dienstes der Stadt Wien, vermutlich von „Obermagistratsrat Dr. Maria Nekula“ formuliert, die 1938 in den Dienst des Jugendamtes eintrat, wird, ebenso wie in den von Hermine Koller verfassten Texten, der Nationalsozialismus nahtlos eingebaut: „Die erzieherische Fachberatung des öffentlichen Dienstes hat sich im Laufe der fünf Jahrzehnte ihres Bestehens naturgemäß hinsichtlich ihres Wirkungskreises und ihrer Organisation ständig weiterentwi­ckelt. Seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges wuchsen die Anforderungen der Praxis in besonde­rem Maße.“

234 Stark, Anna: Die Generalvormundschaft. Wien 1946. S 19. Hier wird eine weitere Variante der Argumente eingeführt: die Kinder seien „gefährdet“.

235 Klumker, Chr. J.: Sozialrechtliche Einrichtungen (Vormundschaft - Uneheliche Kinder) in den euro­päischen Staaten. In: Keller, Arthur / Klumker, Chr. J. (Hg.): Säuglingsfürsorge und Kinderschutz in den europäischen Staaten. Ein Handbuch für Ärzte, Richter, Vormünder, Verwaltungsbeamte und Sozial­politiker, für Behörden, Verwaltungen und Vereine. Berlin 1912.

236 Wilhelm, Elena: Rationalisierung der Jugendfürsorge. Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Jena Univ.-Diss. 2004. S 2. http://www.db- thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-18376/Wilhelm/TEIL I.pdf

237 Meidl, Margit und Wolf, Anneliese: „Von Rechts wegen.“ Die Rechtsstellung des Kindes und ihre sozialpädagogische Bedeutung für uneheliche Kinder am Beispiel der Einführung der Berufsvormund­schaft in der Gemeinde Wien um 1900. Diplomarbeit Wien 2007. S 170. Meidl und Wolf zitieren hier in aller Unschuld Othmar Spann: Spann, Othmar: Die Erweiterung der Sozialpolitik durch die Berufsvor­mundschaft. Tübingen 1912. 5ff.

238 Meidl/ Wolf, „Von Rechts wegen.“ S 171.

239 Ziegler, Otto: Österreich. In: Klumker, Sozialrechtliche Einrichtungen. S 1113-1114.

240 Ziegler, Otto: Österreich. In: Klumker, Sozialrechtliche Einrichtungen. S 1115.

241 Ziegler, Otto: Österreich. In: Klumker, Sozialrechtliche Einrichtungen. S 1115. Anna Stark geht in der historischen Einleitung ihrer Arbeit noch weiter zurück: „Die Vormundschaft blieb aber Gewohn­heitsrecht, ohne schriftlich niedergelegt zu werden. Dessen ungeachtet wurde die vormundschaftliche Gewalt über die Waisenhausinsassinnen jahrhundertelang durch die Vorstände der Waisenhäuser ausge­übt.“ Stark, Ann: Die Generalvormundschaft. Wien Univ.-Diss. 1946. S 7.

242 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974]. S 148. „Das heißt im Klartext, daß der Gemeinde Wien bei den Privatheimen die Kontrolle über die Erziehung der ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen nicht möglich ist.“

243 Ziegler, Otto: Österreich. In: Klumker, Sozialrechtliche Einrichtungen. S 1115.

244 Frey, Cornelia: ,Respekt vor der Kreativität der Menschen‘ - systemische Ansätze bei Ilse Arlt. In: Kruse, Elke und Tegeler, Evelyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrts­geschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Farmington Hills 2007. S 135.

245 Melinz, Gerhard: Hilfe, Schutz und Kontrolle. Versuch zur historischen Genese der öffentlichen „Ju­gendfürsorge“ in Österreich, unter besonderer Berücksichtigung von Wien (1980 - 1914). Wien Univ.- Diss.1982. S 160.

246 Das Jugendamt der Stadt Wien. Wien 1933. S 9

247 Das Jugendamt der Stadt Wien. Wien 1933. S 9

248 Ent, Herbert: Fünf Jahrzehnte des Familienrechts - prägender Ausdruck der Zeitgeschichte. In: Fach­verband der Österreichischen Standesbeamten (Hg.): 50 Jahre Fachverband der Österreichischen Standes­beamten. (1947 - 1997); Festschrift. Gesamtred.: Wolfgang Teschner. Wien 1997. S 69.

249 Edlbacher, Oskar: Das Für und Wider der sogenannten österreichischen Lösung im Unehelichen- recht. In: Schriften des Deutschen Instituts für Vormundschaftswesen II, 24.

250 Zimmermann, Frauenbewegung und Kinderschutz. S 15.

251 „Der Generalvormund mit erweitertem Wirkungskreis hat in zweifacher Hinsicht behördlichen Cha­rakter.“ Stark, Die Generalvormundschaft. S 45.

252 Stark, Die Generalvormundschaft. S 41.

253 Gerade jene Mütter, deren „Armut“ und Hilfsbedürftigkeit so sehr betont wurde, waren auf diese Un­terstützung angewiesen, weil viele von ihnen - als Hausgehilfinnen, Landarbeiterinnen, und in anderen prekären Arbeitsverhältnissen - (noch) nicht in die Sozialversicherung / Krankenversicherung einbezogen waren.

254 Klachler, Gertrud: Rechtsfürsorge. Ein Leitfaden für Berufsvormünder und Fürsorgerinnen und zum Gebrauche in Fürsorgeschulen. Schriftenreihe der Fürsorgeabteilung des Amtes der o.-ö. Landesregierung Nr. 4. Linz 1949.

255 „Der Antrag muss unbedingt vor der Geburt [Hervorhebung von Klachler] gestellt werden; ein nach der Geburt nach § 168 abGB gestellter Antrag wird vom Gericht abgewiesen.“

Klachler, Gertrud: Rechtsfürsorge. Ein Leitfaden für Berufsvormünder und Fürsorgerinnen und zum Gebrauche in Fürsorgeschulen. Schriftenreihe der Fürsorgeabteilung des Amtes der o.-ö. Landesregierung Nr. 4. Linz 1949. S 78.

256 Stark, Die Generalvormundschaft. S 38.

257 Klachler, Rechtsfürsorge. S 75.

258 Schölper, Dag: Disziplinierung der Geschlechter im Namen des Kindeswohls. Eine Geschichte der Beistandschaft des Jugendamtes für „uneheliche“ Kinder. Dissertation an der Freien Universität Berlin. Gutachter Sabine Berghahn und Wolf-Dieter Narr. Berlin 2010. 498 Seiten. http://www.diss.fu- ber- lin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS derivate 000000009591/Dissertation Schoelper .pdf; isessiomd=CEAFB999FABE96A57AB7BD8C7A6C1C08?hosts= [8.10.2011]

259 Schölper, Disziplinierung der Geschlechter. S 13.

260 Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970, BGBl. Nr. 342, über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes.

261 Die Rezensentin Arne Duncker der Arbeit von Rebecca Heinemann von 2004 versucht deren Gedan­ken weiterzuführen: „Aufschlussreich ist im übrigen, dass die Berufsvormünder und Personen aus der öffentlichen Jugendpflege es oft kategorisch ablehnten, der nichtehelichen Mutter die elterliche Gewalt über das Kind zu ermöglichen. ... Für eine spezifisch frauenrechtsgeschichtliche Bearbeitung des Themas bieten sich hier weitere und neue Ansatzpunkte. Insbesondere ließe sich hier kritisch die Motivation der beteiligten Personen, darunter speziell der in der öffentlichen Jugendpflege beschäftigten Frauen hinter­fragen. Ging es den (älteren und eher dem Bürgertum entstammenden) Amtsträger/-innen ... tatsächlich nur, wie vorgegeben, um das Kindeswohl, oder nicht doch auch um Beschäftigungssicherung für den eigenen Berufsstand, und dies zu Lasten der Selbständigkeit nichtehelicher Mütter?“ Arne Duncker: Re­zension zu: Heinemann, Rebecca: Familie zwischen Tradition und Emanzipation. Katholische und sozial­demokratische Familienkonzeptionen in der Weimarer Republik. München 2004. In: H-Soz-u-Kult, 27.05.2005, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-146 [18.12.2012]

262 Erst das Unterhaltsvorschussgesetz von 1976 (BGBl. 1976/250 zit. nach Ent, Familienrecht. S 148.) stellte in Österreich das her, was der behauptete Zweck der Amtsvormundschaft war, die Sicherung des Unterhalts für das Kind. Erst zu diesem Zeitpunkt wird das historisch obsolete Geflecht von Vormund­schaften nach und nach zurückgedrängt von der Idee des Wohlfahrtsstaates, von jener Idee, dessen Erfolg die Geschichte Europas zu dem Zeitpunkt bereits in allen anderen sozialen Feldern prägt. Es tritt die All­gemeinheit ein, wenn ein zahlungsfähiger, aber zahlungsunwilliger Unterhaltspflichtiger seine Pflichten nicht erfüllt.( Ent, Familienrecht. S 148.) Erst die Zivilverfahrensnovelle 1986 (BGBl.1986/71, zit. nach Ent, Familienrecht. S 152) aber ermöglichte den bis dahin oft ergebnislosen Weg zur Hereinbringung von Unterhaltforderungen durch die Verpflichtung der Sozialversicherungsträger zur Auskunft über gespei­cherte Daten. (Ent, Familienrecht. S 152) Die rechtliche Absicherung von alleinstehenden Müttern ge­wann erst mit der verallgemeinerten Teilhabe von Frauen in der Berufswelt und mit den damit verknüpf­ten sozialstaatlichen Regelungen, vor allem in Hinblick auf das Wohl des Kindes, lange nach meinem Untersuchungszeitraum, einen sicheren Platz in der sozialen Realität von Frauen.

263 Begutachtungsentwurf für ein Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2012 (KindNamRÄG 2012), Parlamentarische Materialien, Vorblatt S 1. Das Gesetz tritt mit 1. Februar 2013 in Kraft.

264 Schölper, Dag: Disziplinierung der Geschlechter im Namen des Kindeswohls. Eine Geschichte der Beistandschaft des Jugendamtes für „uneheliche“ Kinder. Dissertation an der Freien Universität Berlin. Berlin 2010. 498 Seiten. http://www.diss.fu- ber- lin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS derivate 000000009591/Dissertation Schoelper .pdf; isessionid=CEAFB999FABE96A57AB7BD8C7A6C1C08?hosts= [8.10.2011] S 307.

265 Schölper, Disziplinierung der Geschlechter. S 206.

266 Kogler, Nina: GeschlechterGeschichte der katholischen Aktion im Austrofaschismus. Diskurse - Strukturen -Relationen. Graz 2011. S 412.

267 Buske, Fräulein Mutter. S 69-73.

268 Vgl. Mesner, Maria: Die „Neugestaltung des Ehe- und Familienrechts“. Re-Definitionspotentiale im Geschlechterverhältnis der Aufbau-Zeit. In: Zeitgeschichte 5-6/24.Jg. 1997. S 186-210. S 200: „‘Das Weibliche’, nahezu ident mit dem ,Mütterlichen‘, wie ein Vexierbild einmal eher materielle, dann wieder eher mystisch entrückte Züge annehmend, ... Der Topos von der ,weiblichen‘ Macht als positiver, oft als menschheitserrettend hypertrophierter Gegenentwurf wurde von vielen höchst unterschiedlichen Politike­rinnen verwendet, fügte sich doch bruchlos in die essentialistischen Geschlechterbilder ein, die die Dis­kurse beherrschten. Diese Strategie war notwendigerweise ambivalent: Frauen eigneten sich als Spreche­rinnen den essentialistischen Entwurf an, auf Basis dessen ihre Subjektstellung eingeschränkt wurde, und imaginierten auf seiner Grundlage ,weibliche‘ Macht.“

269 Benninghaus, Christina: Aller Anfang ... - Geburt - Birth - Naissance. Wiener Gespräche zur Sozi­algeschichte der Medizin, 2. Bis 5. Oktober 2002. Tagungsbericht. In: L’Homme. Zeitschrift für Feminis­tische Geschichtswissenschaft. 14. Jg. Heft 1 2003. S 180-183. S 183.

270 Titel eines Buches von Pongratz, Lieselotte: Prostituiertenkinder: Umwelt und Entwicklung in den ersten acht Lebensjahren. Sozialwissenschaftliche Studien 6. Stuttgart 1964. Dieses Buch wurde 1988 noch einmal aufgelegt!

271 Kolmitzer, Andrea: Das Dispositiv der Lust. Sexualität, Geschlechterdifferenz und Prostitution im Kontext der Foucault’schen Macht- und Diskursanalyse. Wien DA 2009. Abstract.

272 NÄHRICH, Walter: Die Kriminalität der unehelich Geborenen. Kriminologische Untersuchungen. Bonn 1951.

273 NÄHRICH, Die Kriminalität der unehelich Geborenen. S 43.

274 NÄHRICH, Die Kriminalität der unehelich Geborenen. S 49.

275 Schindler, Sepp: Jugendkriminalität - Struktur und Trend in Österreich, 1946-1965. Wien 1968. Zit. nach: Fuchs, Walter: Zwischen Deskription und Dekonstruktion: Empirische Forschung zur Jugendkri­minalität in Österreich von 1968 bis 2005. Eine Literaturstudie. IRKS Working Papers No 5. [Wien] 2007. S 8.

276 Frankenstein, Luise: Soldatenkinder. Die unehelichen Kinder ausländischer Soldaten mit besonderer Berücksichtigung der Mischlinge. Hg. Internationale Vereinigung für Jugendhilfe, Genf. Zehntes Beiheft zu „Unsere Jugend“. München / Düsseldorf 1954.

277 Frankenstein, Soldatenkinder. S 11

278 Frankenstein, Soldatenkinder. S 23.

279 Frankenstein, Soldatenkinder. S 24.

280 „1,5 Millionen Österreicher genießen kraft Gesetzes nicht die gleichen Rechte wie etwa die 5,5 Milli­onen [ehelich geborener] Österreicher.“ Das stellte der Abgeordnete der FPÖ, Gustav Zeilinger, Redner in der Debatte über das Gesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes am 30. Oktober 1970 fest und rügte das geringe Interesse der Abgeordneten im Hause. Stenographische Proto­kolle, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung S 935.

281 Kepplinger, Brigitte: Fürsorgeakten als historische Quelle. Die Betreuungsakten des Linzer Jugend­amtes (1918-1950); in: Stadtarchiv und Stadtgeschichte. Forschungen und Innovationen. Festschrift für Fritz Mayrhofer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres. Hrsg.: Walter Schuster - Maximilian Schim- böck - Anneliese Schweiger (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004). - Linz 2004, S. 303­309. Volltext: hjstl 2003 04 0303-0309.pdf 66 Kb [17.8.2010] S 304.

282 Kepplinger, Brigitte: Fürsorgeakten als historische Quelle. Die Betreuungsakten des Linzer Jugend­amtes (1918-1950); in: Stadtarchiv und Stadtgeschichte. Forschungen und Innovationen. Festschrift für Fritz Mayrhofer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres. Hrsg.: Walter Schuster - Maximilian Schim- böck - Anneliese Schweiger (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004). - Linz 2004, S. 303­309. Volltext: hjstl 2003 04 0303-0309.pdf 66 Kb [17.8.2010] S 305.

283 Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes [siehe Anhang]

284 Schenk-Danzinger, Lotte: Die Daseinsformen des unehelichen Kindes. Referat über das Buch „Kin­der ohne Familie“ von Sepp Groth, gehalten in der Arbeitsgemeinschaft der Schulpsychologen und Schulberater für die Pflichtschulen des Stadtschulrates für Wien. In: Soziale Berufe. 15. Jahrgang Nr. 4 April 1963. S 65-72.

285 Groth, Sepp: Kinder ohne Familie. Das Schicksal des unehelichen Kindes in unserer Gesellschaft. Bd. 8 der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge. München 1961: „Auf der einen Seite labil, mißtrauisch, verlogen, unkonzentriert, weder zu beständigem Spiel noch zu beständiger Arbeit anzuhalten, auf der anderen Seite renitent, aggressiv, rebellisch, verhärtet, boshaft, so werden diese ohne Daheim aufgewachsenen Kinder in den psychologischen und anderen Fachzeitschrif­ten der Jugendarbeit immer wieder beschrieben.“ S 138. „Familie ist, das konnte hier mit nur wenigen anthropologisch und ontologisch gewonnenen Einsichten abgeleitet werden, der Zeiten-Raum zur personalen und sozialen Seinsentfaltung des Menschen. Familie, das ist die Seins-Einheit des Eltern-Kind-Seins aus der Folge der Zeiten des Menschen in der Gleichzei­tigkeit des einen sozial-kulturellen Raumes.“ S 198.
„In dem ersten Seinsgrund gibt die Familie die „masze“ des Mensch-Seins und im zweiten gibt sie ihm seine „staete“.“ S 199.
Groths These, dass diejenigen Väter, die Kontakt zu ihren Kindern suchten, „überwiegend charakterlich minderwertig“ seien, tauchten später noch in einem Arbeitskreis auf. Buske, Fräulein Mutter. S 267.

286 Zukrigl, Maria: Die Arbeit in der Adoptionsstelle. In: Soziale Berufe 16. Jahrgang Nr. 4 April 1964. S 51-54. S 52.

287 Zukrigl, Maria: Adoption, gesehen als Problem der natürlichen Mutter und als Problem des Sozialar­beiters. In: Soziale Berufe 14. Jahrgang Nr.7/8 Juli August 1962. S 135-141. S 139.

288 Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004. S 356.

289 Schölper, Dag: Disziplinierung der Geschlechter im Namen des Kindeswohls. Eine Geschichte der Beistandschaft des Jugendamtes für „uneheliche“ Kinder. Dissertation an der Freien Universität Berlin. Berlin 2010. 498 Seiten. http://www.diss.fu- ber- lin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS derivate 000000009591/Dissertation Schoelper .pdf; isessionid=CEAFB999FABE96A57AB7BD8C7A6C1C08?hosts= [8.10.2011] S 449.

290 Winter, Gerd: Sozialer Wandel durch Rechtsnormen, erörtert an der sozialen Stellung unehelicher Kinder. Berlin 1969. S 48.

