Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Historischer Überblick
1.2. Theologie im 19. Jahrhundert
2. Begriff der Anthropologie
2.1. Anthropologie
2.2. Philosophische Anthropologie
3. Feuerbach’s Philosophie der Sinne
3.1. Das Wesen des Christentums
3.2. Von der Theologie zur Anthropologie?
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ist die Religion ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft oder ist sie nur eine Projektion unserer Wünsche und Hoffnungen? Dieser Frage ging Ludwig Andreas Feuerbach im 19. Jahrhundert nach und wollte beweisen, dass den religiösen Mythen und Prophezeiungen natürliche und einfache Erklärungen zugrunde liegen, die sich durch naturwissenschaftliche Methoden erklären lassen.
Im Vorwort zur ersten Auflage seines Werkes “Das Wesen des Christentums” schreibt Feuerbach, dass die Theologie längst zur Anthropologie geworden ist und er dies a priori mit seiner Schrift beweisen kann1. In dieser Seminararbeit wird die These vertreten, dass Feuerbachs sogenannte „empirischoder historisch-philosophische Analyse”2 nicht ausreichend ist, um zu beweisen, dass die Theologie in Wirklichkeit Anthropologie und diese wiederum eine Universalwissenschaft ist. Dafür wird diese Seminararbeit in zwei Teile gegliedert.
Im ersten Teil soll ein historischer Überblick über die Philosophie des 19. Jahrhundert, sowie über die Theologie und die darin diskutierten Themen gegeben werden. Dabei wird vor allem auf den deutschen Idealismus und auf die christlichen Dogmen in der Religionslehre eingegangen. Dies dient dazu, die Philosophie Feuerbachs einordnen zu können.
Anschließend wird der Begriff der Anthropologie definiert. Hierfür wird zuerst der allgemeine Anthropologiebegriff und die dazugehörigen philosophischen Teilbereiche beschrieben. Danach wird die philosophische Anthropologie definiert und verschiedene Auffassungen ebendieser dargestellt. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Philosophie Feuerbachs. Hierzu wird zuerst Feuerbachs Philosophie der Sinnlichkeit zusammengefasst. Dazu gehört auch seine Religionskritik, die in seinem Hauptwerk „Das Wesen des Christentums” dargestellt wird und seine Auffassung der Anthropologie. Zum Schluss werden Einwände gegen die Feuerbachsche Religionsphilosophie eingebracht und überprüft.
1.1. Historischer Überblick
Das Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts war tief gespalten und gekennzeichnet durch viele verschiedene Auseinandersetzungen. Absolute Monarchie gegen Freiheit und Aufklärung, wissenschaftliche Entdeckungen gegen religiöse Dogmen und Idealismus gegen Materialismus. Die Napoleonischen Kriege, die 1792 anfingen und europaweit Verwüstungen anrichteten, fanden mit dem Wiener Kongress 1815 ihr Ende. Europa wurde neu aufgeteilt und das monarchische System in vielen Ländern aufrechterhalten. Dies hielt jedoch nicht die Ausbreitung der revolutionären Ideen der Französischen Revolution auf. Aufklärung und insbesondere die Wissenschaft nahmen einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft ein.
In der europäischen Philosophie dominierte vor allem der Deutsche Idealismus, der seinen Ursprung in den 1780er Jahren hatte und dessen Popularität bis in die 1840er Jahre andauerte. Seinen Namen erhielt diese Bewegung durch seine zahlreichen deutschen Vertreter. Dazu gehörten sehr bekannte Philosophen wie Kant, Fichte, Schelling und Hegel3.
Bemerkenswert am Deutschen Idealismus war dessen systematischer Umgang mit allen wichtigen Kategorien innerhalb der Philosophie. Dazu gehören unter anderem die Logik, Moralphilosophie, Metaphysik usw. Die Anhänger des Deutschen Idealismus waren davon überzeugt, dass sich alle philosophischen Kategorien in einer grundsätzlichen Philosophie wiederfinden würden.
Während Kant davon ausging, dass diese grundsätzliche Philosophie von voneinander abhängigen Prinzipien abgeleitet werden könnte, gingen Philosophen wie Hegel, Fichte und Schelling einen Schritt weiter. Sie gingen davon aus, dass die grundsätzliche Philosophie auch von einem grundsätzlichen Prinzip abgeleitet werden kann, dem Absoluten4. Auch Feuerbach war anfangs überzeugter Anhänger des Deutschen Idealismus, vor allem von der Philosophie Hegels. Er besuchte nicht nur die Vorlesungen von Hegel, sondern gab auch Vorlesungen zur Phänomenologie des Geistes. Feuerbachs Philosophie zur Zeit seines Werkes „Das Wesen des Christentums” besitzt zwar Ansätze der Philosophie Hegels, lässt sich jedoch mehr dem Materialismus des 19. Jahrhunderts zuordnen.
1.2. Theologie im 19. Jahrhundert
Auf den ersten Blick passen Philosophie und Theologie nicht zusammen, da beide unterschiedliche Ziele verfolgen. Während die Theologie als Gotteslehre Wahrheiten in den religiösen Schriften und ihren Interpretationen sucht, versucht die Philosophie Wissen über den Menschen und die Natur anzueignen und Fragen aller Art zu beantworten. Im späten Mittelalter bis zur Neuzeit galt die Philosophie jedoch auch als Ergänzung zur Theologie, um z.B. mit ihrer klaren und logischen Struktur, unverständliche religiöse Textstellen interpretieren zu können oder um Atheisten auf Grundlage philosophischer Argumentation von religiösen Thesen zu überzeugen5.
