Platons Höhlengleichnis und der Weg zur wahren Erkenntnis. Ein Unterrichtsentwurf für das Fach Ethik in der 6. Klasse


Unterrichtsentwurf, 2019

14 Seiten, Note: 2

Anonym


Leseprobe

1. Kompetenzlernziele

Lernziel:

Die Schüler1 entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass ihre Wahrnehmung nur unzulänglich dafür geeignet ist, die Wirklichkeit zu erkennen und es mehr braucht, um zur wahren Erkenntnis zu gelangen, indem sie sich mit Platons Höhlengleichnis auseinandersetzen und Platons Weg zur wahren Erkenntnis analysieren.

Die Schüler...

- arbeiten die Problemfrage heraus, indem sie sich in einem Experiment in die Ausgangssituation des Höhlengleichnisses versetzen und ihnen die Unzulänglichkeit ihrer Wahrnehmung vor Augen geführt wird
- geben Platons Höhlengleichnis inhaltlich wieder, indem sie die wichtigsten gleichnishaften Ausdrücke herausarbeiten.
- deuten das Höhlengleichnis im Kontext Platons Ideenlehre, indem sie die wichtigsten Ausdrücke des Höhlengleichnisses auf die Ideenlehre übertragen.
- erarbeiten Platons Weg zur wahren Erkenntnis, indem sie seinen Erkenntnisweg im Gleichnis nachvollziehen
- vergleichen und bewerten Platons Antwort des philosophischen Denkens, indem sie das Lernprodukt auf die Ausgangssituation und die Problemfrage reflektieren

2. Bemerkungen zum Kurs

2.1 Eigene Tätigkeit

Der Ethikkurs wird von mir eigenverantwortlich seit dem 06.02.2019 an einem Gymnasium unterrichtet. Der Umfang beläuft sich auf zwei Wochenstunden, die montags in der vierten und freitags in der sechsten Stunde stattfinden.

2.2 Bild des Kurses

Der Kurs im Fach Ethik besteht aus insgesamt 28 Schülern. Darunter befinden sich zwei Schülerinnen, die aufgrund ihrer Deutschkennnisse zwar am Unterricht teilnehmen, oft aber mit ihren DAZ Aufgaben beschäftigt sind. Wenn dies nicht der Fall ist, versuchen sie dem Unterricht zu folgen, trauen sich aber noch nicht aktiv am Unterricht teilzunehmen.

Bei den Lernenden handelt es sich um eine sehr aufgeweckte und neugierige Gruppe. Die Lernenden haben ein gut ausgeprägtes Kommunikationsverhalten, sind motiviert und nehmen aktiv am Unterricht teil. Altersgemäß zeigen sie sich lernbereit und begeisterungsfähig. Allerdings gibt es einige Ausnahmen, die häufig ermuntert werden müssen, sich am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen und die geforderten Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Das allgemeine Leistungsniveau der Lerngruppe schätze ich größtenteils als hoch ein, es gibt allerdings auch 12 Schüler, die versetzungsgefährdet sind.

2.3 Stand der Klasse

Die vorliegende Stunde bewegt sich in der Reihe Wahrheit und Wirklichkeit und befindet sich im 25.Erfahrungsfeld: Wirklichkeiten und Wahrnehmung.2 Einstieg in die Reihe war die Betrachtung des methodischen Zweifels René Descartes, die zu seinem Schluss des „Cogito ergo sum“ geführt haben.

Anschließend folgte die Betrachtung Platons Ideenlehre, die als Grundlage für die aktuelle Stunde dient und die Unterscheidung zwischen der Idee und dem Ding thematisierte.

3. Sachanalyse

Das Höhlengleichnis befindet sich im siebten Buch Platons, der „Politeia“. Dieses Werk befasst sich in erster Linie mit Platons Versuch eines idealen Staates, stellt dabei aber auch die Frage nach der wahren Erkenntnis. Dieser Frage liegt die Vorstellung zugrunde, die als Ideenlehre bekannt ist. Platon beschreibt dabei ein angenommenes Reich immaterieller, ewiger und unveränderlicher Wesenheiten, die er als Ideen bzw. Urbilder bezeichnet.3 Diese Ideen können als übergeordnete „Musterbilder“ verstanden werden, die hinter den verschiedenen, sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen in der Natur stehen.4 Platon verfolgt dabei die Annahme, dass die Seele des Menschen sich an die Idee wieder erinnern kann, da sie sie schon „aus einem früheren, jenseitigen Dasein“ kennen würde.5 Diesen Vorgang bezeichnet er als Anamnesis – Wiedererinnerung. Der Mensch hatte in gewisser Weise Einblick auf die Ideen, dies aber vergessen. Wenn wir nun den Abbildern, den Nachahmungen - Mimesis, der wahren Ideen in der Welt begegnen, kehrt diese Erinnerung wieder zurück.6