291 Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Jugendhilfe zwi­schen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999.

292 Wollasch, Andreas: Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922/24 - Entwicklung und Bedeutung. In: Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Jugendhilfe zwi­schen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999. S 13-24. S 20: „Zu den grundsätzlichen Mängeln des neuen Gesetzes zählte von Anfang an seine Konzeption als Eingriffs-, und nicht als Leis­tungsgesetz. Der Schwerpunkt lag auf Maßnahmen und Zuständigkeiten, die dem Polizei- und Strafrecht entstammten, nicht aber auf der positiven Formulierung eines Katalogs von Leistungen und Rechtsan­sprüchen.“

293 Klumker, Chr. J.: Sozialrechtliche Einrichtungen (Vormundschaft - Uneheliche Kinder) in den euro­päischen Staaten. In: Keller, Arthur / Klumker, Chr. J. (Hg.): Säuglingsfürsorge und Kinderschutz in den europäischen Staaten. Ein Handbuch für Ärzte, Richter, Vormünder, Verwaltungsbeamte und Sozial­politiker, für Behörden, Verwaltungen und Vereine. Berlin 1912.

294 Rudloff, Wilfried: Vorgeschichte und Umsetzung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes in Bayern in der Weimarer Republik. In: Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrts­gesetz. Jugendhilfe zwischen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999. S25-37. S 27.

295 In der Verordnung über Jugendwohlfahrt in der Ostmark vom 20. März 1940, Reichsgesetzblatt 519, Nr. 52, ist dies der § 20.

296 Bayerisches Landesjugendamt (Hg.): 75 Jahre Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Jugendhilfe zwi­schen Ordnungsrecht und Sozialpädagogik. München 1999. S 66.

297 Kimmel, Josef: Österreichisches Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz. Wien 1962. S 61.

298 Kimmel, Josef: Österreichisches Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz. Wien 1962. S 60.

299 OGH Rechtsatz RS0048466. Entscheidungsdatum 03.01.1951.

300 OGH Entscheidungsdatum 19.03.1974. Geschäftszahl 8 Ob 49/74.

301 Wolschansky, Hans: Jugendwohlfahrt. Schriftenreihe Verwaltung der Alpen- und Donau­Reichsgaue. Band 14. Wien 1942.

302 Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch samt den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, verweisenden und erläuternden Anmerkungen und einer Übersicht der Rechtsprechung der Gerichte, insbesondere des Obersten Gerichtshofes. Auf der Grundlage der von Dr. Josef Schey eingerichteten Ausgabe herausgegeben von Dr. Hans Kapfer, Bundesminister für Justiz. 25. Auflage. Wien 1955. S 94­95.

303 Ourednik, Karl: Das Wiener Jugendwohlfahrtsrecht. Sonderveröffentlichung der Schriftenreihe des Wiener Magistrats „Die öffentliche Fürsorge“. Wien 1956. Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz. Gesetz vom 17. Juni1955, LGBl. f. Wien Nr. 14.

304 Winkelmayer, Franz: Heilpädagogik und Erziehungsfürsorge in Österreich. Zeitschrift für Kinder­forschung [Elektronische Ressource]: Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Ver­eins zur Fürsorge für Jugendliche(sic!) Psychopathen. Bd. 31, 1926, Hft. 1. S 34-39. S 36.

305 John, Michael: „Wannst net brav bist, kommst ins Heim .“ Wegscheid - Von der Korrektionsbara­cke zum sozialpädagogischen Jugendwohnheim. http://www.servus.at/VERSORGER/71/wegscheid.html Es gab allerdings in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch ein Bundesverfassungsgesetz: Arbeitspflicht­gesetz mit dem Titel „Bundesverfassungsgesetz vom 15. Februar 1946 über die Sicherstellung der für den Wiederaufbau erforderlichen Arbeitskräfte (Arbeitspflichtgesetz) BGBl. Nr. 63/1946.

306 KIMMEL, Josef: Österreichisches Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz. Wien 1962. S 72: „Es könnte dem Grundsatz der Gewaltentrennung in seinem weitesten Sinn Abbruch tun, würde man der Bezirksverwaltungsbehörde als solcher ein Antrags- und Rekursrecht gegenüber dem Vormundschaftsge­richt, also Parteienstellung gegenüber einer gleichgeordneten Behörde, einräumen.“

307 KIMMEL, Josef: Österreichisches Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz. Wien 1962. S 27

308 OGH Entscheidungsdatum 13.10.1960. Jugendwohlfahrtsgesetz § 29; 6 Ob 386/60.

309 OGH Entscheidungsdatum 15.4.1964. 7 Ob 118/64

310 Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970, BGBl. Nr. 342, über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes.

311 Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes 4. Dem § 198 werden folgende Absätze angefügt:

„Für eine uneheliches Kind ist die Mutter auf ihren Antrag zum Vormund zu bestellen, wenn sie geeignet ist und ihr die Sorge für die Pflege und die Erziehung des Kindes zusteht; dies gilt auch, wenn für das Kind die gesetzliche Amtsvormundschaft besteht, außer diese entspricht dem Wohle des Kindes besser.“ [siehe Anhang]

312 Zwei weibliche Abgeordnete, die in der Debatte zu diesem Gesetz das Wort ergriffen, waren allzu optimistisch:
Lona Murowatz, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung - 30. Oktober 1970. S 930: „Zu § 198: Hier wurde eine weitere Verbesserung der vormundschaftlichen Stellung der Mutter vorgesehen. Sie ist grundsätzlich zum Vormund zu bestellen, außer wenn die gesetzliche Amtsvormundschaft dem Wohle des Kindes bes­ser entspricht.“
Herta Winkler, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung - 30. Oktober 1970. S 932: „Es steht außer Zweifel, daß die Mutter sicher die bessere Vormünderin für ihr Kind ist, als die beste Amtsvormundschaft, umso mehr, wenn man bedenkt, daß es im Jahre 1969 185.000 Amtsvormundschaften gab und auf einen Amts­vormund ungefähr 1000 Mündel kamen. ...
In Zukunft sollen die Amtsvormundschaften als Sachwalter der Mutter als Vormünderin in Rechtsangele­genheiten weiter Hilfe leisten, wenn es notwendig ist; die Amtsvormundschaften werden aber durch diese gesetzliche Regelung beachtlich entlastet werden und werden somit für die Betreuung echter Sozialfälle viel mehr Zeit zur Verfügung haben als bisher.“

313 Babara Prammer, Präsidentin des Nationalrates, hält im Rahmen einer Gedenkveranstaltung am 1. Februar 2012 für Christian Broda, die in der ORF-Sendung „Hohes Haus“ am 18. März 2012 übertragen wird, eine Rede: „Mein erstes Kind kam unehelich zur Welt und ich konnte zunächst nicht Vormund sein. Erst die Reformen von Christian Broda ermöglichten auch mir, endlich jenes Recht zu bekommen, das heute selbstverständlich ist. Aus heutiger Sicht ist die damalige Rechtslage fast unvorstellbar und wenn man mit jungen Frauen heute spricht - oder auch mit jungen Männern - möchten sie es gar nicht glauben, dass es noch vor vierzig Jahren diese Rechte gerade für Frauen nicht gab.“
SPÖ-Parlamentsklub (Hg.): Christian Broda. Gedenken und Ausblick. Festveranstaltung anlässlich des 25. Todestages des großen Justizreformers. Wien 2012. S 48.

314 Handbuch des Reichsgau Wien, 63./64. amtlich redigierter Jahrgang. Deutscher Verlag für Jugend und Volk. Wien o.J. 1941: „Wir stehen im zweiten Jahre jenes Kampfes, in dem die Deutsche Nation ihren weltgeschichtlichen Auftrag erfüllen wird. Gewaltig ...“ Baldur von Schirach. NSDAP. - Gau Wien, Amt für Volkswohlfahrt (NSV.), 1, Am Hof 6. S 37.

315 Handbuch des Reichsgau Wien 1941. S 38. Der Unterabteilung Jugendhilfe, Pg. Ourednik, unter­stand für das Sachgebiet Offene Jugendhilfe Gaumitarbeiter Pg. Seibold Leopold, Dr., dessen Sitz war in der Rüdengasse 7, und für das Sachgebiet geschlossene Jugendhilfe der Gaumitarbeiter Pg. Siebensohn Bodo.

316 Auf Grund eines mündlichen Hinweises von Dr. Herwig Czech konnte ich diese Formulierungen kla­rer fassen. [27.11.2012]

317 Der Name Ourednik kommt in dem Band Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Ju­gendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007 nicht vor, nur im Literaturver­zeichnis wird ein Aufsatz genannt: Ourednik, Karl: Die NSV-Jugendgerichtshilfe des Gaues Wien und ihre Bedeutung für die vorbeugende Arbeit der NSV-Jugendhilfe. In: Zeitschrift Nationalsozialistischer Volksdienst. 7.Jg. 1940, Heft 1.

318 Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

319 Halbmayr, Christine: Kinder und Jugendliche im Kinzentrationslager - Verfolgungsumstände, Über­lebenschancen und Schicksale. In: Bundesjugendvertretung (Hg.): Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Wien 2010. S 125-136. S 131.

320 fritz, Regina: Die „Jugendschutzlager“ Uckermark und Moringen im System nationalsozialistischer Jugendfürsorge. In Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS- Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 314.

321 Aus den Alpen- und Donau-Reichsgauen kamen ungefähr dreimal so viel Jugendliche in die „Jugend­schutzlager“ wie aus den anderen Provinzen. Vgl. Fritz, Regina: Die „Jugendschutzlager“ Uckermark und Moringen im System nationalsozialistischer Jugendfürsorge. In Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 314.

322 Handbuch des Reichsgau Wien, 63./64. amtlich redigierter Jahrgang. Deutscher Verlag für Jugend und Volk. Wien o.J. 1941. S 521

323 Malina, Peter: Aus den Erziehungsakten des Wiener städtischen Kinderheimes Biedermannsdorf. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 271.

324 Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

325 Handbuch der Stadt Wien. 69. Jahrgang, Nachtrag Dezember 1954.

326 Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik) Im Amtskalender des Jahres 1954 scheint für Vormundschaftswesen, Mündelkataster Stark, Dr. Anna auf. Sie hat auch eine juristische Ab­schlussarbeit „Erweiterte Seminararbeit“ Die Generalvormundschaft. Wien Univ.-Diss. 1946 geschrie­ben.

327 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 77.

328 Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

329 Die Jugendwohlfahrtsstatistik weist erst seit 1970 die Art der Durchführung der verschiedenen Maß­nahmen nach. In Wien waren1971 1,7 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren in Fremd­unterbringung durch öffentliche Erziehung. 1,1 Prozent waren in Heimen und 0,6 Prozent bei Pflegeel­tern. Zit. nach: Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974]. S22

330 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Gesellschaft Jugend und Jugendwohlfahrt im Wandel der Zeit. Wien 1989. S 68.

331 Wolschansky, Hans: Jugendwohlfahrt. Schriftenreihe Verwaltung der Alpen- und Donau­Reichsgaue. Band 14. Wien 1942. „Eine erschöpfende Darstellung der rechtlichen Bestimmungen über Jugendwohlfahrt ... kann derzeit schon deswegen nicht gegeben werden, weil die Ausführungsbestim­mungen zur Verordnung über Jugendwohlfahrt ... vom Reichsminister des Inneren noch nicht erlassen wurden. Außerdem ist die Rechtsvereinheitlichung von Altreich und den Alpen- und Donau-Reichsgauen im ständigen Fluß und noch lange nicht abgeschlossen.“ Vorwort

332 Ourednik, Karl: Das Wiener Jugendwohlfahrtsrecht. Sonderveröffentlichung der Schriftenreihe des Wiener Magistrats „Die öffentliche Fürsorge“. Wien 1956. S 75.

333 Simon, Maria Dorothea: Von der Fürsorge zur Sozialarbeit. Vortrag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung am 2. Oktober 2004.(Dr. Maria Dorothea Simon, em. Direktorin der Akademie für Sozialar­beit der Stadt Wien) http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?documentation=true&event=true&getDoc=...&detail=1 [3.6.2012]

334 „Lotte ist 16 Jahre alt, schon in den letzten Schuljahren trieb sie sich mit Jungen außer Haus herum. Seit sie die Schule verlassen hat, ging es gar nicht mehr mit ihr. ... Jeden Abend ist sie außer Haus und wurde bereits zweimal von der Polizei in verdächtigen Lokalen aufgegriffen. Die Beraterin entscheidet sofort, daß das Mädchen in einem Heim untergebracht werden muß. Sie hat keine Mutter, der Vater ist Kellner und kann sie nicht beaufsichtigen. Soll Lotte vor der Prostitution gerettet werden, muß sie unter strenge Aufsicht kommen.“ Dr. E. Sch. In: Die Frau. früher: Die Unzufriedene. Nr.1/6. Jahrgang Wien 5. Jänner 1950. Erziehungsberatung S 11. Neben dem Text befindet sich eine Zeichnung, die „Lotte“ dar­stellen soll, also eine Art Fahndungsfoto.

335 Stenographische Protokolle, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung -30 Oktober 1970. S 929.

336 Stenographische Protokolle, Nationalrat XII. GP. - 16. Sitzung -30 Oktober 1970. S 929. Weitere Aufschlüsse über die Auseinandersetzungen bei der Gesetzwerdung, über das gesamte Begutachtungsver­fahren könnten mühelos den Parlamentarischen Materialien zu den jeweiligen, die Jugendwohlfahrt be­rührenden Gesetze entnommen werden, das geschah noch nie und konnte auch von mir nicht geleistet werden.

337 Martina Klimpfinger, Pfarrsekretärin, kanzlei @pfarremariahilf.at [21.12.2012]

338 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Die Verwaltung der Bundes­hauptstadt Wien vom April 1945 bis 31. Dezember 1947. Wien 1949. Ausgaben bis 1970 verwendet.

339 Magistrat der Stadt Wien (Hg.): Jahrbuch der Stadt Wien (mehrere Jahrgänge). Wien ab 1952.

340 Handbuch der Stadt Wien. 69. Jahrgang. Nachtrag Dezember 1954. In diesem, dem ersten Hand­buch nach dem Krieg, werden folgende Personen im Dienststand genannt:
Geschäftsgruppe IV, Wohlfahrtswesen, Amtsführender Stadtrat Honay Karl,
Magistratsabteilung 11 - Jugendamt, Tesarek, Prof. Anton Senatsrat,
Diesner, Dr. Gertrude, Obermagistratsrat Rechtsangelegenheiten: Ourednik, Dr. Karl, Magistratsrat,
Vormundschaftswesen, Mündelkataster: Stark, Dr. Anna, Magistratskommissär,
Offene Jugendfürsorge und geschlossene Fürsorge (umfasst auch Fürsorgeerziehung und Erziehungsbera­ter): Diesner, Dr. Gertrude, Magistratsrat,
Als Erziehungsberater werden genannt: Fasold, Dr. Gertrude, Antosch, Dr. Friederike,
Estl, Dr. Marianne, Jakl, Dr. Alexander, Nekula, Dr. Maria, Pawlik, Dr. Otto.

341 Von Dr. Ernst Schönbauer, Senatsrat, gestorben 1975, dem ersten Leiter des Jugendamtes nach dem Krieg (1945 bis 1946) ist kein Personalakt auffindbar, er ist aber nicht identisch mit dem gleichnamigen Dr. Ernst Schönbauer, gestorben 1966: “Und wir haben, indem wir seit 1934 den Abstammungsnachweis verlangten, auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß eine Gemeinschaft der blutsdeutschen Rechtswahrer in Österreich entstehen konnte.“ Schönbauer, Ernst: Der Rechtswahrer in der nationalsozia­listischen Ostmark. Wien 1938.
Die Todesdaten wurden der Wiener Zeitung, Wienbibliothek im Rathaus, entnommen.
Dr. Alfred Seemann (1946 bis 1948) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A5 - Personalak­ten 1. Reihe / 1920-1973 908 (Dr. Alfred Seemann)
Dr. Ottokar Karbas (1948 bis 1950) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A5: 1294 (Dr. Ottokar Karbas)
Anton Tesarek (1950 bis 1962) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A6: 1138 (Anton Tesarek)
Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

342 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1951. S 162.

343 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1951. S 174.

344 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1949. S 130.

345 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1951. S 176.

346 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1951. S 177.

347 Jahrbuch der Stadt Wien 1957. S 70.

348 Behandlung von MIßHANDLUNGSFÄLLEN, Neuauflage des Normale, Wien, am 25. Februar 1965. M.Abt. 11 - V/5/65. Mappe AP6 - 69. Dieser „Gefahrbogen“, diese Neuauflage des Normale, trägt die Unterschrift des Abteilungsleiter Dr. Ourednik.

349 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1953. S 104.

350 Jahrbuch der Stadt Wien. 1958. S 69.

351 Jahrbuch der Stadt Wien. 1959. S 84.

352 Jahrbuch der Stadt Wien. 1959. S 84­

353 Jahrbuch der Stadt Wien. 1958. S 69.

354 Jahrbuch der Stadt Wien. 1959. S 84.

355 Otto Pawlik verfasste mehrere Arbeiten zum Thema der Verlässlichkeit der Beurteilung der Zöglinge durch Erzieher: „Objektivität und Verlässlichkeit von Erzieherurteilen über das Aggressionsverhalten von Heimzöglingen“ „Reliabilität von Führungsberichten“ „Vergleich soziometrischer Ergebnisse mit Erzie­hereindrücken“..
Stadt Wien, Presse- und Informationsdienst (PID) (Hg.): 50 Jahre Psychologischer Dienst der Stadt Wien. 1919-1969. S 39. Diese Arbeiten sind in der Bibliothek der Jugendamtszentrale nicht mehr vor­handen, was einigermaßen überraschend ist.

356 Hier ist ausschließlich an Mädchen gedacht, die Frage, ob Partnerinnen bei jungen Männern geduldet werden sollen, und ab welchem Alter, stellt sich nie.

357 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1972. S 13 - 18.

358 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1972. S 13 - 18.

359 Todesanzeige in Soziale Berufe, 25. Jahrgang Nr. 5 September/Oktober 1973. S 1.

360 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 20. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1973. S 1.

