Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Adressaten- T eilnehmer- und Zielgruppenforschung
3. Theorien zur Erklarung des Weiterbildungsverhaltens
3.1 ausgewahlte Modelle aus der Partizipationsforschung
3.2 Theory of Reasoned Action/ Theory of Planned Behavior
4. Interpretation der AES-Ergebnisse mit der Theory of Planned Behavior
4.1 Weiterbildungsbeteiligung im Adult Education Survey
4.2 Befragungsergebnisse des AES und ihre Interpretation
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die Weiterbildungsbeteiligung Erwachsener ist durch den Adult Education Survey (AES) bereits sehr gut dokumentiert. Demnach haben aktuell 50% der Erwachsene (zwischen 18 und 64 Jahren) an Weiterbildung teilgenommen (vgl. Bilger et al. 2017, S. 32). Neben der tatsachlichen Teilnahme fragt die Erhebung auch nach Weiterbildungsbarrieren und Moti- ven nicht an einer Weiterbildung teilzunehmen.. Untersuchungen uber das Zustandekom- men eines solchen Verhaltens aus Sicht der Erwachsenenbildung, speziell aus der Weiterbildung1 gibt es dabei wenige. Eine der wenigen Studien ist von Reich-Claassen, sie er- grundet in einer qualitativ-explorativen Untersuchung das Zustandekommen von erwar- tungswidrigen Weiterbildungsverhalten (vgl. Reich-Claassen 2010). Sie ubertragt dabei mehrere Theorien der Partizipationsforschung auf die Erwachsenen-/Weiterbildungsfor- schung. Darunter auch die „Theory of Reasoned Action" (TRA) bzw ihre Erweiterung „The- ory of Planned Behavior" (TPB). Diese Hausarbeit mochte daran anknupfen und die Theorie als Grundlage fur die Interpretation von Befragungsergebnissen des AES aus dem Jahr 2012 nutzen.2 Die Befragung handelt um Nicht-Teilnahme an Weiterbildung von Teilnah- meinteressierten. Konkret wird sich die Hausarbeit der Frage widmen, wie sich diese Be- fragungsergebnisse des Adult Education Survey mit der „Theory of Planned Behavior" in- terpretieren lassen und wie die Ergebnisse fur die Erwachsenenbildung und Weiterbildung genutzt werden konnen. Der Grund fur die Theorieauswahl liegt vor allem in der Ausnah- mesituation der Determinante ,wahrgenommene Verhaltenskontrolle‘, die sich neben der Verhaltensabsicht auch direkt auf das Verhalten auswirken kann.
Der Aufbau der Arbeit sieht dabei wie folgt aus. Zuerst wird der aktuelle Forschungsstand abgebildet. Grundbegriffe wie Adressaten, Zielgruppe und Teilnehmende werden erklart und in die Erwachsenen-/Weiterbildungsforschung wissenschaftlich eingebettet. Kapitel drei befasst sich mit den Ergebnissen aus der qualitativ-explorativen Untersuchung von Reich-Claassen mit dem Titel „Warum Erwachsene (nicht) an Weiterbildungsveranstaltun- gen partizipieren" (vgl. Reich-Claassen 2010) mit dem Schwerpunkt auf die „Theory of Reasoned Action" bzw. „Theory of Planned Behavior". Das darauffolgende Kapitel beschaf- tigt sich mit den grundlegenden Fakten rund um den Adult Education Survey und den Ergebnissen aus der Befragung der Nicht-Teilnehmenden. Diese werden mittels der TPB in- terpretiert und kritisch hinterfragt. Zum Schluss erfolgen eine Zusammenfassung und ein praktischer und theoretischer Ausblick.
