Sanierung und Aufwertung in randständigen Gebieten. Das Frankfurter Ostend und das Mainstream-Phänomen Gentrification

Eine lexikometrische Inhaltsanalyse


Bachelorarbeit, 2016

70 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Abstract
1.1 Einleitung
1.2 Problemstellung und Leitfragen der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theorie und aktueller Forschungsstand
2.1 Stadtentwicklung und Stadterneuerung
2.2 Gentrification
2.3 New-build Gentrification
2.4 Forschungsstand zum Ostend

3 Chronik und Historie des Ostends
3.1 Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen seit
3.1.1 Ausgangssituation
3.1.2 Vorbereitende Untersuchungen
3.1.3 Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen
3.1.4 Sozialplan
3.2 Ziele der Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen
3.2.1 Ziele für das Gebiet der Einfachen Stadterneuerung
3.3 Ergebnisse

4 Forschungsfrage und Projektziel

5 Untersuchungsdesign
5.1 Statistik
5.2 Diskursanalyse
5.2.1 Lexikometrische Inhaltsanalyse
5.3 Das Vorgehen der vorliegenden Arbeit
5.4 Die untersuchten Medien
5.4.1 Frankfurter Allgemeine Zeitung
5.4.2 Frankfurter Rundschau

6 Darstellung der Ergebnisse
6.1 Quantitative Ergebnisse
6.2 Lexikometrische Ergebnisse
6.2.1 Frequenzanalyse
6.2.2 Konkordanzanalyse

7 Diskussion der Ergebnisse

8 Fazit/Prognose

Literatur-und Quellenverzeichnis

Analysematerial

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Abstract

Die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Thema „Sanierung und Aufwertung in randständigen Gebieten. Das Frankfurter Ostend und das Mainstream-Phänomen Gentrification. Eine lexikometrische Inhaltsanalyse“ im Rahmen meines Humangeographie-Studiums beschäftigte sich mit den Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen des Frankfurter Ostends seit dem Jahr 1986, abgeschlossen seit 2015, und der Frage, wie sich diese gestalten und die damit einhergehenden materiellen als auch sozialen Umstrukturierungsprozesse in den Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Rundschau der Jahre 2010-2016 dargestellt werden. Ziel war es herauszufinden, wie die Entwicklung des Stadtteils aus unterschiedlichen Positionen wahrgenommen und möglicherweise auch problematisiert wird. Um dies erforschen zu können, habe ich insgesamt 124 Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitungen und der Frankfurter Rundschau lexikometrisch mittels Frequenz- und Konkordanzanalyse untersucht. Des Weiteren habe ich mir statistische Daten wie Mietpreise und Einwohnerzahlen zum Ostend angeschaut und analysiert.

Entgegen der Meinung des Frankfurter Bürgermeisters Olaf Cunitz (Manus 2015) sind die durchgeführten Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen nicht für jeden eine „30-jährige Erfolgsgeschichte“. Besonders BewohnerInnen, welche schon längere Zeit im Viertel leben, empfinden den Wandel stellenweise als dramatisch.

1.1 Einleitung

Über das Frankfurter Ostend wird heute mit Schlagzeilen wie „Wo sich Frankfurt neu erfindet. Im Osten viel Neues“ (Bauer, A. und M. Verderber 2015: hr-online), „Frankfurt Ostend – ein Stadtteil im Wandel“ (fr-online), „‘Boom‘ im Osten Frankfurts. Das Frankfurter Ostend wird umgebaut“ (Schulze, R. 2014: F.A.Z.) oder „Ostend Gentrification. Mieter wehren sich“ (Steinhagen, M. 2014: fr-online) berichtet. Diese Schlagzeilen verweisen auf einen Prozess, der als Gentrifizierung (engl. Gentrification) in der Literatur beschrieben wird und von dem heutzutage viele Stadtviertel – nicht nur in Deutschland – betroffen sind. Der Begriff wird oft im Zusammenhang mit der Aufwertung von Stadtvierteln durch hippe, junge Leute, steigende Mieten und Verdrängung der ansässigen Bevölkerung beschrieben. Abgeleitet vom englischen Wort gentry (niederer Adel), wird hiermit ein sowohl materieller als auch sozialer Umstrukturierungsprozess in einer Stadt oder einem Viertel durch Restaurierungstätigkeiten und einer damit einhergehenden strukturellen Veränderung der Bevölkerung beschrieben. Auch das Frankfurter Ostend bleibt von einem solchen Wandel nicht verschont, was ein Blick in die Geschichte bereits beweist:

