Unternehmensbewertung. Eine kritische Übersicht gegenwärtig eingesetzter Verfahren


Diplomarbeit, 2005

69 Seiten, Note: gut bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis:

Abkürzungsverzeichnis:

Symbolverzeichnis:

I Einleitung

II Grundlagen der Unternehmensbewertung
1 Wert und Preis
2 Entwicklung betriebswirtschaftlicher Wertkonzeptionen
3 Der Zweck der Unternehmensbewertung
4 Die Aufgaben der Unternehmensbewertung
5 Der Ablauf des Bewertungsprozesses
6 Die Anforderungen an die Bewertungsverfahren

III Übersicht der Bewertungsverfahren
1 Gegenwärtig eingesetzte Verfahren
1.1 Empirische Untersuchungen
1.2 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
1.3 Erkenntnisse aus der gegenwärtigen Anwendung
2 Einzelbewertungsverfahren
2.1 Substanzwertverfahren
2.1.1 Reproduktionswertverfahren
2.1.2 Liquidationswertverfahren
2.1.3 Substanzwert im Sinne ersparter Ausgaben
2.1.4 Beurteilung der Substanzwertverfahren
3 Gesamtbewertungsverfahren
3.1 Ertragswertverfahren
3.1.1 Konzeption des Ertragswertverfahrens
3.1.2 Bestimmung der Ertragsüberschüsse
3.1.3 Bestimmung des Kalkulationszinsfuß
3.1.4 Beurteilung der Ertragswertverfahren
3.2 Discounted-Cashflow-Verfahren
3.2.1 Entity – Ansätze (Bruttorechnung)
3.2.2 Equity – Ansatz (Nettorechnung)
3.2.3 Beurteilung der DCF-Verfahren
3.3 Realoptionsverfahren
3.3.1 Darstellung des Realoptionsverfahrens
3.3.2 Beurteilung des Realoptionsverfahrens
3.4 Vergleichsverfahren – Multiplikatormethode
3.4.1 Darstellung der Vergleichswertverfahren
3.4.2 Beurteilung der Vergleichswertverfahren
4 Mischverfahren
4.1 Mittelwertverfahren
4.2 Übergewinnverfahren
4.3 Stuttgarter Verfahren
4.4 Beurteilung der Mischverfahren

IV Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Anlässe für Unternehmensbewertungen

Abbildung 2: Aufgaben der Unternehmensbewertung

Abbildung 3: Phasen der Akquisition

Abbildung 4: Vorbereitung der Unternehmensbewertung

Abbildung 5: Übersicht der Bewertungsverfahren

Abbildung 6: Veränderung des dominierenden Bewertungsverfahrens62

Abbildung 7: Berechnungsschema des Reproduktionswerts

Abbildung 8: Berechnungsschema Liquidationswert

Abbildung 9: Übersicht der Gesamtbewertungsverfahren

Abbildung 10: Übersicht der gebräuchlichen Ertragsbegriffe

Abbildung 11: Berechnungsschema der Einzahlungsüberschüsse

Abbildung 12: Kalkulationszinsfußberechnung

Abbildung 13: Ausprägungen der DCF-Verfahren

Abbildung 14: Berechnungsschema operativer Cashflows

Abbildung 15: Zusammensetzung des Unternehmensgesamtwertes

Abbildung 16: Wesentliche Vergleichsverfahren

Abbildung 17: Multiplikatoren des durchschnittlichen Gewinns nach Branchen

Abbildung 18: Zusammenfassung der Verfahrensbeurteilungen

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I Einleitung

„Da werden große Unternehmen im Handumdrehen gekauft und verkauft, als handelt es sich um Gebrauchtwagen“[1]

