Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen, eine investitionstheoretische Untersuchung


Diplomarbeit, 2005

55 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Untersuchung
1.2 Begriffsabgrenzung

2 Motive für Desinvestitionen
2.1 Reaktive Sichtweise
2.2 Proaktive Motive

3 Desinvestitionsformen
3.1 Sell-off
3.2 Management Buy-Out
3.3 Spin-off

4 Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen
4.1 Unternehmenswertsteigerung mittels Shareholder Value
4.1.1 Das Shareholder-Value-Konzept
4.1.2 Shareholder Value als Gütemaß der Desinvestition
4.1.3 Würdigung des Shareholder Value als Gütemaß
4.2 Principal-Agent-Ansätze zur Erklärung wertschaffender Desinvestitionen
4.2.1 Das Principal-Agent-Konzept
4.2.2 Beitrag der Agency-Theorie zur Wertsteigerung durch Desinvestitionen
4.3 Kapitalmarkttheorie als Erklärung der Wertsteigerung
4.3.1 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM)
4.3.2 Die Kapitalmarkttheorie und Unternehmenswertsteigerung
4.3.3 Weitere kapitalmarktbezogene Effekte der Desinvestition
4.4 Wertsteigerungspotential der Desinvestitionsformen

5 Grundmodell zur wertsteigernden Nutzung von Desinvestitionen
5.1 Annahmen
5.2 Desinvestitionsüberlegungen und strategische Aktivitäten
5.3 Grundmodell einer erfolgreichen Desinvestition

6 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Gewichtete Auslösefaktoren von Desinvestitionen nach Jansen

Abbildung 2: Desinvestitionsformen

Abbildung 3: Grundstruktur Spin-Off

Abbildung 4: Das Shareholder-Value-Netzwerk

Abbildung 5: Principal-Agent-Beziehungen im Konzern

Abbildung 6: Grundlagen des CAPM

Abbildung 7: Wertsteigerungspotentiale alternativer Desinvestitionsformen

Abbildung 8: Strategische Aktivitäten

Abbildung 9: Desinvestitionen als Wegbereiter

Abbildung 10: Kritische Erfolgsfaktoren bei Desinvestitionen

Abbildung 11: Entscheidungskriterien bei der Wahl der Desinvestitionsform

Abbildung 12: Der Desinvestitionsprozess unter Berücksichtigung der Unternehmenswertsteigerung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Untersuchung

Die Auseinandersetzung mit der Desinvestition von Unternehmungen und Unternehmensteilen wird in der Wissenschaft und Praxis häufig noch immer als unerwünscht und als Eingeständnis früherer Fehlentscheidungen interpretiert. Eine Veräußerung von Unternehmensteilen gilt zumeist als das äußerste Mittel, das herangezogen wird, wenn andere Maßnahmen versagt haben.[1] Zudem dominiert bislang die Betrachtungsweise der Desinvestition als Anpassungsmaßnahme auf bereits erfolgte Änderungen in der Unternehmensumwelt, die nicht durch den Einsatz strategischer Instrumente bewältigt werden konnten.

Die Desinvestition von Unternehmensteilen kann jedoch durchaus auch als Instrument zur Steigerung des Unternehmenswertes eingesetzt werden. Eine konzeptionelle Erweiterung der Desinvestition hin zu einer proaktiven Betrachtungsweise, als eigenständige strategische Alternative zur Unternehmenswertsteigerung gewinnt heute nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der unternehmerischen Praxis an Bedeutung. So sind heute verschiedene Aussagen immer wieder in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zu finden:[2]

„- Rechtzeitige Desinvestitionsentscheidungen können zu positiven

Wirkungen für die Gesamtunternehmung führen;

- Desinvestitionsentscheidungen werden im Wesentlichen durch

Wirtschaftlichkeitsrechnungen fundiert;

- gemessen an der realen Bedeutung von Desinvestitionen ist der

Umfang betriebswirtschaftlicher Forschung zu dieser Problematik

gering.“[3]