361 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendlichenheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974]. S 9

362 Leirer, Verwaltete Kinder. S 13.

363 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 18. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1971. S 14.

364 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 18. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1971. S 15.

365 Verbindlich ist das bürgerlich-romantische Modell von Liebe und Ehe, das sich am Ende des 18. Jahr­hunderts als Norm etabliert hat. Die (rechtliche und soziale) Selbstaufgabe der Frau zugunsten des Man­nes ist daran gekoppelt. Steinbacher, Sybille: Rezension zu: Bauer, Ingrid / Hämmerle, Christa / Hauch, Gabriella: Liebe und Widerstand. Ambivalenzen historischer Geschlechterbeziehungen. Wien 2005. In: H-Soz-u-Kult, 19.10.2006, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-4-061. [15.12.2012]

366 Sieder, Reinhard: Patchworks - das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder. Vorabdruck Stuttgart 2008. [http://www.systemagazin.de/buecher/vorabdrucke/sieder_patchworks.php [21..5.2012] „Die Verschmelzung der Liebenden, so die zentrale Metapher aus diesem Liebeskonzept, findet im Sexu­alakt ihren psychosomatischen Gipfel, womit der Sexus durch Liebe geheiligt erscheint.“

367 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 20. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1973. S 34.

368 Kolmitzer, Andrea: „Das Dispositiv der Lust“. Sexualität, Geschlechterdifferenz und Prostitution im Kontext der Foucault’schen Macht und Diskursanalyse. Wien DA 2009. S 23 zitiert Bührmann, Andrea:

Das authentische Geschlecht. Die Sexualitätsdebatte der Neuen Frauenbewegung und die Foucaultsche Machtanalyse. Münster 1995. S 39: „Von den Beichtenden wurde verlangt, ihre Sünden bis ins kleinste Detail zu schildern, dadurch wurde ein Wahrheitsdiskurs über Sexualität produziert. ... Im Laufe der Zeit kam es zu einer ,Multiplizierung der Orte des Geständniszwangs‘ und zu einer ,Expandierung der zu gestehenden Inhaltef“

369 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Gesellschaft Jugend und Jugendwohlfahrt im Wandel der Zeit. Wien 1989. S 75.

370 Mesner, Maria: Geburtenkontrolle. Reproduktionspolitik im 20. Jahrhundert. Wien Köln Weimar 2010. S 184.

371 Thurner, Erika: Weibliche Lebenszusammenhänge und Frauenerwerbsarbeit in Österreich seit 1945. In: Alexandra Weiss und Verena Simetzberger (Hrsg.), Frauen im 21. Jahrhundert. Situationen / Heraus­forderungen / Perspektiven. Gesellschafts- und sozialpolitische Aspekte, Innsbruck 2010, 21-32. S 23.

372 Goessler-Leirer, Irmtraud / Halletz, Claudia: Abschlussbericht zur Studie: Spezielle Berufsprob­lematik bei Sozialberufen, dargestellt am Beispiel der Heimerzieher. Wien 1974 Typoskript. Zit. nach: SIEDER, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012.

373 Behandlung von Mibhandlungsfällen, Neuauflage des Normale, Wien, am 25. Februar 1965. M.Abt. 11 - V/5/65. Gefahrenbogen Mappe AP6 - 69.

374 Fasold, Elfriede: Der Dresdner Bildungsplan. Wien Univ.Diss. 1937. In der Einleitung der Disserta­tion, begutachtet von Meister und Bühler, heißt es, dass die vorliegende Arbeit dem „Bildungsplan für die zehnjährige Volksschule“, dem Dresdner Bildungsplan, gewidmet ist. „einem der beachtenswertesten Beiträge zur Schulreform der Zwanzigerjahre“.

375 Handbuch der Stadt Wien. 69. Jahrgang, Nachtrag Dezember 1954. S 376.

376 Fasold, Elfriede: Verwahrlosung in unserer Zeit. Vortrag in der Arbeitsgemeinschaft für Heilpädago­gik und im Jugendamt der Stadt Wien. Kleine Reihe für den Erzieher. Hg. von der Österreichischen Ge­sellschaft für die Fürsorge und Erziehung des Kleinkindes (Ernst Kothbauer) / Wien 1956, mehrere Auf­lagen bis 1962. S 30.

377 Bauer, Ingrid: Die veränderten Rollen von Mann und Frau in Familie und Gesellschaft. Hausarbeit aus Geschichte, Universität Salzburg 1979 S 58. Zit. nach Mesner, Maria: Die „Neugestaltung des Ehe- und Familienrechts“. Re-Definitionspotentiale im Geschlechterverhältnis der Aufbau-Zeit. In: Zeitge­schichte 5-6/24.Jg. 1997. S 186-210. S 190. Darin ein weiterer Hinweis auf Elisabeth Schilder: „Nachlaß Christian Broda, Mappe II 76.2, Schreiben Marianne Pollak an Broda vom 30. Dezember 1955. Ende der fünfziger Jahre wurden für den Bereich Familienrecht Elisabeth Schilder und Christian Broda zuständig genannt.“ S 207.

378 In der Fassung von 1960: „§ 1. (1) Wird jemand wegen einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangenen Übertretung nach dem §§ 1 bis 6 des Gesetzes vom 24. Mai 1855, RGBl. Nr. 86, verurteilt, so ordnet das Gericht seine Unterbringung in einem Arbeitshaus an, wenn sie erforderlich ist, um den Verurteilten an einem rechtschaffenen und arbeitsamen Lebenswandel zu gewöhnen.“ Die Einweisung ins Arbeitshaus erfolgt nach der Bestrafung, also zusätzlich. Siehe Anhang.

379 Es werden Ziffern genannt von Kindern, die wegen „Obdachlosigkeit“ in ein Heim eingeliefert wur­den, 1948 waren es 503, im Jahre 1949 564.
Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Die Verwaltung der Bundes­hauptstadt Wien vom 1. Jänner 1948 bis 31. Dezember 1949. Wien 1951. S 171.
Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass deren Eltern auch - irgendwo anders - wegen „Obdachlosig­keit“ eingeliefert wurden.
In einem anderen Verwaltungsbericht heißt es: „Durch den Verbindungsdienst zum Wohnungsamt konn­te in 18 Fällen eine Wohnungszuweisung erreicht werden, wodurch die Heimkosten für 43 Kinder erspart blieben.“ Das würde heißen, dass ein Zehntel der obdachlosen Kinder gemeinsam mit ihren Eltern eine
Unterkunft erhielten, der Rest, einzeln, getrennt von Eltern und Geschwistern, in einem Heim landete. Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Die Verwaltung der Bundes­hauptstadt Wien vom 1. Jänner 1950 bis 31. Dezember 1951. Wien 1953. S 98. Die Zahl der wegen „Ob­dachlosigkeit“ in ein Heim eingewiesenen Kinder ist 10x so hoch.

380 Jahrbuch der Stadt Wien 1960. S 75.

381 „Nach dieser Zeit der vorgeschriebenen Lebensräume [im NS-Staat] kam es in der Nachkriegszeit ... zu einem Rückzug der Jugendlichen ins Private und zur Abkehr von extern kontrollierten Lebensräumen. Nach wie vor erfreute sich die Straße - gerade unter Unterschichtjugendlichen - großer Beliebtheit. Sie ist als ein typisches Merkmal der Armutssubkulturen innerhalb industrialisierter Gesellschaften anzuse­hen.“ Ostler, Jürgen: Lebensräume von Jugendlichen in der Öffentlichkeit. In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Lebensräume der Jugend 3/93. S 68-74. S 70.

382 Eigene Erinnerungen und Erzählungen von Altersgenossinnen.

383 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987. In der Einleitung drückt Obersenatsrat Dr. Walter Prohaska, Leiter des Jugendamtes der Stadt Wien ab 1. Jänner 1968 „Frau Se­natsrat Dr. Koller und Herrn Dipl.-Sozialarbeiter Neubauer, welche die Redaktion der Beiträge besorg­ten“ seinen Dank aus. Der abschließende Satz der Einleitung lautet: „Möge diese Broschüre einen wirk­samen Beitrag für eine weitere gemeinsame Entwicklung der Jugend- und Familienbetreuung in Wien leisten.“ Wer hier mit dem Formulierung „weitere gemeinsame Entwicklung“ angesichts der großen Mehrheiten der SPÖ in der Stadt und des unübersehbaren gesellschaftlichen Wandels angesprochen wer­den sollte, geht aus der Einleitung nicht hervor.

384 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 39.

385 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 49.

386 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 56.

387 Die Bezeichnung „Sozialpädagogik“ wurde in Österreich erst seit der Umbenennung der Schulen für Erzieher im Jahre 1993 offiziell.

388 Autorenkollektiv: Gefesselte Jugend. Fürsorgeerziehung im Kapitalismus. Frankfurt am Main 1971. Kritische Auseinandersetzung - im Stile von: „Gefesselte Jugend. Fürsorgeerziehung im Ka­pitalismus“ hat es - v.a. um Umkreis der Bewährungshilfe - in den 1970er Jahren gegeben.

389 Oelkers, Nina / Feldhaus, Nadine: Das (vernachlässigte) Normativitätsproblem in der Sozialen Arbeit. in: MÜHREL, Eric / Birgmeier, Bernd (Hg.): Theoriebildung in der Sozialen Arbeit: Entwicklun­gen in der Sozialpädagogik und der Sozialarbeitswissenschaft. Wiesbaden 2011. S 70/71. Volltext im internet.

390 Koller, Hermine: Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. Jugendamt der Stadt Wien, Psy­chologischer Dienst Wien 1974. Die Arbeit ist an 5 österreichischen Bibliotheken vorhanden.

391 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 41.

392 Gefahrenbogen. M.Abt.1 - V/5/65. Wien, am 25. Februar 1965. Behandlung von Mißhandlungsfällen, Neuauflage des Normale, gez. Der Abteilungsleiter: Dr. Ourednik eh. Senatsrat. Zu diesem Zeitpunkt war Ourednik Leiter des Jugendamtes. Zit. im Anhang zu Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien.

393 Berichte über die Arbeitstagungen österreichischer Jugendamtspsychologen, die seit 1954 jeweils im Herbst stattfinden, werden vom Psychologischen Dienst der Stadt Wien herausgegeben. Die Ausgaben vor 1969 sind am Institut für Bildungswissenschaften nicht mehr vorhanden. Der hier zitierte Text ist in einem Typoskript mit der Aufschrift „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“ S 2/3. enthalten, der sich in der Mappe AP6-69 der Bibliothek des Amtes für Jugend und Familie befindet. Von dieser Tagung berichtet Hermine Koller auch in ihrer Arbeit: Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien auf den Seiten 2 bis 3. Sie erwähnt auch anlässlich ihres Vortrages „Zum Problem der Kindesmißhand­lung“ im Bericht über die 20. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen 1973 S 4, folgen­des: „Die Definition des Begriffes körperliche Mißhandlung, die der Arbeit zugrunde liegt, wurde auf der 6. Arbeitstagung der Österreichischen Jugendamtspsychologen im Jahre 1959 erarbeitet.“

394 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59 Mappe AP6-69 S 2.

395 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012.
Kommission Wilhelminenberg. Zwischenberichte. Leitung Dr. Barbara Helige. www.kommission- wilhelminenberg.at

396 Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass Pg. Dr. Karl Ourednik in der Nazi-Zeit Teil der politischen Führung war und zwar mit dem gleichen Aufgabenbereich, der Jugendwohlfahrt. [siehe 7.]

397 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“, Mappe AP6-69 S 1.

398 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“, Mappe AP6-69 S 1.

399 Österreichisches Strafgesetz 1945.
Foregger, Egmont / Serini, Eugen (Hg.): Das österreichische Strafgesetz samt den wichtigsten Novel­len und Nebengesetzen. Mit einer Einführung und Erläuterungen unter Verwertung und Zitierung des Schrifttums und der Rechtsprechung sowie Verweisungen auf die einschlägigen Gesetzesstellen. o.O. o.J. 1960 S 219. In den Erläuterungen heißt es: Schaden am Körper ist jede körperliche Beschädigung; die §§ 413 und 421 sind jedoch bei schweren körperlichen Beschädigungen nie anzuwenden, bei leichten nur dann, wenn die Beschädigungen durch Ausübung der häuslichen Zucht entstanden sind. „Häusliche Zucht“ ist die Verwendung eines herkömmlichen Zuchtmittels in Erziehungsabsicht. [Vergleiche An­hang].

400 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“, Mappe AP6-69 S 4.

401 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“, Mappe AP6-69 S 5.

402 „Jugendamtspsychologentagung 27.-29.10.59“, Mappe AP6-69 S 5.

403 Normalien der Gruppe III, Magistratsabteilung 14, Ausgegeben am 1. März 1936, Nr. 17, M.Abt.14 - 20 000/35. Kindesmißhandlung. Mappe AP6-96. Der „Ständestaat“ dürfte sich in der Wiener Beamten­schaft zunächst nicht durchgesetzt haben.

404 Referat über „Mißhandlung“, gehalten im Heilpädagogischen Seminar der Caritas Wien, am 20. Jän­ner 1959. Maschinschriftlich gezeichnet mit G. Fibich, in der Mappe AP6-69.

405 Einer Übersicht der Raumeinteilung der M.Abt. 11 vom 25. Juni 1949 entnehme ich, dass Fibich im Dezernat II, Erziehungsberatung (Neutorgasse) im Zimmer 374 zusammen mit Dr. Fasold seinen Dienst versieht.

406 Malina, Peter: Die Wiener städtische Erziehungsanstalt Biedermannsdorf als Institution der NS- Fürsorge - Quellenlage und Fallbeispiele. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Ju­gendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 272. In diesem Sammel­band wird die zeitliche Grenze 1945 strikt eingehalten, dadurch wird das Erkennen der Kontinuitäten über diesen Zeitpunkt hinaus erschwert.

407 Referat über „Mißhandlung“, G. Fibich, Mappe AP6-69. S 2. Dieser „Erziehungsberater“ ist offenbar niemals von seinen Vorgesetzten über die Rechtslage bei Körperstrafen in Anstalten informiert worden.

408 Referat über „Mißhandlung“, G. Fibich, Mappe AP6-69. S 3.

409 Referat über „Mißhandlung“, G. Fibich, Mappe AP6-69. S 4.

410 Foregger, Das österreichische Strafgesetz. S 222.

411 Foregger, Das österreichische Strafgesetz. S 222.

412 Normale II/9. Richtlinien über die Vorgangsweise bei Misshandlung von Minderjährigen. MA 11 - XX/2/80. MA 11 - 06 - 803. Mappe AP&-69

413 Leukauf, Otto / Steininger, Herbert (Hg.): Strafgesetzbuch. Textausgabe mit zwei Übersichten und einer Gegenüberstellung zum alten Strafgesetz. Eisenstadt 1974. BG 23.1. 1974, BGBl. 1974/60, in Kraft am 1. Jänner 1975. S 208. „Körperverletzung § 83. (1) Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit schädigt.“

414 ABGB § 145 aF

415 FRlEßNEGGER, Jutta Maria: Obsorgeentzug nach Verdacht nach Kindesmisshandlung. Diplomarbeit Graz 2011. S 28.

416 FRlEßNEGGER, Obsorgeentzug. S 43.

417 FRlEßNEGGER, Obsorgeentzug. S 34.

418 Normale II/9 Vorgangsweise bei Mißhandlung, Vernachlässigung und sexuellem Mißbrauch von Min­derjährigen. MA 11 - X/21/91. MA 11 - 07 - 915. In der Mappe GKST1-33.

419 Normale II/9 Vorgangsweise bei Mißhandlung, Vernachlässigung und sexuellem Mißbrauch von Min­derjährigen. MA 11 - X/21/91. MA 11 - 07 - 915. In der Mappe GKST1-33. S 2. Noch immer heißt es missverständlich: „Kindesmißhandlung ist eine ... Schädigung, die in Familien oder Institutionen, denen die Obhut des Minderjährigen anvertraut ist, geschieht .“.Die Möglichkeit, dass Kinder auch außerhalb von Familien und „Institutionen“ misshandelt werden können, ist sprachlich nicht vorgesehen.

420 Normale II/9 Vorgangsweise bei Mißhandlung, Vernachlässigung und sexuellem Mißbrauch von Min­derjährigen. MA 11 - X/21/91. MA 11 - 07 - 915. In der Mappe GKST1-33. S 2.

421 Gehltomholt, Eva und Hering, Susanne: Das verwahrloste Mädchen. Diagnostik und Fürsorge in der Jugendhilfe zwischen Kriegsende und Reform (1945-1965). Opladen 2006. S 28.

422 Steinhauser, Werner: Gedanken zur Exploration von Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung von Aussagen zu sexuellen Themen. In: Soziale Berufe, 24. Jahrgang Nr.3 Mai/Juni 1972 S 1-7 und 24. Jahrgang Nr. 4 Juli/August 1972 S 7-11.

423 Steinhäuser, Werner: Untersuchung über die Beziehungen zwischen Intelligenz, Schulleistung und Milieu. Wien 1957. S 165.

424 FH-Prof. Mag. Dr. Maria Maiss hat den Lebenslauf Werner Steinhausers seinem Buch: Steinhauser, Werner Die Geschichte der Ausbildung zur professionellen Sozialarbeit in Österreich 1912-1993, Wien / Stuttgart 1993, entnommen, ganz kurz zusammengefasst und mir in einem e-mail [29.12.2012] zur Ver­fügung gestellt: Als Psychologe, der 1957 in den Dienst des Jugendamtes der Stadt Wien trat und diesem bis 1974 angehörte, konnte er entscheidende Wandlungen in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik (v.a. Heimerziehung und alternative Fremderziehungsformen) miterleben und z.T. mitbeeinflussen (bspw. die Einführung des „Lebenspraktischen Trainings“). Von 1963-1972 arbeitete er als Lehrer am Institut für Heimerziehung der Stadt Wien, das er ein Jahr leitete. Ab 1971 war er auch als Lehrer und von 1972­1992 als Leiter an der Ausbildungsstätte für Sozialarbeit in der Seegasse tätig. Die historisch einflussreich gewesene Lehranstalt wurde unter seinem Einfluss 1972 in eine Lehranstalt für gehobene Sozialberufe für Berufstätige umgewandelt, 1992 geschlossen und in die Bundesakademie transferiert. Werner Steinhauser übte auch die Funktion des ersten Vorsitzenden der ADÖLS (Arbeitsgemeinschaft der Direktoren an österreichischen Lehranstalten für gehobene Sozialberufe) aus und hat in dieser Funktion die Akademisie- rungsbestrebungen aktiv mitgetragen.

