Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Vorstellung der Schule
2. Modelle zur Präsentation von Lehrwerktexten
2.1. Beobachtungen zur Präsentation und Behandlung von Lehrwerktexten im Anfangsunterricht der Klassen 7 und 9
3. Schlussbetrachtungen
Bibliographie
1. Einleitung
Der vorliegende Bericht liefert einen Überblick über die schulpraktischen Studien. Er besteht aus der Vorstellung der Schule und den Beobachtungen eines speziellen Themas.
Am 16.2.2004 nahm ich das fachdidaktische Praktikum für das Fach Französisch am Gymnasium am Ostring (im Folgenden auch durch GaO abgekürzt) auf. Nach kurzer Begrüßung der zehn Praktikanten durch den Schulleiter wurden wir einer Praktikumsbetreuerin überwiesen. Sie zeigte uns die Schule und stellte den Ablauf für die ersten beiden Praktikumstage vor. An dieser Schule wird so verfahren, dass jeder Praktikant am ersten Tag eine Klasse begleitet und in ihrem Unterricht hospitiert. Damit soll dem Praktikanten die Einfindung in den Schulalltag erleichtert werden. Am zweiten Tag schließt sich der Praktikant dem jeweiligen Fachlehrer an, um einen Einblick in seinen Unterricht zu erhalten. Für den weiteren Verlauf ist jeder Praktikant eigenständig verantwortlich, wobei von der Praktikumsbetreuerin Empfehlungen ausgesprochen wurden, in welchem Unterricht hospitiert werden kann. Ein Teil der Lehrer war zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Betreuung eines Referendars, den Abiturvorbereitungen ausgelastet oder grundsätzlich nicht zur Praktikantenaufnahme in seinen Unterricht bereit.
Neben mir absolvierte gleichzeitig eine Studentin der Ruhr-Universität Bochum ihr Französisch-Praktikum, so dass es sich anbot, den Unterricht gemeinsam zu besuchen. In den ersten zwei Wochen hatten wir die Gelegenheit am Französischunterricht der 9. Klasse, die seit Beginn dieses Schuljahres Französisch lernt, sowie vereinzelt am Unterricht eines Französischgrundkurses der Jahrgangsstufe 12 teilzunehmen. Leider blieb uns der weitere Besuch der 9. Klasse in der zweiten Praktikumshälfte verwehrt, da ab diesem Zeitpunkt der Unterricht von einer Referendarin fortgeführt wurde. Der seit der ersten Woche geplante Besuch in der 7. Klasse konnte erst im Laufe der dritten Woche erfolgen, nachdem der zuständige Lehrer genesen war. Insgesamt hätte ich mir eine bessere Organisation seitens der Schule gewünscht. Ich hatte den Eindruck, dass die vier Französischlehrer mit zwei Referendaren und zwei Praktikanten überfordert waren und dies auch uns Praktikanten gegenüber deutlich zum Ausdruck brachten. Leider bot sich keine Möglichkeit, sich mit den Fachlehrern über den beobachteten Unterricht auszutauschen, was mir natürlich die Wahl einer geeigneten Stunde für meinen eigenen Unterrichtsversuch erheblich erschwerte. Um noch einen letzten Kritikpunkt anzubringen: Ich habe mit Bedauern festgestellt, dass den Lehrern nicht daran gelegen war, Werbung für ihre Schule zu machen. Es wäre für alle von Interesse gewesen, zu erfahren, dass das GaO eine so genannte Europaschule ist, und welche Projekte in diesem Rahmen veranstaltet werden. Ebenso habe ich Informationen über Schüleraustausche, Medieneinsatz, Fachräume etc. vermisst.
In meinem Bericht werde ich mich mit der Präsentation von Lehrwerktexten befassen. Die Klasse 9 arbeitet mit dem Lehrwerk Cours Intensif I aus der Reihe Etudes Françaises, während die Klasse 7 mit dem Titel Découvertes 1 der gleichen Lehrwerkreihe arbeitet. In der Jahrgangsstufe 12 wurde eine Lektüre (Prosper Mérimée, Mateo Falcone) behandelt, worauf ich aber nicht näher eingehen werde.
1.1. Vorstellung der Schule
Die folgenden Erläuterungen sind dem umfangreichen Schulprogramm, das auf der Homepage der Schule veröffentlicht ist, entnommen.[1] Ich werde meine Ausführungen jedoch hauptsächlich auf die Möglichkeiten des Spracherwerbs beschränken.