Es zeigt sich, dass Desinvestitionen tatsächlich eine entscheidende Rolle bei der Unternehmenswertsteigerung zukommen kann. Immer mehr Unternehmen wollen, statt mit vielen verschiedenen Geschäftsbereichen nur Mittelmaß zu sein, lieber mit einigen wenigen Aktivitäten zur Weltelite gehören.[4]

Nachhaltige Wertsteigerung = (Neu-)Schaffen + Abschaffen[5]

Eine Reihe von empirischen Erhebungen belegen die mögliche Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen.[6] Ziel dieser Arbeit ist jedoch die theoretische Betrachtung der Steigerung des Zukunftserfolges einer Unternehmung mittels Desinvestitionen. Als Erfolgskriterium wird, wie es sich wiederum in der wirtschaftwissenschaftlichen Literatur etabliert hat, der Unternehmenswert bzw. der Shareholder Value vorausgesetzt. Mit der systematischen Einbindung der Desinvestition in die strategische Zielsetzung der Unternehmung und der Präzisierung des Zukunftserfolges wird im Rahmen dieser Untersuchung der Shareholder Value als das Gütemaß für Desinvestitionsentscheidungen festgelegt. Dabei erfolgt eine Analyse der potentiellen Wertsteigerung für die desinvestierende sowie für die desinvestierte Unternehmung bzw. Teilunternehmung.

Davon ausgehend, dass die Desinvestition kein bloßes, der Umweltbewältigung dienendes Instrument des Managements darstellt, wird im Verlauf dieser Betrachtung ein Grundmodell der wertsteigernden Desinvestition erarbeitet. Zuvor wird jedoch in Kap. 1.2 die Begriffsdefinition für die Desinvestition sowie für die entsprechenden Desinvestitionsobjekte formuliert. Anschließend widmet sich Kap. 2 den unterschiedlichen Motiven für die Ausgliederung von Unternehmensteilen und stellt letztendlich die Desinvestition als eigenständige strategische Alternative zur Unternehmenswertsteigerung heraus. Die Desinvestitionsformen begrenzen sich im Laufe der Arbeit auf den Sell-off, den Management Buy-Out sowie den Spin-off. Grund dafür ist das abzugebende Beherrschungsverhältnis der Muttergesellschaft gegenüber dem Desinvestitionsobjekt.[7] Auf Basis der Kernhypothese ´Desinvestitionen sind wertsteigernd´ werden in Kap. 4 Theorien dargestellt, die wertsteigernde Eigenschaften der Desinvestition erklären. So dient zunächst das Shareholder-Value-Konzept als Grundlage der Erfolgsmessung und als Maßstab für strategische Ziele der Unternehmung. Agency-theoretische Ansätze zur Erklärung einer Wertsteigerung durch Des-investitionen zeigen anschließend die mögliche Wertvernichtung in stark diversifizierten Unternehmen durch bestehende Zielkonflikte zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auf. Die Darstellung der Kapitalmarkttheorie verdeutlicht anschließend in Kap. 4.3 Modelle und Theorien, die zur Bestimmung der Renditen einzelner risikobehafteter Anlageobjekte dienen und verschafft einen Überblick über potentielle Abweichungen zwischen Unternehmenswert und Marktpreis. Das zuvor genannte Grundmodell zur wertsteigernden Nutzung von Des-investitionen dient in Kap. 5 nicht einer isolierten Betrachtung einzelner Ereignisse, sondern vielmehr einem ganzheitlichen Vorgehen. Alle beschriebenen Theorien werden hierbei in Form von Handlungsempfehlungen zusammen gebracht. Die Wertsteigerung der Unternehmung ist und bleibt auch hier der zentrale Punkt, der durch die Desinvestition zu verfolgen ist.

