Die vorliegende Magisterarbeit stellt einen Vergleich, Analyse und Auswertung von Chronisten des 12. Jahrhunderts über die Bedeutung und Rolle des Peter von Amiens für den Ausbruch und den Verlauf des ersten Kreuzzuges dar. Die Arbeit umfasst die "Historia Hierosolymitana" von Fulcher von Chartres, die "Hierosolymita" von Ekkehard von Aura, die "Historia Iherosolimitana" von Albert von Aachen, die "Historia rerum in partibus transmarinis gestarum" oder kurz "Chronicon" von Wilhelm von Tyrus, die anonyme "Gesta Francorum" und die auf ihr basierenden Werke, der Chronik "Historia Hierosolymitana", auch "Hiersololymitana expeditio" genannt von Robert dem Mönch beziehungsweise Robert von Reims und der "Gesta Dei per Francos" von Guibert von Nogent, sowie der "The Alexidad" von Anna Komnena.
In dieser Magisterarbeit mit dem Thema "Peter von Amiens und der Beginn der Kreuzzugsbewegung im Spiegel der Chronistik des 12. Jahrhunderts" beschäftige ich mich mit der Frage, welche Rolle und wieviel Einfluss Peter von Amiens auf den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Kreuzzuges in verschiedenen Chroniken von den Verfassern zugesprochen wird. In der Forschung und unter Historikern ist dieser Sachverhalt sehr umstritten. Seit Beginn der Kreuzzugsforschung und dessen Verlauf wurde die Bedeutung der Figur Peter mehrfach revidiert und korrigiert. Obwohl zunächst – auf den Chroniken von Albert und Aachen und Wilhelm von Tyrus basierend – ihm lange Zeit zugestanden wurde, der tatsächliche Urheber zu sein, wurde deren Glaubwürdigkeit als Chronisten der zweiten Generation in der Forschung von Heinrich Hagenmeyer, Heinrich von Sybel und Bernhard Kugler deutlich kritisiert und bezweifelt. Neue Ansätze von E. O. Blake, C. Morris und Jean Flori stehen dieser allgemein übernommenen Kritik sehr skeptisch gegenüber. Mit dieser Arbeit möchte ich daher zur Aufklärung dieser Bewandtnis beitragen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Vorstellung
2.1.1 Fulcher von Chartres
2.1.2 Ekkehard von Aura
2.1.3 Albert von Aachen
2.1.4 Wilhelm von Tyrus
2.1.5. Die anonyme „Gesta Francorum“
2.1.6 Robert der Mönch bzw. Robert von Reims
2.1.7 Guibert von Nogent
2.1.8 Anna Komnena
2.2 Vergleich
2.3 Auswertung
3. Zusammenfassung
4. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Magisterarbeit mit dem Thema „Peter von Amiens und der Beginn der Kreuzzugsbewegung im Spiegel der Chronistik des 12. Jahrhunderts“ beschäftige ich mich mit der Frage, welche Rolle und wieviel Einfluss Peter von Amiens auf den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Kreuzzuges in verschiedenen Chroniken von den Verfassern zugesprochen wird. In der Forschung und unter Historikern ist dieser Sachverhalt sehr umstritten. Seit Beginn der Kreuzzugsforschung und dessen Verlauf wurde die Bedeutung der Figur Peter mehrfach revidiert und korrigiert. Obwohl zunächst – auf den Chroniken von Albert und Aachen und Wilhelm von Tyrus basierend – ihm lange Zeit zugestanden wurde, der tatsächliche Urheber zu sein, wurde deren Glaubwürdigkeit als Chronisten der zweiten Generation in der Forschung von Heinrich Hagenmeyer, Heinrich von Sybel und Bernhard Kugler deutlich kritisiert und bezweifelt. Neue Ansätze von E. O. Blake, C. Morris und Jean Flori stehen dieser allgemein übernommenen Kritik sehr skeptisch gegenüber. Mit dieser Arbeit möchte ich daher zur Aufklärung dieser Bewandtnis beitragen. Aus diesem Grund werde ich im Folgenden eine Auswahl der für die Figur des Peter relevanten Chronistik genauestens untersuchen, um herauszufinden, was die einzelnen Chronisten zur Lösung dieses Sachverhaltes beitragen können, welches Bild ihr Werk projiziert und versuchen, einen historischen Kern abzuleiten, um den tatsächlichen historischen Verlauf zu ermitteln. Für