Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundzüge der chinesischen Geschichte aus wirtschaftlicher und politischer Sicht
2.1 China unter Mao Zedong
2.2 Der Übergang der maoistischen Wirtschaftspolitik zu Deng Xiaoping
2.3 Die Deng’sche Wende: Chinas Wirtschaft unter Deng Xiaoping
3. Vom Plan zum Markt
3.1 Erste Reformen im Agrarsektor
3.2 Dual-Track-System
3.3 Öffnung der Märkte
3.4 Die Zwei Phasen des Transitionsprozesses
3.5 De- und Rezentralisierung
3.6 Dual Track Mechanismus im theoretischen Modell
4. Entwicklungsindikatoren Chinas – Ein Überblick
4.1 Auslandsnachfrage
4.2 Energieabhängigkeit
4.3 Disparität
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„Made in China“ – Dieser Slogan ist allgegenwertig, denn Chinas wirtschaftliche Supermacht ist in aller Munde. Die Zahl der Produkte, die aus China zu uns kommen wächst stetig. Abgesehen von der Popularität Chinas bewegt sich das Land immer mehr weg von dem ursprünglichen Schwellenlandstatus hin zu einem entwickelten Industriestaat. Chinas große Population und das damit verbundene Arbeitskräftepotential haben den Weg einer wirtschaftlichen Entwicklung gebettet, die sich von denen anderer Länder unterscheidet. Der ökonomische Systemübergang ist äußerst erfolgreich und gestaltet sich im Gegensatz zu radikalen Transformationen als eine Politik des sanften Wandels.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Übergangsprozessen von Chinas Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Beginnend wird thematisch in die politische und wirtschaftliche Geschichte eingeführt, wobei auf die Herrschaftsperioden Mao Zedongs und Deng Xiaopings eingegangen wird. Hierbei liegt die Konzentration auf einschneiden historische Reformen, wie zum Beispiel die Agrarreformen. Weiterführend wird die Priorität auf die Transformationsstrategie in Form des Dual-Track-Systems liegen, wobei wichtige Aspekte der zwei Phasen Strategie, der Marktöffnung sowie der De- und Rezentralisierung erklärt werden. Um aktuelle Züge der chinesischen Wirtschaft aufzugreifen, werden im abschließenden Kapitel aktuelle Entwicklungsindikatoren samt wichtigen Hindernissen der Disparität, Auslandsnachfrage und der Energieabhängigkeit Chinas aufgezeigt, um die Arbeit mit einem aktuellen Bezug abzurunden.
Es steht die Frage im Fokus, wie sich der beeindruckende wirtschaftliche Aufstieg Chinas möglich war und welche Probleme für eine zukünftige Entwicklung auftreten.
2. Grundzüge der chinesischen Geschichte aus wirtschaftlicher und politischer Sicht
Da die Entwicklung Chinas nicht allein aus den letzten Jahrzenten zu erklären ist, bedarf es einen Rückgriff auf frühere historische Ereignisse. Eine umfassende Erläuterung der chinesischen Geschichte liegt allerdings nicht im Rahmen dieser Arbeit, weswegen auf die Ära Mao Zedongs und Deng Xiaopings konzentriert wird. Anschließend wird genauer auf das System der Transition China eingegangen, das sogenannte Dual-Track-System. Hier liegt eine genauere Betrachtung auf der Öffnung der Märkte und der De- und Rezentralisierung, da diese Schritte für die wirtschaftliche Entwicklung unabdingbar sind. Für eine übersichtlichere Gestaltung der Entwicklungsreformen Chinas, werden abschließend die zwei Phasen des wirtschaftlichen Übergangs behandelt.
China befand sich vor der Ära Maos in einer Wirtschaftsordnung, in der die gesamte Wirtschaft von dem zentralen Staat nach Zielvorstellungen geplant und gelenkt wurde. Somit war die gesamte Produktion, die Verteilung und die Preise aller Güter und Dienstleistungen zentral festgelegt (Peisker 2007). Wenn man das China der heutigen Zeit betrachtet, darf man nicht den Weg vergessen, den China zurücklegen musste, um dorthin zu gelangen. Dieser Weg ist eine Art Sonderweg aufgrund der von westlichen Entwicklungsstrategien abweichenden Art und Weise des Transitionsprozesses. Um diesen Weg nachzuvollziehen, muss man sich bewusstwerden, wo alles begann - im China unter Mao.