425 Soziale Berufe Titelseite

426 Steinhauser, Werner: Gedanken zur Exploration von Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung von Aussagen zu sexuellen Themen. in: Soziale Berufe, 24. Jahrgang Nr.3 Mai/Juni 1972 S 1-7 und 24. Jahrgang Nr. 4 Juli/August 1972 S 7-11. Der Eigentümer dieser Zeitschrift ist der Österreichische Gewerkschaftsbund, der Herausgeber die Fachgruppenvereinigung des Krankenpflege­personals und verwandter Berufe Österreichs. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes, auch deren Leiter, fühlten sich hier unter Krankenschwestern recht wohl, erst 1968 wurde eine eigene Zeitschrift „Sozialar­beit in Österreich“ (SiÖ) gegründet und - die Zeitschrift der Berufsvormünder aus Niederösterreich. [siehe 2.1. Anmerkung]

427 Steinhauser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 1.

428 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 3.

429 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 4.

430 Hug, Markus: Zur sogenannten Verwahrlosung dissozialer Jugendlicher in Österreich. Innsbruck Phil.- Diss. 1971. Zit.: bei Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtfor­schung Wien o.J. [1972/1974]. S 56: „Hug fand in seiner Analyse sämtlicher 1969 angefallener Fürsorge­fälle in Österreich, daß bei den Mädchen 41 Prozent wegen sexueller Auffälligkeiten in Fürsorgeerzie­hung kamen, bei den Burschen nur 1,5 Prozent.“

431 Steinhauser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 4.

432 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 5.

433 Steinhauser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.3 Mai/Juni 1972 S 5/6.

434 Steinhauser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.4 Juli/August 1972 S 8.

435 „Die ausgrenzende Politik der Nationalsozialisten betraf nicht nur Menschen, die einer anderen ,Ras- se‘ angehörten oder eine geistige bzw. körperliche Behinderung hatten, sondern richtete sich auch auf sozial unangepasste Schichten. Diese Ausweitung des ,Rassekonzeptes‘ auf gesellschaftliches Verhalten kann laut Gisela Bock als Sozialrassismus bezeichnet werden.“ Bock, Gisela: „Zum Wohle des Volks­körpers...“ Abtreibung und Sterilisation im Nationalsozialismus. In: Journal für Geschichte (1980) 6. 58­66. Zit. nach Misar (Geiger), Katja: „Vorposten des Gesundheitsamtes“. Fürsorgerinnen im nationalso­zialistischen Wien. Wien DA 2006. S 52.

436 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.4 Juli/August 1972 S 11.

437 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.4 Juli/August 1972 S 11.

438 Steinhäuser, Exploration von Kindern, 24. Jg. Nr.4 Juli/August 1972 S 11.

439 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien.

440 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 28.

441 Leukauf, Otto / Steininger, Herbert (Hg.): Strafgesetzbuch. Testausgabe mit zwei Übersichten und einer Gegenüberstellung zum alten Strafgesetz. Eisenstadt 1974. BG 23.1. 1974, BGBl. 1974/60, in Kraft am 1. Jänner 1975. S 18.

442 INSTITUT FÜR Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Wien o.J. 1974

443 Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. S 85.

444 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 36.

445 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 29.

446 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 135.

447 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 36.

448 Normalien der Gruppe III, Magistratsabteilung 14, Ausgegeben am 1. März 1936, Nr. 17, M.Abt.14 - 20 000/35. Kindesmißhandlung. Mappe AP6-96. Menschenfreundliche Erziehungsvorstellungen dürften in der Zeit des „Ständestaates“ zumindest in der Beamtenschaft der Gemeinde Wien noch einige Zeit überdauert haben.

449 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 2.

450 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 3.

451 Gefahrenbogen. M.Abt.1 - V/5/65. Wien, am 25. Februar 1965. Behandlung von Mißhandlungsfällen, Neuauflage des Normale, gez. Der Abteilungsleiter: Dr. Ourednik eh. Senatsrat. Zu diesem Zeitpunkt war Ourednik Leiter des Jugendamtes. Zit. im Anhang zu Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien.

452 Gefahrenbogen. M.Abt.1 - V/5/65.

453 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 4.

454 „Als Beispiel in welcher Form heute noch gezüchtigt wird, sei auszugsweise ein Leserbrief (Kurier 6.1.1973) wiedergegeben: ... meine Kinder (16 und 18 Jahre) wissen, daß sie nur gerecht bestraft wer­den. Tritt ein Straffall ein, bitten Sohn und Tochter selbst um Bestrafung ... ich lege das Strafausmaß fest und beginne mit der Bestrafung (zwischen 5 und 25 Hieben mit dem Rohrstock oder der Reitgerte auf das Gesäß). ... die 18jährige, der ich es zum Geburtstag freistellte, erklärte, daß sie bis 21 so erzogen werden will.“
Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 7/8. Ich halte es für wahrscheinlich, dass dieser „Leserbrief“ ein Fake ist, möglicherweise von einem sodomasochistisch orientierten Pädophilen phantasiert, denn nach 25 Stockschlägen waren zumindest KZ-Häftlinge in der Regel tot. Das Interesse Kollers an dieser Geschichte möchte ich nicht kommentieren.

455 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 8.

456 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 82.

457 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 47.

458 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 61, S 135.

459 Die gleiche Struktur hat ein Aufsatz Villingers aus dem Jahre 1939, der festhält, dass die „mißhan­delten Kinder psychisch abnorm“ sind, „Sorgenkinder“, die aus begreiflichen Gründen betroffen waren. „Schließlich kommt es auch einmal vor, daß Kinder, die nicht in diese Gruppen gehören, [bei denen der Psychiater am Platz ist], der Mißhandlung ausgesetzt sind und zum Opfer fallen. Aber sie bil­den nach meiner Erfahrung die Ausnahme, ...“
Villinger, Werner: Kindesmißhandlungen und psychiatrische Mitwirkung: Bemerkungen zu den Arbei­ten von Hagenau, Bergmann und Hetzer. Zeitschrift für Kinderforschung [Elektronische Ressource]. Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Vereins zur Fürsorge für Jugendliche Psy­chopathen. Bd. 47, 1939, Hft. 3 S 262-266. S 266.

460 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 145.

461 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 90.

462 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 139.

463 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 42. Auf Seite 29 heißt es noch, „daß der Anteil der unehelich geborenen unter den mißhandelten Kindern weitaus größer ist als in der Bevölke­rung“.

464 Koller, Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. S 54.

465 Simon, Maria: Zehn Jahre später ... Das Lebensschicksal unverheirateter junger Mütter. In: Soziale Berufe, 24. Jahrgang Nr.5 September/Oktober 1972. S 6-15. S 6.

466 Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisie­rung 1945-1980. Göttingen 2002.

467 Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisie­rung 1945-1980. Göttingen 2002 S 25.

468 Ubbelohde, Julia: Der Umgang mit jugendlichen Normverstößen. In: Herbert, Ulrich (Hg.): Wand­lungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen 2002. S 403-434. S 406.

469 Ubbelohde, Der Umgang mit jugendlichen Normverstößen. S 410.

470 Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf-Ausgabe, Luzern 2012. S 20.

471 Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf-Ausgabe, Luzern 2012. S 20.

472 Willing, Matthias: Das Bewahrungsgesetz. Eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deut­schen Fürsorge. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 42. Tübingen 2003. S 312.

473 Willing, Bewahrungsgesetz. S 314.

474 Melinz, Gerhard: Hilfe, Schutz und Kontrolle. Versuch zur historischen Genese der öffentlichen „Ju­gendfürsorge“ in Österreich, unter besonderer Berücksichtigung von Wien (1980 - 1914). Wien Univ.- Diss.1982. S 132.

475 Siehe auch Fesel, Verena / Rose, Barbara / Sommel, Monika (Hg.): Sozialarbeit - ein deutscher Frauenberuf. Kontinuitäten und Brüche im 20. Jahrhundert. Pfaffenweiler 1992.

476 Melinz, Hilfe, Schutz und Kontrolle. S 121.

477 Freud-Widder, Michaela: Frauen unter Kontrolle. Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik. Münster 2003.

478 SACHßE, Christoph: Mütterlichkeit als Beruf. Sozialarbeit, Sozialreform und Frauenbewegung 1871­1929. Frankfurt am Main 1986. S 10. Zit.: nach: Bauer, Rudolf: Frauen im Verein. Zur Sozialgeschichte und -psychologie des Weiblichen in der Bürger/innen/gesellschaft. In: Kruse, Elke und Tegeler, Eve­lyn (Hg.): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Gen- derforschung. Opladen & Farmington Hills 2007. S 23.

479 Melinz, Hilfe, Schutz und Kontrolle. S 254: An diesem Kongress Anfang des 20. Jahrhunderts betei­ligten sich die Sozialdemokraten nicht: In ihren Augen war er eine Sache der Klerikalen und Bürgerli­chen.

480 Melinz, Hilfe, Schutz und Kontrolle. S 132.

481 Zimmermann, Susan: Frauenbewegung und Kinderschutz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Doppelte Geschlechtsspezifik im Dreieck fürsorgepolitischer Interessen. In: Historische Sozialkunde. Geschichte - Fachdidaktik -Politische Bildung. 4/2005. Zivilgesellschaft, Partizipation und lokale Sozialpolitik. S 11­17.

Zimmermann, Susan: Prächtige Armut. Fürsorge, Kinderschutz und Sozialreform in Budapest. Das „so­zialpolitische Laboratorium“ der Doppelmonarchie im Vergleich zu Wien 1873-1914. Sigmaringen 1997. Zimmermann, Susan: Die bessere Hälfte? Frauenbewegungen und Frauenbestrebungen im Ungarn der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918. Wien-Budapest 1999.

482 Zimmermann, Frauenbewegung und Kinderschutz. S 17.

483 Kohltz. Kerstin: „Ich war ihm zu Willen, trotzdem sträubte ich mich.“ Zur Sexualität „verwahrloster“ Mädchen in der Zeit der Weimarer Republik. In: Benninghaus, Christina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind ...“. Beiträge zur Geschlechtergeschichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999. S 182.

484 Willing, Bewahrungsgesetz. S 256.

485 Arlt, Ilse: Wege zu einer Fürsorgewissenschaft. Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs Wien 1958. Zit.: nach: Maiss, Maria / Pantucek, Peter: Theorie mit Leidenschaft. Ilse Arlt und aktuelle Fragen der Sozialen Arbeit. Beitrag in: Soziale Arbeit - Zeitschrift für Soziale und sozialverwandte Ge­biete, Nr. 6/2008, S 202-211.
http://inclusion.fhstp.ac.at/downloads/publikationen/publikationen/arlt theorie-leidenschaft.pdf [3.6.2012]

486 Maiss / Pantucek,: Theorie mit Leidenschaft. S 202-211.

http://inclusion.fhstp.ac.at/downloads/publikationen/publikationen/arlt theorie-leidenschaft.pdf [3.6.2012]

487 Maiss, Maria: Soziale Arbeit im Dienst der Ermöglichung substanzieller/materieller Bedingungen von Freiheit und Wohlleben. In: Pantucek, Peter / MAISS, Maria (Hg.): Die Aktualität des Denkens von Ilse Arlt. Wiesbaden 2009.

488 Pantucek, Peter / Maiss, Maria (Hg.): Die Aktualität des Denkens von Ilse Arlt. Wiesbaden 2009. S 11.

489 Arlt, Ilse: Die Grundlagen der Fürsorge. Wien 1921. S 97. Zit. nach Wolfgruber, Gudrun: Kinder- und Jugendfürsorge im Roten Wien - Zwischen sozialer Kontrolle und Hilfe. Dargestellt am Beispiel der Kindesabnahmen. Wien 1996. S 80.

490 Handbuch des Reichsgaues Wien 1941. S 521: „Baar Edeltrud Hauptfürsorgerin und Erziehungsbe­raterin dem Gaujugendamt zugeteilt“

491 Siehe Geuter, Ulfried: Die Professionalisierung der deutschen Psychologie im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1984.

492 Rudolph, Clarissa: „Ich ersuche höflich um Anstellung als Kinderpsychologin in der Wiener städti­schen Nervenklinik für Kinder ...“ Zur Professionalisierung der Psychologie am Beispiel des Wiener Fürsorgewesens in der NS-Zeit. Wien Univ.-Diss. 2008. Abstract.

493 Baar, Edeltrud: Psychologische Untersuchung von tauben, schwerhörigen und sprachlich speziell gestörten Kleinkindern. Basel / New York 1957. S 87.

494 Sein Hauptwerk, Körperbau und Charakter, wurde unzähligemal über Jahrzehnte immer mit dem glei­chen Untertitel, „Untersuchungen zum Konstitutionsproblem und zur Lehre von den Temperamenten“, und bei dem gleichen Verlag, aufgelegt; Medizinische Psychologie erschien ebenfalls mehrmals, nicht beeinträchtigt durch den Zusammenbruch des Dritten Reiches.

495 Asperger, Hans: Heilpädagogik. Einführung in die Psychopathologie des Kindes für Ärzte, Lehrer, Psychologen, Richter und Fürsorgerinnen. Wien 2. Aufl. 1956. S 75:
„... seelische Abartigkeiten offenbaren sich im körperlichen Bild oft durch geringere oder größere Ab­weichungen von der Norm, eben den ,degenerativen Stigmen‘. Das ist allgemeines Wissen der Mensch­heit. Zum ersten Mal exakt beschrieben wurden diese Dinge im vorigen Jahrhundert von dem Italiener Cesare Lombroso, der erkannte, daß soziales Scheitern eines Menschen sehr wohl etwas mit der Konstitu­tion zu tun hat - er stellte den Begriff des ,Delinquente nato\ des ,geborenen Verbrechers‘ auf, dessen weibliches Gegenstück die ,Prostituta nata‘ darstelle; Lombroso hat nun gezeigt, daß sich bei diesen Typen auch bestimmte körperliche Abartigkeiten besonders häufen (z.B. wurde von da an das ^gewach­sene Ohrläppchen‘ berühmt).“

496 Experteninterview 8.7.2009, Brigittaplatz, 11h45-12h30. „Mein Name ist ,mein Geburtsjahrgang ist 1954, ich habe 1973 bis 1975 am Jugendamt für den 4., und 5., Bez. gear­beitet, ich habe die Lehranstalt für gehobene Sozialberufe absolviert, meine Berufsbezeichnung war Fachbedienstete des Fürsorgedienstes. Mit 13 Kollegen sind wir mit einem Veränderungsanspruch ins JA eingetreten, das JA hatte keinen guten Ruf, es galt als bevormundend, die mit der 68er Bewegung einher­gehenden Entwicklungen waren noch nicht berücksichtigt. Wir wollten da was ändern, die Ressourcen der Klienten erkennen und entwickeln. ...
Im Jahr 1978 habe ich bemerkt, dass mich die Institution lähmt, mein Widerstand erlahmt, ich wollte meine Ideen durchsetzen, ich fühlte mich als verlängerter Arm des Gesetzes - ich bin nirgendwo will­kommen, ich soll Personen ruhigstellen, [damit sie in der Gesellschaft Ruhe geben]. Es gab auch nie genug Plätze in heilpädagogischen Stationen,.
Dann bin ich zwei Jahre auf die Heilpädagogische Station des Kinderdorfs Hinterbrühl gegangen, man hat mich dort genommen, obwohl ich eigentlich keine sozialpädagogische Ausbildung hatte. Es gab dort sehr kleine Gruppen, auch Einzelsettings, ich habe mich mit einem psychoanalytisch orientierten Buch aus dem Verlag Zytglogge „Dummheit ist lernbar“ beschäftigt.
Bei einer Fallbesprechung hat der Leiter der dortigen Abteilung, Professor Hans Asperger, eine Sechsjährige als „Hure“ bezeichnet - so als hätte sie es in den Genen.
Übrigens ist sexueller Missbrauch in den Jahren 1978 bis 1980 [bei den Kindern, die nach Hinterbrühl gekommen sind] nicht vorgekommen, auch in meiner Zeit am JA ist das nicht vorgekommen. Auch von den Mädchen, die davongelaufen sind, hat mir keine davon erzählt, ich hätte es sofort geglaubt, es hat mir niemand erzählt, kein einziges Kind [Wenn ich darüber nachdenke warum, wenn ich versuche dieses Rätsel zu lösen] glaube ich, die existenziellen Bedürfnisse waren den Mädchen näher, naja sie wollten halt nicht verhungern.“

497 Asperger, Heilpädagogik. S 269.

498 Asperger, Heilpädagogik. S 269.

499 Asperger, Heilpädagogik. S 269.

500 Asperger, Heilpädagogik. S 269.

501 Estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Univ.Diss. 1952.

502 Simon, Maria Dorothea: Untersuchung an Kindern mit dem Children’s Apperception Test von Bellak. Wien Univ.Diss. 1952.

503 Vergl. Wolfgruber, Gudrun: Zwischen Auftrag und Eigensinn. Berufsbiografische Erzählungen von Fürsorgerinnen und Sozialarbeiterinnen der Wiener Jugendwohlfahrt. Wien, Univ. Diss. 2011.

504 Mirecki, Lizzi: Erinnerungen an die Entstehung der Modelleinrichtung: Institut für Erziehungshilfe, unter Einbeziehung des Nachlasses von Prof. Rosa Dworschak. In: Brainin, Elisabeth (Hg.): kinderpsy­chotherapie. Symposion: „50 Jahre institute für erziehungshilfe“. Wien 2001. S 12.

505 „Der Zweck dieses neuen Instituts ist es, durch ambulatorisch-psychologische Behandlung und Einbe­ziehung der Eltern in die Therapie Überstellungen in Anstalten zu vermeiden.“
Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Die Verwaltung der Bundes­hauptstadt Wien vom 1. April 1948 bis 31. Dezember 1949. Wien 1951. S 165.