diese Untersuchung habe ich mir acht Werke verschiedener Chronisten ausgesucht. Diese beinhalten als Vertreter der ersten Generation den Chronisten Fulcher von Chartres, der als unmittelbarer Zeitzeuge und Teilnehmer eines der Heere des Ersten Kreuzzugs und mit engen Verbindungen zum Königshaus von Jerusalem mit seiner „Historia Hierosolymitana“ einen selbstständig beurteilenden Bericht über den Verlauf niederschrieb, der lange als das Standardwerk galt; Ekkehard von Aura, der als Anhänger Heinrich V. eine unabhängige Beschreibung der Ereignisse aus der Sicht eines Mönches aus dem Deutschen Reich verfasste, nachdem er vom Kreuzzug von 1101 zurückgekehrt war; Albert von Aachen, der nicht nur das umfassendste Werk über die Entstehung und den Verlauf des Ersten Kreuzzugs anfertigte, sondern auch die weitere Geschichte des Königreiches von Jerusalem bis zum 12. Jahrhundert erzählt, aber dessen Glaubwürdigkeit starken Kritiken und Zweifeln ausgesetzt war; Wilhelm von Tyrus, dessen „Chronicon“ als das neue Standardwerk von der Forschung bewertet wurde, der als einziger Chronist in der Levante gebürtig war und die Geschichte vom Ausbruch des Ersten Kreuzzuges sowie die Entwicklung des Lateinischen Königreiches bis kurz vor der Schlacht von Hattin im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts mit Zugriff auf alle Archive notierte, die „Gesta Francorum“, dessen anonymer Verfasser als Anhänger des normannischen Heeres unter Fürst Bohemund von Tarent ebenfalls aus Sicht eines Teilnehmers die Entstehung und den Verlauf des Ersten Kreuzzugs mit anderen Schwerpunkten erzählt, sowie die Werke von Robert dem Mönch bzw. Robert von Reims und Guibert von Nogent, die sich beide mit der „Gesta Francorum“ als Vorlage bemühten, diese zu ergänzen und zu vervollständigen. Beide geben interessante Rückschlüsse auf das Klima und die politische Situation über den unmittelbaren Zeitraum nach dem Erfolg des Ersten Kreuzzugs, als auch Anna Komnena, Tochter des byzantinischen Herrschers Alexios, der während des Ausbruches und Verlaufs des Ersten Kreuzzugs regierte und deren Werk eine unabhängige, völlig andere Sichtweise und daraus resultierend eine eigene Bewertung der Ereignisse der zum Kreuzzug führenden Entwicklungen beinhaltet. An dieser Stelle fahre ich mit einem kurzen Einschub über die historische Einordnung von Peter von Amiens fort.
In den ersten Monaten des Jahres 1096 setzt sich ein gewaltiger Menschenstrom aus allen Teilen Europas in Richtung des Heiligen Landes und der Stadt Jerusalem in Bewegung. Schätzungen gehen von bis zu einhunderttausend Menschen innerhalb des ersten Jahres aus.[1] Die beiden Konfessionen des Christentums – lateinisch und griechisch-orthodox – und der Islam bekämpfen sich bereits seit Jahrhunderten, Religion ist jedoch nicht die einzige treibende Kraft der Kreuzzugsteilnehmer; Motive wie der Reiz nach Land und Geld oder die Motivation aus dem Gefühl der Ehre und der Familientradition, der Sehnsucht nach Abenteuern oder aus Pflichtgefühl gehen mit dem Glauben einher und sind nicht selten die wahre treibende Kraft.[2] In den Jahren zuvor fehlt es dem Byzantinischen Reich sowohl an wirtschaftlicher Kraft als auch an militärischer Stärke, den muslimischen Eroberungsangriffen dauerhaft standhalten zu können, sodass das Reich schrumpft und die christliche Herrschaft über das Heilige Land endet. Mit der für die Griechen katastrophalen Niederlage von Manzikert 1071[3] erfolgt mit ihrem Verteidigungskrieg schrittweise der Rückzug aus der Region des heutigen Kleinasiens. In ihren Angriffszügen gelingt es den Muslimen Nordafrika zu erobern und bis nach Europa vorzustoßen. Erst einundzwanzig Jahre später stoppt eine fränkische Offensive ihr Vordringen in Europa mit dem Sieg bei der Schlacht von Tours 732, woraufhin ein Konflikt über den Besitz der Iberischen Halbinsel entbrennt.