Herausforderungen und Chancen in der Schulsozialarbeit mit jugendlichen Geflüchteten


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Blick auf Geflüchtete an deutschen Schulen
2.1. Die soziale Situation jugendlicher Geflüchtete im Kontrast zu den an sie gestellten Erwartungen
2.2. Konfliktpunkte in der Schule
2.3. positive Impulse, individuelle Stärken und Ressourcen

3. Funktion der Schulsozialarbeit und Einordnung in die Soziale Arbeit
3.1. Leistungen der Schulsozialarbeit
3.2. Vernetzung und Kooperation unter Einbeziehung der interkulturellen Öffnung

4. Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen
4.1. Unentbehrliche Kompetenzen
4.2. Ressourcenorientierung und Empowerment
4.3. Mögliche Ziele, Inhalte und Methoden
4.4. Grenzen

5. Gesellschaftspolitischer Auftrag und Ausblick

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Hausarbeit befasst sich im Wesentlichen mit der aktuellen Situation jugendlicher Geflüchteter in Deutschland, sowie ihrer Aufnahme in das deutsche Schulsystem und den damit verbundenen Anforderungen an die Schulsozialarbeit. Herausforderungen und Chancen, welche sich innerhalb dieser Tätigkeit ergeben, werden auf Grundlage ausgewählter Aspekte herausgearbeitet. In 2. wird zunächst auf die jugendlichen Geflüchteten als Personengruppe eingegangen. Es wird ein grober Überblick darüber gegeben, was sie als AdressatInnen im Besonderen auszeichnet, sozusagen als eine Wissensgrundlage, um nachvollziehen zu können, welchen Bedarf an sozialen Maßnahmen sie innerhalb der Schule haben. Dabei ist es wichtig, sie immer auch als Individuen zu betrachten. Ihre soziale Situation und aktuelle Lage in Deutschland steht vielen Anforderungen gegenüber: im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Schule und ihren eigenen, individuellen Ressourcen und Belastungen ergebenden sich häufig Konfliktpunkte, die mitunter grundlegend sind für das Aufgabenprofil der Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen. In 2.2. werden diese näher ausgeführt. Neben Konflikten, die einer Lösung bedürfen, sind die Ressourcen und individuellen Stärken von zentraler Bedeutung in einer ganzheitlichen Sozialen Arbeit. Bevor die Schulsozialarbeit mit jugendlichen Geflüchteten zum Gegenstand der Hausarbeit wird, soll ein vorheriger Blick auf die Schulsozialarbeit das weitere Verständnis erleichtern. In 3. Werden grundsätzliche Funktionen der Schulsozialarbeit herausgearbeitet und deren Tätigkeiten in das breite Feld der Sozialen Arbeit eingeordnet. Weiterhin geht es in 3.1. um die Angebote, die das Leistungsspektrum von Schulsozialarbeit in ihrer Vielfalt umfasst; Kooperationen und Netzwerkarbeit sind hier von elementarer Bedeutung und unverzichtbar für die Erreichung von gesetzten Zielen. Aufgrund ihrer zunehmenden Wichtigkeit werden diese in 3.2 ausführlich betrachtet, auch im Hinblick auf ein lebensweltorientiertes Handeln in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen. Bezüglich Integration und interkulturelle Öffnung zeichnen sich hier einige spezifische Anforderungen an die Schulsozialarbeit mit Geflüchteten ab. Netzwerkarbeit bietet viele Chancen, auch in der Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen. Was Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen leisten? In wie weit hebt sich diese Arbeit ab von der traditionellen Schulsozialarbeit? Gibt es Überschneidungen? Diese Fragen sind Gegenstand von 4. In einer solchen Tätigkeit unentbehrliche Kompetenzen sind unter 4.1. aufgeführt. Zentrale Aspekte sind dabei die interkulturelle Kompetenz und das darin enthaltende migrationspädagogische Handeln. Eine ressourcenorientierte und wertschätzende Haltung der SchulsozialarbeiterInnen ist, vor allem in der Beziehungsarbeit mit jungen Geflüchteten, von grundsätzlicher Bedeutung und wird darum unter dem Gesichtspunkt des Empowerments in 4.2. aufgegriffen. Anschließend werden Ziele der vielseitigen Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen aufgeführt und mögliche Inhalte der Angebote und Methoden skizziert. Welche Grenzen der Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen auf professioneller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene gesetzt werden, ist Inhalt von 4.4. Der gesellschaftliche Aspekt spielt im hiesigen Kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hinter der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten steht ein gesellschaftspolitischer Auftrag, der sowohl Integration im politischen Sinne betrifft, als auch den Abbau von Vorurteilen innerhalb der Gesellschaft. Schulsozialarbeit mit geflüchteten Jugendlichen kann dahingehend einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten, welcher in Punkt 5. hervorgehoben wird. Aktuelle Tendenzen und Entwicklungstrends verdeutlichen den außerordentlich hohen Stellenwert, dem der Sozialen Arbeit mit jungen Geflüchteten an Schulen derzeit zukommt und überdies zukünftig noch zukommen wird. Ein knappes, persönliches Fazit in Punkt 5. beleuchtet kritisch eigene Erkenntnisse des Erlernten und rundet die Ausführung ab.