506 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987.

507 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987. S 76.

508 Dworschak, Rosa: Der Verwahrloste und seine Helfer. Aus der Praxis des Sozialarbeiters. München 1969. In der Serie „Einzelfallhilfe (Casework) in der Praxis der Sozialarbeit“ erschienen.

509 Kazak, Claudia: Von der Heimunterbringung zur ambulanten Betreuung verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher. Der Einfluss des Bildes des Verwahrlosten bei August Aichhorn und Rosa Dworschak und deren Betreuungskonzepte auf die Behandlung schwererziehbarer Kinder und Jugendlicher von Be­ginn des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart; unter besonderer Berücksichtigung des Wiener Instituts für Erziehungshilfe. Wien DA 2003.

510 1.3.2.207.A1 - Allgemeine Registratur / 1923-1930, 1946-1969, die ersten drei (ungeordneten) Akten­bündeln.

511 Mirecki, Lizzi: Erinnerungen an die Entstehung der Modelleinrichtung: Institut für Erziehungshilfe, unter Einbeziehung des Nachlasses von Prof. Rosa Dworschak. In: Brainin, Elisabeth (Hg.): kinderpsy­chotherapie. Symposion: „50 Jahre institute für erziehungshilfe“. Wien 2001. S 12.

512 http://www.gegensexuellegewalt.at/2009/08/03/skandalfall-franz-wurst/ [11.9.2012]

513 http://de.wikipedia.org/wiki/Franz Wurst [11.9.2012] Das Bundesland Kärnten und die verantwortli­che Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft zahlte an 48 Missbrauchsopfer eine Entschädigung von insge­samt 540.000 Euro, mögliche Fälle aus der Zeit am „Institut für Erziehungshilfe“ werden da wohl nicht mehr dabei gewesen sein.

514 Brainin, Elisabeth: Psychoanalytische Überlegungen zu den Gesprächen und Interviews mit Überle­benden vom „Spiegelgrund“ In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 358.

515 Handbuch der Stadt Wien 1937.

516 Malina, Peter: Aus den Erziehungsakten des Wiener städtischen Kinderheimes Biedermannsdorf. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 271.

517 Dworschak, Rosa: Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. In: Bang, Ruth (Hg.): Sexuelle Fehlhaltungen. Ursachen, Erscheinungsformen und Möglichkeiten der Hilfe. Beiträge zur Information von Sozialarbeitern und Pädagogen. München / Basel 1968. S 72 Der Bericht über diese „Sichtung“ wurde allerdings erst 1968 - vermutlich zum ersten Mal - in diesem Sam­melband veröffentlicht, so dass es nicht möglich ist, die darin vertretenen Thesen zeitlich exakt zuzuord­nen.

518 Zu diesem Thema gibt es eine Fülle von Literatur.

519 Castell, Rolf: Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961. Unter Mitarbeit von Uwe-Jens Gerhard. Göttingen 2003. In dieser Arbeit wird von der 1. Wissen­schaftlichen Tagung der DVJ (Deutsche Vereinigung für Jugendpsychiatrie, Vorsitzender Werner Villin- ger, Schriftführer Hermann Stutte) berichtet, bei der ein Schmidt (Lübeck) auftritt und einen Vortrag zum Thema „Pseudologische Zeugenaussagen von Schulmädchen“ hält. S 104: Er stellte "drei Typen pseudo­logischer [sic!] Mädchen in Sittlichkeitsprozessen" dar: "1. die akuten [sic!] erotisierten Schwindlerinnen, 2. die intuitiven Schwindlerinnen ohne Andeutung eines Sexualtraumas, 3. die suggestiblen Schwindle­rinnen", die er in drei Untergruppen einteilte. Er folgerte: "Pseudologische Verleumdung ist nicht Lüge im Sinne einer Aussage wider besseres Wissen, auch nicht parteiische Tendenz; vielmehr triebhaftes Sensationsgelüst, das weder für noch gegen, sondern über den Beschuldigten Unwahrheit redet."

520 Aichhorn, August: Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung; zehn Vorträ­ge zur ersten Einführung. Bern 1. Aufl. 1951.

521 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. In: Bang, (Hg.): Sexuelle Fehlhaltungen. München / Basel 1968. S 76.

522 „Kinder, die zum Beispiel in ihrer Herkunftsfamilie sexualisierte Gewalt erfahren haben, sind in be­sonderer Weise gefährdet, auch außerhalb der Familie erneut emotional und sexuell missbraucht zu wer­den, gerade weil sie sich nach liebevoller Zuwendung und Unterstützung sehnen.“

Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/ Ab­schlussbericht 2011. S 47

523 Institut für Stadtforschung (Hg.): Sozialarbeit im Dienste der Familie. Mit Ergebnissen der Kommission „Moderne Familienfürsorge“. Wien o. J. 1974

524 Pawlik, Otto: Aufgaben eines modernen Kinderpsychologischen Instituts. In: Soziale Berufe 13. Jahrgang Nr. 10 Oktober 1961. S 173- 177. S 174 und S 177.

525 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. In: Bang, (Hg.): Sexuelle Fehlhaltungen. München / Basel 1968. S 92.

526 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 78.

527 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 91/92.

528 Koller, Hermine: Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. Jugendamt der Stadt Wien, Psy­chologischer Dienst. Wien 1974.

529 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 92.

530 §§ 126 und 127. Die Strafe der Notzucht ist schwerer Kerker zwischen fünf und zehn Jahren. [Siehe Anhang]

531 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 80.

532 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 77.

533 Dworschak, Rosa: Der Verwahrloste und seine Helfer. Aus der Praxis des Sozialarbeiters. Einzel­fallhilfe (Casework) in der Praxis der Sozialarbeit. Hg. von Ruth Bang, Band 7. München / Basel 1969. S 126: „Bekanntlich“ - Dworschak verweist auf einen Vortrag von August Aichhorn - „wird eine familiäre Konstellation - schwacher, an der Familie nicht interessierter Vater neben einer sehr energischen Mutter mit lärmender Aktivität - als eine der Verwahrlosungsursachen für jugendliche Burschen angesehen.“

534 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 74.

535 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 81.

536 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 75.

537 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 73

538 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen S 75.

539 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 69.

540 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 88.

541 Lützke, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder „sittlich verwahrloster Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule­Essen 2002. http://duepublico.uni-duisburg-essen. de/servlets/DerivateServlet/Derivate-11226/luetzke.pdf [13.10.2011] S 209.

542 Dworschak, Aus der Arbeit des Sozialarbeiters mit sexuell gefährdeten Mädchen und Frauen. S 71.

543 Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisie­rung 1945-1980. Göttingen 2002.

544 Sonnleitner, Gretl: Familienschädigung und Jugendkriminalität. Dissertation Wien 1946. S 1.

545 Sonnleitner, Familienschädigung S 31.

546 Unter der Leitung von Dr. Gretl / Margarete Sonnleitner wurde das Referat für Schule und Beruf zum Pädagogisch-Psychologischen Dienst und schließlich 1969 zur Abteilung Schulpsychologie­Bildungsberatung ausgebaut.
Sedlak, Franz (Hg.): Schulpsychologie-Bildungsberatung. Von den Anfängen bis ins dritte Jahrtausend. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. o.J., o.O. http://www.schulpsychologie.at/uploads/media/milleniumsbuch.pdf [2.6.2012]

547 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 48. Ein Teil des Textes dieser Publikation lässt sich wegen der gleichlautenden Textstellen in einer anderen Publikation, nämlich JU­GENDAMT der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990, die von Hermine Koller allen verfasst wurde, auch dieser zuordnen. An dieser Stelle heißt es auch: „Unter den Betreuungsfällen der Fürsorgerinnen waren jene, bei denen Erziehungsschwierigkeiten vorlagen, im Ansteigen begriffen, so von 5.346 im Jahr 1950 auf 7.348 im Jahre 1951.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 48. Auch in der Sekundärliteratur wird bei Änderun­gen in der Etikettierungspraxis nach realen Ursachen gesucht.

548 Fasold, Elfriede: Verwahrlosung in unserer Zeit. Vortrag in der Arbeitsgemeinschaft für Heilpädago­gik und im Jugendamt der Stadt Wien. Kleine Reihe für den Erzieher. Hg. von der Österreichischen Ge­sellschaft für die Fürsorge und Erziehung des Kleinkindes (Ernst Kothbauer) / Wien 1956, mehrere Auf­lagen bis 1962.

549 Wurzbacher, Gerhard und Mitarbeiter: Die junge Arbeiterin. München 1958.

550 Wurzbacher, Gerhard und Mitarbeiter: Die junge Arbeiterin. München 1958. Zitiert nach Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 177. Der damals, seit Beginn des Jahrhun­derts, in der pädagogischen Fachliteratur verwendete Begriff „Diskrepanzen“, ein Artefakt der intellektu­ellen Produktion, wird gegen die untersuchten Objekte verwendet.

551 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 44. „Gefährdungsmomente ergeben sich vielfach bereits aus der Lebenssituation junger Menschen, etwa aus der der jungen ungelern­ten Arbeiterinnen, Wurzbachers Probandinnen dürfen daher klar als Gefährdete bezeichnet werden.“

552 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 44. Namen, wie Oswald Speng­ler, Wilhelm Dilthey, Hermann Nohl, Eduard Spranger, werden von Koller in ihrer Arbeit nicht erwähnt.

553 Dieses Wort findet sich noch zur Beschreibung von Eltern in einem „Normale“, einer Dienstanwei­sung des JA aus dem Jahr 1980, das auch im Abschnitt über Gewalt an Kindern erwähnt wird; zu diesem Zeitpunkt klang dieses Wort bereits als unangemessen gehässig und veraltet, gerade im Bereich der Sozi­alarbeit und der Soziologie. Unterschrieben ist diese Dienstanweisung von Dr. Prohaska, Obersenatsrat.

554 Noch im Jahre 1951 gab es für 12 schulentlassene Mädchen nur eine Lehrstelle. Die Frau. früher: Die Unzufriedene. Nr. 6/7.Jahrgang. 8. Februar 1951. S 6.

555 Zillig, Maria: Gefährdete weibliche Jugend unserer Tage. Paderborn 1951. S 177.

556 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend unserer Tage. S 66.

557 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 69.

558 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 44.

559 Auf Seite 44 hatte es noch geheißen: „im Alter von acht bis neun Jahren“ s.o.

560 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 46.

561 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 46.

562 Zillig, Gefährdete weibliche Jugend. S 125. Zit: nach Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 9.

563 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 9/10.

564 Nicht nur Koller, sondern viele in der Jugendberufsfürsorge tun so, als wäre die Lehre eine Art Gym­nasium für Proletarier und nicht jahrelange schlecht bezahlte Arbeit, ob das Arbeitsamt insgesamt gegen Arbeitslose / „Arbeitsscheue“ eingestellt war, kann ich nicht beurteilen. Auch die Umsetzung des Gelern- ten für einen Berufserfolg war immer prekär, bis heute arbeitet ein großer Teil der „Ausgelernten“ nicht im erlernten Beruf, sie wurden und werden vom Ausbildungsbetrieb nicht übernommen. Die Lehrherren selbst waren Koller zu tolerant: „Die Einführung des 9. Schuljahres in den Pflichtschulen im Jahre 1966 führte zwar zu einer Verringerung der Schülerzahl in den Berufsschulen, die Arbeit der Jugendberufsfür­sorge mußte aber in diesem Jahr intensiviert werden. Die Lehrherren waren wegen der geringen Zahl der verfügbaren Lehrlinge diesen gegenüber sehr tolerant geworden. Jugendliche, die Geld verdienen wollten, schwänzten oft die Schule, um ohne gesetzliche Deckung zu arbeiten.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 54. Die Verbesserungen der Position am Arbeitsmarkt dieses einzi­gen Jahrgangs von Lehrlingen sollte mit Hilfe der “Jugendberufsfürsorge“ zunichte gemacht werden.

565 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 24.

566 Schmidt, Heike: Gefährdete und gefährliche Mädchen. Zwangs- und Fürsorgeerziehung in Hamburg 1887-1933. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie ZSE, 17.Jg.1997,H4. S 394­404.

567 Schmidt, Gefährdete und gefährliche Mädchen. S 396.

568 Schmidt, Gefährdete und gefährliche Mädchen. S 397.

569 Schmidt, Gefährdete und gefährliche Mädchen. S 398.

570 Schmidt, Gefährdete und gefährliche Mädchen. S 399.

571 Schmidt, Gefährdete und gefährliche Mädchen. S 401.

572 Sabisch, Katja: Die Prostituierte im 19. Jahrhundert. Zur Entstehung und Entwicklung einer wissen­schaftlichen Tatsache. In: L’Homme. Eropäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft. 21. Jg.2010. Heft 1. Wien 2010. S 11-28. S 13.

573 Sabisch, Die Prostituierte. S 19ff. Zur Geschichte der Degenerationstheorie listet Sabisch eine Reihe von Arbeiten auf, u.a. Volker Roel>

574 Sabisch, Die Prostituierte. S 22.

575 Sabisch, Die Prostituierte. S 26.

576 Studer, Brigitte: Familiarisierung und Individualisierung. Zur Struktur der Geschlechterordnung.in der bürgerlichen Gesellschaft, in: L’Homme 11 (2000), Nr. 1, 83-104. S 90. Zit.: nach Wieser, Renate: „Fromm bin ich nicht, aber ich glaube schon ...“: Glaubensdiskurse und religiöse Subjektivierungsweisen katholisch sozialisierter alter Frauen im 21. Jahrhundert. Graz 2011. S 141.

577 Unter den psychologischen Dissertationen der Jugendamts-Psychologen sind es nur diese beiden, die sich auf die (abwertende) Beschreibung von Fürsorgezöglingen beschränken, und hier wiederum auf Mädchen. Sie alle liegen an der Universitätsbibliothek der Universität Wien auf:
Agricola, Ingeborg: Die Entwicklung des Hortes in Österreich seit 1945. Wien Univ.Diss. 1956. Antosch, Friederike: Literatur- und Sprachuntersuchungen mit dem vereinfachten Aktionsquotienten. Wien Univ.Diss. 1949.
Ardelt, Elisabeth: Einstellung und Kommunikationsverarbeitung. Die Bedeutung von Intensität, Struk­tur und Zentralität für die Einstellungsänderung. Salzburg Univ.Diss 1973.
Bründl, Margarete: Die Sprache als Kommunikationsmittel fünf- bis sechsjähriger Kinder im Umgang mit gleichaltrigen Partnern. Wien Univ.Diss. 1962.
Fasold, Elfriede: Der Dresdner Bildungsplan. Wien Univ.Diss. 1937.
Hauke, Johanna: Untersuchungen über ethische Begriffe Verwahrloster. Wien Univ.Diss. 1951. Johanna
Hauke wurde später Psychologin in der Jugendfürsorge Niederösterreichs. Diese Arbeit ist ein weiteres Beispiel dafür, dass es 1945 zu keinem Einschnitt in der Praxis und im Selbstbild der mit „Verwahrlo­sung“ Befassten gekommen ist: einen Teil der von ihr beschriebenen Versuchspersonen fand sie bei ihrer Tätigkeit in der 1944 bis 1945 bestehenden „medizinische-pädagogisch-psychologische Untersuchungs­anstalt für Kinder und Jugendliche in Perchtoldsdorf ‘ geleitet von Doz. Dr. Klimpfinger. Das ihr vorlie­gende „Beobachtungsmaterial“ hatte sich - laut ihrer Untersuchung im Jahre 1951(!) - folgender Verbre­chen schuldig gemacht: Mädchen seien eingewiesen worden wegen „Nichterfüllung ihrer Arbeitspflichten während ihres Pflichtjahres“, mehrmals „Versagen am Arbeitsplatz“, Kirschendiebstahl, arbeitsunwillig, Aufpasser bei einem Tulpendiebstahl, Vater fahnenflüchtig, ein Mädchen verurteilt wegen „Verkehrs mit ausländischen Arbeitern“, am Spiegelgrund dreimal durchgegangen. (aus dem Kinderheim). Knittler-Lux, Ursula: Die Familienbezogenheit von „Heimkindern“ im Alter von 9 bis 15 Jahren im Vergleich zu der von gleichaltrigen Kindern, die in einer Familie aufwuchsen. Wien Univ.Diss. 1970. Kollerics, Franz: Zur Typologie der Jugendverwahrlosung. Wien Univ.Diss. 1960. Kollerics hat diese Arbeit als Erzieher im Erziehungsheim der Stadt Wien für männliche Jugendliche in Eggenburg verfasst, in dem er lt. Lebenslauf seit 1951 beschäftigt war. „Aus den in dieses Heim eingewiesenen Verwahrlo­sungsfällen habe ich ... versucht, an ihnen auf empirischem Weg eine Typologie zu erarbeiten.“ S 261. Eines seiner Ergebnisse ist, „daß das dem Heim zugewiesene Kontingent an fixiert Kriminellen sowie an Grenzdebilen und Unterentwickelten verhältnismäßig groß ist und die Erziehungsarbeit blockiert.“ S 164. Nekula, Maria: Das soziale Verhalten des Kindes im ersten und 2. Lebensjahr. Wien Univ.Diss. 1938. Pawlik, Otto: Synästhesien im Bereich des Allgemeinmenschlichen untersucht an Spracherscheinungen. Wien Univ.Diss. 1949.
Schindele, Franziska: Experimente über Beziehungen zwischen Alter und Intelligenz und Warming-Up- Effekt. Wien Univ.Diss. 1961.
Schmitz, Ursula: Zur Effektivitätsprüfung von Bilderbüchern. Wien Univ.Diss. 1971.
Schöbel, Christa: Bewährungskontrolle krimineller Jugendlicher. Wien Univ.Diss. 1968.
Steinhäuser, Werner: Untersuchung über die Beziehungen zwischen Intelligenz, Schulleistung und Milieu. Wien Univ.Diss. 1957
Tschinkel, Ingeborg H.: Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Gesichts­merkmalen bei eindrucksmäßiger Beurteilung. Wien Univ.Diss. 1958. Tschinkel untersucht den Ein­druck. den ein menschliches Gesicht bei einem Betrachter hervorruft. Ob die Person die zugeschriebenen Eigenschaften tatsächlich besitzt, soll dabei völlig außer Acht gelassen werden. Sie untersucht also das Entstehen von Vorurteilen, die andere Autorinnen u.a. Asperger, als „wissenschaftliche“ Urteilskraft für sich beanspruchen.
Uhrmann, Siegfried: Zur Frage der Auswirkung der Hemisphärendominanz. Eine empirische Studie an Kindern des zehnten Lebensjahres. Wien Univ.Diss. 1972.

