Lyrik der Romantik. Die Stimme der Natur in Alphonse de Lamartines "Le Lac"


Hausarbeit, 2014

13 Seiten, Note: 2,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Von der Französischen zur kulturellen Revolution

3. Die Méditations poétiques

4. Die Stimme der Natur in dem Gedicht Le Lac

5. Schlusswort

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Französische Revolution und die postrevolutionäre Phase in Frankreich (ab 1789) bilden die Grundlage für eine fundamentale Umwälzung der Bedeutung von Kunst und somit auch von Literatur in Frankreich zum Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts[1]. Auf literarischer Ebene findet ein radikaler Paradigmenwechsel statt. Kennzeichnend für diesen Paradigmenwechsel ist das Abkehren von ästhetischen Normen, die zuvor wegweisend für die Literatur waren, wie zum Beispiel die griechische Mythologie und die Aristotelische Poetik als Referenzgröße und zugleich die Proklamierung des literarischen Ausdrucks von Subjektivität[2]. Über diesen Bruch mit der klassischen Mythologie und einem „eigenen Modernitätsanspruch“[3] definiert sich der romantische Zeitgeist.

Zwar entstehen bereits vor dem Jahre 1820 Werke, die sich sowohl auf inhaltlicher als auch auf stilistischer Ebene von der antiken Mythologie abgrenzen, wie zum Beispiel der Roman „René“ (1802) von dem französischen Schriftsteller Francois- René de Chateaubriand, jedoch stellt die 1820 anonym erschienene Gedichtsammlung Méditations poétiques als „Erstlingswerk"[4] des Dichters Alphonse-Marie Louis Prat de Lamartine das programmatische Werk der Romantik dar. Ein essentieller Bestandteil Lamartines Dichtung sind die sogenannten Naturbilder, welche ein Spiegelbild der Seelenlandschaft (Korrespondenzlandschaft[5] ) des lyrischen Ichs bilden. Dieser Topos der Natur, welches in den meisten Gedichten der Méditations eingesetzt wird, wird als ein „psychologisches Zeichensystem aufgefasst“[6]. Dies bedeutet, dass eine Instrumentalisierung der Natur als Motiv vorgenommen wird, welche die Funktion einer Verlängerung der Seele des lyrischen Ichs hat. In der vorliegenden Arbeit wird detailliert analysiert in welchem Verhältnis die Facetten der Natur mit den subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs im Gedicht Le Lac von Alphonse-Marie Louis Prat de Lamartine stehen. Dies geschieht jedoch weniger unter einem strukturalistischen Gesichtspunkt sondern vielmehr im Hinblick auf den Einsatz des Topos der Natur im gesamten Gedicht.

2. Von der Französischen zur kulturellen Revolution

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 werden in der Literaturwissenschaft in Frankreich neue Tendenzen eingeläutet. Mit der Idee und dem Streben nach einem antimonarchischen Frankreich gehen unumstößliche kulturelle Veränderungen einher. In der Kunst findet ein „radikaler Paradigmenwechsel“[7] statt. Die Nachahmungsästhetik (imitatio naturae/auctorum)[8] als literarisches Erbe der klassizistischen Dichtungskonzeption verliert an Bedeutung und wird abgelöst durch die romantische Ausdrucksästhetik.[9]

Merkmal der romantischen Partitur ist […] eine Tendenz zur Vielstimmigkeit, sowohl in der Öffnung auf neue, zeitgenössische Sachverhalte und Textmodi, wie als Abdichtung gegen den Kanon einer seit dem 17. Jahrhundert festgeschriebenen Überlieferung, die ihren Vorbildwert auch mit ihrem ehrwürdigem Alter begründet.[10]

Die Französische Revolution verursachte tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen wie auch „ihre befreiende Wirkung auf das Literatursystem“[11]. Dies bedeutet, dass die Monopolstellung der klassischen Literatur durch eine neue Form der Kommunikation und neuer struktureller Merkmale aufgebrochen wurde. Dennoch durchströmt der gesellschaftliche Sturz der vorherrschenden politischen Instanzen 1789 erst zeitlich versetzt die etablierten kulturellen Werte. So könne selbst 1820 als Lamartines Méditations als Manifest der Romantik entstehen noch nicht von einer Literaturrevolution die Rede sein, so Engler.[12] Wie kann eine neue Poesie, die bestrebt ist sich in der Literatur zu etablieren, aber ihre Beschaffenheit auf die alte Terminologie nicht verzichten will, Resonanz finden? Um der Antwort dieser Frage näher zu kommen, ist es notwendig den Fokus der Betrachtungen auf die Gedichtreihe Méditations poétiques Lamartines zu setzen.