2. Adressaten- Teilnehmer- und Zielgruppenforschung
Die Forschung der Erwachsenen-/Weiterbildung befasst sich mit verschiedenen Themen. Sie lasst sich untergliedern in vier Bereiche. Dazu zahlen „Lehr-/Lernforschung und Kurs- forschung", „Institutionen- und Organisationsforschung", „Professionsforschung" und die „Adressaten- Teilnehmer- und Zielgruppenforschung" (Hippel/Tippelt 2010, S. 801). Diese Hausarbeit bewegt sich im letztgenannten Forschungsbereich. Die Personengruppen defi- nieren sich dabei wie folgt: „Adressaten sind (...) diejenigen Personen, die Erwachsenen- bildung erreichen soll. Sofern sie durch gemeinsame sozialstrukturelle Merkmale beschrie- ben werden konnen, geht es um Zielgruppen. Teilnehmende sind diejenigen, die zu einem Angebot gekommen sind" (Hervorhebung im Original) (Faulstich/Zeuner 1999, S. 99, zit. nach Hippel/Tippelt 2010, S. 802). Die Untersuchung des Forschungsbereichs kann Auf- schluss uber die makro- und mikrodidaktische Handlungsebene geben und hilfreich fur eine zielgruppenorientierte Planung sein. Die Ergebnisse der Adressatenforschung geben eher Erkenntnisse fur die makrodidaktische Planung, wahrend die Teilnehmendenforschung fur die ErschlieBung der mikrodidaktischen Handlungsebene eingesetzt werden kann (vgl. Hippel/Tippelt 2010, S. 802). Die Erkenntnisse aus der Zielgruppenforschung werden gerne im Marketing benutzt. Das Interesse liegt u.a. in der Erklarung von Weiterbildungsbeteiligung anhand von zielgruppenspezifischen Merkmalen (vgl. Zeuner/Faulstich 2009 S. 123). Im Folgenden wird der Fokus auf die Adressatenforschung gelegt, da die im Kapitel drei erlau- terte Theorie am ehesten auf diesen Bereich ubertragen werden kann. Historisch betrachtet entwickelte sich das Interesse in der Ergrundung der (Nicht-)Teilnahme an Weiterbildung aus der Adressatenforschung (vgl. Reich-Claassen in Hippel/Dinkelaker 2015, S. 76). Dar- aus zu nennende „Leitstudien" sind die „Hildesheimer", „Gottinger" und „Oldenburger Stu- die", „die sich mit dem Zusammenhang von sozialer Lage und Bildungsverhalten sowie den subjektiven Interessenlagen und grundlegenden Einstellungen zu Bildung und Weiterbildung auseinandersetzen" (Reich-Claassen in Hippel/Dinkelaker 2015, S. 77). Sie bauen aufeinander auf und wurden im Zeitraum zwischen den 1950er und den spaten 1970er Jahren entwickelt.
3. Theorien zur Erklarung des Weiterbildungsverhaltens
Bezeichnend fur die Verhaltensforschung in der Erwachsenen-/Weiterbildung ist die Hinzu- ziehung von anderen Disziplinen. Vor allem wurden Theorien aus der Motivationspsycho- logie und Soziologie auf die Adressatenforschung ubertragen. Es kann von keiner erwach- senenpadagogischen Theorie gesprochen werden. Anders verhalt es sich mit Theorien aus dem vornehmlich angloamerikanischen Raum, die meist aus erwachsenenpadagogischer Sicht heraus entwickelt wurden und der Partizipationsforschung zugeordnet werden konnen (vgl. Reich-Claassen in Hippel/Dinkelaker 2015, S. 77-78). Sie werden im Folgenden in fur das Untersuchungsfeld relevanten Teilen skizziert.
3.1 ausgewahlte Modelle aus der Partizipationsforschung
Zu den Partizipationsmodellen gehoren unter anderem „A Congruence Model" von Roger Boshier und „Model of Recruitment and Barriers” von Kjell Rubenson. Boshiers Modell geht der Frage nach, welche Faktoren die Entscheidung von (Nicht-)Teilnahme an formal-orga- nisierten Weiterbildungsma&nahmen beeinflussen. Den Grund der Nicht-Teilnahme sieht er in der „Nicht-Ubereinstimmung zwischen Selbst und Institution" (Reich-Claassen 2010, S. 43). Also die Unvereinbarkeit zwischen den psychologischen Gesichtspunkten des Sub- jekts und der au&erhalb des Subjekts liegenden (institutionellen) Faktoren. Hingegen ist ein Aspekt des Modells von Rubenson die Untersuchung des Verhaltens erwartungswidriger Personen mit (bildungs-)benachteiligten Hintergrund. Im Gegensatz zur „Theory of Reasoned Action" liegt die Entscheidungskraft nicht bei (Bildungs-)Erfahrungen, die das Individuum gemacht hat, sondern bei gegenwartigen Erfordernissen. Gleichzeitig gibt es grundlegende Elemente der Theorie, die auch in der TRA zu finden sind. Wie zum Beispiel die Outcome-Erwartung und die Bedeutung signifikant Anderer (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 46-47). Aufgrund der Komplexitat der unter anderem hier skizzierten Modelle sind sie schwer empirisch nachweisbar, weswegen nach operationalisierbaren Modellen gesucht wurde (genauer nachzulesen unter Reich-Claassen 2010, S. 32-52). Dazu gehort die von Ajzen und Fishbein (1975/1980) entwickelte „Theory of Reasoned Action" bzw. von Ajzen 1991 erweiterte „Theory of Planned Behavior", die empirisch uberprufbar ist. Zudem ist sie gegenstandsoffen und kann auf verschiedene Disziplinen ubertragen werden. So auch auf die Erwachsenen- und Weiterbildung.
Das nachste Unterkapitel stellt auf Grundlage der qualitativ-explorativen Untersuchung von Reich-Claassen die Theorie von Ajzen und Fishbein in ihren Einzelheiten vor und zeigt ihre Potentiale fur die Erwachsenen-/Weiterbildung auf.