Fast wöchentlich berichten die Tageszeitungen von Unternehmenskäufen, die oft mehrere Milliarden Euro ausmachen können, als sei dies das Normalste der Welt. Von besonderem Interesse ist dabei, dass der Börsenwert des übernehmenden Unternehmens regelmäßig nicht steigt, sondern sogar sinkt. Die Börse scheint also nicht mit der Höhe des gezahlten Kaufpreises einverstanden zu sein. Bei der Preisfindung spielt zweifelsfrei der Bewertungsprozess eine wichtige Rolle. Nur wie dieser Bewertungsprozess abläuft und wie dabei vorgegangen wird, berichtet die Tagespresse nicht. Wer sich dann auf der Suche nach Antworten intensiver mit der Thematik der Unternehmensbewertung beschäftigt, muss schnell feststellen, dass es eine schier unüberschaubare Anzahl an Bewertungsverfahren gibt. Dem Betrachter stellen sich sodann mehrere Fragen: Wo liegen die Unterschiede der Verfahren? Eignen sich einige nur für bestimmte Bewertungsvorhaben bzw. spielt der Bewertungszweck eine Rolle? Gibt es das „universell richtige“ Verfahren? In direktem Zusammenhang damit steht dann auch die Frage, welche dieser Verfahren nur auf dem Papier stehen – und Papier ist bekanntermaßen geduldig – und welche Verfahren in der Praxis Relevanz haben.

Diesen Fragen geht die vorliegende Arbeit nach. Dazu werden im nachfolgenden Teil II erst einmal grundlegende Fragen und Probleme der Unternehmensbewertung aufgezeigt und geklärt. Hierbei wird insbesondere auf die Bedeutung des Wertes und der sich daraus ableitenden Wertkonzeptionen eingegangen. Des Weiteren werden die Aufgaben der Unternehmensbewertung dargestellt und daraus ein Anforderungskatalog entwickelt, um die Bewertungsverfahren einheitlich beurteilen und vergleichen zu können. Um einen Einblick in den Verlauf einer Unternehmensbewertung zu verstehen, wird der Ablauf kurz am Beispiel einer Akquisition aufgezeigt.

Den Hauptteil der Arbeit bildet der Teil III. Hier werden verschiedenen Bewertungsverfahren dargestellt und anhand des ausgearbeiteten Anforderungskatalogs beurteilt. Um die praktische Relevanz der verschiedenen Verfahren beurteilen zu können, wird am Anfang dieses Kapitels anhand von empirischen Untersuchungen der Frage nachgegangen, welche Verfahren die Praxis gegenwärtig einsetzt. Zusätzlich zu den dort aufgezeigten empirischen Untersuchungen, wird der Einsatz von Bewertungsverfahren bei drei großen Unternehmensberatungsgesellschaften beleuchtet.

Nachdem die einzelnen Verfahren dargestellt und beurteilt wurden, fasst der Teil IV die Ergebnisse zusammen und stellt sie in einer Grafik gegenüber.

II Grundlagen der Unternehmensbewertung

Dieses Kapitel widmet sich den grundlegenden Fragen und Problemstellungen der Unternehmensbewertung. Er schafft die Basis für das Verständnis der Bewertungsverfahren, auf dem bei der Verfahrensdarstellung in Teil III aufgebaut werden kann. Dazu bedarf es zuerst eine Abgrenzung der Begriffe Wert und Preis. Daraufhin werden drei Werttheorien dargestellt, deren Merkmale sich später in den Bewertungsverfahren widerspiegeln. Anhand der dominierenden Werttheorie werden dann Aufgaben und Funktionen vorgestellt, welche durch die Unternehmensbewertung zu erfüllen sind. Als Grundlage für die Beurteilung der Verfahren werden im Anschluss daran Anforderungen aufgestellt.

1 Wert und Preis

Der Gegenstand der Lehre der Unternehmensbewertung ist die Bestimmung des Wertes eines Unternehmens. So einfach sich dies anhört, bedarf es einer näheren Betrachtung:

„ Price is what you pay. Value is what you get.“[2]

Der Wert eines Gutes drückt dessen Nutzen aus, den es in der Lage ist für ein Wirtschaftssubjekt zu spenden. D.h. der Wert beruht auf der Fähigkeit Bedürfnisse befriedigen zu können. Der Nutzen wiederum kann von Situation zu Situation, sowie von Wirtschaftssubjekt zu Wirtschaftssubjekt unterschiedlich hoch ausfallen.[3] Beispielsweise besitzt ein Liter Wasser an einer Quelle die gleiche Fähigkeit zur Bedürfnisbefriedigung wie in einer Wüste; doch wird man ihm in der Wüste einen höheren Wert beimessen. Formal ausgedrückt: Es hat für Person A am Ort B im Zeitpunkt C den Wert X.[4] Es handelt sich also um eine „Subjekt-Objekt-Beziehung“[5] bei der es keinen objektiv-richtigen, sondern nur einen objektiv-möglichen bzw. subjektiv-vertretbaren Wert geben kann.[6]