Jeder Mensch kann demnach zu diesen Ideen gelangen, allerdings nicht durch sinnliche Wahrnehmung, sondern nur durch die Zuhilfenahme der Vernunft. Durch diesen Vorgang kann der Mensch zu sicherem Wissen gelangen. Über alles in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, kann er niemals sicheres Wissen erlangen, sondern nur Meinungen und Gefühle, da die Sinne uns täuschen können und alles, außer den ewigen Ideen veränderlich und vergänglich ist.7

Der zentrale Punkt in der Philosophie Platons, ist die Idee des Guten - Agathon.8 Für Platon war das Gute der Ursprung aller Ideen und wird zum Beispiel im Sonnengleichnis durch die Sonne symbolisiert. Die Sonne verhält sich dabei zum Bereich des Sichtbaren, wie die Idee des Guten zum Denkbaren.9 So wie die Sonne uns die Erkenntnis sinnlicher Dinge ermöglicht, so ermöglicht uns die Idee des Guten die Erkenntnis von Intelligiblem. Das Höhlengleichnis veranschaulicht dabei den Weg, den ein Mensch gehen muss, um die Idee des Guten schauen zu können. Es „ist der Weg des Philosophen von den unklaren Vorstellungen zu den wirklichen Ideen hinter den Phänomenen in der Natur.“10

Zusammengefasst lässt sich das Höhlengleichnis wie folgt beschreiben: Eine Gruppe von Menschen haust ihr Leben lang in einer unterirdischen Höhle, angekettet mit dem Gesicht ins Höhleninnere blickend. Hinter ihnen brennt ein Feuer, das die Schatten von Gegenständen an die Wand wirft. Dies ist das Einzige, was die Höhlenmenschen je gesehen haben und sie halten es für die Wirklichkeit. Eines Tages bricht einer aus ihren Reihen die Ketten, gelangt an die Oberfläche und erkennt, nachdem er vorerst von der Sonne geblendet wird, die wahre Welt, also die Urbilder. Nach seiner Entdeckung kehrt er in die Höhle zurück, um seinen Mitmenschen von seiner Entdeckung zu unterrichten. Er will sie überreden ihm diesen Aufstieg nachzutun. Sie verschreien ihn als Ketzer und Lügner und bringen ihn um.

„Die Höhle steht für die sinnlich wahrnehmbare Welt, das künstliche Feuer für die natürliche Sonne, der Aufstieg und die Betrachtung der Oberwelt für die Erhebung der Seele in das Reich des nun dem reinen Denken zugänglichen Seins und die Sonne für die Idee des Guten.“11

4. Begründung der didaktischen Entscheidung

Im Lehrplan für das Fach Ethik Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz wird das Ziel im Erfahrungsfeld: „Wirklichkeiten und Wahrnehmung“ formuliert, dass die Schüler sich „ihrer subjektiven Wahrnehmung der Wirklichkeit bewusstwerden und ihre eigene Wahrnehmung relativieren.“12 Die erkenntnistheoretische Forderung nach der Bewusstwerdung und Relativierung der Wahrnehmung führt zur Kritik an sinnlicher Wahrnehmung, die einen der zentralen Punkte im Höhlengleichnis Platons darstellt. Platon rückt diese Kritik an den Anfang seines Gleichnisses und formuliert von dieser Ausganssituation aus, seinen Weg zur wahren Erkenntnis.

Innerhalb der Reihe baut die heute Stunde auf René Descartes „methodischem Zweifel“ auf, indem die Kritik an der sinnlichen Wahrnehmung und seine Antwort des „Cogito ergo sum“ im Fokus standen.