[4] Ohne sich dessen bewusst zu sein, marschieren nun die Teilnehmer der Kreuzzugsbewegung gegen Ende des 11. Jahrhunderts durch eine offene Tür, denn nach einer nie dagewesenen Todesfolge unter den Führern sowohl der Selchüken als auch der Fatimiden, streiten die führungslosen Muslime um die Herrschaft untereinander, sodass ein großes Machtvakuum entstanden ist.[5] Die wichtigsten Anführer dieser Expedition, der 4.800 km langen Reise von Nordeuropa nach Jerusalem, sind Gottfried von Bouillon, der ein Herzogtum in Niederlothringen, in der Grenzregion zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich, regiert; sein jüngerer Bruder Balduin, der seine Laufbahn als Geistlicher aufgegeben hat und Soldat geworden ist; Graf Stephan von Blois, der mit der Tochter Wilhelm des Eroberers verheiratet ist und während des Feldzuges in den Rang eines Feldherrn erhoben wird; Graf Raimund von Saint Gilles, der mit über sechzig Jahren über Gebiete bei Toulouse herrscht, aber sich ein neues Leben im Heiligen Land aufbauen will und Bohemund von Tarent, als sizilianischer Normanne traditionell ein Feind der Byzantiner und auf Ruhm brennend.[6] Ihre Heere brechen unabhängig voneinander auf und vereinen sich bei der kaiserlichen Hauptstadt von Byzanz. Während ihrer jahrelangen Reise erobern sie im Juni 1097 die Stadt Nicaea, heute Isnik, und beginnen im Oktober desselben Jahres die Belagerung von Antiochia, heute Antakya. Diese wird zur Zerreißprobe der Unternehmung. Die Einnahme der Stadt dauert bis zum Juni 1098 an, woraufhin jedoch die zuvor Belagernden durch das Eintreffen einer muslimischen Streitmacht zu Belagerten werden. Hunger, Not und Ängste bringen viele Teilnehmer an den Rand der Verzweiflung, nicht wenige lassen sich heimlich die Stadtmauern herab und flüchten. Diese Eidbrecher werden schnell als Seiltänzer von Antiochia verspottet und ausgegrenzt.[7] Mitte Juli 1099 gelingt tatsächlich die Eroberung der Stadt Jerusalem. Es ist der Beginn der Herrschaft der Christen im Heiligen Land. Die Schlacht von Askalon drei Wochen später besiegelt ihren Herrschaftsanspruch und erst im Jahr 1291 geht das Lateinische Königreich von Jerusalem im Heiligen Land gänzlich unter.[8] Neben den bereits erwähnten Unruhen in der muslimischen Welt gilt es zu berücksichtigen, dass auch das christliche Europa kirchlich durch die Folgen des Investiturstreites in die Lager zweier Päpste gespalten ist. Vor dem Hintergrund der Kreuzzugsbewegung regiert einerseits Urban II. als Nachfolger von Gregor VII. als Papst, während ebenfalls der vom deutschen Kaiser unterstützte Papst Clemens III., auch bekannt als Wibert von Ravenna oder Guibert von Ravenna, herrscht. Die dem Thema dieser Arbeit namensgebende Figur wird mit verschiedenen Beinamen bezeichnet. Peter von Amiens, den seine Zeitgenossen auch als „Kleinen Peter“, -chtou oder –kiokio, im Dialekt der Picardie kennen, wird des Weiteren auf Grund seiner Kutte, die er für gewöhnlich trägt, Peter der Eremit bzw. „Peter der Einsiedler“ genannt. Unter diesen Namen ist er in der Geschichte besser bekannt.[9] Der für diese Arbeit ausschlaggebende Lebensabschnitt bzw. dessen Folgen und Wirkung sind chronologisch in den Zeitraum kurz vor Aufruf und Beginn der Kreuzzugsbewegung bis zur erfolgreichen Eroberung Jerusalems einzuordnen. Aus den Quellen ergibt sich eine zum Teil stark variierende Geschichte, bei deren Analyse in der Forschung jeder Baustein berücksichtigt werden muss, sodass nicht selten auch Historiker wie Steven Runciman, Kenneth M. Setton, Jonathan Riley-Smith oder Jonathan Philipps sich für eine Interpretation der Quellen entscheiden oder über das tatsächliche Ausmaß bzw. Bedeutung im Spekulativen verbleiben.
