Leseprobe
1. Globalisierung = Wohlstand für Jeden?
Befürworter der Globalisierung argumentieren, dass die weltumspannende kapitalistische Ökonomie den Völkern Wohlstand beschert. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Globalisierung bringt neue Ausbeutungsverhältnisse und Ungleichheiten besonders für Frauen aus Peripheriestaaten hervor. Doch was ist eigentlich Ungleichheit und vor allem: Wie lässt sie sich messen? Für den Soziologen Jan Nederveen Pieterse impliziert der Terminus „globale Ungleichheit“ einen weltweiten Horizont und setzt die „Gleichheit der Menschen“ als Norm (Pieterse 2002, 1024). Dabei entlarvt er allgemeine Annahmen, dass z.B. Ungleichheit in armen Ländern weiter verbreitet sei, als im Westen, als Märchen. Industriestaaten, wie die USA oder Großbritannien, gemessen am Einkommen, haben die größte Ungleichheit zu verzeichnen (vgl. Pieterse 2002, 1025). Doch gibt es auch ungleiche Entwicklungen und Chancen für Männer und Frauen sowohl im „Westen“, wie auch in „Entwicklungsländern“. Diese misst der Gender Development Index (GDI), anhand Daten für Lebenserwartung, Bildungschancen und Einkommen, die geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt werden (Schlussbericht der Enquete Kommission 2002, 310). Es lässt sich so feststellen, dass „[…] in keiner Gesellschaft der Welt […] Frauen die gleichen Chancen auf ein „gutes Leben“ wie Männer [haben]“ (ebenda, 310). Tatsache bleibt auch, dass Frauen in vielen Ländern der Peripherie trotz, oder wegen der Globalisierung benachteiligt werden, und noch mehr: Diese Entwicklung bringt Gewinnerinnen und Verliererinnen hervor. So scheinen in den letzten zwanzig Jahren sowohl in Südamerika und Asien immer mehr Frauen erwerbstätig geworden zu sein, jedoch meist im informellen Wirtschaftssektor, d.h. oft unterbezahlt und ohne jeglichen Kündigungsschutz. Für höher qualifizierte weibliche Erwerbstätige aus westlichen Industrieländern haben sich neue Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben, während Arbeitsmigrantinnen aus Südländern u.a. als Hauspersonal im Niedriglohnsektor für eben diese Frauen arbeiten (vgl. Young und Hoppe 2004, 486). Man denke nur an die Hispanics in den USA. In vielen Ländern des Südens haben Mädchen und Frauen über die oben genannten Fakten hinaus keinen (bzw. geringen) Zugang zu Bildung und politischer Teilhabe, d.h. essentielle öffentliche Güter des Staates, werden ihnen verwehrt (vgl. Le Monde Diplomatique 2003, 77, 79). Im folgenden Essay werden daher zunächst Probleme der Auswirkungen der ökonomischen und sozialen Umbrüche der letzten Jahre auf Frauen anhand zweier Beispiele (Südamerika und Südkorea) dargestellt. Anschließend wird ein Blick in die Zukunft geworfen und Lösungsansätze vorgestellt, wie der Titel schon sagt: mehr Chancen und eine gerechtere Entwicklung für Frauen im Süden. Denn auch Pieterse erwähnt in seinem Aufsatz folgendes: Die Norm von der „human equality“ kann noch mehr bedeuten, nämlich globale „Soziale Gerechtigkeit“ (vgl. Pieterse, 2002, 1027).
2. Die Globalisierung und ihre Verliererinnen: Zwei Beispiele
2.1 Gastarbeiterinnen in Südkorea: Von Ausbeutungsverhältnissen und Rechtlosigkeit
Südkorea galt lange Zeit als ökonomisch stabiler kleiner „Tigerstaat“. Jedoch geriet das Land 1997 in eine Schuldenkrise, und um weiter auf dem Weltmarkt bestehen zu können, kam es zu Massenentlassungen in den Großunternehmen (Kim 2003, 182). Seit 1994 dürfen auch GastarbeiterInnen in Südkorea arbeiten, und während verheirateten Frauen durch die Krise im Bankgewerbe gekündigt wurde, hatten kleinere Betriebe „[...] große Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeitskräften“ (ebd., 181 ff.), die dann aus dem Ausland kamen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat schon in den 60er Jahren mit der Industrialisierung des Landes eingesetzt, ist also nichts Neues. Aber das Hauptproblem der jetzigen Gastarbeiterinnen liegt in ihren „[...] irregulären Arbeitsverhältnissen [...]“, d.h. sie besitzen meist nur einen auf ein Jahr begrenzten Arbeitsvertrag (vgl. ebd., 184). Dadurch ergeben sich automatisch Probleme um eine Aufenthaltsgenehmigung und dem ökonomischen Status nach Ablauf des Vertrages. So werden auch viele Frauen „illegal“ und haben keinen rechtlichen Schutz, was von vielen Arbeitgebern ausgenutzt wird (ebd., 186), die durch Lohndumping und fehlende Sozialabgaben erheblich billiger produzieren können als die Konkurrenz.. Die Arbeiterinnen aus China, Bangladesh, den Philippinen und Russland arbeiten in der Industrie, als Hausangestellte oder werden sogar zur Prostitution gezwungen (vgl. ebd., 188, 192). Sie sind unterbezahlt und haben lange Arbeitszeiten, hinzu kommen geschlechtsspezifische Diskriminierung und sexuelle Gewalt, so dass diese Frauen „[...] doppelt belastet [...]“ sind (ebd.,188).
2.2 Südamerika: Doppelbelastung von Frauen und fehlende Aufstiegschancen
In Süd- , bzw. Lateinamerikanischen Staaten sind -ähnlich wie in Asien- viele weibliche Erwerbstätige im informellen ökonomischen Sektor beschäftigt, d.h. ohne soziale Absicherung und mit der Gefahr verbunden, im Falle einer Rezession als Erste entlassen zu werden. Dies ist einhergehend mit der Krise des „fordistischen“ Gesellschaftsmodells zu betrachten (vgl. Arango 2002, 98). Dieses Modell, auf dem auch der Sozialstaat aufbaut, basiert auf dem Mann als Ernährer der Frau, der einer bezahlten Arbeit nachgeht, während die Frau für die (unentgeltliche) reproduktive Arbeit im Haushalt zuständig ist (vgl. ebd., 89).
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