2.1 China unter Mao Zedong
Das Jahr 1949 kann als eine Art Wendepunkt der wirtschaftlichen Geschichte Chinas betrachtet werden, da sich die Regierung und Wachstumsentwicklung zu diesem Zeitpunkt sehr verändert hat. Das Land war bis 1949 in Hinsicht des Wirtschaftswachstumes nie ein weit entwickeltes, sondern eher erfolgloses Land gewesen. Denn China hatte mit großen wirtschaftlichen Hindernissen aufgrund der Konsequenzen vergangener Kriege, beispielsweise große landwirtschaftliche und industrielle Schäden oder Hyperinflation zu kämpfen. Nach 1949 verzeichnete China einen stetigen schnellen Wachstum (Naughton 2007). Dieses Wachstum mündete aus dem Maoismus, eine politisch kommunistische Strömung unter Mao Zedong, welcher seit der Revolution 1949 Leitidee staatlich politischen Handelns war.
Mao Zedong war ein chinesischer Revolutionär. Als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas von 1943 bis 1976, der Volksregierung von 1949 bis 1954 sowie als Staatspräsident der von ihm gegründeten Volksrepublik China von 1954 bis 1959 galt er als einer der führender Politiker. Bereits 1958 hatte Mao eine Kampagne zur Dezentralisierung des wirtschaftlichen und politischen Systems des Landes in Angriff genommen. Er begann die Wirtschaft in ein Modell nach der sowjetischen zentralen Planwirtschaft umzugestalten, mit dem Ziel China von einem Agrar- zu einem Industrieland umzuwandeln und dadurch Unabhängigkeit zu erreichen (Naughton 2007). Mit der Übernahme der Planwirtschaft wurde die Rolle des Staates im ökonomischen Bereich immer wichtiger. Zum Ende des ersten Fünfjahresplanes der Planwirtschaft (1953-57) entfernte sich die chinesische Wirtschaft von dem sowjetischen Vorbild (Zander und Richter 1992). Mao mischte Elemente der Zentralverwaltungswirtschaft mit Elementen einer lokalen und regionalen Eigenwirtschaft. Auf der einen Seite interveniert die Zentralregierung bei volkswirtschaftlichen Gütern, beispielsweise beim Zwangseinkauf von Getreide für die Versorgung der Städte. Andererseits wurden Allokations- und Produktionsentscheidungen im ländlichen Raum ohne staatlichen Durchgriff getroffen. Diese Entwicklung der Dezentralisierung und Zentralisierung wirkten allerdings integrationsmindernd, was zu dem Zusammenbruch der stark zentralisierten Planwirtschaft führte, da der Strukturen der Planwirtschaft, wie des durch zentrale Eingriffe gebildeten Kapitalstocks, meist nicht marktwirtschaftlich effizient und folgend unter Marktbedingungen nicht überlebensfähig sind (Herrmann-Pillath 1995). Dies geschah zusammen mit einer im Jahre 1958 in Angriff genommenen Kampagne zur Dezentralisierung des wirtschaftlichen und politischen Systems des Landes, dem sogenannten „Großen Sprung nach vorne“, welcher China innerhalb kürzester Zeit auf eine Ebene mit großen Industrienationen bringen sollte. Durch wirtschaftliche Fehlsteuerung, wie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, Zusatzbelastung der Bauern an Infrastrukturprojekten und einer Binnenmigration der ländlichen Bevölkerung in die Städte, sanken landwirtschaftliche Erträge (Naughton 2007). Neben Überforderungen der Bauern mündeten schlechte Erntewetter und Naturkatastrophen sowie steigende, für den Staat als Steuer geltende Getreideabgaben in der größten Hungersnot des 20. Jahrhunderts (Zander und Richter 1992). Aufgrund der katastrophalen Auswirkungen konzentrierte sich der Staat auf die Durchführung einer Kulturrevolution, welche eine kommunistische Rückbesinnung der Bevölkerung erreichen sollte (Naughton 2007). Anders als bei der Kampagne des „Großen Sprungs nach vorne“ wurden die Wirtschaft und Landwirtschaft weitgehend ausgenommen, damit die Produktion möglichst ungestört weiterlaufen konnte. Es handelte sich hierbei mehr um einen politischen Prozess, jedoch wütete die Kulturrevolution mit Radikalität. Beispielsweise wurden zahlreiche Kulturdenkmäler zerstört. Obwohl kein direkter Eingriff in den wirtschaftlichen Prozess stattfand, stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung und führte zu einer Unzufriedenheit in der Bevölkerung und unter Kadern der Kommunistischen Partei Chinas. Die Kulturrevolution streckte sich bis zu Mao Zedongs Tod im Jahre 1976. Erst nachdem Mao verstorben war, konnte die Unzufriedenheit überwunden werden und der Boden für neue Reformen bereitet werden (Herrmann-Pillath 1995).
Zusammenfassend wird offensichtlich, dass die Volksrepublik China nach 1949 unter Mao eine Entwicklung durchlief, die die damals bestehende Entkoppelung der Wirtschaftsstrukturen nicht aufhob, sondern die Desintegration zwischen verschiedenen inländischen Regionen verstärkt hatte, indem die Autarkie der einzelnen Regionen unterstützt und von einer befehlswirtschaftlichen Umverteilung an Ressourcen ineffizient überlagert wurde (Herrmann-Pillath 1995). Als Mao Zedong am 9.September 1976 verstarb, befand sich die von Mao begründete Kulturrevolution Chinas in vollen Zügen. Sie hatte eine Reihe von Revolutionen als Ziel, um von kapitalistischer Korruption und Bürokratie zu befreien. Mao wollte gegen die bestehende Armut kämpfen und vereint mit dem Volk alles Mögliche zu dieser sozialistischen Verwirklichung beitragen. Das Ziel Maos war ein positives und fortschrittliches, jedoch bescherte diese wenig durchdachte Revolution Auswirkungen in die entgegengesetzte Richtung.
Trotz diverser Desaster galt das maoistische Erbe nicht als rein negativ. Aufgrund seiner Errungenschaften, beispielsweise für die Revolutionsstrategie im ländlichen Kleinbauerntum und das Machtwachstum der Kommunistischen Partei Chinas, gilt Mao Zedong als unersetzlich in Chinas Geschichte sowie auch als große Inspiration und Beeinflussung auf die ganze Welt (Coase et al. 2013).
2.2 Der Übergang der maoistischen Wirtschaftspolitik zu Deng Xiaoping
Der Maoismus hatte stets versucht, sich von sowjetsozialistischen Entwicklungsstrategien zu differenzieren und den Problemen der Landwirtschaft besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Letztendlich war der Maoismus allerdings zu Lasten des landwirtschaftlichen Sektors gefallen und dementsprechend einer stalinistischen Entwicklungsstrategie entsprechend. Trotzdem konnten beachtliche Wachstumsraten erzielt werden, weswegen vor dem Hintergrund der politischen Instabilität der Maoismus durchaus als Erfolg gewertet werden kann (Herrmann-Pillath 1995). Dennoch war aufgrund Ende der 1970er Jahre die Zeit für Reformen gekommen. Mao musste nach diversen Misserfolgen in den Hintergrund treten, es war eine Distanzierung der neuen Regierung unter Deng Xiaoping von der Kulturrevolution nötig (Zander und Richter 1992). Zudem hatte die Regierung lange Erfahrungen mit der Planwirtschaft sammeln können um gegen Schwächen zu agieren. Die Entwicklung der Tigerstaaten in Ostasien hatten gezeigt, dass eine Marktwirtschaft zu einem deutlichen Anstieg des Lebensstandards führen kann. Außerdem waren die Chinesen reif für Veränderung (Gregory C Chow 2007).
2.3 Die Deng’sche Wende: Chinas Wirtschaft unter Deng Xiaoping
Zwei Jahre nach Mao Zedongs Tod begann nach Jahrzehnten einer geschlossenen Volkswirtschaft und Abkopplung vom Weltmarkt eine Liberalisierungs- und Öffnungspolitik unter der Regierung von Deng Xiaoping. Deng trat während Studien- und Arbeitsaufenthalten in Frankreich und der Sowjetunion der Kommunistischen Partei Chinas bei, in welcher er schnell aufstieg und zu einer der wichtigsten Machstützen Mao Zedongs wurde (Heberer und Derichs 2008). Er führte China faktisch, ohne die Spitzenämter persönlich einzunehmen, von 1979 bis zu seinem Tod 1997 mit dem Slogan: „Es ist egal, ob eine Katze weiß ist oder schwarz, Hauptsache, sie fängt Mäuse.“ (Peisker 2007). Dies bedeutet, es ist irrelevant, durch welche Wirtschaftsordnung das Ziel der Integration Chinas in die Weltwirtschaft und eine damit verbundene Modernisierung und Wohlstandsgenerierung erreicht wird. Die Modernisierung gliederte sich in vier Modernisierungsziele: Landwirtschaft, Industrie, Wissenschaft/Technik und Verteidigung. Dabei handelte es sich lediglich um Kardinalprinzipien, die offen für weitere Interpretationen und lokalen Anpassungen blieben. Den eingeschlagenen Reformpfad zwischen Gradualismus und Schocktherapie charakterisierte Deng wie folgt: „Den Fluss überqueren, indem man nach den Steinen tastet“ (Brink 2013). China befindet sich in einem Transformationsprozess von einer zentralen Planwirtschaft zu einer sozialistischen Marktwirtschaft (Peisker 2007). Als Startdatum für Chinas außenwirtschaftliche Öffnung gilt der elfte Kongress der kommunistischen Partei Chinas im Jahre 1978. Aufgrund ideologischer Auseinandersetzungen konnte sich die Partei bezüglich Richtung und Geschwindigkeit nicht für eine der typischen Transaktionsstrategien - Schocktherapie und Gradualismus – entscheiden (Desalm 2007). Nach langen Debatten konnte sich Deng Xiaoping mit einer Mischform durchsetzen. Sein strategischer Ansatz war ein nichtstaatlicher marktorientierter Sektor verknüpft mit dem der bewährten Planung als zentrales Element (Journal of Political Economy 2000). Diese Reform lässt sich als „[…] a policy of opening and economic reforms while holding on tot he communist ideology in the political sphere“ (Schlevogt 2000b) beschreiben. Unter Deng Xiaoping verbesserten sich Chinas Lebensumstände maßgeblich und China wurde zu einer am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt.
3. Vom Plan zum Markt
3.1 Erste Reformen im Agrarsektor
Reformen wurden in einzelnen Segmenten der Wirtschaft getestet, um bei Effizienz und Erfolg den Wirkungskreis auf andere Branchen und Sektoren auszuweiten. Misslang eine Reform, so resultierte daraus kein gesamtwirtschaftlicher Schaden. Dieser Prozess diente zur Kontrollbewahrung der Regierung über ökonomische Prozesse. Erste Reformen fanden hierzu im Agrarsektor statt (Peisker 2007). Die Modernisierung der Landwirtschaft war eins Dengs primärer Ziele, denn es war offenkundig, dass die Landwirtschaft aufgrund mangelnder Versorgung mit Agrotechnik von der industriellen Entwicklung abgehängt worden war. Aufgrund wachsender Bevölkerung und einem einhergehenden steigenden Ernährungsanspruch musste eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Der Kongress beschloss aufgrund steigender Mengenanforderungen und damit verbundenen sinkenden Preisen den planwirtschaftlichen Druck auf die Landwirtschaft mit Hilfe von Liberalisierungsmaßnahmen zu reduzieren (Zander und Richter 1992). Den Bauern wurde mehr Verantwortung durch ein sogenanntes „System der Eigenverantwortlichkeit“ (Zander und Richter 1992) übertragen, indem Produktionsgemeinschaften aufgelöst wurden und den Landwirten das Recht zur Verantwortung einer bestimmten Fläche übertragen wurde. Von dem Ertrag der besagten Fläche musste eine vertraglich geregelte Menge an den Staat abgeführt werden, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Die restliche, über dem Plan liegende Menge, konnte von den Bauern konsumiert oder gehandelt werden. Es herrschte ein Pachtsystem anstelle der Produktionskollektive (Naughton 2007). Diese Teilprivatisierung war ein großer Erfolg. Die Agrarreform gilt als sehr effizient, weil sie eine deutliche Produktivitätssteigerung und Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion auslösen konnte. Nachdem sich die Getreidemenge, die pro Kopf zur Verfügung stand seit 1957 nicht verändert hatte, wuchs die Menge pro Kopf zwischen 1978 bis 1984 um fast 26% von 319kg auf 400kg (Zander und Richter 1992). Damit begannen Wirtschaftsreformen, die sich über die ländlichen Gebiete ausbreiteten konnten und ökonomische Pluralisierung in Form von vielfältigen Eigentumsformen, Selbstständigkeit sowie Wettbewerb und Markt bewirkten (Heberer und Derichs 2008). Landwirtschaftliche Produkte wurden weiterverarbeitet und eigenständig vermarktet, was zu einer vermehrten Gründung der Township and Village Enterprises führte. Diese entwickelte sich sehr schnell zu einem wichtigen Bestandteil des Wirtschaftswachstums und damit auch zur Konkurrenz staatlicher Firmen (Naughton 2007). Ab Mitte der achtziger Jahre forcierte die chinesische Regierung auch auf nicht-agrarische Sektoren.