578 Agricola, Ingeborg: Die Entwicklung des Hortes in Österreich seit 1945. Wien Univ.Diss.1956. S 25.

579 Agricola, Die Entwicklung des Hortes in Österreich seit 1945. S 28.

580 Estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Univ.Diss. 1952.

581 lt. Lebenslauf im Anhang der Dissertation Estl: Intelligenz und sexuelle Fehlhaltungen.
„Ich wurde am 23. 11. 1917 zu Wien ... geboren. ...
Ich absolvierte anschließend die 2 jährige Fürsorgerinnenschule in Wien 8., Florianigasse 46, legte die Staatsprüfungen 1937 ab und trat im Dezember 1937 als Hauptfürsorgerin in den Dienst der Gemeinde Wien. Im Sommersemester 1936 hatte ich an der Universität Wien mit den Studienfächern Geschichte, Französisch, Psychologie inscribiert, mußte nach 5 Semestern wegen Versetzung in einen Landbezirk das Studium abbrechen.
Mit dem Sommersemester 1947 begann ich neuerlich das Studium Hauptfach Psychologie, Nebenfach Französisch und beendete es mit dem Wintersemester 1950/51.
Seit 3 Jahren arbeite ich an der heilpädagogischen Beobachtungsstation der Stadt Wien Schloß Wilhelmi­nenberg.“

582 Handbuch des Reichsgaues Wien. 63./64. Jahrgang 1941

583 Handbuch des Reichsgaues Wien 1941. S 1173.

584 Mag. Christoph Hanreich, Mag. Abt. 2 - Personalservice, Auskunft per Telefon am 19.12.2012.

585 Handbuch des Reichsgaues Wien 1941. S 627.

586 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. S 20.

587 AYAß, Wolfgang: Die Einweisung von „Asozialen“ in Konzentrationslager. Die „Aktion Arbeitsscheu Reich“ und die kriminalpolizeiliche Praxis bei der Verhängung von Vorbeugehaft. In: Sedlaczek, Diet­mar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Sta­tionen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 98.

588 Auf die Funktion der Arbeitsämter zur Identifikation und Selektion von „Asozialen“ und deren allfäl­liger Weiterführung in der „Jugendberufsfürsorge“ nach dem Krieg kann ich nicht weiter eingehen.

589 AYAß, Wolfgang: Die Einweisung von „Asozialen“ in Konzentrationslager. Die „Aktion Arbeitsscheu Reich“ und die kriminalpolizeiliche Praxis bei der Verhängung von Vorbeugehaft. In: Sedlaczek, Diet­mar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Sta­tionen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 91.

590 AYAß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Überblick über die Breite der Maßnahmen ge­gen soziale Außenseiter und die hieran beteiligten Stellen. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 53. Zit. aus den „Richtlinien zur Beurteilung der Erbge­sundheit“ vom 18. Juli 1940, die den Ausschluss von „Asozialen“ von sozialen Leistungen regelten.

591 Estl, Intelligenzuntersuchungen. S 3.

592 Estl, Intelligenzuntersuchungen. S 3.

593 Migglautsch, Stefanie: Der Schutz des Kindes im Strafrecht. Graz DA 2912. S 78.

594 Rudolf. Clarissa / Benetka, Gerhard: Zur Geschichte des Wiener Jugendamtes. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 63.

595 Rutishauser, Eugen: Psychologie der Verwahrlosung, Versuch einer Aufhellung des Phänomens. Bei­heft Nr. 5 der schweizerischen Zeitschrift für Psychologie und ihre Anwendungen. Bern 1944. S 4. Zit.: nach Estl, Intelligenzuntersuchungen. S 6.

596 Aichhorn, August: Verwahrloste Jugend. Wien 1931, S 165. Zit.: nach Estl, Intelligenzuntersuchun­gen. S 6.

597 Zaglitz, Clara: Die sittliche Verwahrlosung der weiblichen Jugend. Leipzig und Wien 1922, zitiert bei Többen, H.: Die Jugendverwahrlosung und ihre Bekämpfung. Münster i.W. 1927. S 58. Zit. in: Estl, Intelligenzuntersuchungen. S 10.

598 Seegers, Lu: Rezension zu: Buske, Sybille: Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970. Göttingen 2004, in: H-Soz-u-Kult, 15.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-036 [17.9.2011].

599 Kubinger, Klaus: Geschichte der Fakultät für Psychologie. Darin: Benetka, Gerhard: Vom Anfang bis zur Nachkriegszeit.
http://psvchologie.univie.ac.at/fileadmin/user upload/fak psvchologie/files/Geschichte der Fakult%C3 %A4t f%C3%BCr Psychologie.pdf S 7 und S 8: Sylvia Bayr-Klimpfinger hatte sich mit der Anpassung des von Charlotte Bühler und Hildegard Hetzer entwickelten Kleinkindertests für die Selektionsaufgaben der NSV beschäftigt; es war ihr aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP nach 1945 die Lehrbefugnis für Psychologie entzogen worden und sie wechselte in das Pädagogische Seminar an der Universität Wien.

600 Anette Lützke gibt an, dass bereits vor der Anordnung der Heimeinweisung die Lebensverhältnisse für die Minderjährigen seelisch in einem hohen Maße belastend waren, beispielweise wurden 17,5% der untersuchten Mädchen nachweislich vorher sexuell missbraucht. „Die Dunkelziffer ... dürfte um ein Vielfaches höher liegen.“
Lützke, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder „sitt­lich verwahrloster Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule-Essen 2002. http ://duepublico.uni-duisburg-essen. de/servlets/DerivateServlet/Derivate -11226/luetzke.pdf [13.10.2011] S 209.

601 §§ 125 bis 127, Strafgesetz 1945, [siehe Anhang].

602 Kretschmer, Ernst: Körperbau und Charakter. Berlin 1942. S 110. Nicht im Literaturverzeichnis auf­genommen.

603 AYAß, Wolfgang: Die Einweisung von „Asozialen“ in Konzentrationslager. Die „Aktion Arbeitsscheu Reich“ und die kriminalpolizeiliche Praxis be der Verhängung von Vorbeugehaft. In: Sedlaczek, Diet­mar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Sta­tionen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 102.

604 Bemerkungen zur rassistischen Dissertation von Eva Justin unter besonderer Berücksichti­gung ihrer Haltung gegenüber den darin - neben den Sinti - ebenfalls als „erblich Minderwertige“, „Pri­mitive“ und „Asoziale“ dargestellten Jenischen. S 4. http://www.sifaz.org/bemerkungen zur dissertation eva justin.pdf

605 Zillig, Maria: Gefährdete weibliche Jugend unserer Tage. Paderborn 1951. S 53.

606 Czech, Herwig: Erfassung, Selektion und „Ausmerze“. Das Wiener Gesundheitsamt und die Umset­zung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik“ 1938 bis 1945. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 41. Wien 2003.

607 AYAß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Überblick über die Breite der Maßnahmen ge­gen soziale Außenseiter und die hieran beteiligten Stellen. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Tomkowiak, Ingrid (Hg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Zürich 2005. S 60.

608 Misar (Geiger), Katja: „Vorposten des Gesundheitsamtes“. Fürsorgerinnen im nationalsozialistischen Wien. Wien DA 2006. S 60: „Die „Asozialenkommission“ richtete ihr Hauptaugenmerk auf unliebsam auffallende Frauen und Mädchen, denen vor allem „unsittlicher Lebenswandel“ und die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten vorgeworfen wurden. Die Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten, ..., und der Prostitution war eine zentrale Forderung der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik, wobei auf seit dem Ende des Ersten Weltkrieges intensiv betriebener Arbeit der kommunalen Verwaltungen aufgebaut werden konnte. Die verstärkte Verfolgung von Frauen entspricht einem seit den 30er Jahren in Deutsch­land einsetzenden Trend, den Wolfgang Ayaß als „Feminisierung in der Asozialenbekämpfung“ um­schreibt.“

609 AYAß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995. S 184.

610 Fritz, Regina: Die „Jugendschutzlager“ Uckermark und Moringen im System nationalsozialistischer Jugendfürsorge. In: Berger, Ernst (Hg.): Verfolgte Kindheit. Kinder und Jugendliche als Opfer der NS- Sozialverwaltung. Wien / Köln / Weimar 2007. S 313.

611 In Bezug auf den Begriff „Gefährdetenfürsorge“ gibt es nach 1945 nicht viel mehr als die Arbeit von Petra von der Osten über die Situation in der Bundesrepublik Deutschland:
Rudloff, Wilfried: Rezension zu: von der Osten, Petra: Jugend- und Gefährdetenfürsorge im Sozialstaat. Auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945-1968. Paderborn 2002. In: H-Soz-u-Kult, 01.04.2003. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-2-002 [11.11.2012]. „Gleich nach dem Ende des Weltkrieges regten sich in der Fürsorgefachwelt Bestrebungen, für eine gesetzliche Hand-
habe zu sorgen, um „arbeitsscheue“ Jugendliche und junge Frauen mit unsittlichem Lebenswandel zwangsweise der „Arbeitserziehung“ unterwerfen zu können. Daraus wurde zunächst nichts, wie auch die Bemühungen, zu einem weniger polizeilichen und dafür mehr fürsorgerischen Zwecken dienenden „Be­wahrungsgesetz“ zu gelangen, zunächst kein Erfolg beschieden war.
Was so als Einzelgesetz scheiterte, wurde dann, erstaunlich genug, als Bestandteil des Bundessozialhilfe­gesetzes 1961 doch noch Realität, und man kann dies als einen bemerkenswerten Erfolg des KFV [Katho­lischer Fürsorgeverein] verstehen, der auch bei diesem Gesetzgebungsvorhaben seiner Linie weitgehend zum Durchbruch verhalf. Von der Osten legt freilich nahe, dass es sich dabei um einen Pyrrhussieg han­delte. Denn der Rückgriff auf tradierte inhaltliche Positionen ließ hier - wie in der Gefährdetenfürsorge ganz allgemein - „die Kluft zu gesellschaftlichen Grundüberzeugungen über die Jahrzehnte immer größer werden“. Dass 1967 das Bundesverfassungsgericht [in der BRD] die Zwangseinweisung von Gefährdeten nach dem BSHG für grundrechtswidrig erklärte, war hiefür ein deutliches Zeichen. Die traditionellen patriarchalischen Fürsorgemodelle trugen nicht mehr.“

612 Benetka, Gerhard / Rudolph, Clarissa: Zur Geschichte der Einbindung psychologischer Testverfah­ren in den Kontext der Wiener Jugendfürsorge während der NS-Zeit. http://sfu.ac.at/psychologie/index.php?id=18 [20.6.2012]

613 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 48. Inwieweit auch die Erwachse­nen bereits wegen dieser „Augenblicksbezogenheit“ als depraviert zu gelten haben und eine Verwahrung in einem Heim angezeigt wäre, wird an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.

614 „Nach dem heutigen Erkenntnisstand sind sexualisierte Verhaltensweisen bei Opfern sexueller Gewalt keineswegs ungewöhnlich, wobei sie jedoch keine erhöhte sexuelle „Triebhaftigkeit“ vermuten lassen, sondern lediglich zeigen, wie das Bedürfnis der Mädchen nach Nähe, Wärme und emotionaler Zuwen­dung bisher in sexualisierter Form ausgenutzt wurde.“ LÜTZKE, Annette: Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder „sittlich verwahrloster Mädchen und junger Frauen. Dissertation an der Universität-Gesamthochschule-Essen 2002. http ://duepublico.uni-duisburg- essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-11226/luetzke.pdf [13.10.2011] S 210.

615 Ernst Berger - Mitteilung in einem e-mail am 13. 1. 2013. Berger, Ernst: Psychosen nach schwerer Traumatisierung -Das Ophelia-Syndrom. Med. f. Mensch. Behind. 2, 23-25, 2005.

616 Willing, Matthias: Das Bewahrungsgesetz. Eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deut­schen Fürsorge. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 42. Tübingen 2003.

617 Ebbinghaus, Angelika (Hg.): Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien des Nationalsozialismus. Nördlingen 1987. S 9.

618 Dr. Karl Ourednik, (Leiter des Jugendamtes von 1963 bis 1967) Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 1.3.2.202.A22 Personalakten 11995 (Dr. Karl Ourednik)

619 Ourednik hat nicht nur den Kommentar zu sämtlichen Gesetzen des Wiener Jugenwohlfahrtsrechtes verfasst, er ist auch einer der beiden Herausgeber eines repräsentativen Bandes zu Jugendrecht und Ju­gendwohlfahrt: Ourednik, Karl / Schuppich, Walter (Hg.): Jugendrecht und Jugendwohlfahrt, Eine Sammlung der wichtigsten einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Erlässe nach dem Stande der öster­reichischen Gesetzgebung vom 1. April 1951. Handausgabe österreichischer Gesetze und Verordnungen. Neue Folge Band 20 Wien 1951.

620 Dieser Passus wurde nicht in nationalsozialistischer Zeit, sondern aus Sparsamkeit zur Schonung der Mittel schon Anfang der 1930er Jahre in das RJWG eingefügt. Diese Einschränkung war Ausdruck der Krise der Fürsorgeerziehung Ende der 1920er Jahre. „Im so genannten Ricklinger Fürsorgeprozess muss­ten sich 1930 drei Ricklinger Erzieher wegen gefährlicher Körperverletzung von Zöglingen verantworten. Dieser Strafprozess erregte großes Aufsehen, da ein Gericht erstmalig Fürsorgezöglingen Recht zusprach und Erzieher zu Gefängnisstrafen verurteilte.“ (Klappentext)
Banach, Sarah: Der Ricklinger Fürsorgeprozess 1930. Evangelische Heimerziehung auf dem Prüfstand. Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich Verlag, 2007.
Erstaunlicherweise wurde dieser Skandal von der kommunistischen Presse nicht nur gegen die Kirche, sondern vor allem gegen den „Hauptfeind Sozialdemokratie“ funktionalisiert.
Schilde, Kurt: Rezension zu: Banach, Sarah: Der Ricklinger Fürsorgeprozess 1930. Evangelische Heim­erziehung auf dem Prüfstand. Opladen & Farmington Hills 2007, in: H-Soz-u-Kult, 08.07.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-3-019 [30.11.2012]
Bei der Internet-Recherche kann man auf unglaubliche Funde stoßen: Ein Christian Wollschläger, offen­bar ein bedeutender deutscher Rechtsgelehrter, gab im Jahre 2000(!) die „Schriften des genialen Mannes Franz Wieacker“ heraus, der Band mit dem Titel „Zivilistische Schriften“ soll unveröffentlichte Schriften aus der NS-Zeit 1934-1942 dem interessierten Publikum zugänglich machen und die Geschichte der Zi­vilrechtswissenschaft der NS-Zeit sollte wegen ihrer Bedeutung für das Denken der Gegenwart neu ge­schrieben werden. Marianne Estl findet in diesem Werk einen Gleichgesinnten, auch er hat eine Idee, wie man die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 4.11.1932, der zufolge die Fürsorgeerziehung bei Aussichtslosigkeit unterbleiben solle (§ 63 RJWG) für weitergehende Zwangsmaßnahmen nutzen könnte. Im Kapitel „Zum gegenwärtigen Stand des Jugendhilferechts“ (1939) heißt es: „Für diese Erziehung scheiden auch biologisch Minderwertige und Unerziehbare aus, die in die Bewahrung gehören, wenn sie gemeinschädlich sind, und sonst in andere Anstalten.“

621 Auch „Schwachsinnigenfürsorge“ ist kein gängiger Begriff. Unter
http://search.obvs g.at/primo library/libweb/action/search.do?vid=ACC finden sich Treffer v. a. aus den Jahren 1908 bis 1912, Berichte der österreichischen Konferenzen der Schwachsinnigenfürsorge, und eine Arbeit über „Schwachsinnigenfürsorge und Hilfe für das geistig behinderte Kind: eine Analyse der Zeit­schrift für das Idiotenwesen‘“ aus dem Jahre 1930.

622 Estl, Marianne: Überlegungen zum neuen Jugendwohlfahrtsgesetz aus psychologischer Sicht. In: information zur bildung und fortbildung für erzieher und sozialarbeiter 2/1979. GZ11.18-01-07. S 48.

623 Estl, Marianne: Überlegungen zum neuen Jugendwohlfahrtsgesetz aus psychologischer Sicht. In: information zur bildung und fortbildung für erzieher und sozialarbeiter 2/1979. GZ11.18-01-07. S 48.

624 Jahrbuch der Stadt Wien. 1954 in zwei Teilen. I. Die Verwaltung der Stadt Wien im Jahre 1954. II. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien für das Jahr 1954. S 96..

625 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987. S 49.

626 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987. S 49.

627 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. Wien 1987. S 49.

628 Edlinger, Birgit: Über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Bildung bei verwahrlosten Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Erziehungsinstitutionen heute. Am Bespiel von Institutionen der Stadt Wien. Wien DA 1993. S 86.

629 Schmidt, Heike: „... vom ganzen Elend einer trüben allzufrüh entfachten Sinnlichkeit“ - Hamburger Anstaltserziehung für „verwahrloste“ Mädchen, 1887-1932. In: Benninghaus, Chrisina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind .“. Beiträge zur Geschlechtergeschichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999. S 209.

630 Estl, Marianne: Die neurotische Verwahrlosung jugendlicher Mädchen. In: Soziale Berufe. 15. Jahr­gang Nr. 12 Jänner Februar 1963. S 12-18. S 18.

631 Estl, Marianne: Die neurotische Verwahrlosung jugendlicher Mädchen. In: Soziale Berufe. 15. Jahr­gang Nr. 12 Jänner Februar 1963. S 12-18. S 18.