In dieser Arbeit werde ich als ersten Schritt die von mir ausgewählten Chronisten vorstellen und deren Werke nach dem Anteil und Beitrag von Peter von Amiens durcharbeiten, um herauszufinden, wie er in den verschiedenen Chroniken bewertet wird. Der Übersicht halber und für das Verständnis habe ich mir während der Bearbeitung der Chroniken die grammatikalische Freiheit genommen und für die jeweilige Übersetzung oder Zusammenfassung der lateinischen Zitate, soweit es ohne Sinnentstellung möglich war, das Präteritum gewählt. Einwürfe meinerseits, den Inhalt zusammenfassende Übersetzungen oder Kontext erläuternde Anmerkungen sind im Präsens formuliert. Ebenso habe ich mich bemüht, mit dem Ansatz „so frei wie nötig und dabei so nah wie möglich“ den Inhalt verständlich zu übersetzen, beispielsweise die wörtliche Übersetzung „Kaufhandel geben“ beizubehalten, was sinngemäß mit „Handelsrecht erhalten“ zu übersetzen ist. Dieser Hinweis bezieht sich weniger auf die Werke von Robert von Reims und Guibert von Nogent, da beide die „Gesta Francorum“ erweitern und diese bereits wörtlich im Abschnitt der „Gesta Francorum“ übersetzt worden sind. Die relevanten Passagen dieser beiden Chronisten sind inhaltlich eingebunden. Bezüglich der Zeilenangaben richte ich mich nach der internen Werksformatierung, sofern möglich. Ist diese nicht existent, beziehen sich meine Angaben auf die jeweilige zitierte Seite selbst. Die von mir eingebauten Zitate entsprechen der von mir vorgefundenen Schreibweise der Quellen, zum Beispiel „uiam“ statt „viam“. Zur Erleichterung des Lesens verzichte ich bei eindeutiger Zuordnung des Öfteren auf die Nennung des vollständigen Namens und Titels, sondern nenne lediglich den Vor- oder Nachnamen.
Auf diesen ersten Abschnitt folgt ein inhaltlicher Vergleich der gewonnenen Erkenntnisse. Nachdem nun herausgearbeitet ist, welche Bewertung Peter durch welchen Chronisten zugeschrieben wird, versuche ich im abschließenden dritten Teil der Analyse durch die Hinterfragung der Motivation der Verfasser und der Analyse der Glaubwürdigkeit der einzelnen Chronisten herauszufinden, welche Rolle Peter von Amiens womöglich tatsächlich gespielt hat und inwiefern mein Ergebnis in die bisherige Forschung einzuordnen ist. Ich schließe mit einem zusammenfassenden Fazit.
2. Hauptteil
2.1 Vorstellung
2.1.1 Fulcher von Chartres
a) Der Chronist
Fulcher von Chartres war ein Chronist des Ersten Kreuzzuges, der Gründung und Frühzeit des Königreiches von Jerusalem. Er kam im Jahre 1059 vermutlich in Chartres auf die Welt und genoss an der gleichnamigen berühmten Kathedralschule von Chartres eine Ausbildung zum Priester.[10] Er soll begeistert auf Urbans Predigt eines Kreuzzuges reagiert haben, gleichwohl ist fragwürdig und nicht geklärt, ob Fulcher tatsächlich in Begleitung des Bischof Ivo von Chartres am Konzil von Clermont im November 1095 teilgenommen hat.[11] Im Oktober 1096 schloss er sich der Kreuzzugsidee an und begleitete Stephan von Blois. Dessen Armee verbrachte den Winter in Süditalien, wandte sich Richtung Konstantinopel, Istanbul in der heutigen Türkei, und stieß Richtung Kleinasien vor. Ein Jahr später, Oktober 1097, wurde Fulcher persönlicher Kaplan von Balduin von Boulogne und verblieb in dieser Position bis zum Tod des späteren Königs Balduin I. im Jahr 1118. Durch seine enge Bindung mit Balduin verbrachte er viel Zeit in Edessa[12] und dessen Umgebung. Daher war er kein Augenzeuge vom Tross Peters und im späteren Verlauf nicht während der Belagerung von Antiochia und Jerusalem anwesend, welche er mit Hilfe der Aufzeichnungen von Raymond von Aguilers und der anonymen „Gesta Francorum“ beschreibt. Dafür konnte er aus eigener Erfahrung berichten, wie Balduin an die Macht in Edessa kam. Als Balduin im Herbst 1100 nach Jerusalem zog, um als König die Nachfolge seines Bruders Gottfried von Bouillon anzutreten, ging Fulcher mit ihm und blieb am Hof des Königreiches als sein Kaplan.