Die Diskussionen um die Menschenrechtsfragen zählen zu den umstrittensten Themen um Islam und Demokratie. Sie führen zum Kernbereich der Wertedebatte, in der das Problem der Universalisierbarkeit von Normen, Werten und Institutionen, gleich welchen kulturellen Ursprungs verschärft zum Ausdruck kommt. Es sei umstritten, ob sie - unabhängig vom Stand der Entwicklung einer Gesellschaft und unabhängig auch von ihren kulturellen Traditionen und Werten - tatsächlich universell gültig sind, sein sollen oder sein können.
Nach der Zeit der Dekolonialisierung wurde das Streben der islamischen Gesellschaften nach eigener kultureller Identität und Authentizität stärker, und zwar nicht nur von der Seite der militanten Fundamentalisten, sondern vielmehr von allen gesellschaftlichen Gruppen. Demgegenüber wird die Suche nach einer "islamischen Ordnung" oft als Ablehnung von der Moderne und Rückfall in das barbarische Mittelalter verstanden. Obwohl es öfter darum geht "wie es gelingen kann, bestimmte, als modern definierte Werthaltungen, Verhaltensweisen und Institutionen zu übernehmen und dennoch der eigenen Tradition und Identität treu zu bleiben".
Besonders nach dem Ende des Kalten Krieges, wird nicht nur von der Rivalität durch Religionen gesprochen, sondern rückte der Islam als neues Feinbild der weltpolitischen Ordnung vor.
Der Druck der westlichen Staaten auf die islamischen Gesellschaften hat dazu geführt, daß sich eine Tendenz zu Abwehr und Gegenangriff herausgebildet hat, in der jede Seite ihre kulturelle Überlegenheit und ihren Humanismus zu beweisen sucht. Wobei es das Grundprinzip der islamischen Selbstdarstellung ist, daß die Idee der Menschenrechte im Koran selbst verankert seien, und somit lange vor dem christlichen Humanismus und der Aufklärung entstanden sei. Das heißt auch: sie sind von Gott durch Gesetzgebung (Scharia) verliehen und werden nicht, wie in den abendländischen Kulturen, als Ergebnis der historischen Prozesse betrachtet. Trotz dieser Tendenz wird von der islami-schen Seite die Idee der Menschenrechte als normativ akzeptiert und die Mehrheit der Muslime bemüht sich um eine Angleichung islamisch begrün-deter Wertvorstellungen von Rechten, Pflichten und Würde des Menschen an die internationalen Definitionen.
Gliederung
1 Einleitung
2 Die Gründe für die Entstehung der Islamischen Menschenrechte und deren innerislamischer Diskurs
2.1 Die Problematik des Universalitätsanspruchs für die Geltung der Menschenrechte
2.2 Der innerislamische Diskurs
2.3 Ausdifferenzierung der islamischen Menschenrechtskonzepte
3 Das islamische Recht Scharia
3.1 Die Grundzüge der Scharia
3.2 Die Entwicklung der Scharia
3.3 Koran und Sunna als Hauptquellen des islamischen Rechts
3.4 Aktuelle Diskussionen um die Scharia
4 "Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam" vom 19. September 1981.