1.2 Begriffsabgrenzung

Als Definition des Desinvestitionsbegriffes diente lange Zeit die Eingrenzung von Jansen. Er stützte sich dabei auf die Ansichten von Hahn und Kern, die die betriebswirtschaftliche Literatur insoweit prägten, dass die Desinvestition als Komplement der Investition beschrieben wurde, wobei der Abgang an Bestand einen Zugang an Bestand voraussetzt.[8] Er kritisiert: „ In einer sehr weitgehenden Fassung kann man danach in jeder Leistungserstellung, die mit dem teilweisen oder vollständigen Verzehr bzw. Abgang von Einsatzmitteln verbunden ist, eine Desinvestition sehen…[9] Jansen nennt zum besseren Verständnis dieser Sichtweise der Desinvestition, als Gegensatz zur Investition, jede Art der Abschreibung sowie auch die Absatzgüterveräußerung als Beispiele. Um diese weite Auslegung einzugrenzen, definiert Jansen selber die Desinvestition als „ eine vollständige oder bedeutende Reduzierung des wirtschaftlichen Eigentumsanteils einer Unternehmung an einem aktiven Betrieb oder einer aktiven Tochtergesellschaft, die sich im Mehrheitsbesitz der Unternehmung befindet und keine Finanzinvestition darstellt, durch den Verkauf an eine nicht verbundene Unternehmung.“[10] Jansen lehnt die Existenz von mit der Desinvestition verfolgten strategischen Zielen ab, da die von ihm angeführten Ursachen[11] hierfür nicht auf künftig wünschenswerte Zustände zurückzuführen sind.[12] Hiby schließt sich dieser reaktiven Desinvestitionskonzeption an und liefert dementsprechend auch keinen Beitrag zur Erklärung desinvestitionsbedingter Chancen „ der Zukunftserfolgsgenerierung einer Unternehmung“.[13]

Auch Dohm lehnt eine derart weite Fassung der allgemeinen finanzwirtschaftlichen Definition des Desinvestitionsbegriffes als „Freisetzen von durch Investitionen gebundenen Mitteln[14] ab. Die allgemeine leistungswirtschaftliche Definition als den Abbau von durch Investitionen bereitgestellten Gütern erscheint Dohm ebenso unzweckmäßig.[15] Er bezeichnet Desinvestitionen nunmehr als einen freiwilligen „Austritt aus einem Markt durch Verkauf des mehrheitlichen Anteils an einer Tochtergesellschaft oder durch Verkauf eines nennenswerten und abgrenzbaren Teils der Unternehmung als laufendes Geschäft an eine oder mehrere andere Unternehmungen oder Investoren…[16]

Zur weiteren Betrachtung der Desinvestition in dieser Arbeit sind die zuvor genannten Definitionen nur bedingt geeignet, so dass darauf aufbauend Modifikationen stattfinden müssen.

Zunächst stellt die Desinvestition eine Veräußerung der Verfügungsgewalt über das Desinvestitionsobjekt dar.[17] Das setzt die zumindest faktische Beherrschung dieser Einheiten durch das übergeordnete Unternehmen voraus,[18] der Übergang von strategischer Verantwortung ist hierbei maßgeblich.[19] Im Mittelpunkt steht jedoch noch immer grundsätzlich das „ Freisetzen von durch Investition gebundenen Mitteln.[20] Auch die Veräußerung von Mehrheitsbeteiligungen durch stimmberechtigtes Kapital fällt unter diesen Sachverhalt.

Ein Marktaustritt der desinvestierenden Unternehmung ist entgegen anderen Auffassungen[21] nicht zwingend erforderlich, da auch nach der Desinvestition noch andere Produktbereiche des Unternehmens den entsprechenden Markt bedienen können.[22] Die desinvestierende Unternehmung bleibt hierbei bestehen, der Verkauf bzw. die Liquidation eines gesamten rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen Unternehmens wird in der Literatur generell von Des-investitionen abgegrenzt. Auch eine endgültige Stilllegung wird lediglich als weitere Form des Marktaustrittes bezeichnet.[23]

Als Desinvestitionsobjekte werden im Folgenden „ grundsätzlich funktionsfähige untergeordnete Einheiten“[24] bezeichnet. Diese Unternehmensteile müssen somit technisch-organisatorisch abgeschlossene Subsysteme darstellen und auch eigenständig am Markt bestehen können.[25] Darunter fallen nicht nur rechtlich selbstständige, wirtschaftlich jedoch abhängige Bereiche wie zum Beispiel Tochtergesellschaften, sondern auch rechtlich und wirtschaftlich unselbstständige Bereiche, wie Produktgruppen oder Divisionen.[26]