3.2 Dual-Track-System
Das sogenannte zweigleisige System ist die Strategie Chinas zum Herauswachen aus der zentralen Planwirtschaft und bedeutet eine parallele Existenz zweier Preisbildungsmechanismen. Die Strategie konnte bis 1997 schrittweise unverzerrte Preise liberalisieren und einen Inflationsschub vermeiden (Peisker 2007). Zu Beginn wurden unwichtige Konsumgüter von der staatlichen Preisbildung losgelöst, weiterführend wurden Agrarprodukte erfolgreich preislich liberalisiert, denn bereits im Jahre 1985 steuerten Marktmechanismen 75% der agrarischen Produkte. Dadurch entstand allerdings auch ein großes Problem des Dual-Track-Systems, weil es großen Spielraum für Korruption schuf. Transferierte man ein Gut vom Plan- in den Marksektor konnte man den Preis leicht um 50-100% steigern. Unternehmen wurde wie im Agrarsektor ein bestimmtes Produktionsvolumen nach staatlichem Plan vorgeschrieben, alles über dem darüberhinausgehende durfte am Markt angeboten werden. Dabei entstand durch das Dual-Track-System auch ein duales Preissystem mit zwei Preisen. Zum einen der staatlich bestimmte Preis, zum anderen ein normalerweise höherer Marktpreis. Durch die graduelle Liberalisierung und der allmählichen Öffnung gegenüber ausländischer Direktinvestoren konnten sich Staatsunternehmen flexibel an den Marktprozess anpassen, während der Staat die Mengenplanung durch einen Kreditplan substituierte (Brink 2013). Hierfür nutzte die Regierung harte monetäre Budgetrestriktionen, was den Kreditplan im Vergleich zum Mengenplan immer wichtiger werden ließ. Die Etablierung diese harten mikroökonomischen Budgetrestriktionen sind maßgebend für einen erfolgreichen Transformationsprozess und werden durch die People’s Bank of China mit Hilfe des Kreditplans hergestellt. Marktwirtschaftliche Unternehmen sind seit 1978 in China zugelassen, doch seit 1985 ist ihr Einfluss durch die Kooperation mit ausländischen Unternehmen gewachsen. Hinzu kam die parallele Entwicklung von Privatunternehmen, welche komplett markt- und wettbewerbsorientiert wirtschaften und die Zahl der staatliche Unternehmen immer mehr vermindern, beispielsweise wurden Ende der neunziger Jahre viele kleinen und mittleren Staatsunternehmen privatisiert während große staatliche Unternehmen in AGs umgewandelt wurden (Peisker 2007). Die Zahl der Privatunternehmen stieg, da nun ein Markt außerhalb des von staatlichen Firmen dominierten Plans existierte, hatten diese Firmen einen Anreiz, ihre Produktion zu steigern. Die Entstehung eines neuen Unternehmertums ist eine unabdingbare Ursache des Wandels, denn abgesehen von dem Rückzug der staatlichen Kontrolle über die Wirtschaft bildet erst der Unternehmer die fortwährende Bedingung erfolgreichem Wirtschaftswachstums (Brink 2013). Seit 1997 ist privatwirtschaftlicher Aktienbesitz gestattet, der Mehrheitsanteil blieb hierbei jedoch in staatlicher Hand. Bis heute existieren in China strenge Vorschriften bezüglich außenwirtschaftlicher Beziehungen, ein Beispiel hierfür sind Kapitalverkehrskontrollen (Peisker 2007). Ein wichtiger Faktor im Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft war die im Jahre 1984 gefällte Entscheidung der Regierung über die Festlegung einer konstanten Planmenge. Denn aufgrund der weiterwachsenden Wirtschaft in den Folgejahren, wurde der zu erfüllende Plan immer leichter realisierbar, sodass immer mehr Güter auf den freien Märkten gehandelt werden konnten. Dies führte zu einem „Herauswachsen“ der chinesischen Wirtschaft aus dem Plan. Dabei hatte China im Vergleich zu einer Übergangsschocktherapie, wie beispielsweise in Russland stattfand, mit Hilfe des Dual-Track-System den Vorteil, dass eine „Reform ohne Verlierer“ durchgeführt werden konnte. Dies funktionierte, da ein Teil der Wirtschaft durch Planelemente geschützt wurde, während immer mehr Güter einem freien Markt zugeführt werden konnten. So konnten Massenentlassungen nicht-konkurrenzfähiger staatlicher Betriebe ausbleiben, zudem wurde die soziale Stabilität Chinas gefördert (Naughton 2007).
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