4.1 Die Entstehung der Erklärung
4.2 Der eigentliche Inhalt der Erklärung
4.2.1 Präambel
4.2.2 Das Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht der religiösen Minderheiten.
4.2.3 Das Recht auf Denk-, Glaubens- und Redefreiheit
4.2.4 Stellung und Rechte der Frauen
5 Schlußfolgerung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Diskussionen um die Menschenrechtsfragen zählen zu den umstrittensten Themen um Islam und Demokratie. Sie führen zum Kernbereich der Werte-debatte, in der das Problem der Universalisierbarkeit von Normen, Werten und Institutionen, gleich welchen kulturellen Ursprungs verschärft zum Ausdruck kommt. Es sei umstritten, ob sie - unabhängig vom Stand der Entwicklung einer Gesellschaft und unabhängig auch von ihren kulturellen Traditionen und Werten - tatsächlich universell gültig sind, sein sollen oder sein können.[1]
Nach der Zeit der Dekolonialisierung wurde das Streben der islamischen Gesellschaften nach eigener kultureller Identität und Authentizität stärker, und zwar nicht nur von der Seite der militanten Fundamentalisten, sondern vielmehr von allen gesellschaftlichen Gruppen. Demgegenüber wird die Suche nach einer "islamischen Ordnung" oft als Ablehnung von der Moderne und Rückfall in das barbarische Mittelalter verstanden. Obwohl es öfter darum geht "wie es gelingen kann, bestimmte, als modern definierte Werthaltungen, Verhaltensweisen und Institutionen zu übernehmen und dennoch der eigenen Tradition und Identität treu zu bleiben".[2]
Besonders nach dem Ende des Kalten Krieges, wird nicht nur von der Rivalität durch Religionen gesprochen, sondern rückte der Islam als neues Feinbild der weltpolitischen Ordnung vor.[3]
Der Druck der westlichen Staaten auf die islamischen Gesellschaften hat dazu geführt, daß sich eine Tendenz zu Abwehr und Gegenangriff herausgebildet hat, in der jede Seite ihre kulturelle Überlegenheit und ihren Humanismus zu beweisen sucht. Wobei es das Grundprinzip der islamischen Selbstdarstellung ist, daß die Idee der Menschenrechte im Koran selbst verankert seien, und somit lange vor dem christlichen Humanismus und der Aufklärung entstanden sei. Das heißt auch: sie sind von Gott durch Gesetzgebung (Scharia) verliehen und werden nicht, wie in den abendländischen Kulturen, als Ergebnis der historischen Prozesse betrachtet. Trotz dieser Tendenz wird von der islami-schen Seite die Idee der Menschenrechte als normativ akzeptiert und die Mehrheit der Muslime bemüht sich um eine Angleichung islamisch begrün-deter Wertvorstellungen von Rechten, Pflichten und Würde des Menschen an die internationalen Definitionen.[4]
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die "islamischen Menschenrechte" und die von der UNO-Vollversammlung verabschiedete "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" Gemeinsamkeiten und Unter-schiede aufweisen, und ob es in "islamischer Sprache" von Menschenrechten gesprochen werden kann?[5]
Um diese Problemstellung zu erleuchten, wird in dieser Arbeit den Bezug auf die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam" vom Jahre 1981 genommen. Denn sie ist in der islamischen Öffentlichkeit die erste verabschie-dete Erklärung zu diesem Thema und hat sowohl in der islamischen als auch in der westlichen Welt eine große Resonanz gefunden und in ihr kommt zumin-dest eine formale Angleichung an internationale Normen klar zum Ausdruck.[6] Auf der anderen Seite wird sie als konservativ bezeichnet und ist auf eine harte europäische Kritik gestoßen.[7] Es wird auf die typischen islamistischen Kenn-zeichnen im Bezug auf die Scharia und ihre apologetische Charakter verwiesen und besonders die Fragen nach der Religionsfreiheit und Religionszugehörig-keit und die Stellung der Frau als problematisch betrachtet.
Es ist wichtig zu erwähnen, daß diese Erklärung seitens der islamischen Öffentlichkeit nicht die einzige ist. Vielmehr existieren andere staatliche und nicht staatliche Entwürfe. Als wichtigste sind zu erwähnen "Die Kairoer Erklä-rung über Menschenrechte im Islam" vom August 1990[8] und die "Erklärung der Menschenrechte im Islam" vom Juni 1993, die von der Organisation der Islamischen Konferenz[9] verabschiedet wurde.
Im Folgenden wird in dieser Arbeit eher die islamische Sichtweise und das Verständnis von den Menschenrechten dargestellt. Angesichts der Komplexität des Themas wäre es schwierig sich nur auf das Konzept der "Allgemeinen Menschenrechtserklärung im Islam" vom 1981 einzuschränken, ohne auf die Gründe der Entstehung einzugehen und, was mir am wichtigsten scheint, die Entwicklung des Islamischen Rechts darzustellen. Die Arbeit wird im Ganzen nur auf den sunnitischen Beeich des Islams eingeschränkt.
2 Die Gründe für die Entstehung der islamischen Menschenrechtskonzepte und deren innerislamischer Diskurs
Die Konzepte der islamischen Menschenrechte entstanden aus der Konfron-tation der muslimischen Welt mit den Fragen und Problemen des Verständ-nisses der allgemeinen Menschenrechtserklärung der UNO und nicht zuletzt auch aus der Konfrontation mit deren Durchsetzung.
