Motive für die Radikalisierung junger Deutscher in den gewaltorientierten Islamismus


Hausarbeit, 2017

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. „Eux, c’est noux!“

2. Zum grundlegenden Verständnis
2.1 Zeitgeschichtlicher Kontext
2.2 Zentrale Begrifflichkeiten
2.2.1 Abgrenzung: Islam und Islamismus, Dschihadismus
2.2.2 Salafismus
2.2.3 Extremismus, Fundamentalismus und Radikalismus

3. Thematische Eingrenzung und Problematik der wissenschaftlichen Auseinandersetzung

4. Motive junger Deutscher für die Hinwendung zum gewaltorientierten Islamismus
4.1 Internationalisierung des Dschihad, Internet und soziale Medien
4.2 Religion und salafistisches Milieu
4.3 Entwicklungspsychologische und biografische Faktoren
4.4 Soziale Gruppe

5. Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Literaturverzeichnis

Motive für die Radikalisierung junger Deutscher zum gewaltorientierten Islamismus

1. „Eux, c’est noux!“

Die Anschläge vom 13. November 2015 mit über hundert Toten in Paris sorgten für Entsetzen und Besorgnis, denn auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen konnten die Ereignisse in Paris nicht verhindern: Die dezentrale Vorgehensweise der Täter, mit der sie größtmöglichen Schaden und Schrecken mit vergleichsweise einfachen Mitteln erzielten sowie die gezielten Angriffe auf weiche Ziele, die von keinem Staat effektiv geschützt werden können.

Was die Menschen aber vor allem verunsicherte war, dass unter den Attentätern junge Europäer waren, die sich im westlich-liberalen Umfeld radikalisieren. Mit diesen beschäftigt sich diese Hausarbeit, um Kernmotive der Radikalisierung herauszuarbeiten. Dabei liegt der Fokus auf jungen Deutschen. Außerdem werden wichtige Aspekte zum grundlegenden Verständnis des Phänomens thematisiert.

In der Arbeit wird der Begriff gewaltorientierter Islamismus verwendet, da er auch diejenigen erfasst, die durch Worte oder in anderer Weise unterstützen. Gewaltorientierung ist dabei als Gesinnung zu verstehen.

2. Zum grundlegenden Verständnis

2.1 Zeitgeschichtlicher Kontext

Im frühen 20.Jhd waren der Nahen Osten und Nordafrika i.d.R. den Osmanen politisch und religiös untertan. Erste Bemühungen um eine arabische Nationalbewegung zielten auf die Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Kultur 1. Im 1. Weltkrieg politisierte sich die Bewegung; man erhoffte sich Unterstützung durch London und Paris. Der osmanische Sultan rief zum Heiligen Krieg gegen die Entente auf, diese reagierte mit dem Versprechen, sich um einen arabischen Staat zu bemühen. 1916 traf zwar der Aufstand in der Wüste die Osmanen militärisch empfindlich, aber die versprochene Gegenleistung blieb aus. Die Westmächte, v.a. motiviert durch Erdölvorkommen, teilten den heutigen Nahen Osten letztendlich „mit dem Lineal“ unter sich auf. Vorgeblich wollte man die Staaten auf die Unabhängigkeit vorbereiten, tatsächlich griffen Frankreich und Großbritannien aber massiv in die politische Entwicklung der Länder ein zur Sicherung der eigenen Macht2.

Die arabische Welt war dem Westen in mehrfacher Hinsicht bis ins 19. Jhd. überlegen. Dass sich das änderte, lag für viele Gelehrte in der Abwendung von den Wurzeln des Islam und der Übernahme kulturfremder Elemente. Dies konkretisierte sich mit der Gründung des Wahhabismus, der eine Rückbesinnung auf die as-salaf as-salih 3 forderte, worauf sich auch der heutige Salafismus beruft. Damals wurde allerdings der unkritische Traditionalismus problematisiert.