Vom Wert zu unterscheiden ist der Preis. Der Preis ist ein in Geld ausgedrückter Tauschbetrag, welcher sich in Verhandlungen oder auf Märkten bildet. Bei Unternehmen liegt häufig eine besondere Situation vor, da es meistens nur einen Verkäufer und einen bzw. wenige Käufer gibt. Der Preis bildet sich bei dieser Konstellation also nicht auf dem Markt, sondern durch individuelle Verhandlungen.[7]

Der Unternehmenswert im Sinne der Unternehmensbewertung ergibt sich aus einem Wertermittlungsprozess, während sich ein Unternehmenspreis im Rahmen einer Verhandlung ergibt.[8] Inwieweit eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs „Wert“ Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung haben kann, zeigt sich bei der Betrachtung der verschiedenen Wertkonzeptionen.

2 Entwicklung betriebswirtschaftlicher Wertkonzeptionen

Wie eine Unternehmensbewertung zu vollziehen ist, hängt maßgeblich von der zugrunde liegenden Wertkonzeption ab. Betriebswirtschaftslehre und betriebliche Praxis haben verschiedene Wertkonzeptionen entwickelt. Wegen der Bedeutung der Wertkonzeptionen für die Ausgestaltung und Anwendung der Bewertungsverfahren, widmet sich dieses Kapitel der Darstellung der objektiven, subjektiven und funktionalen Werttheorie.

Die objektive Werttheorie ist die historisch gesehen Älteste der drei genannten Konzeptionen. Sie dominierte die Unternehmensbewertung bis in die 1950er Jahre hinein.[9] Die Grundüberlegung hierbei ist, den Wert unabhängig von den Interessenlagen der Käufer oder Verkäufer zu bilden, d. h. „losgelöst von Personen“[10]. Dazu wird der Wert eines Unternehmens mit dem Marktpreis gleichgesetzt. Da es sich bei Unternehmen um „einmalige, in höchstem Maße heterogene Güter“[11] handelt, für die aufgrund einer nicht hinreichend großen Anzahl von Anbietern und Nachfragern regelmäßig kein Marktpreis existiert, werden diese nicht als Ganzes, sondern mit Blick auf ihre Teile bewertet. Hierdurch wird von allen Beteiligten ein stets gleich hoher Unternehmenswert zu einem bestimmten Betrachtungszeitpunkt ermittelt, welcher den im Objekt selbst liegenden Wert darstellt.[12] Diese Betrachtungsweise führt zu einer starken „Betonung der gegenwarts- und vergangenheitsbezogenen Verhältnisse“[13] und zu einer starken Betrachtung des Substanzwertes.

Keine Beachtung finden in der objektiven Werttheorie die Tatsachen, dass ein wirklich objektiver Wert nicht zu bestimmen ist, da er immer von den Interessen der Käufer und Verkäufer abhängt.

Diese Erkenntnis fließt in die subjektive Werttheorie ein. Der Grundgedanke dieser Konzeption ist, dass der Wert eines Gesamtunternehmens nicht durch den im Unternehmen selbst liegenden Wert bestimmt wird. Das Ziel der subjektiven Werttheorie liegt deshalb in der Bestimmung von Entscheidungswerten, denn ein potentieller Käufer bzw. Verkäufer entscheidet unter rationalen Bedingungen nach dem im zukünftig zukommenden bzw. ihm entgehenden Nutzen.[14] Der unter dieser Betrachtung berechnete Unternehmenswert stellt somit eine Größe dar, die vom Käufer nicht überschritten bzw. vom Verkäufer unterschritten werden darf, wenn er als rational handelnder Mensch angesehen werden will. Diese Betrachtungsweise führt nun dazu, dass es grundsätzlich so viele Unternehmenswerte gibt, wie Parteien an der Bewertung beteiligt sind.[15] Die subjektive Werttheorie versucht also den Wert eines Unternehmens unter besonderer Berücksichtigung der Ziele, Möglichkeiten und Vorstellungen eines ganz bestimmten Investors zu bestimmen. Es findet somit eine Betrachtung zukunftsbezogener Ertragswerte statt.