Diese Untersuchung beschränkt sich weiterhin nicht, wie Jansen, nur auf die Veräußerung an eine oder mehrere nicht verbundene Unternehmungen oder Investoren, sondern stellt auf eine Vielzahl von Käufern aller Art ab. Unternehmensinterne Investoren sind schließlich Vertragspartner bei Desinvestitions-formen wie dem Management Buy-Out.[27]

2 Motive für Desinvestitionen

Desinvestitionsentscheidungen basieren nicht ausschließlich auf einzelnen Kriterien, wie sie im Folgenden aufgeführt werden, vielmehr sind die praktischen Entscheidungen zur Desinvestition das Ergebnis des Zusammentreffens mehrerer Motive.[28] Möglicherweise führt eine andere Wahl der Kriterien sogar zu dem Entschluss, die Geschäftsaktivitäten des entsprechenden Objektes selber weiter zu betreiben. Die Beschreibung der folgenden Desinvestitionsmotive dient nunmehr in diesem Abschnitt der Arbeit einer groben Übersicht, einzelne Aspekte werden entsprechend der Zielsetzung der Ausarbeitung im späteren Verlauf ausführlich diskutiert.

2.1 Reaktive Sichtweise

Die Gründe für Desinvestitionen sind seit langem mit einem durchaus negativen Beigeschmack behaftet, denn sie gelten umgangssprachlich oft als Ausdruck des Versagens. So werden als Auslösefaktoren üblicherweise schlechte Ergebnisse oder Aussichten, negative Umweltbedingungen oder auch Fehlentscheidungen des Managements angeführt.[29] Desinvestitionen seien demnach stets mit erheblichen unternehmerischen Problemen verbunden und im Rahmen reaktiver Motive unausweichlich.[30]

Autoren wie Jansen und Hiby stützen ihre Erkenntnisse auf ältere Studien und führen Desinvestitionsentscheidungen auf ein rein reaktives Verhalten der Unternehmensführung zurück. So gliedern sie Desinvestitionsmotive in inner- und außerbetriebliche sowie juristisch-strategische Gründe.

Interne Anlässe für die Initiierung von Desinvestitionen können demnach grundsätzlich durch Tatbestände oder Faktoren der Muttergesellschaft sowie des Desinvestitionsobjektes selbst ausgelöst werden.[31] Muttergesellschaftsspezifische Gründe für Desinvestitionen liegen neben nicht mehr zu tolerierenden Verlusten der Muttergesellschaft, deren fehlenden finanziellen Mitteln und Fehlern in deren Management auch bei einer Konzentration auf die Kernkompetenzen des Konzerns.[32] Auslösefaktoren für Desinvestitionen, deren Ursachen im Des-investitionsobjekt selbst liegen, sind laut Jansen weitaus bedeutender als mutterspezifische Gründe.[33] Er gliedert, ebenso wie Hiby, die dem Desinvestitions-objekt zuzuordnenden Ursachen wie folgt:

- Verluste des Desinvestitionsobjektes
- Unzureichende Perspektiven
- Zu hoher Kapitalbedarf / Investitionsbedarf
- Überalterung der Produktionsanlagen
- Ende des Produktlebenszyklus
- Zielkonflikte zwischen Muttergesellschaft und Desinvestitionsobjekt[34]

Externe Initiierungsgründe für Desinvestitionen werden von beiden Autoren gegenüber den innerbetrieblichen als von geringerer Bedeutung eingestuft.[35] Hierzu zählen bestehende Überkapazitäten, ein allgemeiner Marktrückgang sowie negative Kostenentwicklungen bei Produktionsfaktoren, aber auch ein genereller Preisverfall der Produkte, Kaufangebote und Beschränkungen des unternehmerischen Handlungsspielraumes. Auch Wechselkursveränderungen, Devisenbeschränkungen, politisch-soziale Faktoren und Änderungen der Rechtsordnung werden hier als makroökonomische Auslösefaktoren genannt.[36] Ihnen wird jedoch eine nur sehr geringe Bedeutung zugestanden.[37] Abbildung 1 verdeutlicht in vereinfachter Weise Jansens Erhebungen zu Desinvestitions-motiven.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gewichtete Auslösefaktoren von Desinvestitionen nach Jansen

Vgl. Jansen (1986), S. 156.