Das Gymnasium am Ostring ist eine städtische Schule für Jungen und Mädchen und wird von etwa 800 Schülern besucht, wobei beide Geschlechter gleich stark vertreten sind. Es wurde 1860 als altsprachliches, humanistisches Gymnasium gegründet und steht bis heute in altsprachlicher Tradition. Seine zentrale Lage in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof wird von vielen Schülern aus allen Stadtteilen als großer Vorteil betrachtet.
Das Kollegium umfasst ca. 50 Lehrkräfte, das regelmäßig durch Referendare unterstützt wird und an der Aufnahme von Fremdsprachenassistenten interessiert ist.
Die Sprachenfolge am GaO ist nicht strikt vorgegeben, sondern lässt den Schülern als einzige Bochumer Schule bereits ab der 5. Klasse die Wahl zwischen Latein und Englisch. Wenn Latein ab Klasse 5 erlernt wird, belegt der Schüler ab dem Schuljahr 2004/2005 auch gleichzeitig das Fach Englisch, um die Englischkenntnisse aus der Grundschule aufzugreifen. Dieser spezielle Englischunterricht wird in der 5. Klasse im Umfang von zwei Wochenstunden erteilt und in der 6. Klasse mit drei Stunden fortgesetzt. Ziel des Englischunterrichts ist der kreative Umgang mit der Sprache sowie die Vorbereitung auf den kulturellen Austausch. Die Zeugnisnoten in Englisch sind noch nicht versetzungsrelevant. Der vorgezogene Englischunterricht soll einen problemlosen Anschluss in anderen Schulformen im Falle eines Wechsels gewährleisten. Obwohl Latein zu den alten Sprachen gehört, soll sie am GaO in den neusprachlichen Unterricht insofern miteinbezogen werden, dass lateinische Vokabeln als Merkhilfe beim Wortschatzerwerb der englischen bzw. romanischen Sprachen genutzt werden können.
In der 7. Klasse kann erstmals seit dem Schuljahr 2003/2004 entsprechend mit Latein oder Französisch als zweite Fremdsprache begonnen werden. Ob die Wahl fortan etabliert wird, hängt von der Lernbereitschaft und dem Lernfortschritt der jetzigen 7. Klasse ab. In der 9. Klasse besteht die Möglichkeit neben Französisch, Altgriechisch als dritte Sprache zu wählen, während in der Jahrgangsstufe 11 zusätzlich Italienisch, Spanisch und Hebräisch angeboten werden. In der Sekundarstufe I finden regelmäßige Austausche mit England und Frankreich statt; Austauschprogramme in der Sekundarstufe II bestehen zwischen den europäischen Ländern Ungarn, Bulgarien, Ukraine, Dänemark, Finnland, Italien, Griechenland, Lettland, Polen, Schweden, Slowenien, Spanien und Tschechien.
Die Schule beherbergt einen Fachraum für moderne Fremdsprachen mit installierter Video- und Satellitenanlage. Leider konnte ich diesen Fachraum weder persönlich sehen noch weitere Informationen über den Einsatz dieses Raumes in Erfahrung bringen.
2. Modelle zur Präsentation von Lehrwerktexten
Vorab werden einige allgemeine Informationen zu Lehrwerktexten für den Anfangsunterricht geliefert. Die Texte für den neu einsetzenden Fremdsprachenunterricht sind überwiegend fiktiv und nur äußerst selten Originaltexte aus der Zielsprache. Die Motivation des Lerners nimmt im Bewusstsein der Lehrbuchautoren lediglich eine hintergründige Bedeutung an. Sie verfolgen vielmehr das Ziel, so genannte zeitlose Texte zu produzieren, die wenig aktuellen Bezug zum jeweiligen Land nehmen. Damit soll der schnellen Überalterung der Lehrwerke vorgebeugt werden; ein Lehrwerk hat einen etwaigen „Marktwert“ von 8-10 Jahren. Dementsprechend unspektakulär präsentiert sich die Themenaufstellung - z.B. „La famille“, „A l’hôtel“, „Le téléphone sonne“… -, an die die Schüler mit einem frequenten, aus einem neutralen oder gehobenen Sprachregister entnommenen Vokabular herangeführt werden.[2]