[13] Er nahm die Position eines Kanonikers der Grabeskirche an und wurde möglicherweise vom Jahr 1114 an vom Patriarchen Arnulf mit der augustinischen Reform des Konvents betraut. Fulchers enger Kontakt zum Königshaus und seine jahrelange Bindung zu den Kreuzfahrerstaaten machen seine unter dem Titel „Historia Hierosolymitana“ überlieferten Aufzeichnungen zu einer wichtigen Quelle, da er sich als sorgfältiger und selbstständig urteilender Berichterstatter erweist.[14]
Fulcher schrieb die „Historia Hierosolymitana“, um den Erfolg des Ersten Kreuzzuges zu feiern und muss kurz nach seiner Ankunft in Jerusalem im Jahr 1100 mit dem Schreiben begonnen haben. Eine allererste Version seiner Aufzeichnungen stammt aus dem Jahr 1106 und wurde möglicherweise in der Absicht geschrieben, sie als Propagandamaterial für zukünftige Kreuzzüge nutzen zu können. Die begeisterte Resonanz bestärkte Fulcher, seine Arbeit vier Jahre später fortzusetzen, in denen er die Ereignisse der Jahre 1106 bis 1110 zusammenfasste und die ersten Teile seiner Arbeit überarbeitete und korrigierte.[15] Er verblieb in den Kreuzführerstaaten, deren geographische Region auch als Outremer oder Levante bezeichnet werden, bis zu seinem Tod 1127. Der Begriff „Outremer“ ist dem Altfranzösischen „outre-mer“ entnommen, er bedeutet „jenseits des Meeres“ und kann auch als „Übersee“ übersetzt werden, wohingegen das Wort „Levante“ italienischer Herkunft ist und sich auf das östliche Morgenland bezieht. Bedingt durch Fulchers frühen Tod enden seine Aufzeichnungen sehr abrupt und plötzlich. Er war der lateinische Zeitzeuge mit der höchsten Ausbildung während des Ersten Kreuzzuges. Sein Werk wurde ausgiebig benutzt, übernommen und mit weiteren Details ausgestattet. Guibert von Nogent, Ekkehard von Aura und auch Radulph von Caen arbeiteten wahrscheinlich ebenso mit seinem Text.[16] Erst die von Wilhelm von Tyrus Jahre später verfasste Chronik sollte Fulchers „Historia Hierosolymitana“ als Standardwerk ablösen.[17]
2.1.1 Fulcher von Chartres
b) Die Chronik
Die Chronik von Fulcher von Chartres umfasst insgesamt drei Bücher, welche zusammen nicht vor den Jahren 1127 oder 1128 fertiggestellt wurden. Der für diese Arbeit relevante Zeitabschnitt wurde von Fulcher von Chartres in seinem ersten Band erfasst. Daher besteht mein nächster Arbeitsschritt darin, herauszuarbeiten, welche Rolle Peter der Eremit in seiner Chronik spielt, an welchen Stellen er Erwähnung findet und wie Fulcher den Beginn der Kreuzzüge darstellt. Generell lege ich bei jeder der von mir im Folgenden bearbeiteten Chroniken einen Schwerpunkt darauf, auf welche Weise die Entstehung des Ersten Kreuzzuges, das Konzil von Clermont, sofern möglich der Aufenthalt und dessen Wirkung von Peters Zug in Konstantinopel, das Ende des Zuges und Peters Rolle während der Belagerung von Antiochia und seine möglichen Aufgaben bei der Schlacht von Askalon geschildert werden. Davon abgesehen konzentriere ich mich auf relevante Abschnitte, welche über die mögliche Gesinnung, Absicht oder Ansicht des Chronisten Auskunft geben und sein Werk auf die ein oder andere Art und Weise beeinflussen oder in eine bestimmte Richtung lenken.