Hiby führt nunmehr juristisch-strategische Auslösefaktoren an, die generell in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vernachlässigt bzw. nur unzureichend behandelt werden.[38] So bezeichnet er Beschränkungen über das Außenwirtschaftsrecht und zum Technologietransfer als durchaus schwerwiegende Restriktionen der Chancen auf ausländischen Märkten. Zivil- oder strafrechtliche Haftungsrisiken können ebenfalls durch Desinvestitionen vermieden werden. Sie stellen in der unternehmerischen Praxis durchaus erhebliche Aufwendungen aufgrund von Schadenersatzansprüchen als Folge von Produktfehlern oder Umweltschäden dar. Auch Desinvestitionen als Reaktion auf staatliche Maßnahmen und als konzeptionelle Maßnahme gegenüber drohenden Nationalisierungen, Enteignungen und Konfiskationen sieht Hiby als gängiges Motiv, um wirtschaftliche Verluste zu minimieren. Eine genauere Betrachtung dieser rechtlichen Motive für Desinvestitionen erfolgt in Hiby, T. (1996), S. 119-122.

2.2 Proaktive Motive

Eine Analyse der Desinvestitionsmotive lässt darauf schließen, „ ob die Des-investition als eigenständiges Element der Unternehmungsstrategie gewertet, oder nur als Ergebnis der Anpassung des Unternehmens an negative Umweltentwicklungen konzipiert wird.[39] Die Anpassung an negative Umweltbedingungen, wie Jansen es darlegt und in Abschnitt 2.1 beschrieben ist, ist als reaktive Handlung zu verstehen und wird in dieser oder ähnlicher Form auch von anderen Autoren angeführt.[40] Desinvestitionen als Mittel zur Unternehmenswertsteigerung sind dagegen proaktive Maßnahmen, die auf finanziellen und strategischen Überlegungen basieren.

Proaktive Motive führen zu Desinvestitionen in einem Zeitpunkt, bei dem kein akuter Handlungsbedarf besteht, die Unternehmung ist hierbei nicht zwingend auf Änderungen angewiesen.[41] Schon Lutger Dohm formulierte 1989 offensive strategische Motive für Desinvestitionen. Er verfolgt damit eine frühzeitige gezielte Ausrichtung der Verwendung von Ressourcen auf unternehmensspezifische strategische Schwerpunkte und Stärken.[42] So ist die Verschiebung von strategischen Schwerpunkten mit der Konzentration auf neue Kerngeschäfte verbunden. Eine völlig neue Ausrichtung der Unternehmensstrategie zielt auf das gesamte Aktivitätspotfolio der Unternehmung.[43] Die Konzentration auf Unternehmensstärken prüft den ´strategic fit´ einer Geschäftseinheit. In der Literatur wird dieses Phänomen auch unter den Begriffen ´de-conglomerating´, ´de-diversifying´ oder ´refocusing´ diskutiert.[44] Hierbei sind Wachstums-, Stabilisierungs- sowie Schrumpfungsstrategien als durchaus miteinander zu kombinierende Alternativen der Entwicklungsrichtung des Unternehmens zu sehen. So spricht auch Jäger schon 1974 vom ´Wachstum durch Verkleinerung´.[45] Als weiteres offensives strategisches Desinvestitionsmotiv nennt Dohm die Vermeidung der Stagnations- bzw. Schrumpfungsphase im Lebenszyklus, also die Desinvestition vor dem Eintreten von Absatzeinbußen aufgrund der künftigen Beendigung des Produktlebenszyklus.