Die Bewertungen des Einzelnen sind von Anderen aufgrund der Subjektivität jedoch kaum nachvollziehbar und erschweren so einen fairen Interessenausgleich zwischen Käufer und Verkäufer.[16] Präskriptive Aussagen und Entscheidungsunterstützungen sind mithilfe der subjektiven Wertkonzeption nicht möglich. Aufgrund der Nichtnachvollziehbarkeit der individuellen Wertvorstellungen anderer Personen lässt die subjektive Wertkonzeption theoretisch auch keine Einschaltung von Beratern zu.[17]

Diesen Kritikpunkt greift die funktionale Werttheorie auf und versucht die Gegensätze der objektiven und subjektiven Werttheorie zu überwinden. Dazu findet eine Differenzierung nicht nur nach den Bewertungssubjekten, sondern auch nach dem Bewertungszweck statt.[18] Bei dieser zweckorientierten Betrachtung[19] hat der zu ermittelnde Wert keinen allgemeingültigen Charakter, sondern ist vielmehr mit dem der Bewertung zugrunde liegendem Zweck eng verbunden. So kann ein Unternehmen nicht nur für jede Person einen anderen Wert haben, sondern sogar bei ein und derselben Person je nach zugrunde liegender Fragestellung.[20]

Die funktionale Werttheorie erhebt im Gegensatz zur objektiven und subjektiven Werttheorie nicht mehr den Anspruch, „mit einem einzigen Bewertungskonzept beliebig strukturierte Bewertungsprobleme lösen zu können“[21]. Vielmehr unterscheidet sie unterschiedliche Funktionen, die sich aus dem jeweiligen konkreten Bewertungsanlass ableiten.

3 Der Zweck der Unternehmensbewertung

Es gibt eine Vielzahl von Anlässen, welche den Anstoß zu einer Unternehmensbewertung liefern können. Diese Anlässe können unterschiedlichster Art sein und beeinflussen den Bewertungszweck, da nach der funktionalen Wertkonzeption der Wert eines Unternehmens niemals losgelöst von dem Zweck der Bewertung ermittelt werden kann.[22]

Eine Unternehmensbewertung ist regelmäßig erforderlich, wenn es zu einer geplanten oder erzwungenen Veränderung der Eigentümerstruktur kommt.[23] Ebenso erfordern zuweilen steuerliche Zwecke, für die Aufstellung von Sanierungs- oder Insolvenzplänen als auch Kreditwürdigkeitsprüfungen eine Unternehmensbewertung.[24] Verstärkte Bedeutung gewinnt die Unternehmensbewertung als Bewertungsinstrument im Sinne einer stärkeren „Orientierung unternehmerischer Entscheidungen am Nutzen der Anteilseigner“[25] – Stichwort „Shareholder Value“.

In der Literatur finden sich verschiedene Kategorisierungen der Anlässe. So unterscheiden einige nach dominierenden und nicht dominierenden Verhandlungssituationen[26] und andere dagegen zwischen entscheidungsabhängigen und -unabhängigen Situationen[27], je nachdem, ob sie durch den Willen des Eigentümers beeinflussbar sind oder nicht.

Bei der dominierenden Verhandlungssituation besitzt einer der Verhandlungspartner nicht die Möglichkeit zu einem Verhandlungsabbruch, da die dominierende Partei die Durchsetzung ihres Willens erzwingen kann. Diese Situation ist nur unter bestimmten Bedingungen gegeben und die unterliegende Partei hat in der Regel das Recht, die Bedingungen durch ein Gericht überprüfen zu lassen. Beispiel für eine solche Situation ist die Verdrängung von Minderheitsaktionären oder der Ausschluss eines „lästigen“ Gesellschafters. Die nicht dominierende Verhandlungssituation ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass beide Parteien die Verhandlungen abbrechen können und deshalb ein Konsens gefunden werden muss[28], wie zum Beispiel beim Eintritt eines zusätzlichen Gesellschafters.[29]