Das erste Buch der Chronik des Fulcher von Chartres beschreibt die Ereignisse aus Sicht des Chronisten zwischen den Jahren 1095 und 1100. Es beginnt mit einem kurzen Überblick über die Verhältnisse in Europa. Gleich mit dem ersten Satz offenbart uns der Chronist seine politische Neigung, indem er neben Philipp als König von Frankreich zwar Heinrich als Herrscher Deutschlands aufzählt, ihn aber als „sogenannten“ Kaiser bezeichnet, da er sich von Clemens III. und nicht Urban II. zum Kaiser krönen ließ. Eben dieser ist für Fulcher aber der rechtmäßige Papst und so folgt eine Beschreibung über seine bewundernswerten Eigenschaften, seinen tiefen Glauben und seiner Aufgabe, dem durch das Böse ins Wanken geratenen Glauben – sowohl beim Klerus als auch in der Laienschaft – wieder Achtung und Würde zu verschaffen. Besonders prangert Urban II. die unaufhörlichen Konflikte des Adels untereinander an:[18]
…audiens etiam interiores Romaniae partes, a Turcis super Christianos occupatas, impetu feroci perniciose subdi, pietate compatienti' dilectionisque Dei nutu permotus, montes transmeando in Gallias descendit atque in Alvernia, concilium legationibus competenter undique praemonitum, apud Clarum-montem, quae civitas sic vocatur, coadunari fecit, CCCX tam episcoporum quam abbatum adsistentium cambutis deputatis.[19]
An dieser Stelle verlassen wir Europa und Fulcher berichtet, welche Informationen dem Papst über den Zustand und das Elend der im Osten lebenden Christen zugetragen wurden. Wir erfahren nicht, von wem oder auf welche Weise Urban diese Nachrichten erhalten hat, sondern werden lediglich über die Verhältnisse in Kleinasien unterrichtet und den von einfallenden Türken angerichteten Schaden in den ehemaligen zu Byzanz gehörigen Gebieten. Urban handelt ohne Aufschub und beruft ein Konzil ein, wo er mit klagender Stimme einer Vielzahl von Teilnehmern in einer sorgsam ausgearbeiteten Rede der geschädigten Kirchengemeinschaft seine Vorwürfe vorträgt. Dieses Konzil fand in Clermont-Ferrand, Auvergne, vom 18. bis 28. November 1095 statt.[20] Mit dem zweiten Kapitel gibt Fulcher eine Fassung in wörtlicher Rede von Urban II. wieder. Hierbei handelt es sich um eine von zahlreichen Versionen aus den erhaltenen Chroniken, deren Beschreibung und Darstellung die größte historische Nähe aufweist, auch wenn nicht bewiesen ist, dass Fulcher von Chartres selbst anwesend war.[21] Nachdem der Papst in seinem ersten Teil die Missstände innerhalb Europas anprangert, liefert er zunächst eine kirchliche Lösung:
[...]
[1] Vgl. Steven Runciman, Seite 163.
[2] Vgl. Jonathan Philipps, Seite 11.
[3] Vgl. Kenneth M. Setton, Seite 223.
[4] Vgl. Jonathan Philipps, Seite 17.
[5] Vgl. Jonathan Riley-Smith, Seite 26.
[6] Vgl. Jonathan Philipps, Seite 38 ff.
[7] Vgl. Jonathan Philipps, Seite 44 ff.
[8] Vgl. Jonathan Philipps, Seite 13.
[9] Vgl. Steven Runciman, Seite 111.
[10] Vgl. Verena Epp: Fulcher von Chartres, in: Lexikon des Mittelalters (im Folgenden LexMa), Vol. IV, Spalte 1015-1016.
[11] Vgl. Susan B. Edgington: Fulcher von Chartres, in: Alan V. Murray, The Crusades, Seite 489.
[12] heutiges Sanhurfa, Türkei.
[13] Vgl. Susan B. Edgington: Fulcher von Chartres, in: Alan V. Murray, The Crusades, Seite 489.
[14] Vgl. Verena Epp: Fulcher von Chartres, in: LexMa, Vol. IV, Spalte 1015-1016.
[15] Vgl. Susan B. Edgington: Fulcher von Chartres, in: Alan V. Murray, The Crusades, Seite 489.
[16] Vgl. Susan B. Edgington: Fulcher von Chartres, in: Alan V. Murray, The Crusades, Seite 490.
[17] Vgl. Verena Epp: Fulcher von Chartres, in: LexMa, Vol. IV, Spalte 1015-1016.
[18] Fulcheri Carnotensis Historia Hierosolymitana, Lib. I, Cap. I, Vers 1, Hagenmeyer, Seite 119.
[19] Fulcheri Carnotensis Historia Hierosolymitana, Lib. I, Cap. I, Vers 3, Hagenmeyer, Seite 121.
[20] Vgl. Edward Peters, Seite 50.
[21] Vgl. Hagenmeyer, Anmerkung 44, Seite 130 ff.
- Quote paper
- Torben Sauerland (Author), 2016, Peter von Amiens und der Beginn der Kreuzzugsbewegung im Spiegel der Chronistik des 12. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499123
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