Die Desinvestition kann zwar weiterhin auch als Anpassungsmaßnahme, also als Notwendigkeit konzipiert sein, soll aber im weiteren Verlauf dieser Arbeit als eigenständige strategische Alternative zur Wertsteigerung der Unternehmung gesehen werden.[46] Desinvestitionsmotive als Reaktion auf negative Umwelteinflüsse, auf Angebote Dritter oder auf andere externe Einflüsse fallen dementsprechend nicht mehr unter den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, es verbleibt lediglich die gewollte und eigenständig herbeigeführte Form der strategischen Desinvestition.

3 Desinvestitionsformen

Als für diese Untersuchung relevante Desinvestitionsformen stellen sich drei grundlegende Möglichkeiten der Desinvestition heraus. Die Auswahlkriterien liegen dabei neben dem Unterscheidungsmerkmal des Käuferkreises auch bei dem des Zuflusses von Finanzmitteln.[47] Der Grad der Desinvestition, also inwieweit die Konzernspitze Beherrschungsmöglichkeiten abgibt, ist insoweit nur zu berücksichtigen, dass die für diese Arbeit festgelegte Definition der Des-investition von einer mehrheitlichen Aufgabe der Beherrschungsmöglichkeiten ausgeht. Somit werden Formen, bei denen die Muttergesellschaft nach der Ausgliederung noch mehrheitliche Anteile des Desinvestitionsobjektes besitzt, nicht berücksichtigt. Im Folgenden werden die Möglichkeiten des Sell-offs, des Management Buy-Outs und die des Spin-offs ausführlich erläutert. Die Möglichkeiten der Stilllegung als Beendigung der wirtschaftlichen Zielsetzung und die Teilliquidation als Auflösung eines Unternehmensbereiches sind nicht Gegen-stand dieser Untersuchung und werden nur der Vollzähligkeit halber genannt.[48] Abbildung 2 verdeutlicht die Einteilung der Desinvestitionsinstrumente und gliedert sie zugleich in die zuvor beschriebenen Auswahlkriterien.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Desinvestitionsformen

Vgl. Thissen, S. (2000), S. 18.

3.1 Sell-off

Die Veräußerung einer in der Regel selbstständigen Unternehmenseinheit an einen oder mehrere unternehmensfremde Käufer stellt einen Sell-off dar. Ein solcher Verkauf an Unternehmensexterne unterscheidet sich in der Art der Käufer von anderen Desinvestitionsformen.[49] Die desinvestierte Unternehmenseinheit wird beim Sell-off zumeist in die kaufende Unternehmung eingegliedert. Es ist jedoch nicht zwingend von einem anderen Unternehmen als Käufer auszugehen, auch andere Investoren wie zum Beispiel einzelne oder eine begrenzte Zahl von Managern nicht verbundener Unternehmen kommen in Frage. Bei einer solchen Beteiligung handelt es sich um einen so genannten Management Buy-In oder einen externen Buy-Out.[50] Synonyme Bezeichnungen des Sell-off sind Divestiture oder Trade Sale.[51]

Damit ist der Sell-off gekennzeichnet durch einen Zufluss an Finanzmitteln oder zumindest in diese wandelbare Rechte.“[52] Zugleich erfolgt der Verlust der Kontrolle über die desinvestierte Unternehmenseinheit, auch eine aus Teilanteilsverkäufen resultierende Verminderung der Beherrschungsmöglichkeiten ist zu den Sell-offs zu zählen.[53]

[...]


[1] Vgl. Graml, R. (1996), S. 1 f.

[2] Vgl. auch Rechsteiner, U. (1995), S. 37, Graml, R. (1996), S. 62 sowie Eichinger, A. (2001), S. 1 ff.

[3] Jäger, B. (2002), S. 2.

[4] Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 4.

[5] Friedrich von den Eichen, S. A. (2002), S. 3.

[6] siehe Anhang Tab.1.

[7] Der Definition der Desinvestition entsprechend.

[8] Vgl. Jansen, A. (1986), S. 25 sowie Pfaff, D./Bärtl, O. (2000), S. 102.

[9] Jansen, A. (1986), S. 26.

[10] Jansen, A. (1986), S. 32.

[11] Vgl. Kap. 2 Motive von Desinvestitionen.

[12] Vgl. Thissen,S. (2000), S. 7.