Bei der Unterscheidung zwischen entscheidungsabhängigen und –unabhängigen Anlässen wird zusätzlich danach unterschieden, ob ein Eigentümerwechsel stattfinden soll oder nicht. Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Art der Unterscheidung bei den Bewertungsanlässen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anlässe für Unternehmensbewertungen[30]

Aus den dargestellten Bewertungsanlässen lassen sich zusammenfassend folgende Bewertungszwecke ableiten:[31]

Ermittlung von Entscheidungswerten für potenzielle Käufer bzw. Verkäufer

Ermittlung von Schiedswerten zur Interessenvermittlung

Ermittlung von normorientierten Werten aufgrund rechtlicher Normen

Ermittlung von Argumentationswerten für Verkaufsverhandlungen

Ermittlung von potenziellen Marktpreisen

Ermittlung von Bilanzwerten, z. Bsp. für Goodwillprüfungen nach IAS

Genauso wie der Anlass Einfluss auf die Bewertung nimmt, unterscheidet sich die Art und Weise einer Unternehmensbewertung auch aufgrund unterschiedlicher Anschauungen der Durchführenden. Unternehmensberater setzen zum Teil andere Schwerpunkte und verfolgen andere Interessen als ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Hieraus resultiert die Vorliebe einzelner Branchen für bestimmte Bewertungsverfahren. Inwieweit diese empirisch belegt sind und inwiefern dort Annäherungen zu beobachten sind, wird später in Teil III genauer betrachtet.

4 Die Aufgaben der Unternehmensbewertung

Aufbauend auf der besonderen Berücksichtigung des Bewertungszwecks bei der funktionalen Werttheorie, lassen sich verschiedene Haupt- und Nebenfunktionen der Unternehmensbewertung ableiten, die auch als Aufgabenstellung des Bewerters interpretiert werden können. Hierbei lassen sich zwei verschiedene Funktionslehren unterscheiden. Zum einen die so genannte Kölner Funktionslehre, sowie die Funktionslehre des Instituts der Wirtschaftsprüfer.[32]

Die Kölner Funktionslehre benennt 3 Haupt- und 3 Nebenfunktionen.[33] Zu den Hauptfunktionen gehören die Beratungs-, die Argumentations- und die Vermittlungsfunktion, zu den Nebenfunktionen die Bilanz-, die Steuerbemessungs- sowie die Vertragsgestaltungsfunktion.[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aufgaben der Unternehmensbewertung

Die Beratungsfunktion soll Entscheidungshilfen für Käufer und Verkäufer liefern. Hierzu werden Grenzpreise oder Entscheidungswerte[35] ermittelt, welche dem potenziellen Käufer bzw. Verkäufer den maximal zu zahlenden bzw. den mindestens zu verlangenden Preis aufzeigen. Diese Grenzpreise stellen eine Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen dar. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um spezifische, nur für einen bestimmten Entscheidungsträger gültige Grenzpreise handelt.[36]

Die Argumentationsfunktion stellt bildlich gesprochen ein Vehikel dar, „um der Gegenpartei einen Preis in der Nähe ihres eigenen Entscheidungswertes als angemessen erscheinen zu lassen“[37]. Hierbei kommt es darauf an, dass die Argumente für einen bestimmten Wert einerseits glaubwürdig sind, um überzeugen zu können und andererseits flexibel, um genügend Verhandlungsspielraum offen zu lassen. Ein vorteilhaftes Verhandlungsergebnis wird aus Sicht des Verkäufers dann erzielt, wenn es ihm gelingt einen möglichst hohen Verkaufspreis, nahe am Entscheidungswert des Käufers zu erreichen.[38]

Bei der Vermittlungsfunktion hat der Bewerter die Aufgabe, zwischen den konfligierenden subjektiven Wertvorstellungen zweier Parteien zu vermitteln. Aus diesem Grund wird bei diesem Schiedswert auch von einem Arbitrium- oder Vermittlungswert gesprochen.[39] Auftraggeber für solche Bewertungsvorgänge können die beteiligten Unternehmen selbst oder auch Gerichte sein. Die Grundlage für die Bewertung sind die Entscheidungswerte der Beteiligten. Liegt der Entscheidungswert des Verkäufers unterhalb des Entscheidungswertes des Käufers, entsteht ein Transaktionsbereich, innerhalb dessen eine Einigung grundsätzlich möglich ist.[40] Bei einer dominierenden Verhandlungssituation kann zusätzlich ein negativer Transaktionsbereich existieren, welcher den Entscheidungswert der unterlegenen Partei unberücksichtigt lässt.[41]

Die Nebenfunktionen werden weitestgehend durch fiskalische, handelsrechtliche oder vertragliche Normen determiniert.[42] Die Bilanzfunktion dient dabei der „Information über die Ertragskraft des Unternehmens“[43], die Steuerbemessungsfunktion ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bei der Erbfolge von Interesse und die Vertragsgestaltungsfunktion zur Formulierung von Verträgen zur Abfindung von Gesellschaftern.[44]

Die Funktionslehre des IDW unterscheidet nicht zwischen Haupt- und Nebenfunktionen, sondern nur nach der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers in den Funktionen als Berater, Vermittler oder neutralem Gutachter.[45] Die Funktion des Beraters und des Vermittlers findet sich auch hier wieder, Argumentationsfunktion und Nebenfunktionen fehlen. Hinzu kommt die Funktion des neutralen Gutachters. Hierbei soll sich der Wirtschaftprüfer durch Unparteilichkeit und sachbezogene Objektivität auszeichnen, indem er als Sachverständiger fungiert. Ziel ist die Unternehmensbewertung mit einer nachvollziehbaren Methodik, welche einen objektiven Wert, unbeeinflusst von den individuellen Wertvorstellungen der betroffenen Parteien, liefert.[46]

Zusammenfassend zu den unterschiedlichen Funktionslehren lässt sich sagen, dass bei der Kölner Funktionslehre die Entscheidungswerte eine zentrale Bedeutung besitzen, während bei der Funktionslehre des IDW die Bestimmung des objektiven Wertes einen besonderen Stellenwert genießt. Das sich diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen auch auf die Wahl der Bewertungsmethoden auswirkt, wird anhand der empirischen Untersuchungen im Teil III ersichtlich.

5 Der Ablauf des Bewertungsprozesses

Dieses Kapitel soll einen kurzen Einblick in den grundsätzlichen Ablauf einer Unternehmensbewertung ermöglichen. Das Ziel der Darstellung ist jedoch keine ausführliche Anleitung, sondern vielmehr eine Skizzierung des Weges. Die dabei zutage tretende Komplexität soll den Leser für die damit verbundenen Probleme sensibilisieren. Als Beispiel dient hierbei der Ablauf des Bewertungsprozesses bei einer Unternehmensakquisition.

Der gesamte Akquisitionsprozess bis zum Vertragsabschluss kann in der Regel in 6 Phasen unterteilt werden. Die folgende Abbildung zeigt diesen Verlauf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Phasen der Akquisition

Diese Komplexität macht deutlich, dass die Wahl eines passenden Bewertungsverfahrens nur ein Problem von vielen darstellt. Bewertungsprozesse werden während der Akquisition in unterschiedlichen Phasen mit verschiedenen Zwecken durchgeführt. Während der Recherche gilt es beispielsweise aus der Vielzahl von Unternehmen geeignete Kandidaten auszuwählen. Der Bewertungsprozess ist hierbei daher weniger detailreich als beispielsweise während der Preisfindung und der vertieften Prüfung.

Die folgende Abbildung zeigt einige wichtige Aspekte, welche in die Bewertung einfließen und deshalb vor bzw. während des Bewertungsprozesses geklärt werden müssen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Vorbereitung der Unternehmensbewertung[47]

Die Klärung dieser Aspekte ist für den Bewertenden wichtig, um bereits in diesem frühen Stadium der Bewertung eine, von allen Seiten anerkannte, Vorgehensweise festzulegen. Auf die Bedeutung von Bewertungsanlass und -zweck wurde bereits in Kapitel II3 eingegangen, jedoch haben auch die anderen Aspekte Einfluss auf die Bewertung. Im Bewertungsauftrag kann zum Beispiel der Auftraggeber ein bestimmtes Bewertungsverfahren oder die Art der Berechnung des Risikozuschlags festlegen. Die Geheimhaltung beeinflusst den Bewertungsvorgang beispielsweise dahingehend, dass Informationen nur sehr zögernd, insbesondere an Konkurrenten bei einer beabsichtigten Übernahme, herausgegeben werden.[48] Die Gewinnung von verwendbaren Informationen hat, obwohl in der Betriebswirtschaftslehre selten behandelt, also einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Bewertungsvorgang.[49]

6 Die Anforderungen an die Bewertungsverfahren

Die in diesem Kapitel formulierten Anforderungen sollen der kritischen Bewertung der unterschiedlichen Methoden der Unternehmensbewertung dienen. Dazu werden im Folgenden einige wesentliche Grundsätze dargestellt und ihre Bedeutung kurz erläutert. Im Hauptteil werden die Verfahren dann einzeln dargestellt und direkt im Anschluss anhand der hier aufgestellten Anforderungen beurteilt. Da einige der dabei aufgezeigten Verfahren spezielle Vor- und/oder Nachteile haben, welche mit den aufgestellten Anforderungen nicht abgedeckt werden können, werden diese dann dort hinzufügend erwähnt.

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung variieren in Umfang und Art in der Literatur.[50] Inhaltlich weisen die verschiedenen Systematisierungen der Grundsätze weitgehende Gemeinsamkeiten auf. So lassen sich folgende wesentliche Anforderungen an ein „gutes“ Unternehmensbewertungsverfahren ableiten.

Maßgeblichkeit des Bewertungszwecks

Der Wert des Unternehmens ergibt sich aus dem Nutzen, welcher dem Investor oder Eigentümer zukünftig zufliesen wird. Dieser wiederum ist abhängig vom verfolgendem Zweck des Eigentümers, wobei hierbei möglichst auch nichtfinanzielle Faktoren[51] einzubeziehen sind. Ein Bewertungsgutachten, das als Argumentationshilfe dem Käufer dienen soll, muss beispielsweise auf diesen Bewertungszeck ausgerichtet sein.[52] Wie bereits im Kapitel II3 über den Bewertungszweck dargestellt, ist deshalb die Beachtung des Zwecks und die Bereitstellung von Entscheidungswerten von ausschlaggebender Wichtigkeit.[53]

Grundsatz der Bewertungseinheit

Dieser Grundsatz bezieht sich auf die Bewertung eines Unternehmens als ab-straktes Ganzes, wonach der Gesamtwert des fortbestehenden Unternehmens nicht der Summe der Einzelwerte entspricht.[54]

[...]


[1] Altbundeskanzler Helmut Schmidt.

[2] Warren Buffet.

[3] Vgl. HÖLSCHER, [Unternehmensbewertung, 1998], S. 37 – 39.

[4] Vgl. CHMIELEWICZ, [Forschungskonzeptionen, 1994], S. 44.

[5] Vgl. PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 3.

[6] Vgl. HÖLSCHER, [Unternehmensbewertung, 1998], S. 37 – 38.

[7] Volkswirtschaftlich gesehen bildet sich der Preis bei Unternehmen häufig wie bei unvollständiger Konkurrenz bzw. bilateralen Monopolen. Vgl. SCHULTZE, [Methoden, 2003], S 17.

[8] Vgl. BÖMELBURG, [Vorbereitung, 2005], S. 93.

[9] Vgl. DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 130.; PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 5.

[10] PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 5.

[11] JAENSCH, [Wert, 1966], S. 3. in HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 35.

[12] Dieser wird in der Literatur auch als normalisierter Wert bezeichnet. Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 36.

[13] Vgl. PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 5.

[14] Vgl. BEER, [Bewertungsdienstleistungen, 2004], S. 109.

[15] Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 37.

[16] Vgl. PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 7.

[17] Vgl. BECK, [Unternehmensbewertung, 1996], S. 78.

[18] Vgl. BEER, [Bewertungsdienstleistungen, 2004], S. 109.

[19] Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 38.

[20] Vgl. MATSCHKE, [Konzeptionen, 1995], S. 973.

[21] BRETZKE, [Methodenstreit, 1976], S. 543.

[22] Vgl. DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 128

[23] Weiterführende Informationen zu rechtlich begründeten Anlässen in: PILTZ, [Rechtsprechung, 2005], S. 779 – 781.

[24] Vgl. DRUKARCZYK, Unternehmensbewertung, 2003, S. 122

[25] SIEBEN, [Unternehmensbewertung, 1993], Sp. 4322.

[26] Vgl. SCHMIDT, [Unternehmensbewertung, 2002], S. 52; DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 123

[27] Vgl. SCHULTZE, [Methoden, 2003], S. 6

[28] Wird kein Konsens gefunden, findet keine Veränderung statt.

[29] Vgl. DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 122 – 123.

[30] Vgl. SCHULTZE, [Methoden, 2003], S. 6

[31] Vgl. MANDL/RABEL, [Überblick, 2005], S. 63.

[32] Einen detaillierten Vergleich zwischen den beiden Funktionslehren findet man in: HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 38 – 75.

[33] Die Begriffswahl und Abgrenzung der einzelnen Funktionen wird in der Literatur unterschiedlich gehandhabt. Dieser Arbeit liegt die Einteilung von SIEBEN zugrunde, welche in der Literatur häufig Verwendung findet. Vgl. SIEBEN, [Funktionen, 1983], S. 540; PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 8.

[34] Vgl. BEER, [Bewertungsdienstleistungen, 2004], S. 110.

[35] Vgl. MATSCHKE, [Entscheidungswerte, 1993], S. 2.

[36] Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 42-43.

[37] BEER, [Bewertungsdienstleistungen, 2004], S. 110.

[38] Vgl. DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 132 – 133.

[39] Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 44.

[40] In der Literatur finden sich 3 Vorschläge zur Aufteilung des Transaktionsbereichs. Weiterführende Informationen zur Aufteilung des Transaktionsbereichs in: SIEBEN, [Unternehmensbewertung, 1993], Sp. 4318; DRUKARCZYK, [Unternehmensbewertung, 2003], S. 132 – 134.

[41] Vgl. MATSCHKE, [Konfliktsituationen, 1981], S. 117.

[42] Vgl. HAYN, [junger Unternehmen, 2003], S. 40.

[43] PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 12.

[44] Vgl. PEEMÖLLER, [Werttheorien, 2005], S. 12 – 13.

[45] Vgl. IDW, [IDW S1, 2001], S. 5 – 6.

[46] Vgl. IDW, [IDW S1, 2001] S. 5.

[47] In Anlehnung an BÖMELBURG, [Vorbereitung, 2005], S. 91.

[48] Vgl. BÖMELBURG, [Vorbereitung, 2005], S. 96.

[49] POPP, [Lageanalyse, 2005], S. 104.

[50] Vgl. PEEMÖLLER, [Werttheorien,2005], S. 3; anders: IDW, [IDW S1, 2001], S. 8.

[51] Wie etwa schneller Zugriff auf neue Märkte, Erlangung von Know How usw. Vgl. BECK, [Unternehmensbewertung, 1996], S. 118.

[52] Vgl. HÖLSCHER, [Unternehmensbewertung, 1998], S. 66 – 67.

[53] Vgl. PEEMÖLLER, [Grundsätze, 2005], S. 30.

[54] Vgl. IDW, [IDW S1, 2002], S. 8; BERNHARD, [Realoptionen, 2000], S. 19; HELBING, [Bewertung, 2005], S. 196.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Unternehmensbewertung. Eine kritische Übersicht gegenwärtig eingesetzter Verfahren
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Institut für Controlling und Unternehmensrechnung)
Note
gut bestanden
Autor
Jahr
2005
Seiten
69
Katalognummer
V49761
ISBN (eBook)
9783638461245
ISBN (Buch)
9783638692953
Dateigröße
688 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nach einer einleitenden Betrachtung der Grundlagen einer Unternehmensbewertung werden die einzelnen Verfahren (DCF, Ertragswert, Substanzwert usw.) dargestellt und anhand einheitlicher Kriterien beurteilt.
Schlagworte
Unternehmensbewertung, Eine, Verfahren, DCF, Ertragswert, Substanzwert, Thema Unternehmensbewertung
Arbeit zitieren
Marcel Häusler (Autor:in), 2005, Unternehmensbewertung. Eine kritische Übersicht gegenwärtig eingesetzter Verfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49761

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