Eingangs möchte ich die Vielfalt der Präsentationsformen von Lehrwerktexten beleuchten. Dabei zeigt sich bereits der Begriff „Lehrwerktext“ in seiner Definition als problematisch. Eine Lektion kann beispielsweise bis zu vier verschiedene Texte A-D umfassen, die jeweils eine unterschiedliche Funktion im Verlauf der Lektion einnehmen, eigene Themen, eigene lexikalische und morphosyntaktische Lerninhalte sowie eigene Ziele im Bereich der kommunikativen Fertigkeiten vorweisen. Text A steht meist als Vorlauftext zur Einführung einer bestimmten Lexik. Er kann als narrative Textform vorliegen, wobei die kommunikative Zielsetzung in der Darstellung einer bestimmten Situation liegt. Text B bildet im Anschluss daran den Textteil mit dem grammatischen Schwerpunkt und ist möglicherweise ein dialogisch angelegter Text, der die grammatisch neuen Strukturen in den Dialog integriert. In diesem Fall ist die Verwendung der grammatischen Formen das kommunikative Ziel. Der dritte Text kann abermals ein dialogischer sein, in dem primär die Handlung im Vordergrund steht. Der letzte Text dient der lexikalischen und grammatischen Erweiterung des Lernstoffes und stellt den Abschluss des gesamten Materials zur Gestaltung und Bewältigung kommunikativer Ziele dar. Eine derartige Einteilung einer Lektion fördert zwar einerseits die Überschaubarkeit der einzelnen Sinneinheiten und die variierende Wiederholung des Lernstoffes, hat jedoch gleichzeitig eine weniger steile Progression zur Folge. Diese Methodik der Textpräsentation, die fortwährend dem Schema Hinführung – Darbietung – Erschließung – Festigung gerecht wird, kann sowohl auf Schüler- als auch Lehrerseite zu Monotonie und Demotivation führen, wenn der Lehrer keine Wege der methodischen Umgestaltung wählt.
Im Folgenden soll ein Phasenmodell, an dem sich die Lehrwerksarbeit im Französischunterricht orientiert, dargestellt werden.
In der ersten Phase, der Präsentationsphase, stellt der Lehrer die neuen Lerninhalte vor, während die Schüler zum Verstehen und zur Reproduktion des Neuen angehalten werden. Zwangsläufig versteht sich diese Phase als stark lehrerzentriert, da von der Lehrperson die Impulse und Aktivitäten ausgehen. In einer sehr umfangreichen Lektion - wie oben geschildert - kann die Zahl der Präsentationsphasen gleich der Anzahl der einzelnen Lektionstexte sein oder sie aber abhängig von der Länge der Texte noch um mindestens zwei Phasen überschreiten. Spätestens hier sollte jedem Lehrer klar werden, dass Abwechslungsreichtum, Flexibilität und Ideenvielfalt den Unterricht spannender und effektiver gestalten können.
In der unmittelbar darauf folgenden Verarbeitungsphase werden den Schülern die Strukturen durch erklärende Kontexte bewusst gemacht. Der Lehrer stellt in diesem Zusammenhang zur Aneignung des Stoffes passende Übungsformen dar. Kennzeichen dieser Phase sind reaktives Arbeiten sowie formale Übungstätigkeiten, obwohl die Anweisungen durchaus situativ und hinsichtlich kommunikativen Handelns erfolgen.
In der Anwendungs- und Transferphase steht das Sprechen in lektionsähnlichen kommunikativen Situationen im Vordergrund. Die Redesituationen sollen primär auf Interaktionen unter den Schülern ausgeweitet werden. Das neu erworbene Material kann in komplexen Zusammenhängen angewendet und auf schülerrelevante Sachverhalte übertragen werden. Hierbei werden mitteilungsbezogene Kommunikation sowie direkte Annäherungen an reale Situationen angestrebt.
Nicht immer lassen sich die Übergänge zu den einzelnen Phasen klar voneinander trennen. Bereits in der Präsentationsphase können die neuen Lexeme in anderen kleinen Kontexten auftreten. Huda spricht hierbei von Nachfassen und Umwälzen.
Wählt man als Beispiel den Tagesablauf einer Lehrbuchperson, so sind die Schüler nicht nur animiert, die vorgegebenen Vokabeln zu reproduzieren, sondern zur Wiedergabe ihres eigenen Tagesablaufs bzw. des Tagesablaufs ihrer Familien aufgefordert. Bei der Präsentation verbindet sich die Reproduktion bereits mit der Verarbeitung und im eingeschränkten Maße auch mit Transferaufgaben.
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[1] http://www.ostring-online.de (Stand: 01.03.2004)
[2] Schiffler, Ludger: Welche Texte für den Anfangsunterricht? – Authentische, absurde oder interaktive! In: Bausch, K.-Richard; Christ, Herbert; Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.): Texte im Fremdsprachenunterricht als Forschungsgegenstand. Arbeitspapiere der 11. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Bochum, ²1993, S. 135.