Vorentlastend wurde im Anschluss Platons Ideenlehre thematisiert und die Frage besprochen, „Was war zuerst da – die Idee oder das Ding“. Die Schüler sind dem entsprechend mit der Vorstellung einer Welt der Ideen, die allen Dingen zugrunde liegt, vertraut. In dieser Stunde kristallisierte sich jedoch auch die Frage heraus, wie die Ideen vom Menschen erschlossen werden können. Aus diesem Grund befindet sich das Höhlengleichnis im Zentrum dieser Stunde, da der Weg zur wahren Erkenntnis ein Kernthema des Gleichnisses ist.

In Bezug auf das Alter der Schüler und die Schwerpunktsetzung auf den Erkenntnisprozess innerhalb des Gleichnisses, musste eine starke didaktische Reduktion erfolgen. Platons Vorstellungen eines idealen Staates, in dessen Kontext das Gleichnis eingebunden ist, würde wenig zielführend sein und den zeitlichen Rahmen sprengen. Auch die Vorstellung der Idee des Guten als Ursprung aller Ideen und damit verbunden das Sonnen- und Liniengleichnis, in denen diese Vorstellung veranschaulicht wird, wurde zugunsten eines stärkeren Fokus auf den Erkenntnisvorgang im Höhlengleichnis aufgeschoben. Die Stundenfrage: „Wie wir zur wahren Erkenntnis gelangen“, kann auch ohne die Idee es Guten beantwortet werden. Die Antwort auf die Frage kann durch die Schüler, anhand des Gleichnisses und ihrem Vorwissen in Beug auf die Ideenlehre, erarbeitet werden.

In Bezug auf den Lernprozess wurde die Stunde nach dem Bonbon-Model von Ralf Sistermann strukturiert.13 Am Anfang steht die Hinführung zum Problem der Erkenntnis, aus der sich die Problemfrage ableitet „wie wir zur wahren Erkenntnis gelangen?“. Nach der Phase, in der die Schüler erst einmal selbst versuchen mögliche Antworten zu geben, folgt eine kontrollierte Problemlösung anhand eines Arbeitsblattes. Im Anschluss folgt die Präsentation der Schülerergebnisse, an die sich in einem letzten Schritt die Vertiefung anschließt. Hierbei soll das Erarbeitet reflektiert und zur Beantwortung der Stundenfrage herangezogen werden. Nämlich Platons offeriertem Ausweg aus der Begrenzung unserer sinnlichen Wahrnehmung, indem er uns in die Welt des philosophischen Denkens führt. Das Denken ermöglicht es uns nämlich, hinter die Abbilder der materiellen Welt zu blicken und die ewigen, unveränderlichen Urbilder bzw. Ideen zu erkennen.

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgendem nur die maskuline Form verwendet. Diese schließt die feminine Form mit ein.

2 Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz: Rahmenlehrplan Ethik. Für die Sekundarstufe I, S. 136

3 Kunzmann: dtv-Atlas Philosophie. S. 39.

4 J. Gaarder: Sophies Welt. S. 105

5 Kunzmann: dtv-Atlas Philosophie. S. 40

6 Kunzmann: dtv-Atlas Philosophie. S. 40

7 J. Gaarder: Sophies Welt. S. 105

8 Kunzmann: dtv-Atlas Philosophie. S. 39

9 O. Höffe: Platon: Politeia – Klassiker auslegen 207

10 J. Gaarder: Sophies Welt. S. 111

11 Diesenberg: Unterrichtsideen. Textarbeit im Philosophieunterricht der Sekundarstufe II. Didaktische Kommentare und methodische Anregungen zu ausgewählten Texten. S. 69.

12 Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz: Rahmenlehrplan Ethik. Für die Sekundarstufe I, S. 136

13 Sistermann, R.: Der Sinn des Lebens: Eine problemorientierte Unterrichtsreihe nach dem „Bonbon-Modell“ S. 296

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Platons Höhlengleichnis und der Weg zur wahren Erkenntnis. Ein Unterrichtsentwurf für das Fach Ethik in der 6. Klasse
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V499094
ISBN (eBook)
9783346032423
ISBN (Buch)
9783346032430
Sprache
Deutsch
Schlagworte
platons, höhlengleichnis, erkenntnis, unterrichtsentwurf, fach, ethik, klasse
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Platons Höhlengleichnis und der Weg zur wahren Erkenntnis. Ein Unterrichtsentwurf für das Fach Ethik in der 6. Klasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499094

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