632 Estl, Marianne: Die neurotische Verwahrlosung jugendlicher Mädchen. In: Soziale Berufe. 15. Jahr­gang Nr. 12 Jänner Februar 1963. S 12-18. S 18.

633 Koller, Hermine: Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher unter Berücksichtigung ihrer Einstellung zu den verschiedenen Lebensbereichen (Anhang: Fallgeschichten). Dissertation Psy­chologie. Wien 1962.

634 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. Walter Prohaska dankt im Vorwort Frau Senatsrätin Dr. Koller, der Leiterin des Dezernates Psy­chologischer Dienst für die Vorbereitung dieser Publikation.

635 Diese 463 Seiten sind ohne Rechtschreibfehler, ohne stilistische Fehler und fast ohne Tippfehler.

636 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 9.

637 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst.

638 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst.

639 Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialismus. Univ. Diss Wien 2007. S 225.

640 „Eine der klassischen Methoden zu Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten war die Internie­rung von infizierten, pauschal der Promiskuität oder gar der Prostitution verdächtigten Frauen. ... Die Stigmatisierung als „asozial“ war hier [bei den Frauen] stark von (pseudo)-medizinischen Kriterien ge­prägt.“ Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialismus. Univ. Diss Wien 2007 S 225.
„Worum es den Behörden ging, war ein umfassender Versuch, ausgehend von der Prostitution „hem­mungslosen“ oder „ungezügelten“ außerehelichen Geschlechtsverkehr möglichst weitgehen unter Kon­trolle zu bringen und systematisch zu reorganisieren. Letztlich ging es um die Durchsetzung einer eindeu­tigen Ordnung der Geschlechter .“ Czech, Herwig: Ärzte am Volkskörper. Die Wiener Medizin und der Nationalsozialismus. Univ.-Diss Wien 2007 S 230.

641 Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Verwaltungsbericht. Wien 1953. S 104.

642 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien o.J. 1990. S 18.

643 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 182.

644 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 54.

645 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 77.

646 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 8. Einleitung, Leiter des Jugend­amtes Obersenatsrat Dr. Walter Prohaska

647 Wolschansky, Hans: Jugendwohlfahrt. Schriftenreihe Verwaltung der Alpen- und Donau­Reichsgaue. Band 14. Wien 1942. S 40ff

Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 54.

648 Magistrat der Stadt Wien (Hg.): Jahrbuch der Stadt Wien 1963. Wien 1964. S 59.

649 Es ist unwahrscheinlich, dass die ökonomische Auslastung der Heime, viele davon konfessionell ge­führt, keine Rolle bei den Überlegungen spielte.

650 Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisie­rung 1945-1980. Göttingen 2002. S 37.

651 Herbert, Wandlungsprozesse. S 39.

652 Während Heimerziehung in der Gegenwart weitgehend abgelehnt wird, erscheint 2008 in Deutschland in einem Caritasnahen Verlag ein Reader zur Kinder- und Jugendhilfe, dessen erster Aufsatz sich mit „Anstaltserziehung und die Hilfen zur Erziehung - Bewährtes erkennen und zeitgemäß umsetzen“ be­schäftigt, in einem anderen Aufsatz eine „fortschreitende Versachlichung im kämpferischen Diskurs“ um die „geschlossene Unterbringung“ begrüßt und einen weiteren, der sich um „Weiterentwicklung der Heimerziehung zu neuen Formen“ bemüht. Knab, Eckhart (Hg.): Die vernachlässigten Hoffnungsträger. Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe. Freiburg im Br. Lambertus 2009.

653 „Die nationalsozialistische Ideologie war gegen die Unterstützung von Minderwertigen und Erbun­tüchtigen.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. S 18.

654 „Um Fürsorgerinnen über die Grundlagen der Erziehungsberatung zu informieren hielt ... Winkel­mayer im Jahre 1935 einen Kurs ab. ... Aufgabe der Fürsorgerinnen war es, die leichteren Probleme selbst zu lösen und schwierigere Fälle sowie alle jene Fälle, in denen Anstaltsunterbringung in Erwägung stand, soweit vorzubereiten, daß dem Erziehungsberater die zur Beurteilung nötigen Informationen zur Verfügung standen.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 19.

655 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 36.

656 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt.

657 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. S 20.

658 Ergänzung zur Dienstanweisung für die Fürsorgerinnen der städt. Bezirksjugendämter (Sprengel­fürsorgerinnen) zu Mag.Abt. 11- II/12/50. Wien, am 19. Juli 1950.

659 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. S 52.

660 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 20. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1973. S 53. Löwendahl, Judith: Fünf Jahre Kinder- und Jugendpsy­chologische Beratungsstellen.

661 Stadt Wien, Presse- und Informationsdienst (PID) (Hg.): 50 Jahre Psychologischer Dienst der Stadt Wien. 1919-1969. S 5.

662 Koller erwähnt in ihren „Fallgeschichten“ unzählige Verlegungen ihrer „Verwahrlosten“. Welche pädagogischen Gründe könnten dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass die Kinder zwischen 6 und 11 mal während ihrer Heimkarriere diesen winzigen Rest von Identität, von „Heimat“, der vielleicht in einer freundlichen Küchenaufseherin oder in einer minimalen Sozialstruktur unter einigen Kindern bestand, 6 bis 11 mal in den Jahren ihres Heranwachsens verlieren mussten?

663 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 30. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1983. S 4.

664 Koller, Hermine: Drittgeborene Kinder Benedikts. Geschichte und Gegenwart der Benediktinerobla­ten. Studien zur monastischen Kultur, Band 2. EOS-Verlag o.O. 2009.

665 Wurzbacher, Gerhard / Jaide, Walter / Wald, Renate / von Recum, Hasso / Cremer, Marlies: Die junge Arbeiterin. Beiträge zur Sozialkunde und Jugendarbeit. München 1958. 439 S.

666 ZILLIG, Maria: Gefährdete weibliche Jugend unserer Tage. Paderborn 1951.

667 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 102.

668 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 182.

669 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 174.

670 Während der Abfassung meiner Arbeit deckte die österreichische Tageszeitung „Kurier“ (Heimkinder schufteten für Swarovski, 14.8.2012) einen neuen „Skandal“ auf: Junge Frauen, auch werdende Mütter, seien - ohne Bezahlung - in der Erziehungsanstalt St. Martin in Schwaz in Tirol zur Zwangs-Akkord­Arbeit für die Firma Swarovski und anderen Firmen eingesetzt worden. Diese Meldung wurde von zahl­reichen anderen, auch ausländischen Medien übernommen.
An Hand dieses Beispiels lässt sich sehr überzeugend das Verhältnis von Skandal und Realität darstellen: Koller schlägt in ihrer Dissertation vor, für die Insassinnen im (geschlossenen) Heim Fließbänder einzu­richten, an denen diese Insassinnen (vermutlich) Unbrauchbares, nämlich „Kartonagen“ in unbezahlter Zwangs-Akkord-Arbeit produzieren sollen, um „die Arbeitserziehung der Jugendlichen“ zu gewähr­leisten. Es handelte sich - nach der Aufzählung Kollers in ihren Fallgeschichten um gerade schulentlasse­ne Mädchen und junge Frauen, die überhaupt nicht mit dem Strafrecht in Konflikt gekommen waren, sondern allenfalls drei Wochen lang (Hanni) arbeitslos waren und deshalb als „verwahrlost“ verhaftet worden waren. Der Arbeitszwang in den Heimen ohne Bezahlung, ohne jeden rechtlichen Schutz, ohne Sozialversicherung, ist niemals als Geheimnis verborgen worden, sondern energisch als Erziehungsmaß­nahme verlangt worden. Selbstverständlich wurden allfällige Einkünfte der Zöglinge nicht an sie weiter­gegeben, sondern - bis auf ein winziges Taschengeld - als Beitrag zum Unterhalt einbehalten.

671 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 110: „Die Entweichungen aus den Heimen hatten vor allem den Zweck, Burschen zu treffen und Vergnügen nachgehen zu können. Gelang es einem Mädchen, längere Zeit vom Erziehungsheim wegzubleiben, so fand es zumeist Unter­kunft bei der Mutter, die vorerst alles tat, um die Tochter bei sich behalten zu können; nur vereinzelt wurde berichtet, dass die Mutter die Tochter in das Heim zurückgebracht hatte.“ Koller kann sich hier nicht so recht entscheiden: flüchteten die Mädchen zu ihren Müttern oder zum Zweck „Vergnügungen nachgehen zu können“?

672 Estl, Marianne: Intelligenzuntersuchungen an sexualdepravierten jungen Mädchen. Wien Univ.Diss. 1952. S 37.

673 „Bekanntlich stellen die Bezirksjugendämter (Jugendfürsorgereferate) den Antrag auf Einweisung in die Fürsorgeerziehung an die zuständigen Vormundschafts- bzw. Jugendgerichte. Das Gericht spricht dann die Verhängung der Fürsorgeerziehung aus und es gibt unter den 800 Fürsorgeerziehungsfällen der Jahre 1945 bis 1950 nur einige wenige, in denen das Gericht dem Antrag zunächst nicht zugestimmt hat.“ Tumlirz, Otto: Die Jugendverwahrlosung. Ihre psychologischen, pädagogischen und sozialen Probleme. Graz / Wien 1952. S 90.

674 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 522.

675 Moser, Gabriele: Rezension von: Ley, Astrid: Zwangssterilisation und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-1945, Frankfurt/M. 2004. In: sehepunkte 5 (2005), Nr. 1 [15.01.2005], http://www.sehepunkte.de/2005/01/6079.html [12.8.2012]

676 Ralser, Michaela / Bechter, Anneliese / Guerrini, Flavia: Geschichte der Tiroler und Vorarlberger Erziehungsheime und Fürsorgeregime der 2. Republik - Eine Vorstudie, erstellt im Auftrag der Länder Tirol und Vorarlberg. Forschungsbericht 2012. S 24.

677 Engels, Helma: Jugendschutz, in: Jugendschutz, I Heft 7-8, 1956, S 2.6, S 3. Zit. nach Ubbelohde, Julia: Der Umgang mit jugendlichen Normverstößen. In: Herbert, Ulrich (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen 2002. S 403-434. S 404.

678 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 102.

679 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 78.

680 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 88.

681 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 89. Auf Seite 179 heißt es je­doch: „viele von ihnen gingen mehrmals wöchentlich ins Kino.“

682 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 90.

683 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 91.

684 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 93. Wenn es gegen Mütter geht, darf man schon ein bisschen pauschalieren.

685 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 96.

686 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 102. Nicht einmal zur Heirat waren die Mädchen gut genug.

687 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 111.

688 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 113.

689 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 5: „Diese systematisch Erfor­schung des Problems der Störung der sozialen Anpassung muss zur Grundlage der Sozialarbeit werden, deren Aufgabe die Verhütung, bzw. Beseitigung derart negativen abweichenden Verhaltens ist.“
Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 78: „Die Mädchen beharrten in den von ihnen gewählten, von den gesellschaftlichen Normen abweichenden Lebensformen.“

690 Das Mädchenheim in der Rochusgasse 8 war in dieser Zeit für diesen Zweck vorgesehen. Für männli­che Jugendliche gab es das „Durchzugsheim der Stadt Wien - Im Werd“ im 2. Bezirk. Handbuch der Stadt Wien 1954. S 393.

691 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. S 38.

692 Akermann, Martina / Furrer, Markus / Jenzer, Sabine: Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Luzern, unter der Leitung von Markus Furrer, pdf-Ausgabe, Luzern 2012.

http ://www. disg. lu. ch/schlussbericht_aufarbeitung_kinderheime_120731 .pdf

693 Wie bereits zitiert, war - in der Bundesrepublik - Mädchenerziehung in Heimen grundsätzlich eine „geschlossene“ und zwar aus ideologischen Gründen, nicht wegen abfälliger Gewaltbereitschaft der Mädchen. Schäfter und Hocke: Mädchenwelten. S 121.

694 Mattl, Siegfried: „Aufbau“ - eine männliche Chiffre der Nachkriegszeit. In: Brandhauer- Schöffmann, Irene / Hornung, Ela (Hg.): Wiederaufbau weiblich. Dokumentation der Tagung „Frauen in der österreichischen und deutschen Nachkriegszeit“. Wien-Salzburg 1992.

695 Thurner, Erika „Genossinnen, bleiben sie die Frauen, die wir lieben!“. Sozialistische Frauen zwi­schen Beharrung und Wandel. In: Zeitgeschichte 19. Jahrgang (1992), 7/8, S 254.

696 Mattl, Siegfried: Die Rückkehr der Liebe. Wissensproduktion zur „Frauenfrage“ im Österreich der 40er und 50er Jahre. In: ÖZPW 1987 Heft 4 S 363-377. Zit. nach Thurner, Sozialistische Frauen zwi­schen Beharrung und Wandel (1992), S 243.

697 „Es besteht im sozialarbeiterisch-pädagogischen Bereich die Gefahr, daß Sozialarbeiterinnen die Be­wertungsmaßstäbe derjenigen Gruppe anwenden, der sie sich zugehörig fühlen, d.h. diejenigen Normen als Maßstab verwenden, die sie selbst für sich als richtig erkannt zu haben glauben. Damit verbunden ist die Gefahr, daß das gleiche Verhalten von verschiedenen Sozialarbeiterinnen unterschiedlich sanktioniert wird. Dieses Risiko scheint bei der Beurteilung von sexuellem Verhalten besonders groß zu sein, da hier wie in keinem anderen Bereich eine derart weiter Beurteilungsspielraum gegeben ist.“ Schäfter und Hocke, Mädchenwelten. S 36/37.

698 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Gesellschaft Jugend und Jugendwohlfahrt im Wandel der Zeit. [Wien 1989]. S 25.

699 Winter, Gerd: Sozialer Wandel durch Rechtsnormen, erörtert an der sozialen Stellung unehelicher Kinder. Berlin 1969. S 50.

700 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 226.

701 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 228.

702 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 521.

703 „The United States Declaration of Independence, which was primarily drafted by Jefferson, was adopted by the Second Continental Congress on July 4, 1776. The text of the second section of the Decla­ration of Independence reads,
We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their creator with certain inalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“ Zit. aus wikipedia

704 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 522.

705 PAWLIK, Otto: Berufsberatung als Zwang und Monopol? In: Soziale Berufe 11. Jahrgang Nr. 2 Feber 1959. S 37- 39. S 37.

706 PAWLIK, Otto: Berufsberatung als Zwang und Monopol? In: Soziale Berufe 11. Jahrgang Nr. 2 Feber 1959. S 37- 39. S 37.

707 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang S 110.

708 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 7.

709 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 2.

710 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 5.

711 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 9.

712 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 6.

713 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 5.

714 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 6.

715 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 520.

716 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 18.

717 Immer wieder wurden Jugendliche aufs Land geschickt, wo man die „heile Welt“ vermutete, ungeach­tet der dramatischen Landflucht: in den Nachkriegsjahrzehnten verringerte sich der Anteil der landwirt­schaftlich tätige Bevölkerung von 30 auf wenige Prozent. „Die Ausbildung in der Landwirtschaft mußte im Jahre 1970 eingestellt werden. Geringes Interesse herrschte bei den Jugendlichen auch für andere traditionelle Lehrberufe wie Schuster und Schneider.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 58.

718 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 21.

719 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 31.

720 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 35.

721 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 38. ergänzen

722 Schmidt, Heike: „. vom ganzen Elend einer trüben allzufrüh entfachten Sinnlichkeit“ - Hamburger Anstaltserziehung für „verwahrloste“ Mädchen, 1887-1932. In: Benninghaus, Chrisina und Kohltz, Kerstin (Hg.): „Sag mir, wo die Mädchen sind .“. Beiträge zur Geschlechtergeschichte der Jugend. Köln Weimar Wien 1999. S 193.

723 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang. S 46.

724 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 56.

725 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 67.

726 „Nach den Vorwürfen eines ehemaligen Wiener Heimkindes, 1964 zu Therapiezwecken mit Malaria infiziert worden zu sein, werden ähnliche Anschuldigungen nun auch in Tirol erhoben. „Hier sind Mäd­chen, einfach weil behauptet wurde, sie onanieren oder sind sexuell übererregt, niedergespritzt worden“, kritisierte Historiker Horst Schreiber im Ö1-„Morgenjournal“ am Mittwoch; Schreiber ist Initiator und Mitglied der Heim-Untersuchungskommission in Tirol. Sein Vorwurf richtete sich vor allem gegen die bereits verstorbene Maria Nowak-Vogl, bis 1987 Leiterin der Innsbrucker Kinderpsychiatrie. Sie soll bis Ende der 1970er-Jahre Epiphysan, ein Mittel aus der Tiermedizin, angewandt - und Kinder auch mit Röntgenstrahlen behandelt haben. Besonders Heimkinder seien betroffen gewesen. Nowak-Vogl sei „eine der Schlüsselfiguren mit ihren Gutachten und Diagnosen“ gewesen, um Kinder in Heimen unterzubrin­gen, so Schreiber.“ Horst Schreiber zitiert in: "Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2012.
„Der Innsbrucker Historiker Horst Schreiber, der sich seit Jahren mit der Aufklärung der Tiroler Kinder­heim-Geschichte befasst, kennt auch den Fall Hanni P. Er hat die Akten der psychiatrischen Kinderbeo­bachtungsstation gesichtet. „Ja, sie wurde mit Epiphysan behandelt und zwar gegen Triebhaftigkeit, wie Nowak-Vogl das nannte“, sagt Schreiber. Und das im Alter von sechs Jahren. KURIER 18.8.2012. http://kurier.at/nachrichten/4508691-heimkind-wurde-von-soldaten-vergewaltigt.php

727 Asperger, Hans: Heilpädagogik. Einführung in die Psychopathologie des Kindes für Ärzte, Lehrer, Psychologen, Richter und Fürsorgerinnen. Wien 2. Aufl. 1956. S 75: „ ... Cesare Lombroso ... stellte den Begriff des Delinquente nato“, des „geborenen Verbrechers“ auf, dessen weibliches Gegenstück die „Prostituta nata“ darstelle.“

728 Experteninterview [siehe 9.4., Anmerkung]

729 „Im Untersuchungszeitraum (1950 bis 1980er Jahre finden wir in Wien eine Heilpädagogische Station (Leitung Prof. Asperger) an der Kinderklinik der Universität Wien, ... In den Gutachten, die das Wiener Jugendamt zu Heimkindern einholt, fällt vor allem die hohe Präsenz eines Oberarztes ... auf.“ Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erziehungs­heimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 33. Siehe auch Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichischer Jugendamtspsychologen. Wien 1972. S 8 - 10: „Herr Oberarzt Dr. Paul Kuszen ...“

730 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 78

731 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 78f.