[13] Thissen, S. (2000), S. 7.

[14] Dohm, L. (1989), S. 2.

[15] Vgl. Dohm, L. (1989), S. 2.

[16] Dohm, L. (1989), S. 2.

[17] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 8.

[18] Vgl. Stienemann, M. (2003), S. 19.

[19] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 8.

[20] Dohm, L. (1989), S. 2.

[21] Dohm bezeichnet den Austritt aus einem Markt als Voraussetzung für die Desinvestition, vgl. Dohm, L. (1989), S. 2.

[22] Vgl. Graml, R. (1996), S. 30 f.

[23] Vgl. Dohm, L. (1989), S. 3, Hiby, T. (1996), S. 63 f sowie Thissen, S. (2000), S. 9.

[24] Stienemann, M. (2003), S. 19.

[25] Vgl. Stienemann, M. (2003), S. 19 sowie Thissen, S. (2000), S. 8.

[26] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 9.

[27] Eine nähere Betrachtung dieser Desinvestitionsformen erfolgt in Kap. 3, andere Bezeichnungen des Desinvestitionsbegriffes sind Divestment, Disinvestment, Disposal oder auch Abandonment, vgl. Pfaff, D./Bärtl, O. (2000), S. 102.

[28] Vgl. Pfaff, D./Bärtl, O. (2000), S. 104.

[29] Vgl. Hiby, T. (1996), S. 88 ff sowie Jansen, A. (1986), S. 93-107.

[30] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 12 f.

[31] Vgl. Jansen, A. (1986), S. 93 sowie Hiby, T. (1996), S. 85 ff.

[32] Vgl. Hiby, T. (1996), S. 90 f, wobei die Konzentration auf die Kernkompetenzen des Konzerns meist als Folge vorangegangener Fehlakquisitionen dargestellt wird und damit hier als reaktiv zu verstehen ist.

[33] Vgl. Jansen, A. (1986), S. 116.

[34] Vgl. Jansen, A. (1986), S. 115 ff sowie Hiby, T. (1996), S.100 ff.

[35] Abb. 1 zeigt die dafür verantwortliche empirische Erhebung von Jansen

[36] Vgl. Hiby, T. (1996), S. 107-119.

[37] Jansen führt sie nur der Vollständigkeit halber auf, vgl. Jansen, A. (1986), S. 149.

[38] Vgl. Hiby, T. (1996), S. 119.

[39] Thissen, S. (2000), S. 10.

[40] Vgl. Dohm, L. (1989), S. 48 ff, Hiby, T. (1996), S. 85 ff, Mensching, H. (1986), S. 66 ff sowie Graml, R. (1996), S. 29.

[41] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 12 f.

[42] Vgl. Dohm, L. (1989), S. 51.

[43] Vgl. Dohm, L. (1989), S. 50.

[44] Vgl. Schultze, G. (1998), S. 108.

[45] Vgl. Jäger, H. (1974), S. 151.

[46] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 16.

[47] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 17 sowie Stienemann, M. (2003), S. 25.

[48] Stienemann führt die Liquidation als Desinvestitionsinstrument auf, wogegen Thissen diese nicht in ihre Untersuchungen mit einbezieht.

[49] Vgl. Stienemann, M. (2003), S. 28 sowie Pfaff, D./Bärtl, O. (2000), S. 102 f.

[50] Vgl. Thissen, S. (2000), S. 39.

[51] Vgl. Stienemann, M. (2003), S. 28.

[52] Stienemann, M. (2003), S. 28.

[53] Vgl. Stienemann, M. (2003), S. 29..

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen, eine investitionstheoretische Untersuchung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (ABWL und Internationale Finanzierung)
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
55
Katalognummer
V49734
ISBN (eBook)
9783638461061
ISBN (Buch)
9783638692946
Dateigröße
686 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unternehmenswertsteigerung, Desinvestitionen, Untersuchung
Arbeit zitieren
Diplom-Kaufmann Immo Kramer (Autor:in), 2005, Unternehmenswertsteigerung durch Desinvestitionen, eine investitionstheoretische Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49734

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