Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Einführung in Adornos Jazzkritik und den Begriff der Kulturindustrie
III. Einführung in den Film „Some Like It Hot“ von Billy Wilder
IV. Gegenüberstellung der beiden Jazzdarstellungen mit Untersuchung der Kulturindustrie-Einflüsse
V. Abschließende Beurteilung der gefundenen Ergebnisse
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„Nobody’s perfect“ – das sind die bekannten Schlussworte der Filmkomödie „Some Like It Hot“ von Billy Wilder aus dem Jahre 1959. Ebenfalls in den 50er Jahren entstand Theodor W. Adornos Aufsatz „Zeitlose Mode. Zum Jazz“, in welchem er die von ihm empfundene Imperfektion des Jazz nicht ganz so gutmütig hinnahm wie Osgood die Enthüllung der Männlichkeit seiner Daphne.
Seine Abneigung gegen Jazz formulierte Adorno bereits 1936, und es sollten noch einige Auseinandersetzungen mit dem Thema folgen. Der Hauptkritikpunkt ist stets die Kulturindustrie: Ein System, welches (Jazz-) Musik zur Ware macht und sie aus Gründen der Kommerzialisierung ausschlachtet. Die ursprüngliche Rebellion des Jazz wird weichgespült und in immergleichen Mustern reproduziert. Eine detaillierte Abhandlung über die Kritik an der Kulturindustrie findet sich in einem Kapitel der „Dialektik der Aufklärung“, welche Adorno gemeinsam mit Horkheimer im Jahr 1944 verfasste.
Diese Jazzmusik spielt ebenfalls eine große Rolle in „Some Like It Hot“. Mittelpunkt sind zwei Jazzmusiker, die Unterschlupf in einer Frauen-Jazzkapelle suchen. Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Überladenheit von Klischees, welcher sich der Regisseur Billy Wilder bedient, auseinandersetzen. Darüber hinaus werde ich nach Parallelen zwischen Wilders und Adornos Jazzdarstellungen suchen und herausfinden, ob auch in dem Kultfilm unterschwellige Kritik am Jazz geübt wird.
Die Hauptrolle der Sugar wird in dem Film von Marilyn Monroe verkörpert, welche wie keine andere für Weiblichkeit und Sexualisierung in Hollywood steht. Anhand ihrer Rolle in „Some Like It Hot“ möchte ich auf ihre Beeinflussung durch die Kulturindustrie eingehen.
II. Einführung in Adornos Jazzkritik und den Begriff der Kulturindustrie
Theodor W. Adorno und den Jazz verband keine einfache Beziehung. Schon im Jahr 1936 veröffentlichte er den Aufsatz „Über Jazz“ in der Zeitschrift für Sozialforschung – allerdings nicht unter seinem richtigen Namen, sondern unter dem Pseudonym Hektor Rottweiler. Seine darin formulierten Gedanken sind keineswegs positiver Natur. Vielmehr prangert er darin die vorgegaukelte Individualität des Jazz an, welche dieser nicht einlösen kann. Das liebste Stilmittel des Jazz, die Synkope, täusche ihre Virtuosität ebenso vor, obwohl sie doch dem strengen Innehalten von Zählzeiten nichts entgegenhalten könne (vgl. Adorno 1936, S. 235f.). Auch die hochgepriesenen Improvisationen im Jazz haben für ihn „[…] bloß ornamentale, nie konstruktive und formsetzende Bedeutung“ (Adorno 1936, S. 242). Alles sei einem Schema unterworfen, die starre, stereotype Form der Reproduktion beherrsche die Musik. Das Publikum aber sei verblendet und wolle diesen Umstand nicht erkennen, klammere sich an diese Symmetrie, während es Individualität predige und in seiner Scheinfreiheit lebe. (vgl. Adorno 1936, S. 241).
Zwei Jahre nach Veröffentlichung des pseudonymisierten Textes emigrierte Adorno aus Nazi-Deutschland nach Amerika. Als er 1953 aus dem Exil zurückkehrte, hatte sich seine Abneigung gegen Jazz manifestiert. Aus dem Geburtsland des Jazz wiederkehrend, musste er feststellen, dass eine Welle der Jazz-Popkultur nach Europa übergeschwappt war. Seine Gedanken dazu schrieb Adorno im Aufsatz „Zeitlose Mode. Zum Jazz“ nieder, welche 1953 in der Zeitschrift Merkur publiziert wurde – diesmal unter seinem richtigen Namen. In diesem Text führte er die 1936 begonnenen Gedanken konsequent weiter. Die Standardisierung und Pseudo-Individualisierung stehen erneut im Vordergrund. Die Rebellion, aus welcher der Jazz überhaupt erst entstand, werde radikal weichgespült, „Widerspenstigkeit hat sich in Glätte zweiten Grades verwandelt“ (Adorno 1953, S.1). Diese eingeschränkte, schematische Rebellion sei in der analytischen Psychologie mit dem sadomasochistischen Typus gleichzusetzen, welcher sich durch unbewusstes Streben nach Unterordnung auszeichne. Die eigene Unterwerfung werde als Freiheit inszeniert. (vgl. Adorno 1953, S. 1)
Ein weiterer Leitgedanke des Textes ist der Vergleich des Jazz mit der Mode. Es gehe bei beiden lediglich um die Aufmachung, den äußeren Schein. Obwohl der Jazz sich über vierzig Jahre lang behauptet hat, sei er dennoch kurzlebig, da er inhaltlich keinerlei Änderung bringe. Das Wunschbild des Jazz sei jenes Ewigkeits-Potenzial, trotz völliger Geschichtslosigkeit und der Beliebigkeit seiner Bestandteile. (vgl. Adorno 1953, S. 2f.)
Um Adornos spezielle Abneigung gegen Jazz im Ganzen zu verstehen, darf man den Begriff der Kulturindustrie nicht außer Acht lassen. Im Jahr 1944 verfasste er gemeinsam mit Max Horkheimer die „Dialektik der Aufklärung“. Im Kapitel „Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug“ wird der Einfluss des Spätkapitalismus auf die Entwicklung der Kultur beschrieben. Jede Art von Kultur werde kommerziell vermarktet und „[a]lle Massenkultur unterm Monopol ist identisch“ (Adorno/Horkheimer 1944, S. 8). Das Hauptproblem sei hier der Warencharakter der Kultur. Der Zuschauer soll die Ware, wie z.B. einen Tonfilm, leicht konsumieren und auf seine Wirklichkeit übertragen können. Dies führe zur „[…] Verkümmerung der Vorstellungskraft und Spontaneität des Kulturkonsumenten“ (Adorno/Horkheimer 1944, S. 16). Der Konsument glaube, in der Kultur einen Rückzugsort zu finden, wobei es sich nicht um eine „[…] Flucht vor der schlechten Realität, sondern vor dem letzten Gedanken an Widerstand, den jene noch übriggelassen hat“ (Adorno/Horkheimer 1944, S. 41), handle.
Das Ziel dieser Gleichschaltung der Kultur sei ganz klar ökonomischer Natur, Wirtschaftswachstum werde in allen Bereichen angestrebt. Das System der Kulturindustrie habe seinen Ursprung in den liberalen Industrieländern wie Amerika, wo auch die Erfolgsgeschichte des Jazz begann. (vgl. Adorno/Horkheimer 1944, S. 24)
Das Phänomen Jazz wird also von Adorno ganz selbstverständlich „[…] als wichtigstes Modell der Kulturindustrie, als soziale Tatsache analysiert“ (Paetzel 2001, S. 78). Die Popularität des Jazz sei nur durch seinen Warencharakter zu erklären, was ihn als modernes Massenmedium festlege. Adorno argumentiert mit der Objektivität musikalischen Gehalts und lässt die subjektive Beurteilung der Fans außen vor. Dabei tut er den Jazz jedoch nicht als etwas Unbedeutendes ab, sondern erkennt ihn als ein gesellschaftlich relevantes Phänomen. Hier eröffnet sich die Dialektik: Im Schein des Jazz vermag er es, die Wahrheit gespiegelt zu sehen. (vgl. Paetzel 2001, S. 78) Diese Wahrheit ist die der Scheinfreiheit: Die Wahlmöglichkeiten, die den Kulturkonsumenten geboten werden, sind scheinbar mannigfaltig, aber bei genauerem Hinsehen ist die Auswahl begrenzt und vorherbestimmt (vgl. ebd., S. 85).
III. Einführung in den Film „Some Like It Hot“ von Billy Wilder
Ein Hollywood-Filmstar, Jazzmusik und ein seichter, humorvoller Plot: Diese Kombination hätte Adorno wohl als eins der schlimmsten Produkte der Kulturindustrie verteufelt. Doch bevor ein vorschnelles quod erat demonstrandum gesetzt wird, gilt es, den Inhalt des besagten Films genauer zu untersuchen.
Als interessante Hintergrundinformation sei aufzuführen, dass die Vorlage für die Filmhandlung die deutsche Komödie „Fanfaren der Liebe“ aus dem Jahr 1951 bot, in welcher die Musiker Hans und Peter sich als Hansi und Petra verkleiden (vgl. Gratzke 2008, S. 229).
„Some Like It Hot“ kam im neuen Gewand im Jahr 1959 unter der Regie von Billy Wilder in die Kinos. Die Filmkomödie spielt 1929, zur Zeit der berühmten „Roaring Twenties“. Der Inhalt lässt sich in die drei Teile Exposition, Konfliktentwicklung und Konfliktauflösung unterteilen.
In der Exposition wird die zeitliche Einordnung der Prohibitionszeit der 20er Jahre und der Gangsterkrieg-Ära Chicagos vorgegeben. Als männliche Protagonisten werden Joe und Jerry vorgestellt, ein Saxophon- und ein Kontrabassspieler. Das jähe Auflösen ihres musikalischen Engagements in einer von der Polizei entdeckten Flüsterkneipe führt zu ihrer verschlechterten finanziellen Situation und zu dem unglücklichen Umstand, Zeuge einer Mafiosi-Auseinandersetzung zu werden, die für eine beteiligte Partei tödlich ausgeht. Das Clan-Oberhaupt Gamaschen Colombo hat aber nicht gerne Zeugen. Eine Notlösung muss her, und es bleibt den Musikern schließlich nichts anderes übrig, als ein Engagement in einer Damen-Jazzkapelle anzunehmen. Dafür verkleiden sie sich als Josephine und Daphne und machen sich mit „Sweet Sue and her Society Syncopators“ auf eine Zugreise nach Florida (vgl. Wilder 1959, 3‘15“-24‘05“).
Mit dem Auftreten der weiblichen Hauptrolle Sugar, gespielt von Marilyn Monroe, beginnt der zweite Teil und somit die Konfliktentwicklung. Es folgen Auseinandersetzungen mit „[…] komischen Konfliktsituationen zwischen mehr oder weniger erfolgreich unterdrückter Libido, Rivalität unter Freunden […] und d[er] ständige[n] Gefahr, enttarnt zu werden“ (Gratzke 2008, S. 239). Sowohl Joe als auch Jerry fühlen sich zu der naiv-dümmlichen Blondine hingezogen, müssen aber den Schein der Weiblichkeit aufrechterhalten. Am Strandhotel in Miami angekommen, spitzt sich die Situation weiter zu. Joe wagt das nächste Verkleidungsspiel: Als Millionär angezogen, versucht er, Sugar zu verführen. Bei einem nächtlichen Rendez-Vous auf einer Jacht hat er damit auch Erfolg. Simultan geht Jerry in seiner Rolle als Daphne auf und lässt sich beim Tango vom Millionär Osgood Fielding einen Heiratsantrag machen. (vgl. Wilder 1959, 25‘10“-90‘10“)
[...]