2. Der Blick auf Geflüchtete an deutschen Schulen

Da in einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit (nach Thiersch) stets der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen und Ressourcen im Mittelpunkt steht, beginnt diese Hausarbeit bei den geflüchteten Jugendlichen selbst. 2015 kamen die meisten minderjährigen Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und dem Irak (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.12). Laut Schätzung im Bildungsbericht 2016 des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung DIPF befanden sich zu diesem Zeitpunkt insgesamt 254.457 Geflüchtete im Alter von 10 bis 21 Jahren an deutschen Schulen (vgl. Klemm, 2016, S.3). Allerdings lassen sich die Zahlen geflüchteter Minderjähriger in Deutschland statistisch nur bedingt erfassen; wie viele von ihnen insgesamt in Deutschland leben, lässt sich aufgrund einer fehlenden bundeseinheitlichen Datenbank nicht genau feststellen. So kommt es, dass beispielsweise 2015 die Zahl minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland von der Hilfsorganisation Terre des Hommes auf 330.000 geschätzt wird, während der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) von 250.000 ausgeht. Die Verteilung auf verschiedene Schulformen variiert je nach Bundesland (vgl. Hehnke, 2017, S.46ff.). Dabei bleibt der Prozentsatz minderjähriger Antragssteller trotz steigender Asylbewerberzahlen konstant bei etwa einem Drittel (vgl. ebd., S.143). Aus ihrer Heimat vertrieben und im deutschen Bildungssystem Schule angelangt, befinden sie sich in einem absoluten Ausnahmezustand. Ihre Abstammung aus ganz unterschiedlichen Bildungs- und Sozialisationskontexten macht eine pauschale Einordnung ihrer Fähigkeiten nach Herkunftsregion unmöglich. „Es gibt nicht „die Flüchtlingskinder“ und erst recht gibt es kein Patentrezept für den Umgang mit „diesen Kindern und Jugendlichen“ Jedes Kind, jeder Jugendliche ist anders, jede Familie unterschiedlich.“ (Shaw 2017, S.69.) Die individuellen Bildungsbiographien dieser Jugendlichen sind abhängig von vielerlei Faktoren, wie beispielsweise die Dauer des Schulbesuchs im Herkunftsland, der Flucht oder der vorherigen Aufenthalte in Flüchtlingslagern, sowie eigene, individuelle Sorgen und Belastungen, die Ausstattung ihrer Grundversorgung und die damit verbundene Offenheit für Bildung (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.15f.). Wie alle Jugendlichen durchlaufen auch sie altersspezifische Entwicklungsprozesse der Jugend. Seelische Unruhezustände, die Suche nach Halt und Geborgenheit aber auch der Wunsch nach Autonomie und Abgrenzung in der Findung einer eigenen Lebensführung sind Kennzeichen der Entwicklungsphase Jugend. Allerdings finden diese Bedürfnisse unter den prekären, radikal veränderten Lebensumständen geflüchteter Jugendlicher oftmals nur einen stark eingeschränkten Raum zur Entfaltung (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.39). Kinderspezifische Fluchtgründe sind laut Studien folgende Faktoren: Tod von Familienangehörigen, Bedrohung und Verfolgung, direkte und indirekte Kriegserlebnisse, Menschenhandel, Leben im Verborgenen, das Erleben oder Zeuge sein von Gewalt, Erfahrung sexueller Gewalt, Inhaftierung, Ausbeutung, Sklaverei, Kinderarbeit, drohende Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung, sowie (vor allem für Mädchen) drohende Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, und Zwangsprostitution (vgl. Hehnke, 2017, S.32f.). Sind gewaltsame Konflikte Auslöser ihrer Flucht, so tragen sie häufig psychische Belastungsstörungen mit sich herum, wie Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Depressionen, Trauer etc. Laut Studien sind ca. 40 Prozent durch ihre traumatischen Erlebnisse und Vorerfahrungen stark eingeschränkt in wichtigen Lebensbereichen, wie schulischem Lernen oder zwischenmenschlichen Beziehungen. Jedes fünfte Kind (19 Prozent) leidet an einer PTBS. Das ist 15 Mal häufiger, als bei in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern (vgl. Ruf et al., 2010, S.152f.). Häufig ergeben sich alltägliche Situationen, die von geflüchteten Kindern und Jugendlichen ganz anders wahrgenommen werden, als von ihren altersgleichen Mitschülern. Der Geruch von Grillfleisch erinnert sie unter Umständen an Menschen, die im Feuer ums Leben kamen und Silvesterknaller an Bomben (vgl. Shaw 2017, S.68). Dies alles muss in der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden. Bezogen auf Schulsozialarbeit ist es wichtig, die hier genannten Belastungen als Einflussfaktoren anzusehen, die sich unter anderem durch Lernschwierigkeiten oder sozial auffälliges Verhalten im Unterricht bemerkbar machen. Müdigkeit, Vergesslichkeit, passives oder aggressives Verhalten kann vermehrt zum Vorschein treten (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.18). Sie zusammenzufassen, etwa unter dem Begriff „traumatisierte Flüchtlingskinder“, wäre jedoch grundlegend falsch bzw. nicht im Sinne einer ressourcenorientierten Sozialen Arbeit. Die Betrachtung der jugendlichen Geflüchteten sollte stets einhergehen mit der Einbeziehung ihrer individuellen Ressourcen und Problemlagen; der Blick auf sie als Kinder bzw. Jugendliche mit altersspezifischen Merkmalen sollte nicht in den Hintergrund geraten (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.18). Aus entwicklungspsychologischer Perspektive lassen sich klar eindeutige Faktoren benennen, die für eine altersgemäße Entwicklung der Heranwachsenden von Bedeutung sind. Diese können ebenso gut als eine Orientierung für die Bewertung der Situation geflüchteter Kinder und Jugendliche dienen: „Die wesentliche Grundvoraussetzung für eine positive Persönlichkeitsentwicklung wird in der Erfüllung kindlicher Grundbedürfnisse gesehen. Diese wird durch bestimmte Formen der Fürsorge, Betreuung und Erziehung sowie Erfahrungen in und mit der Umwelt ermöglicht.“ (Werner 2006, S.11). Dabei sehen sich geflüchtete Jugendliche in der Frage der Integration den gleichen Herausforderungen gegenüberstehen, wie andere Zugewanderte. Auch sie müssen die Sprache erlernen, sich neue Kontakte und Beziehungen aufbauen, sich orientieren in einer anderen Gesellschaft mit neuen, kulturellen Werten und Normen. Da sie jedoch gleichzeitig an ein komplexes Asyl- und Ausländerrecht gebunden sind, ist ihre Situation oft geprägt von langen Wartezeiten im Asylverfahren und der damit verbundenen Angst vor Abschiebung, sowie unsichere Zukunfts- und Bleibeperspektiven (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.17). Unbegleitete Minderjährige bedürfen hier zusätzliche soziale Begleitung und Betreuung. Hinzu kommen die oben genannten psychischen Belastungsfaktoren. Dieses Gesamtbild verweist auf die besondere soziale Situation Geflüchteter in Abgrenzung zu anderen Migranten.

2.1. Die Soziale Situation geflüchteter Jugendlicher im Kontrast zu den an sie gestellten Erwartungen

Neben den individuellen, familiären und psychischen Belastungen sind die Wohn- und Versorgungssituation, sowie der Zugang zum Bildungssystem wesentliche Aspekte der Sozialen Lage geflüchteter Kinder und Jugendlicher (vgl. Hehnke, 2017, S.51). Das Zusammenleben auf engstem Raum bedeutet zusätzlichen Stress und erschwert eine nachhaltige Integration deutlich; in Not- und Asylunterkünften haben Jugendliche keinen Rückzugsraum, keine Privatsphäre und somit keine Ruhephasen. Das Lernen für die Schule oder die Erledigung von Hausaufgaben sind unter solchen Bedingungen oft gar nicht möglich (vgl. ebd., S.18). Wenn eine vierköpfige Familie auf 20 Quadratmetern ihren gemeinsamen Lebensraum findet, so sind die Möglichkeiten zur Entfaltung des Einzelnen eindeutig eingeschränkt. Gemeint sind damit schlichte Dinge, wie z.B. ausreichender Platz zum Spielen. Auch kommt es häufig zu Konflikten in Räumen, die gemeinschaftlich genutzt werden. Neben dem Ort Schule prallen auch hier verschiedene Kulturen aufeinander. Sie haben ganz unterschiedliche Vorstellungen, etwa wenn es um Hygiene im Essbereich geht, und es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen den geflüchteten Familien, die hier zusammenleben (vgl. ebd., S.55). Weiterhin ist die Lebenslage junger Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, oft gekennzeichnet durch Armut und soziale Ausgrenzung. Die zugespitzten Wohnverhältnisse bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die schulischen Leistungen von jungen Geflüchteten. Neben der Versorgungs- und Wohnsituation ist auch der Zugang zu Bildung stark abhängig von rechtlichen Bedingungen. Auch begrenzt der rechtliche Status die Möglichkeiten Sozialer Arbeit zur Stabilisierung des Aufenthaltes jugendlicher Geflüchteter oft erheblich (vgl. ebd., S.144). Bei Asylbewerbern findet keine Differenzierung zwischen Kinder- und Erwachsenenrecht statt. Sie unterliegen lediglich dem Asylgesetz (AsylG) und dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und sind somit vom Recht auf Förderung der Entwicklung und Erziehung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit ausgeschlossen (vgl. ebd., 2017, S.39). Der Zugang zu Bildung wird ihnen ermöglicht durch das Teilhaberecht in der deutschen Gesellschaft, welches wiederum abhängt vom jeweiligen Asyl- und Aufenthaltsstatus (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.17). Bevor sie zu einem Arzt gehen können, muss erst eine örtliche Genehmigung erteilt werden. Dies ist nur eines der vielen Beispiele dafür, dass das deutsche Ausländer- und Asylrecht den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und sozialer Teilhabe für Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien gravierend einschränkt (vgl. Unicef, 2014, S.6). Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Rechtsgrundlage länderspezifisch bleibt, und somit noch keine bundesweit einheitliche Handhabung existiert (vgl. Hehnke, 2017, S.57). Daneben bestehen allerdings auch zahlreiche Bemühungen, die auf eine Verbesserung der rechtlichen Situation geflüchteter Kinder und Jugendliche in Deutschland und der EU abzielen. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge UNHCR betont die besondere Schutzbedürftigkeit minderjähriger Geflüchteter. Grundsätzliche Rechte, wie das Recht auf Gesundheit, Beteiligungsrechte oder der Schutz des Kindeswohls sind durch die Vereinbarungen der UN Kinderrechtskonvention sichergestellt. Auch das Grundrecht auf Bildung wird hier betont. Als ein internationaler Vertrag zwischen diversen Staaten verfolgt das Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19. Oktober 1996 das Ziel, den grenzüberschreitenden Schutz von Kindern zu verbessern (vgl. Seibold /Würfel, S.72ff.). Eine umfassende Auseinandersetzung mit rechtlichen Gegebenheiten bei jugendlichen Geflüchteten würde allerdings den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen. Im hiesigen Kontext sind die mit dem Gesetz einhergehenden Belastungen und (teilweise diskriminierenden) Einschränkungen geflüchteter Jugendlicher von großer Bedeutung. Diese wirken sich auf die Aufgaben der Sozialen Arbeit aus, beispielsweise wenn es um die Sicherstellung des Kindeswohls geht, etwa durch Inobhutnahme unbegleiteter Minderjähriger, um letztlich die Abschiebung und damit einhergehende Inhaftierung des Kindes zu verhindern. Die Schulsozialarbeit bleibt dabei in ihren Zuständigkeitsbereichen und Kapazitäten jedoch begrenzt, unter anderem durch den hohen Bedarf an sozialen Maßnahmen, der mit der Anzahl geflüchteter Kinder du Jugendliche an den Schulen weiter steigt. Umso wichtiger ist in diesem Zusammenhang eine funktionierende Netzwerkarbeit, welche später näher beschrieben wird. Die bislang erwähnten Belastungs- und Einflussfaktoren auf jugendliche Flüchtlinge stehen oftmals im krassen Gegensatz zu den Erwartungen, die an sie gestellt werden. Zusammengefasst sind diese im Wesentlichen:

- altersspezifische Entwicklungsaufgaben wie die Identitätsfindung (als eine doppelte Transformationsleistung hinsichtlich der Bewerkstelligung einer kulturellen Neuanpassung)
- Bewältigung von Zugehörigkeitskonflikten und die persönliche Einordnung in die Mehrfachzugehörigkeit (bezüglich Sprachkompetenz, kulturelle Prägung, nationale, ethische und politische Zuordnung) (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.42)
- Verarbeitung von psychischen Belastungen und traumatischen Vorerfahrungen
- Erfüllen der schulischen Anforderungen (z.B. Spracherwerb, Struktur, Sozialverhalten)
- Bewerkstelligung allgemeiner Aufgaben ihrer Integration
- Zurechtfinden im neuen Schul- und Gesundheitssystem (z.B. bei Behördengängen, Arztbesuchen, Antragsstellungen etc.)
- Resilienzentwicklung gegenüber Ausgrenzung, Vorurteilen und Diskriminierung
- Aushalten sozialer Unterschiede und Leben in Armut (vgl. Shah, S.69f.)

Wenn Kinder und Jugendliche in der Klasse ein Gefühl von Ausgrenzung erleben oder gar Angst, so ist das Lernen aus entwicklungspsychologischer Sicht stark eingeschränkt und in vielen Fällen überhaupt nicht möglich (vgl. Bibouche, 2006, S.169). Häufig spricht man bei minderjährigen Geflüchteten, die noch nicht die deutsche Sprache erlernt und gleichzeitig psychische Störungen haben von der sogenannten „doppelten Sprachlosigkeit“; die Sprache als Mittel zur Verständigung fehlt sowohl im Kontext Bildung, als auch wenn es darum geht, Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Dies begünstigt abweichendes Verhalten der Jugendlichen, die oft nicht gelernt haben, Konflikte verbal und zudem gewaltfrei zu lösen (vgl. Shaw, 2017, S.69). Aggressives Verhalten und Gewalt gegenüber Mitschülern sind neben anderen zu bewältigenden Konfliktpunkten mitunter Teil des Aufgabenfeldes der Schulsozialarbeit, insbesondere in der Arbeit mit jugendlichen Geflüchteten.

2.2. Konfliktpunkte in der Schule

In einem interkulturellen Kontext stehen sich Vorstellungen einer selbstständigen Lebensplanung oder bislang erlernte Strategien zur Konfliktlösung oftmals in ihrer Vielfalt gegensätzlich gegenüber. Kinder und Jugendliche, die in ihrer Erziehung körperlich gezüchtigt wurden, lösen Konflikte häufig nach dem Recht des Stärkeren. Im schulischen Konflikt- oder Sozialtraining erlernen Jugendliche den Umgang mit solchen Situationen. Präventives Konflikttraining lässt sich unter anderem im Rahmen von Gruppenarbeit realisieren und ist, gerade wenn es um interkulturelle Konflikte geht, häufig Bestandteil der Schulsozialarbeit (vgl. Kittlitz et al., 2014, S.8). Beim Zusammentreffen von jungen Menschen verschiedener Kulturen prallen unterschiedliche Wertesysteme aufeinander, die häufig zu Kontroversen, z:B. hinsichtlich der Männer- und Frauenrolle. Ein Religiös geprägter Keuschheitsbegriff kann von der Freiheit des Einzelnen abweichen, wenn es um die Erprobung eigener Bedürfnisse geht oder um eine freie Wahl der sexuellen Orientierung. Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau steht im Widerspruch zur allgemein anerkannten Gleichberechtigung in unserem Gesellschaftssystem. Eine fehlende Identifikation mit demselben führt häufig zur Ablehnung sozialer Verhaltensweisen, wie unter anderem die Übernahme sozialer Verantwortung (vgl. Eimmermacher et al., 2014, S.222f.). Somit spielt der geschlechterbezogene Blick der SchulsozialarbeiterInnen in ihrer Arbeit eine nicht unwesentliche Rolle. Hier besteht die Gefahr von pauschalen Zuschreibungen, beispielsweise die Erwartung eines sexistischen Frauenbildes bei jungen männlichen Geflüchteten oder Rückständigkeit bei kopftuchtragenden Mädchen (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.25f.). Vorurteile führen in einem interkulturellen schulischen Kontext häufig zu Konflikten. Manchmal wird die Anwesenheit ausländischer Schüler als Auslöser eines Problems oder gar die Schüler selbst als das Problem angesehen. Bei der Bearbeitung von Konflikten und der Erziehung der Schüler zur Konfliktfähigkeit ist also der Abbau ethnischer Vorurteile als ein wichtiger Punkt zu benennen (vgl. Avci-Werning, 2004, S.14f.). „Dabei ist Migration auch immer tatsächlich die Erweiterung des kulturellen Horizontseines Gemeinwesens, denn jeder Mensch mit Migrationshintergrund ist gleichzeitig Träger eines spezifischen kulturellen Kapitals im Sinne von Pierre Bourdieu (1982).“ (Bibouche, 2006, S.106). Der gesellschaftspolitische Auftrag in der schulischen Integration jugendlicher Geflüchteter wird später noch genauer betrachtet. Neben der Interkulturalität als eine Bereicherung der Gesellschaft in vielerlei Hinsichten, bringen geflüchtete Jugendliche ihre individuellen Stärken und Ressourcen an deutschen Schulen mit ein.