Wegbereitend für den Islamismus waren die Erfahrungen mit dem westlichen Kolonialismus und die Idee ein islamisches politisches System könne die Probleme der Muslime lösen. Dem folgend gründete sich 1928 die Muslimbruderschaft in Ägypten4.

Triebfeder für den Islamismus war also der arabische Nationalismus in den willkürlich gezogenen Ländergrenzen. Die Kolonialmächte waren in der Folge aber nur der Stellvertreter für den eigentlichen „Feind“, den Westen5.

2.2 Zentrale Begrifflichkeiten

2.2.1 Abgrenzung: Islam und Islamismus, Dschihadismus

„Religion steht als eine der wichtigsten geistigen Antriebs- und Bewegungskräfte der Menschheit in vielfältigen strukturellen und akuten Wechselwirkungen zur Politik“ 6.

Islamismus ist eine „Sammelbezeichnung für alle politischen Auffassungen und Handlungen, die im Namen des Islam die Errichtung einer religiös legitimierten Gesellschafts- und Staatsordnung anstreben. 7 “ Religiöse Lehren sollen realer Maßstab gesellschaftlicher Ordnung sein, z.B. durch die Einführung der S charia. Säkularisierung, Individualität, Menschenrechte, Pluralismus und Volkssouveränität - wesentliche Merkmale westlicher Demokratien - werden abgelehnt8.

Die Souveränität Gottes, vertreten durch die Minderheit der R eligionsgelehrten, ersetzt die Volkssouveränität. Die Entwicklung oppositioneller Gedanken ist wie in einer diktatorischen Herrschaftsform untersagt. Eine solche politische und soziale Staatskonstruktion verbietet Menschenrechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit. Den Religionsgelehrten geht es um die politische Mobilisierung der Gesellschaft, eine „homogene und identitäre Gesellschaftskonzeption (...), in der sich alle Menschen (...) den politischen Vorgaben des ‚wahren Glaubens’ zu unterwerfen haben.9 “ Auch die religiösen Führer sind nur Teil des Kollektivs: „Autonomie und Individualität (müssen) als Abweichung vom Islam (...) gelten“10.

Wenn auch nicht obligatorisch, sind im islamistischen Denken dennoch „Grundannahmen enthalten, die die Gewaltbereitschaft befördern.11 “ Selbst die Muslime, die westliche Gesellschaften und ihre Werte akzeptieren, werden verurteilt. Dieses elitäre Denken verfolgt den Auftrag, den westlichen Staat durch den Gottesstaat zu ersetzen - wenn nötig auch mit Gewalt12.

„In allen Religionen gibt es (...) ein breites Spektrum religiöser Haltungen und politischer Einstellungen konservativer, liberaler, modernisierender und auch fundamentalistischer Art. 13

Zum Verhältnis Islam und Islamismus gibt es zwei Positionen:

Weil sich „der Islam als Religion auch auf die Lebensweise und damit (...) auf die Politik beziehe“ 14, sind Islamismus und Islam gleichzusetzen. In islamischen Ländern besteht tendenziell eine enge Verknüpfung zwischen Staat und Religion15, was die Unschärfe befördert. Im Koran werden in einigen Passagen der Absolutheitsanspruch des Islam sowie „Ausgrenzungstendenzen gegenüber Andersgläubigen16 “ einschließlich eines islamistischen Antisemitismus deutlich. Der Propheten Mohammed ist auch Politiker und Feldherr.

Das begründet nicht die Gleichsetzung mit Gewaltorientierung und Terrorismus. Z.B. der reformorientierte, institutionelle Islamismus (b assam tibi), verfolgt sein Ziel gewaltfrei über z.B. Parteien oder Sozialarbeit17.