Der zentrale Ausgangspunkt dieser Diskussionen war die von der UNO-Volks-versammlung im Jahre 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Men-schenrechte, die sogenannten Menschenrechte der "ersten Generation", die die liberalen Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat umfaßten, und die Menschenrechte der "zweiten Generation" von 1966, die politische, bürgerliche sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte definierten. Diese beiden Erklärungen haben einen stark am Individuum orientierten Charakter. Seitdem gibt es in den islamischen und Entwicklungsländern eine zunehmende Diskussion um eine "dritte Generation" der Menschenrechte, die vor allem die kollektiven Ansprüche stärker zum Ausdruck bringt und die kulturelle Eigenständigkeit der außereuropäischen Rechtstraditionen betont.[10]
2.1 Die Problematik des Universalitätsanspruchs für die Geltung von Menschenrechten
Der zentrale Streitpunkt in dieser Diskussion war die Frage nach dem Univer-salitätsanspruch der "westlichen" Menschenrechte, die ihren Ursprung in der stoischen bzw. christlich- jüdischen Tradition haben[11] und durch den Druck von politischen und ökonomischen Faktoren zuerst im 18. Jahrhundert als Menschen- und Bürgerrechte formuliert wurden. Zu dieser Thematik wird in der Literatur oft von einem eurozentrischen "Kulturimperialismus" gespro-chen, der nicht minder illegitim sei als seine ökonomische und politische Hegemonie.[12] Der Streit um die Universalität von Menschenrechten ist natür-lich durch die Identitätsfragen der Kulturen bestimmt. Auf der anderen Seite wird die Problematik durch die islamische Öffentlichkeit um so mehr verschärft als seitens der westlichen Staaten der Schutz der Menschenrechte als oberstes Ziel proklamiert wird, in der Realpolitik aber oft eigene Interessen verfolgt werden.
In der Frage nach der Normenuniversalität von Menschenrechten stehen grund-sätzlich zwei Gegenpositionen zueinander, Universalismus und Kulturrelativis-mus, die allerdings der eigentlichen Idee der Universalität widersprechen. Die Universalität bedeutet, "dass die Ideen, Werte oder Normen faktisch überzeitli-che und überräumliche Geltung genießen"[13], aber im Universalismus sollen sie die absolute Gültigkeit besitzen, dabei ist es nicht von Bedeutung, ob sie sich auf religiöse oder säkulare Werte basieren. Die von der UNO verabschiedeten Menschenrechte der "ersten und zweiten Generation" beanspruchen zwar diese universelle Geltung, besitzen sie aber nicht.[14]
Neben dem ideologischen Aspekt des Universalismus des Wahrheitsanspruchs steht auch die juristische Gültigkeit der Allgemeinen Menschenrechtserklä-rungen in der Kritik. In seiner Studie führt Mark Krieger aus:
"Gegen eine ausschließlich juristische Betrachtungsweise ist einzuwenden, daß die formale Zustimmung von Regierungen keinen Konsens über die Geltung von Men-schenrechten, dem die kulturelle Akzeptanz dieser Rechte zugrunde liegt, ersetzen kann; kulturelle Traditionen, Eigentümlichkeiten der politischen Kultur und spezi-fische sozialstrukturelle Rahmenbedingungen, die den formalen Konsens unter-minieren, bleiben in der juristischen Fachliteratur zum Thema weitgehend unberücksichtigt."[15]
Im Gegensatz zum Universalismus betont der Kulturrelativismus die Eigen-ständigkeit von Werten, Anschauungen und Institutionen von lokalen Kulturen. Sie sind damit nicht vergleichbar, "weil jede Kultur nur in ihren eigenen Begriffen und Konzepten verstanden werden kann".[16] Die Hauptkritik an diesem Ansatz besteht darin, daß der radikale Relativismus keine interkultu-relle Kommunikationsfähigkeit voraussetzt.