2.3. Positive Impulse, individuelle Stärken und Ressourcen

Insbesondere Hauptschulen ist eine besondere Vielfalt an Werten und Verhaltensweisen vorzufinden. In der Begegnung mit nichtdeutschen Kulturen finden sich oft positive Handlungsmuster und Sitten wieder, die hierzulande scheinbar in den Hintergrund getreten sind. Respekt als ein grundlegendes Element familiärer und zwischenmenschlicher Beziehungen, der Stolz auf die eigene Kultur und eine damit verbundene Selbstsicherheit, sowie bedingungslose Solidarität und kollektives Bewusstsein in Familie, Freundschaft und Nachbarschaft sind als positive Impulse zu benennen. Sie können einen Mehrwert darstellen, indem von ihnen gelernt und profitiert wird (vgl. Eimmermacher et al., 2004, S.223).

Jugendlichen Geflüchteten wird eine ganze Palette an wichtigen Ressourcen zugeschrieben, darunter einen großen Elan, viel Energie und eine hohe Motivation, ihr Leben neu zu gestalten, sowie Mehrsprachigkeit und eventuell vorhandene berufliche Vorerfahrungen. Zudem zeigen geflüchtete Kinder und Jugendliche oftmals einen hohen Grad an Resilienz (vgl. Seibold /Würfel, 2017, S.19). Aufgrund der bislang angeführten Belastungen geflüchteter Jugendliche, ihrer speziellen sozialen Situation und ihrer Stärken und Ressourcen stellen sie die Schulsozialarbeit vor ganz besondere Herausforderungen. Bevor darauf in 4. näher eingegangen wird, ist es jedoch wichtig, zunächst die Schulsozialarbeit in ihren grundsätzlichen Funktionen zu begreifen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Herausforderungen und Chancen in der Schulsozialarbeit mit jugendlichen Geflüchteten
Hochschule
Hochschule RheinMain
Veranstaltung
Arbeitsfelder der Bildung in Kindheit und Jugend
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V497953
ISBN (eBook)
9783346018823
ISBN (Buch)
9783346018830
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Autorin: Diese Hausarbeit befasst sich im Wesentlichen mit der aktuellen Situation jugendlicher Geflüchteter in Deutschland, sowie ihrer Aufnahme in das deutsche Schulsystem und den damit verbundenen Anforderungen an die Schulsozialarbeit. Herausforderungen und Chancen, welche sich innerhalb dieser Tätigkeit ergeben, werden auf Grundlage ausgewählter Aspekte herausgearbeitet.
Schlagworte
Schulsozialarbeit, Flüchtlingsarbeit, Jugendliche, Geflüchtete, Fachkompetenzen
Arbeit zitieren
Sina Krehl (Autor:in), 2018, Herausforderungen und Chancen in der Schulsozialarbeit mit jugendlichen Geflüchteten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/497953

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