Der Islamismus, so besagt die andere Position, nutze die Religion nur für seine Zwecke aus. Da der Islam aber identitätsstiftend für den Islamismus ist, schlägt Pfahl-Traughber als Kompromiss eine „Islamismuskompabilität des Islam“ vor, „wonach die Islamisten (...) eine mögliche Deutung des Islam vertreten.18

Der „moderne“Dschihadismus, der „Heilige Krieg“, hat sich vom revolutionären Nationalismus, der gegen die repressiven Regime der Heimatländer kämpfte, um islamische Staaten zu errichten, in eine internationale Bewegung gewandelt: Globale Dschihadisten kämpfen auch gegen die wichtigsten Unterstützer der Regime, um ihren Rückzug aus den Heimatländern zu erzwingen. Der „moderne“klassische Internationalismus schließlich behauptet, seine Überzeugungen seien im „klassischen muslimischen Völkerrecht fest verankert19 “. Er zeigt ein hohes Mobilisierungspotential, wobei die Anhängerschaft nicht unbedingt terroristischen Organisationen oder der Meinung von Religionsgelehrten folgenden muss20.

2.2.2 Salafismus

Die Sicherheitsbehörden stufen den Salafismus als „hochgradig radikalisierungfördernd (...) 21 “ ein. Diese fundamentalistische Bewegung behauptet, den einzig wahren Islam (aqida) zu leben, eine wortwörtliche Auslegung des Korans und der überlieferten Taten und Worte des Propheten (sunna) 22 . Salafisten lehnen es ab, Koranauslegungen an gesellschaftliche und politische Veränderungen anzupassen. Den Gläubigen stehen die Ungläubigen (kuffar) gegenüber, d.h. Christen, Juden, Atheisten und nicht-salafistischen Muslime.

Das salafistische Konzept des tauhid (Eingottglaube) dient dabei v.a. der sozialen Kontrolle mit einem stark ritualisierten Alltag. Nur durch Taten kann man sich vom Polytheismus (shirk) der vorislamischen Zeit absetzen. Die salafistische Glaubenslehre konzentriert sich allerdings oft nur auf das Rezitieren; das maskiert, dass niemand unterschiedliche Schlüsse bei der Übertragung der alten Texte auf die moderne Lebenswelt vermeiden kann.

Die Anhänger des puristischen bzw. quietistischen Salafismus (v.a. Saudi- Arabien) sind v.a. darum bemüht, die Glaubenslehre von „unislamischen Neuerungen“ zu reinigen. Daneben gibt es die dschihadistische und die politische Strömung, die für Sicherheitsbehörden interessanter sind. Der gewaltsame Dschihad ist für Salafisten eine Pflicht für jeden „wahren Muslim“ und darf mit allen Mitteln geführt werden. Das legitimiert einen gewaltorientierten Islamismus.

[...]


1 Z.B. Anerkennung von Arabisch als Amtssprache.

2 Vgl. Lohkler, 2011.

3 Die frommen Altvorderen.

4 Vgl. Lohkler 2011.

5 Vgl. Lohlker 2011.

6 Said 2014, S. 519.

7 Vgl. Said 2015, S. 119.

8 Vgl. Ebd.

9 Vgl. Ebd.

10 Vgl. Ebd.

11 Said 2015, S. 119.

12 Vgl. Ebd.

13 Said 2014, S. 519f.

14 Said 2015, S. 119f.

15 Vgl. z.B. theokratische Verfassung des Iran, Islam als einzig erlaubte Religion in Saudi-Arabien.

16 Said 2015, S. 119f.

17 Vgl. Ebd.

18 Ebd.

19 Abou-Taam 2014, S. 52.

20 Vgl. Ebd., S. 51ff.

21 Riedel 2015.

22 Verfassungsschutzbericht 2008, S. 29ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Motive für die Radikalisierung junger Deutscher in den gewaltorientierten Islamismus
Hochschule
Deutsche Hochschule der Polizei  (Department II)
Veranstaltung
Phänomenbezogenes Polizeiliches Einsatzmanagement
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V498005
ISBN (eBook)
9783346019080
ISBN (Buch)
9783346019097
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Radikalisierung, Islamismus, Gewalt, Inländischer Terrorismus
Arbeit zitieren
Florian Paul (Autor:in), 2017, Motive für die Radikalisierung junger Deutscher in den gewaltorientierten Islamismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498005

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