3. Die Méditations poétiques

Die Gedichtsammlung Méditationspoétiques erschien am 11. März des Jahres 1820 und setzte sich zusammen aus 24 Oden, Elegien und Episteln und wurde bis 1849 auf 41 Gedichte erweitert und mit autobiographischen Kommentare versehen.[13] Die Gedichte wurden zwischen 1815 bis 1820 verfasst, in Frankreich eine Zeit der politischen Unruhen, in der Napoleon seine Niederlage erlebt. Mit diesem Werk entgegnet Lamartine der politischen Unruhen in Frankreich mit „einer Dichtung der Besinnung und inneren Einkehr“.[14] So sind die Méditaions Gedichte der Besinnung, aber auch der religiösen Einkehr. Es liegt nahe, dass aus diesem Grund die Méditations so benannt wurden, da sich die Meditation über das Streben nach etwas weltfremdem philosophischen charakterisiert. Die romantische Metaphysik, bei dem das Subjekt eins wird mit dem Kosmos bildet eines der Stoßrichtungen der Romantik, welches auch Teil der Dichtung Lamartines ist.

Lamartine tilgte zunächst alle Hinweise darauf, dass die Méditations autobiographische Bezüge hätten. Tatsächlich gäbe es laut Winfried Engler kein Orts-, Zeit- oder Personenmotiv, das den Leser in der Weise lenkt, dass er die Texte autobiographisch interpretiert. Diese Bezüge seien jedoch vorhanden, so Andreas Kablitz in seinen Untersuchungen zu den Méditations Lamartines.

Wenn Lamartine seine Tränen, sobald sie versiegt sind, durch Gedichte ersetzt, dann stehen die den „larmes“ damit äquivalenten Texte in demselben kausalen Abhängigkeitsverhältnis wie die Tränen selbst. Die Beziehung Erlebnis-Text wird zu einer solchen von Ursache und Wirkung. […]Der Autobiographische Charakter der Méditations manifestiert sich nicht nur in mimetischen Beziehungen von Text und Vita, sondern äußert sich auch in kausalen und funktionalen Relationen, die die Texte dem Erlebniszusammenhang einverleiben.[15]

Andreas Kablitz bezeichnet die Lyrik Lamartines in diesem Sinne als Erlebnislyrik.

Friedrich Schlegel hingegen rezipiert die Méditations als beispielhaft für eine „erhabene Trostlosigkeit“[16] als Folge des politischen Hintergrundes, vor dem das Werk entstanden ist. Denn es handelt sich in Frankreich um eine Zeit, in der insbesondere die Jugend am „kurzfristigen Regimewechsel, an dem Stigma der Isolierung und Entkräftung“[17] scheitert. In der Tat engagierte sich Lamartine seit den 1830er Jahren auch politisch in der Opposition und wurde während der politischen Unruhen 1931 als Nationalgarde eingesetzt. Seine politischen Aktivitäten haben möglicherweise einen biographischen Hintergrund da bereits sein Vater als Kommandant der Kavallerie unter Louis XVI arbeitete.[18]

Der Erfolg der Méditations poétiques gründet sich auf die Gedichte Le soir, Le vallon, Le souvenir, Le lac, L’invocation, Le temple und L’automne, welche während der psychischen Krise entstanden, in der sich Lamartine befand als seine Geliebte Julie Charles- die in seinen Gedichten als Elvire bezeichnet wird- verstarb. Nicht nur die „vérité des sentiments“[19], also die Echtheit der tiefgehenden und energischen Gefühle ist ein besonderes Merkmal dieser Dichtung, sondern sind es insbesondere die Naturbilder und die beschriebenen „Landschaften als psychologisches Zeichensystem“[20], welche die Melancholie, Trauer oder Todessehnsucht verkörpert. Das lyrische Ich nimmt in Lamartines Dichtung die Natur als „Naturschauspiel“ wahr, das unberechenbar und unvorhersehbar ist. Der vertikale Kontrast der Höhen und Tiefen der Natur, die sich zum Beispiel in der Metapher eines Gipfels oder Tals widerspiegeln und die Weite, die durch den romantischen Panoramablick zum Ausdruck kommen, werden in den Méditations lyrisch ausgeschöpft und stehen in Korrespondenz mit den Empfindungen des erlebenden Subjektes.[21]

Einerseits findet die Dichtung Lamartines in den Méditations Resonanz.