732 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 74.

733 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 84.

734 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 86.

735 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 91.

736 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 100.

737 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 94.

738 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 111.

739 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 109.

740 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 123.

741 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 133.

742 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 129-138.

743 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 142.

744 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 159.

745 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 168.

746 Misar (Geiger), Katja: „Vorposten des Gesundheitsamtes“. Fürsorgerinnen im nationalsozialistischen Wien. Wien DA 2006. S 67-79.

747 Weissenborn, Answin: Drei Deka Fürsorge. Zur Berufsgeschichte der Sozialarbeit. Aus einem Ge­spräch mit Answin Weissenborn. http://www.dowas.org/index.php/iahrbuch05/43-drei-deka-fuersorge [5.12.2012]

748 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 175.

749 Meine Tante Berta Czipke erkrankte wegen der schlechten Lebensbedingungen des Proletariats an Tuberkulose, die sich in der Haft im Austofaschismus und durch den Hunger in der rassischen Verfol­gung verschlimmerte; die Reste dieser Krankheit wurde zum Anlass genommen und es wurde versucht ihre Pragmatisierung im Jugendamt zu verhindern, was ihre Entlassung bedeutet hätte. Nur die Interven­tion eines Abgeordneten zum Nationalrat hat das verhindert. In den letzten 10 Jahren ihrer Dienstzeit blieb sie keinen einzigen Tag krankheitsbedingt dem Dienst fern.

750 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 172.

751 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 173.

752 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 176.

753 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 178.

754 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 183.

755 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 199.

756 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 208.

757 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 212.

758 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 217.

759 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 217.

760 Es handelte sich vermutlich um ein Jugendheim (als Durchzugsstelle), das der Polizeidirektion unter­stand und das es so nur im Wien gab. Zit. nach http://austria-lexikon.at/ebook/wbin/ambrosius.html

761 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 220.

762 Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Analyse von Kinder- und Jugendheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974].

763 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 221.

764 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 221.

765 Nach dem Jugendgerichtsgesetz 1961 konnte nach bedingter Verurteilung unter gewissen Umständen die Einweisung in eine Erziehungsanstalt erfolgen, in Kaiserebersdorf und Wiener Neudorf besteht je eine Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige. Zit. nach http://austria-lexikon.at/ebook/wbin/ambrosius.html Nach welchem Straftatbestand, „Psychiatrische Probleme der Mutter“ etwa, Doris verurteilt hätte werden können, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar.
In Wiener Neudorf befand sich davor das Arbeitshaus für Frauen, möglicherweise eignete sich „Wiener Neudorf“ deshalb so gut als Drohung. Das Arbeitshaus für Verurteilte weiblichen Geschlechts war 1957 nach Maria Lankowitz verlegt worden. Foregger, Egmont / Kunst, Günther (Hg.): Das österreichische Strafvollzugsgesetz (StVG.). Wien 1970. S 252.

766 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 235.

767 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 232.

768 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 236.

769 Auch in Deutschland gibt es für die Zeit nach 1945 nur Hinweise in den beiden einzigen Arbeiten zum Thema „Arbeitshaus“:
AYAß, Wolfgang: Das Arbeithaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorge­empfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874-1949). Kassel 1992. Elling-Ruhwinkel, Elisabeth: Sichern und Strafen. Das Arbeitshaus Benninghausen (1871-1945). For­schungen zur Regionalgeschichte. Bd. 51. Paderborn 2005.

770 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 239-247.

771 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 24.

772 Psychologischer Dienst der Stadt Wien (Hg.): Bericht über die 19. Arbeitstagung österreichi­scher Jugendamtspsychologen. Wien 1972. S 8 -10: „Herr Oberarzt Dr. Paul Kuszen ergänzte ... vom Standpunkt des Heilpädagogen: Die Zusammenarbeit der Heilpädagogischen Station der Universitäts­Kinderklinik mit dem Jugendamt der Stadt Wien und dessen Institutionen hat eine jahrzehntelange Tradi­tion; ... fortgesetzt unter Asperger nach dem zweiten Weltkrieg, der das Team komplettiert hat [unter anderem mit Dr. Franz Wurst]; deren Arbeit fortzusetzen ist mir Ehre und Verpflichtung. ... Die Kritik an Erziehungs- und Fürsorgeeinrichtungen .Die nur zersetzende Kritik tut aber ihre Wirkung umso mehr als sich der einzelne, der brav seine Arbeit tut, gar nicht wehren kann. Von diesen Kritikern wird überse­hen, daß man es ja vielfach mit defekten Persönlichkeiten zu tun hat. ... Die Gefahr liegt darin, daß der Verzicht auf Maßnahmen ... als Schwäche ausgelegt wird, ... mit dem Bazillus der Dissozialität infiziert werden. ... Unterstützen kann man die pädagogische Situation nur durch Medikamente. Die Psychophar­maka und Sedativa können gelegentlich das Kind der Pädagogik zugänglicher machen, sie können sie nicht ersetzen.“

773 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 246. „Zöglinge der Durchzugsheime durften nach der Heimordnung aus dem Jahre 1955 nur einmal wöchentlich ihren Ange­hörigen schreiben, den Brief hatten sie ohne Marke der Heimmutter zur Weiterbeförderung zu überge­ben.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 56.

774 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 257.

775 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 252/253.

776 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 254.

777 Wegen der relativ milden Sicht auf diesen Fall - immerhin hatte das Mädchen seit ihrem 12. Lebens­jahr sexuelle Beziehungen - und aufgrund gelegentlicher Andeutungen in den anderen Texten vermute ich, dass die eindeutige Zuordnung zu einem Mann, für den sie praktischerweise gleich „ordentlich zu sorgen“ hätte, als moralisch wertvoller erachtet wurde, als freie soziale Kontakte im Umfeld und Gesel­ligkeit unter Einschluss von „mehreren Männerbekanntschaften“.

778 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 269.

779 In einem der mir vorliegenden Katechismen wird auch „Sport“ als „Sünde“ bezeichnet:
Klement, Johannes: Katholischer Katechismus. Wien / München 3. Auflage 1961 1962. S 202: „Gegen Leib und Leben sündigt, ... .durch übertriebenen Sport, ... Eine furchtbare Sünde ist es, sich selbst das von Gott gegebene Leben zu nehmen. Der Selbstmörder, der sich bei vollem Bewußtsein das Leben nimmt, entehrt den Herrn über Leben und Tod aufs schwerste; .,
S 204: „Wir denken nach, ... - wann der Sport erlaubt und wann er sündhaft ist; - weshalb der Selbstmord eine schwere Sünde ist; ... Gegen das eigene Leben sündigt, wer ... sich selbst das Leben nimmt. Wir wollen für das Reich Gottes leben ... uns nicht verweichlichen, nicht wehleidig sein; ... nicht übermäßig Sport betreiben, .“

780 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 271.

781 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 260.

782 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 263.

783 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 268.

784 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 274.

785 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher, Anhang S 276.

786 Dieser Begriff stand schon in der Ersten Republik in Verwendung: Am Wiener Berufsberatungsamt lagen „Schülerkarten“ auf, mit Angaben über Schüler und Schülerinnen, über die „vom Berufsanwärter erstmalig bei der Berufsberatung geäußerten Berufswunsch, seinen tatsächlich ergriffenen Beruf und den Vaterberuf‘. Mann, Werner: Beitrag zur Analyse der Berufswahl der Schulmündigen. In: Psychologische Rundschau. Band 2. Jahrgang 1951. S 29-38. S 30. http://www.sulb.uni- saarland.de/uni/zeitschriften/psy rs/1951/PR 1951.pdf

787 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 44.
Gemeint ist u.a., dass die Zöglinge von Wärterinnen vom Heim ins Institut und zurückzubringen gewesen wären (ob dabei ein Strick verwendet hätte werden müssen, ist nicht überliefert) und der zeitliche Ablauf im Heim gestört worden wäre. Mit den gleichen Argumenten wurde auch der Besuch von Schulen außer­halb des Heimes abgelehnt und so nicht nur der Besuch von weiterführenden Schulen, sondern sogar der Besuch des A-Zuges der Hauptschule unmöglich gemacht.
Leirer, Irmtraud / Fischer, Rosemarie / Halletz, Claudia: Verwaltete Kinder. Eine soziologische Ana­lyse von Kinder- und Jugendheimen im Bereich der Stadt Wien. Institut für Stadtforschung Wien o.J. [1972/1974].

788 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 49.

789 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 6.

790 „Für die Verhaltensbeobachtung an Kindern erwiesen sich die Einrichtungen der Fürsorge als ideal, insbesondere die Kinderübernahmsstelle mit ihrem Boxensystem aus Glas.“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): Von der Erziehungsberatung zum Psychologischen Dienst. Wien 1990. Walter Prohaska dankt der Frau Senatsrätin Dr. Koller, der Leiterin des Dezernates Psychologischer Dienst, für die Vorbe­reitung dieser informativen Publikation. S 17.

791 Mesner, Maria: Rezension zu: Pawlowsky, Verena: Mutter ledig - Vater Staat. Das Gebär- und Findelhaus in Wien 1784-1910. Innsbruck 2001, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2002, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/NG-2002-049 [23.8.2012]

792 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 45.

793 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 46.

794 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 32/33.

795 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 35.

796 Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 37. Die Zahl der bei Luftangriffen getöteten Personen in Wien wird sehr wohl erwähnt.

797 Henkelmann, Andreas: Die Entdeckung der Welt - Katholische Diskurse zur religiösen Heimerzie­hung zwischen Kriegsende und Heimrevolten (1945 - 1969). In: Damberg, Wilhelm u.a. (Hg.): Mutter Kirche - Vater Staat? Geschichte, Praxis und Debatten der konfessionellen Heimerziehung seit 1945. Münster 2010 Zit. nach: Fuchs, Robert (Hg.) im Auftrag des Arbeitskreises zur Aufarbeitung der Heim­erziehung im Land Bremen: „Und keiner hat sich gekümmert“. Dokumentation zur Geschichte der Bre­mer Heimerziehung 1945-1975. Bremen 2012. S 27.

798 „Die Verlängerung der Jugendzeit durch längeren Schulbesuch einerseits und Vorverlegung der biolo­gischen Reife andererseits führten zu einer Statusunsicherheit der Jugend, die es den Erwachsenen schwer machte, mit dieser Jugend umzugehen. Dies umso mehr, als sich bei den Erwachsenen ein Phänomen bemerkbar machte, das in seiner späteren Ausprägung als „Infantilisierung“ zu bezeichnen ist (saloppes Verhalten, Lotto- und Totospiel, Autofetischismus usw). Damit fehlten den Jugendlichen auch die Model­le zur Identitätsfindung. Die Jugendlichen reagierten darauf mit verstärkter Zuwendung zur Jazzmusik[!], ...“ Jugendamt der Stadt Wien (Hg.): 70 Jahre Wiener Jugendamt. S 48.

799 Urbaner, Eva: „und weil die Naturbestimmung des Weibes Liebe und Mutterschaft ist (...), deshalb ist ihr die Produktivität auf wissenschaftlichem Gebiet versagt“ Das Frauenbild im Werk des Grazer Pä­dagogik Professors Otto Tumlirz und die „wesensgemäße“ Mädchen- und Frauenbildung im Nationalso­zialismus. Diplomarbeit Graz 2001.

800 Tschinkel, Gernot: Der geistige Anschluss - die Nazifizierung des österreichischen Wissenschaftsbe­triebes im Bereich der Philosophie anhand ausgewählter Beispiele. Diplomarbeit Graz 2009.

801 Tumlirz, Otto: Anthropologische Psychologie. Berlin 1939. S 8. Zit. nach Tschinkel, Der geistige Anschluss. S 60. Dass die Rassentheorien Tumlirz nicht jene abgrundtiefe Widerlichkeit erreichen, die z.B. die Schriften von Rudolf Steiner auszeichnen, ist ebenfalls nicht Gegenstand dieser Arbeit.

802 Tschinkel, Der geistige Anschluss. S 74.

803 Tschinkel, Der geistige Anschluss. S 76.

804 Tumlirz, Otto: Die Jugendverwahrlosung. Ihre psychologischen, pädagogischen und sozialen Prob­leme. Graz / Wien 1952. Vorwort.

805 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 20.

806 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 20.

807 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 11.

808 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 34.

809 Koller, Hermine: Zum Problem der Kindesmißhandlung in Wien. Jugendamt der Stadt Wien, Psy­chologischer Dienst. Wien 1974. [siehe 8.2.]

810 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 68.

811 Vermutlich kann die Prüfung nur durch Professor Tumlirz selbst sorgfältig erfolgen.

812 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 35.

813 Göttling, Brigitte: Unbesuchte Heimkinder - ein Problem, das im Wiener Bereich ungelöst scheint. In: Soziale Berufe. 25. Jahrgang Nr. 6 November/Dezember 1973. S 4-9. Die Autorin berichtet, dass die Jugendlichen nicht wussten, wie man eine Straße überquert.

814 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 36.

815 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 36.

816 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 41.

817 Koller, Zum Problem der Verwahrlosung weiblicher Jugendlicher. Anhang. S 9.

818 Ob derartige Verfahren irgendeine Erfolgsaussicht hatten, wenn sie denn zustande gekommen wären, darf bezweifelt werden: Der bereits mehrfach - beispielhaft - erwähnte Eyferth äußert sich auch dazu: „Besonders das Mädchen unterliegt leicht der Versuchung, sich durch angebliche Beobachtungen interes­sant zu machen ... Die Stellung eines einwandfreien Lehrers kann von einem frühreifen, der eigenen Phantasie urteilslos erliegenden Mädchen völlig untergraben werden, ... Die Problematik kindlicher Zeu­genaussagen verdoppelt sich in allen Sittlichkeitsprozessen.“ Eyferth, Hanns: Gefährdete Jugend. Er­ziehungshilfe bei Fehlentwicklung. Hannover 1950. S 60. Ob Sabine Hering diese Stelle wohl überlesen hat? [siehe 3.1.1.1.]

819 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 91.

820 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 92.

821 Sieder, Reinhard / Smioski, Andrea: Gefährliche Kinder? Der Bericht über Gewalt in den Erzie­hungsheimen der Stadt Wien. (1950er bis 1980er Jahre). Wien 2012. S 84.

822 Tumlirz, Die Jugendverwahrlosung. S 72.

823 Kubinger, Klaus: Geschichte der Fakultät für Psychologie. Darin: Benetka, Gerhard: Vom Anfang bis zur Nachkriegszeit. S 5. http://psychologie.univie.ac.at/fileadmin/user upload/fak psychologie/files/Geschichte der Fakult%C3 %A4t f%C3%BCr Psvchologie.pdf

824 Nekula, Maria: Das soziale Verhalten des Kindes im ersten und 2. Lebensjahr. Wien Univ.Diss. 1938.

825 Handbuch des Reichsgaues Wien 1941. S 521. „Nekula Maria, Hauptfürsorgerin und Erziehungs­beraterin dem Gaujugendamtes zugeteilt“ Sie wird von Koller in ihren historiographischen Texten neben Franz Winkelmayer namentlich nicht erwähnt.

826 Babara Prammer, Präsidentin des Nationalrates, hält im Rahmen einer Gedenkveranstaltung am 1. Februar 2012 für Christian Broda, die in der ORF-Sendung „Hohes Haus“ am 18. März 2012 übertragen wird, eine Rede: „Mein erstes Kind kam unehelich zur Welt und ich konnte zunächst nicht Vormund sein. Erst die Reformen von Christian Broda ermöglichten auch mir, endlich jenes Recht zu bekommen, das heute selbstverständlich ist. Aus heutiger Sicht ist die damalige Rechtslage fast unvorstellbar und wenn man mit jungen Frauen heute spricht - oder auch mit jungen Männern - möchten sie es gar nicht glauben, dass es noch vor vierzig Jahren diese Rechte gerade für Frauen nicht gab.“ SPÖ-Parlamentsklub (Hg.): Christian Broda. Gedenken und Ausblick. Festveranstaltung anlässlich des 25. Todestages des großen Justizreformers. Wien 2012. S 48.

827 Winkelmayer, Franz: Heilpädagogik und Erziehungsfürsorge in Österreich. Zeitschrift für Kinder­forschung [Elektronische Ressource]: Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Ver­eins zur Fürsorge für Jugendliche(sic!) Psychopathen. Bd. 31, 1926, Hft 1. S 34-39. S 36.

828 Foregger, Egmont / Serini, Eugen (Hg.):Das österreichische Strafgesetz samt den wichtigsten No­vellen und Nebengesetzen. Mit einer Einführung und Erläuterungen unter Verwertung und Zitierung des Schrifttums und der Rechtsprechung sowie Verweisungen auf die einschlägigen Gesetzesstellen. o.O. o.J. 1960 S VI.

829 Foregger, Strafgesetz. S VII.

830 Foregger, Strafgesetz. S VII.

Ende der Leseprobe aus 308 Seiten

Details

Titel
"Die Schreibmaschinentäterinnen" und die Wiener Jugendfürsorge in den Jahren 1945-1970
Untertitel
Ihr Beitrag zur Durchsetzung einer gegen Mädchen, Frauen und deren Kinder gerichteten Geschlechterordnung
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Zeitgeschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
308
Katalognummer
V492667
ISBN (eBook)
9783346003195
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendfürsorge, Katholischer Fundamentalismus Heimerziehung, Sozialrassismus Antifeminismus
Arbeit zitieren
Gertrude Czipke (Autor:in), 2013, "Die Schreibmaschinentäterinnen" und die Wiener Jugendfürsorge in den Jahren 1945-1970, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492667

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: "Die Schreibmaschinentäterinnen" und die Wiener Jugendfürsorge in den Jahren 1945-1970



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden