Der Finalsatz der Jupiter-Sinfonie - Mozarts 'Kunst der Fuge'?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte
2.1) Entstehung der Jupiter-Sinfonie
2.2) Rezeption der Jupiter-Sinfonie
2.3) Zum Beinamen der Sinfonie

3) Kontrapunkt und Fuge in der Musik der Wiener Klassik

4) Kontrapunkt und Fuge im Finalsatz der Jupiter-Sinfonie
4.1) Kompositionstechnik und formaler Aufbau des Finalsatzes
4.2) Analyse von ausgewählten Stellen des Finalsatzes
4.2.1) Verselbständigung der Devise (T. 36 - 53)
4.2.2) Aufbau des ersten zusammenfassenden Kadenzvorgangs (T. 94 - 109)
4.2.3) Durchführung (T. 172 - 186)
4.2.4) Coda (T. 356 - 423)

5) Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Die Sinfonie in C-Dur, KV 551, von Wolfgang Amadeus Mozart, die später den Beinamen Jupiter-Sinfonie erhielt, ist die letzte Sinfonie, die Mozart komponiert hat. Sie hat im Laufe der Zeit große Bedeutung erlangt und besonders der Finalsatz „kann als einer der häufigst analysierten Sinfoniesätze der gesamten Literatur gelten“ (Wagner 1979, S. 131). Das große Interesse an diesem letzten Satz der Sinfonie beruht sicher nicht zuletzt auf seiner besonderen und eindrucksvollen Kompositionstechnik. Mozart integriert das in der Wiener Klassik eigentlich überkommene Prinzip des Kontrapunkts in den sinfonischen Satz, was in der Rezeptionsgeschichte verschiedene Bezeichnungen der Sinfonie als „Sinfonie aus C mit der Fuge“ oder „Sonatenhauptsatz mit fugiertem Charakter“ zur Folge hatte. Allerdings ist „ein Ineinander von ‚Fuge in Sonate‛ oder gar von ‚Sonate in Fuge’ [...] ein Widerspruch, der undenkbar und unlösbar erscheint“ (David 1960, S. 26). Dennoch finden sich in der Jupiter-Sinfonie offensichtlich sowohl homophone als auch polyphone Elemente, so dass es Mozart tatsächlich gelungen zu sein scheint, diese kompositorischen Bauweisen in irgendeiner Weise zu vereinen.

Doch wie schafft Mozart es, die starken Gegensätze und Widersprüche der beiden unterschiedlichen Kompositionsweisen zu überwinden? Warum greift er überhaupt zu kontrapunktischen Techniken? Geschieht dies dann auf Kosten der charakteristischen Elemente des kadenz- und taktmetrischen Satzes der Wiener Klassik?

Das Ziel dieser Arbeit ist es, auf solche Fragen Antwort zu geben. Zu Anfang wird jedoch ein Abriss über die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Jupiter-Sinfonie gegeben, bevor das Prinzip des Kontrapunkts und der kadenz- und taktmetrische Satz der Wiener Klassik in ihrer Verschiedenartigkeit kurz erläutert werden. Daraufhin werden ausgewählte Teile des Finalsatzes auf ihr Spannungsverhältnis zwischen homophonen und polyphonen Elementen hin untersucht, um Mozarts Kompositionstechnik in diesem Satz konkret zu zeigen und zu erläutern.

2) Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte

2.1) Entstehung der Jupiter-Sinfonie

Die Jupitersinfonie KV 551 entstand als letzte einer Reihe von drei Sinfonien. Kurz zuvor komponierte Mozart die Sinfonien KV 543 in Es-Dur und KV 550 in g-Moll. Nach eigener Angabe Mozarts im Autograph vollendete er die Jupitersinfonie am 10. August 1788 in Wien.

In der Literatur wird diskutiert, ob man diese drei Sinfonien als Zyklus bezeichnen kann. Dies ist fraglich, da das Komponieren in Serien für in sich zyklische orchestrale Werke zu der damaligen Zeit nicht mehr üblich war (vgl. Kunze 1988, S. 7). Zudem spricht die extreme Unterschiedlichkeit der Werke gegen einen Zyklus (vgl. Gülke 1997, S. 14). Doch sicherlich kann von einer Trias gesprochen werden, denn die drei Sinfonien sind innerhalb eines kurzen Zeitraums von circa acht Wochen, somit also in einem Zuge, komponiert worden (vgl. Kunze 1988, S. 7). Mozart scheint daher von Anfang an drei Sinfonien geplant zu haben.

Will man die Komposition der Jupiter-Sinfonie in Mozarts Lebensweg einordnen, so muss erwähnt werden, dass Mozart im Juni zuvor in eine neue Wohnung an der Peripherie Wiens gezogen ist. Dort zeigte er eine phänomenale Produktivität.[1] „[...] Ich habe in den 10 Tagen, daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in anderen Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen, denn ich wohne angenehm, bequem - und- wohlfeil“ (zit. nach Kunze 1988, S. 10) , so schrieb Mozart einmal an seinen Freund Michael Puchberg. Tatsächlich schuf er die letzten drei Sinfonien in den ersten Wochen in der neuen Wohnung. Da seine erste Niederschrift der Jupiter-Sinfonie auch die letzte war, kann davon ausgegangen werden, dass Mozart eine genaue Konzeption der Sinfonie bereits im Kopf hatte.

Doch auch die „schwarzen Gedanken“, von denen Mozart in dem Brief an Puchberg spricht, sind entscheidend und charakteristisch für diese Zeit. Das Jahr 1788 wird oft auch als Krisenjahr Mozarts bezeichnet. Am 19. Juni starb seine vierte Tochter Theresia. Zudem war er in großer Geldnot und verschuldete sich durch zahlreiche Darlehen insbesondere von Puchberg. Diese schlechte ökonomische Lage war es neben dem Bedürfnis nach Ruhe und Konzentration, die Mozart dazu veranlasste umzuziehen. Außerdem war diese Existenzkrise auch indirekt der Grund für die Komposition der drei Sinfonien. Äußerer Anlass war Mozarts Plan, zum eigenen Nutzen öffentliche Konzerte, so genannte Akademien, zu veranstalten. Mit den daraus erzielten Einnahmen wollte er seine Schulden begleichen. Doch es kam nie zu einer Verwirklichung dieses Vorhabens (vgl. Kunze 1988, S. 11).

Es ist überraschend, dass die Werke, insbesondere auch die feierliche, strahlende Jupiter-Sinfonie, nichts von dieser schlechten Lebenslage Mozarts verraten.

2.2) Rezeption der Jupiter-Sinfonie

Es gibt keinen Beleg dafür, dass zu Mozarts Lebzeiten eine seiner letzten drei Sinfonien in Wien zur Aufführung kam. Die Jupiter-Sinfonie ist dort nachweisbar erst kurz nach 1800 aufgeführt worden, wobei ein genaues Datum und Dokumente zu dieser Erstaufführung bis heute fehlen. Dennoch setzte die Verbreitung und der Ruhm der Jupiter-Sinfonie, allerdings sehr zögernd und auf einige Orte und Personen beschränkt, bereits zu Lebzeiten Mozarts ein. Nach seinem Tod, im Jahre 1793, erschien der Erstdruck der Stimmen bei Johann André in Offenburg, 1802 folgte die zweite Auflage. Um die Jahrhundertwende entstanden zahlreiche Kopien der Stimmen sowie der Partitur, obwohl die Jupiter-Sinfonie zu dieser Zeit bereits im Druck zugänglich war. Zudem erschienen einige Bearbeitungen der letzten Sinfonie Mozarts zum Beispiel für Streichquartett oder zwei Klaviere (vgl. Kunze 1988, S.12 f.).

In Deutschland wurde die Partitur der Jupiter-Sinfonie erstmals 1828 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel gedruckt. Ihre einzige authentische Quelle ist Mozarts autobiographische Partitur, die sich heute in der deutschen Staatsbibliothek in Berlin befindet (ebd., S. 17).

Wie schon eine überaus erfolgreiche Aufführung der Jupiter-Sinfonie mit einer sehr großen Besetzung von mehr als 150 Musikern im Jahre 1815 andeutet (vgl. Wagner 1979, S. 113), hat sich das Schlusswerk Mozarts trotz der anfangs langsamen Verbreitung zu einer der beliebtesten Sinfonien des ausgehenden 18. Jahrhunderts entwickelt. Die Jupiter-Sinfonie wird noch heute musikwissenschaftlich viel diskutiert und hat ihren festen Platz im Musikunterricht sowie in den Konzertsälen.

2.3) Zum Beinamen der Sinfonie

Der Name „Jupiter-Sinfonie“ stammt nicht von Mozart selbst, sondern geht mit großer Wahrscheinlichkeit - zweifelsfreie Belege fehlen - auf den Londoner Geiger und Konzertunternehmer Johann Peter Salomon (1745-1815) zurück (vgl. Wagner 1979, S. 94-96). Dieser eingängige Beiname hatte die Funktion einer Erkennungsmarke und ermöglichte, dass die Sinfonie aus der Menge der musikalischen Produktionen hervorgehoben wurde und das Publikum dieses Werk auch an dem Namen erkennen konnte. Aus diesen Gründen war es nicht ungewöhnlich, dass einzelne ausgezeichnete und beliebte Werke der Instrumentalmusik einen Beinamen erhielten und bereits bei Haydn finden sich Beispiele dafür wie die „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ oder „Der Bär“ (vgl. Kunze 1988, S. 18).

Den Namen „Jupiter-Sinfonie“ erhielt das letzte Werk Mozarts sicherlich nicht wahllos und zufällig. Vielmehr spielten bestimmte Assoziationen eine Rolle, die einen Zusammenhang dieser Sinfonie mit Jupiter, dem höchsten römischen Gott, erkennen lassen. So soll der Beiname beispielsweise etwas von der „im C-Dur-Glanz strahlenden Souveränität des Werks und von der Einschätzung insbesondere des Finales als eines Non plus ultra der sinfonischen Satzkunst einfangen“ (Kunze 1988, S. 19). Tatsächlich gilt Jupiter nicht nur als höchster römischer Gott, sondern auch als Herr des lichten Himmels und des Wetters und verweist somit auf die Lichttonart C-Dur. Die besondere und starke Persönlichkeit des Gottes Jupiter, seine Macht und Würde sind vergleichbar mit der außergewöhnlichen und herausragenden Kompositionstechnik des Finales. Hermann Kretzschmar hat diesen Zusammenhang treffend in Worte gefasst: „Das Finale ist auch im Charakter, im Ausdruck eines kraftbewegten festlichen Lebens ein Meisterstück, würdig eines Jupiter, eines Olympiers der Kunst.“ (zit. nach Wagner 1979, S. 118)

Es ist demnach sicherlich nicht falsch zu behaupten, dass der Beiname „Jupiter-Sinfonie“ insbesondere im Hinblick auf das Finale der Sinfonie gewählt wurde, was wieder auf den außergewöhnlichen Charakter dieses Satzes und seine große Bedeutung für die gesamte Sinfonie verweist.

3) Kontrapunkt und Fuge in der Musik der Wiener Klassik

Das im 17. Jahrhundert vorherrschende musikalische Prinzip des Generalbasses verlor in der Zeit der Wiener Klassik besonders in der Instrumentalmusik an Bedeutung.[2] Mit dieser Abkehr von der Generalbasskomposition kam um 1730 eine andere, neue kompositorische Bauweise auf, die den kadenz- und taktmetrischen Satz zur Folge hatte (vgl. Kunze 1988, S. 119). Dieser stand aufgrund seines Charakters in nicht unerheblichem Kontrast zu dem Prinzip des Kontrapunkts.

[...]


[1] Allgemein kann festgehalten werden, dass Mozart in seinen letzten Lebensjahren hart gearbeitet hat. In dieser intensiven Schaffensphase entstanden beispielsweise zahlreiche Kammermusikwerke sowie die Opern „Cosi fan tutte“ und „Die Zauberflöte“ (vgl. Kunze 1988, S. 8).

[2] In der Kirchenmusik blieb die kontrapunktische Tradition dagegen besonders im süddeutsch-österreichischen Raum lebendig (vgl. Kunze 1988, S. 119).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Finalsatz der Jupiter-Sinfonie - Mozarts 'Kunst der Fuge'?
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Musik und ihre Didaktik)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V49794
ISBN (eBook)
9783638461535
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finalsatz, Jupiter-Sinfonie, Mozarts, Kunst, Fuge, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Barbara Schrübbers (Autor:in), 2004, Der Finalsatz der Jupiter-Sinfonie - Mozarts 'Kunst der Fuge'?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49794

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