Seit einigen Jahren setzt sich allmählich ein kulturpluralistischer Ansatz durch, der wie der Kulturrelativismus zwar die Eigenständigkeit der lokalen Kulturen auch betont, aber die Möglichkeiten eines Dialoges eröffnet. Demnach soll dieser Dialog kulturübergreifend sein, und nach den lokalen Kulturelementen suchen, die Anknüpfungspunkte für die universalen Menschenrechtsideen bieten. Dieser Ansatz bleibt auch nicht von der Kritik frei. Es wird vor allem auf die Unvereinbarkeit zwischen säkularem und religiösem Verständnis von Menschenrechten hingewiesen, was wiederum den Diskurs auf die Aus-gangsposition zurückwirft, nämlich zur Problematik von Universalismus und Relativismus.[17]
2.2 Innerislamischer Diskurs
Im Rahmen des innerislamischen Diskurses haben sich die Muslime eine zentrale Frage gestellt, ob es möglich ist, ein islamisches Konzept der Men-schenrechte zu schaffen, das gleichzeitig "einen modernen Geist zufrieden stellen kann".[18] Das das Konzept auf die "islamische" Lehre gegründet sein sollte, stand bei der Mehrheit der Muslime nicht zur Debatte. Die Auseinandersetzung wurde vor allem durch das Dilemma bestimmt, ob die Menschenrechte aus-schließlich auf der heiligen Schrift (Koran) und auf die herrschende Tradition des Propheten (Sunna) sich stützen sollten (die Grundlage der zeitgenössischen Scharia), d.h. auf die Ethik vergangener Epochen, oder diese Tradition im Geiste der Zeit neu überdacht werden sollte. In diesem Diskurs wurden vor allem Problemen der Demokratie, der Stellung der Frauen und der Minder-heiten thematisiert. In seinem Beitrag zu der Diskussion zwischen den Musli-men und Christen über die Menschenrechte schreibt A. Merad dazu:
"Muß er [Muslim] diese Tradition nicht vielmehr als eine Dynamik des sittlichen und spirituellen Fortschritts verstehen, die als solche für alle bereichernden Entdeckun-gen offen ist und wachsam allen befreienden Botschaften begegnet, in welcher philosophischen oder religiösen Bewegung sie auch ihren Ursprung haben."[19]
Dabei weist A. Merad darauf hin, daß bereits von Beginn des 20. Jahrhunderts an in der muslimischen Welt eine Auseinandersetzung über die Tradition des Propheten und die Koranexegese stattgefunden hat. Inzwischen gibt es in der Koranforschung Ansätze, die mit modernen kritisch-historischen und linguis-tischen Methoden neue Erkenntnisse ermöglichen. So werden z. B. die Fragen über Datierung der offiziellen Koranversion, über die Interaktion zwischen den rationalen, symbolischen, metaphysischen und mythischen Textdimen-sionen des Korans oder die Fragen darüber, in welchem Ausmaß die Aussagen des Korans in der Vergangenheit für politische Zwecke missbraucht wurden, erneut gestellt.
[...]
[1] Krämer, G. S. 147
[2] Krämer, G. S.17
[3] Stahmann, Ch. S.5
[4] Darunter sind meistens die islamischen Bewegungen gemeint, die gegenüber ihren autoritären Regimen kritisch stehen und für ihre bürgerlichen und politischen Rechte kämpfen.
[5] Merad, A. S.347
[6] Krämer, G. S.151
[7] Stahmann, Ch. S.27
[8] Diese Erklärung hat eine große inhaltliche Übereinstimmung mit dem Menschenrechtserklä-rung des Islamrats für Europa. Die Kairoer Erklärung hat jedoch auf Grund ihrer vielen Mitgliederstaaten in formaler Hinsicht weitaus größerer Repräsentanz.
[9] Diese Erklärung wurde in Karachi verabschiedet und dient als Beitrag der islamischen Staaten zur Wiener Weltmenschenrechtskonferenz. Sie wurde von den Vertretern der Arabi-schen Liga und von der Iranischer Regierung ausdrücklich unterstützt, und damit gilt sie für die islamischen Staaten als repräsentativ.
[10] Stahmann, Ch. S. 2 Heidelberg, 1995
[11] Bielefeld, H. S.118-124
[12] Merad, A. S. 445
[13] Krieger, M. S.86
[14] In seiner Studie weist Krieger darauf hin, daß die nicht westlichen Kulturen an der Entfaltung von der UNO Vollversammlung proklamierte Menschenrechte kein Anteil hatten und könnten nur zwischen zwei Alternativen wählen, sie in toto zu übernehmen oder sie zurückzuweisen. Vgl. Krieger, S.87
[15] Krieger, M. S.88
[16] Krieger, M. S.81
[17] Krieger, M. S.90
[18] Merad S.348
[19] Merad, Ali S.351
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