Die Neuheit dieser unmittelbar sprechenden Dichtung und der harmonische Fluss ihrer Verse sicherten dem Werk die enthusiastische Zustimmung der frühen Romantiker, die in den Méditations eine richtungsweisende Verwirklichung ihrer literarischen Ziele begrüßten.[22]

Andererseits wird jedoch der Innovation seines Werkes auch von den Anhängern der Klassik mit abweisender Skepsis begegnet.[23] Denn 1820 würde laut Engler noch keine Literaturrevolution vertragen und Lamartine inszeniere auch keine. Denn er „komponiert mit klassizistischem Standardvokabular und konventionellen Topoi eine gefühlsgeladene Lyrik“[24]. Hierin besteht die Programmatik Lamartines Dichtung in den Méditations, denn es vereinigt das Traditionelle in Form der Ode oder Elegie mit dem Modernen (Naturerlebnis und Ich-Lyrik ).[25] Die Sprache der Méditations zeichnet sich aus durch seine „gesangliche Melodik“[26], die kombiniert wird mit der klassizistischen Rhetorik. „Die durchgängige Verpflichtung des Textmodus gegenüber der klassizistischen Rhetorik (Hyperbaton, Anapher, Periphrase, sentenzenhafte Zuspitzung) hebt gerade den poetischen Funktionswechsel hervor.“[27]

[...]


[1] ENGLER, Winfried, Die romantische Lyrik, in: Die französische Lyrik, hg. v. D. Janik, Darmstadt

1987, S. 12

[2] ENGLER, Winfried, Die romantische Lyrik, in: Die französische Lyrik, hg. v. D. Janik, Darmstadt

1987, S. 11.

[3] ENGLER a.a.O., S. 11

[4] ENGELHARDT, Klaus, Méditations poétiques: Kindlers Literaturlexikon. http://kll-aktuell.cedion.de/nxt/gateway.dll/kll/l/k0393200.xml/k0393200_010.xml?f=templates$fn=index.htm$q=%5Brank,500%3A%5Bdomain%3A%5Band%3A%5Bfield,body%3ALe%20Lac%5D%5D%5D%5Bsum%3A%5Bfield,lemmatitle%3ALe%20Lac%5D%5Bfield,body%3ALe%20Lac%5D%5D%5D$x=server$3.0#LPHit1 (08.06.2014)

[5] ENGLER a.a.O., S. 62

[6] ENGELHARDT a.a.O.

[7] ENGLER a.a.O., S. 11

[8] Vgl. BATTEUX, Charles, Les beaux arts réduits à un même principe, Genf : Slatkine Reprints 1969, S. 24, S. 30

[9] ENGLER a.a.O., S.57

[10] ENGLER a.a.O., S. 12

[11] ENGLER a.a.O., S.57

[12] ENGLER a.a.O., S.80

[13] Vgl. ENGELHARDT a.a.O.

[14] ENGELHARDT a.a.O.

[15] KABLITZ, Andreas, Alphonse de Lamartines Méditations poétiques: Untersuchungen zur Bedeutungskonstitution im Wiederstreit von Leseerwartung und Textstruktur, Text und Kontext. Romanische Literaturen und allgemeine Literaturwissenschaft 1, hg. von Klaus W. Hempfer, Stuttgart 1985 , S. 7

[16] ENGLER a.a.O., S. 84

[17] ENGLER a.a. O., S.84

[18] Vgl. FALCONNET, Ernest, Alphonse de Lamartine: vie intime politique etlittéraire, Paris 1840, S.11

[19] KABLITZ a.a.O. , S. 58

[20] ENGELHARD a.a.O.

[21] Vgl. ENGLER a.a.O., S. 82

[22] ENGELHARDT, Klaus, Méditations poétiques: Kindlers Literaturlexikon. http://kll-aktuell.cedion.de/nxt/gateway.dll/kll/l/k0393200.xml/k0393200_010.xml?f=templates$fn=index.htm$q=%5Brank,500%3A%5Bdomain%3A%5Band%3A%5Bfield,body%3ALe%20Lac%5D%5D%5D%5Bsum%3A%5Bfield,lemmatitle%3ALe%20Lac%5D%5Bfield,body%3ALe%20Lac%5D%5D%5D$x=server$3.0#LPHit1 (08.06.2014)

[23] ENGLER, Winfried, Die romantische Lyrik, in: Die französische Lyrik, hg. v. D. Janik, Darmstadt 1987, S. 80

[24] ENGLER a.a.O. S. 80

[25] ENGLER a.a.O. S. 81

[26] ENGELHARDT a.a.O.

[27] ENGLER a.a.O., S. 83

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Lyrik der Romantik. Die Stimme der Natur in Alphonse de Lamartines "Le Lac"
Note
2,7
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V498487
ISBN (eBook)
9783346020086
ISBN (Buch)
9783346020093
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lyrik, romantik, stimme, natur, alphonse, lamartines
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Lyrik der Romantik. Die Stimme der Natur in Alphonse de Lamartines "Le Lac", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/498487

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