3.2 Theory of Reasoned Action/ Theory of Planned Behavior
Die TRA bzw. ihre Erweiterung TPB grundet auf den Annahmen, dass Verhalten, Ergebnis einer Intention ist und dass es einen positiven Zusammenhang gibt zwischen den Gefuhlen, Einstellungen zu einem Thema und dem tatsachlichen Handeln (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 54). Das Ziel dieser Theorie liegt in der Erklarung und Prognose von Verhalten. Dabei gibt es Faktoren die direkt einen Einfluss auf das Verhalten haben (wie die Intention), indi- rekt sich auf das Verhalten auswirken (z.B. soziodemografische Merkmale) und jene Pra- diktoren, aus welchen sich die Intention zusammensetzt (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 54- 57). Intention meint „die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten aus- geubt wird - oder eben nicht" (Reich-Claassen 2010, S. 57). Wobei das untersuchte Verhalten geplant und mit Absichten verbunden ist (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 57). Die Ope- rationalisierbarkeit der „Theory of Reasoned Action" zeigt sich in ihrem Aufbau. Wahrend die Intention beobachtbar ist (Selbstaussagen), gibt es nicht-beobachtbare Konstrukte, „verhaltensbezogene" und ..normative Uberzeugungen" (Reich-Claassen 2010, S. 57-58). Ersteres beschreibt die erwarteten Konsequenzen und die Wertung einer Handlung (Determinate ,Einstellung‘), letzteres meint den auBeren ,Druck‘ von Personen, die fur das Sub- jekt von Bedeutung sind und seine Bereitschaft ihren Erwartungen nach zu handeln (Determinate ,subjektive Norm‘). In der erweiterten .Theory of Planned Behavior" wird eine dritte Determinate eingefuhrt, ,die wahrgenommene Verhaltenskontrolle‘, die sich auch direkt auf das Verhalten auswirken kann. Sie beschreibt die „subjektiv wahrgenommene Schwie- rigkeit, ein beabsichtigtes Verhalten ausfuhren zu konnen" (vgl. Ajzen zit. nach Reich- Claassen 2010, S. 61-62). Je mehr Ressourcen dem Individuum zur Verfugung stehen und je weniger Widerstande es gibt, desto eher wird die Handlung auch ausgefuhrt. Einen di- rekten Einfluss hat die Determinante beispielsweise in Situationen, in denen die Widerstande Uberhand gewinnen und das Individuum der Meinung ist keinen Einfluss darauf zu haben und daruber hinaus seine Wahrnehmung dahingehend objektiv und realistisch ist (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 61-62). Die Widerstande speisen sich aus internen wie auch externen Aspekten. Interne Ressourcen, im Kontext der Theorie, sind Personlichkeitsmerk- male wie ungenugende Fahigkeiten und negative Emotionen. Externe Aspekte meinen un- ter anderem unzureichende finanzielle und zeitliche Moglichkeiten des Individuums oder vorhandene Verpflichtungen, die mit ungenugenden Handlungsmoglichkeiten einhergehen (vgl. Reich-Claassen 2010, S. 61). Als weiteren Einfluss nennen Ajzen und Fishbein externe Variablen. Dazu gehoren „demografische Variablen" (z.B. Alter, Geschlecht), „Einstellun- gen zu Objekten" (allgemeine Einstellung zu einem Sachverhalt, nicht zu verwechseln mit der Determinante ,Einstellung‘) und „Personlichkeitsmerkmale". Diese Variablen stehen im Modell eingeklammert und neben den Determinanten, wirken aber als Regulative auf die Uberzeugungen des Individuums mit ein (vgl. Amittage/Conner, S. 472 zit. nach Reich- Claassen 2010, S. 62).
Das Modell (ubertragen auf die Erwachsenen-/Weiterbildung) lasst sich damit wie folgt zu- sammenfassen. Die groBte BestimmungsgroBe zur Erklarung und Prognose von Weiterbil- dungsverhalten ist die Verhaltensabsicht. Die Absicht setzt sich kausal zusammen aus drei Determinanten. Aus der ,Subjektiven Norm‘, ,Einstellung‘ und ,wahrgenommenen Verhal- tenskontrolle‘. In ihrer Gewichtung unterscheiden sich die Determinanten. Einzelstudien zeigen, dass die Determinante ,Einstellung‘ eine hohe Prognosefahigkeit hat, wahrend die ,Subjektive Norm‘ weniger Gewicht besitzt (vgl. Reich-Claassen 2010, S: 67). Beide wirken
[...]
1 Die Begriffe Erwachsenenbildung und Weiterbildung werden hier nach der „Erweiterten Begriffs- systematik" von Weinberg unterschieden (vgl. Weinberg 2000, S.39)
2 Im Kontext des AES wird aufgrund der Untersuchung von Befragungsergebnissen non-formaler Weiterbildung der Weiterbildungsbegriff gewahlt