Im 19. Jahrhundert spielte die Theologie vor allem in der englischsprachigen Sprach- und Religionsphilosophie eine untergeordnete Rolle. Ein Grund dafür war der Atheismus, der zu einer dominierenden Meinung wurde. Die rasante industrielle und auch intellektuelle Entwicklung im 19. Jahrhundert war dafür ausschlaggebend. Man befasste sich zunehmend mit naturwissenschaftlichen und sozialen Fragen, wodurch die Theologie in den Hintergrund trat.
Ein weiterer Grund ist die Annahme, dass die theologische Sprache bedeutungslos sei. Diese Annahme ist inspiriert vom logischen Positivismus, der besagt, dass eine Aussage ohne empirischen Beweis keine Bedeutung hat. Demnach könnte eine Argumentation auf theologischer Basis zu keiner logischen Schlussfolgerung kommen, da der empirische Beweis fehlt. Ein dritter Grund findet sich in der Verschiebung von einer metaphysischen Theologie, hin zu einer existentialistischen, um religiöse Metaphern deuten zu können6.
Die Theologie selbst befasste sich insbesondere mit drei Themen der christlichen Religion: Der Trinitätslehre, der Inkarnation und der Lehre der Erbsünde. Die Trinität stellt die Dreieinigkeit Gottes dar. Gott als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Nach dieser Lehre handelt es sich hierbei nicht um drei verschiedene Entitäten, sondern um den einen Gott, der von diesen drei Personen repräsentiert wird.
Die Doktrin der Inkarnation handelt von der Vorstellung, dass Gott in Form von Jesus Christus die Menschengestalt angenommen hat, um sich für die Sünden der Menschen aufzuopfern und seine Liebe für die Menschen zu zeigen. Die dritte Doktrin der Erbsünde geht davon aus, dass das Leiden und Sterben der Menschen ein Ergebnis ihres sündhaften Lebens ist7. Alle drei Doktrinen haben gemeinsam, dass man sie auf vielfältiger Weise interpretieren kann und sie in vielfacher Hinsicht widersprüchlich sind. In seiner Religionskritik weist Feuerbach auf diese Widersprüche hin und baut seine eigene Argumentation darauf auf.
Doch trotz der widersprüchlichen Dogmen und der Tatsache, dass die Theologie im 19. Jahrhundert nicht mehr den höchsten Stellenwert in der akademischen Gesellschaft besaß, gab es eine religiöse Wiedererweckung, die möglicherweise durch die langen Jahre der Napoleonischen Kriege begünstigt wurde. Gott erschien nicht mehr nur als Schöpfer, sondern auch als stetiger Begleiter der Geschichte und der Völker.
Dies könnte auch Feuerbach zum Entschluss befähigt haben, das Theologiestudium aufzunehmen. Davor bereitete er sich intensiv durch das Lesen von kirchengeschichtlichen Autoren vor. Darunter waren unter anderem Gelehrte wie Martin Luther, Johann Georg Hamann und Edward Gibbon. Besonders Letzterer könnte durch seine religionskritischen Aspekte als Inspiration für Feuerbachs Religionskritik gedient haben8.
2. Begriff der Anthropologie
Im Folgenden wird der Begriff der Anthropologie im Allgemeinen und der Begriff der philosophischen Anthropologie im Speziellen definiert. Dazu werden auch verschiedene Auffassungen der philosophischen Anthropologie dargestellt, um die Anthropologie Feuerbachs einordnen zu können.
2.1. Anthropologie
Der Begriff der Anthropologie ist eine Zusammensetzung der griechischen Wörter “anthropos” (Mensch) und “logos” (Lehre). Die Anthropologie ist demnach die Lehre vom Menschen im weitesten Sinne. Dazu gehören Wissenschaften, wie z.B. die Biologie, Soziologie und die Medizin, die man auch als Humanwissenschaften bezeichnet. Die Anthropologie im Allgemeinen beschäftigt sich mit dem Nachdenken über alles, was mit dem Menschen zu tun hat. Dabei wird der Mensch nicht nur in einem wissenschaftlichen Kontext betrachtet, wie es in den Humanwissenschaften der Fall ist, sondern auch in einem lebensweltlichen und nichtwissenschaftlichen Kontext.
Die lebensweltlichen Anthropologien beinhalten Weltbilder, die unser Denken und Zusammenleben prägen. Diese Welt- und Menschenbilder werden vor allem durch Erfahrung und dem Umgang mit Mitmenschen geschaffen. Nichtwissenschaftliche Anthropologien finden sich in Religionen und Weltanschauungen. Die Literatur der Weltreligionen kann z.B. auch als Quelle für anthropologische Ansichten genutzt werden. Die philosophische Anthropologie hingegen versucht nicht nur herauszufinden, was der Mensch ist, sondern auch, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Der Mensch soll als Ganzes begriffen und erforscht werden9.
[...]
1 Vgl. Feuerbach. S. 10.
2 Ebd. S. 18.
3 Vgl. https://www.iep.utm.edu/germidea/.
4 Vgl. Ebd.
5 Vgl. Murray, Michael J. plato.stanford.edu.
6 Vgl. Ebd.
7 Vgl. Ebd.
8 Vgl. Förster. S. 19.
9 Vgl. Thies. S. 12f.