Das Frankfurter Ostend war bis ins 19. Jahrhundert gekennzeichnet durch Acker-, Wiesen- und Gartenland, bereits seit der Jungsteinzeit ist das Gebiet besiedelt. Im 18. Jahrhundert, nachdem die heutigen Wallanlagen geschleift waren, wurden erste Gartenhäuser vor dem Allerheiligentor gebaut. Es entstand ein Viertel mit klassizistischen Wohngebäuden, welches überwiegend von der jüdischen Bevölkerung bewohnt war. Diese siedelten sich, nachdem der Ghettozwang zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben wurde, rund um die einstige Synagoge am Börneplatz an. Knapp 45% der Bevölkerung um 1900 im Ostend war jüdisch, welche größtenteils aus ärmeren Juden und Einwanderern aus dem Osten bestand - wohlhabendere siedelten sich vermehrt im Westend an. Das Ostend galt zu diesem Zeitpunkt als einer der wichtigsten Stadtteile des jüdischen Lebens in Frankfurt und Umgebung. Die Ruhrorter Werft im Frankfurter Ostend - einst ein Umschlageplatz für Kohle - ist heute Teil einer der attraktivsten Gaststätten Frankfurts. Die Großmarkthalle direkt hinter der Werft - erbaut 1926 bis 1928 vom deutschen Architekt Martin Elsaesser - war für die Frankfurter Bevölkerung bis 2004 die sogenannte „Gemieskerch“ (Gemüsekirche) und gilt seit 1972 als Kulturdenkmal. Ab dem 19. Oktober 1941 bis zum 14. Februar 1945 war der Platz vor der Großmarkthalle Sammel- und Verladestelle von insgesamt sechs Judendeportationen, bei denen etwa 11.000 Menschen aus Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und den umliegenden Landkreisen in Ghettos und Konzentrationslager gebracht wurden und kaum jemand zurückkehrte. In den Kellerräumen der Großmarkthalle warteten die Menschen auf die Abfahrt des Zuges, in den Geschossen darüber wurde wie jeden Tag mit Obst und Gemüse gehandelt. 50 Reichsmark mussten die Opfer zahlen, bevor sie in den Zug stiegen. Heute steht die Europäische Zentralbank auf dem ehemaligen Gelände, von der historischen Großmarkthalle ist kaum etwas übrig. Ein Mahnmal neben der EZB erinnert an die Tragödie des Nationalsozialismus. Das Frankfurter Ostend hat Geschichte und befindet sich nach wie vor in einem stetigen Wandel.

Im Jahr 1986 wurde das Frankfurter Ostend, genauer gesagt Teilbereiche des Stadtteils, in die Städtebauförderung aufgenommen. Um städtebaulichen Mängeln entgegenzuwirken und einen langsamen Niedergang des Viertel zu stoppen wurden diverse Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen festgelegt. Abgeschlossen wurden diese Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen im Jahr 2015. Das einstige sozial randständige (Gast-)Arbeiter-Viertel wandelt sich mehr und mehr zu einem schickeren Viertel für eine scheinbar wohlhabendere Bevölkerungsgruppe. Es wirkt fast so, als wolle die Stadt genau diese Schicht in das Viertel holen - ohne Rücksicht auf Verdrängung anderer Bevölkerungsgruppen.

1.2 Problemstellung und Leitfragen der Arbeit

Diesen beschriebenen Wandel nehme ich als Motivation für meine Arbeit. In der vorliegenden Bachelorarbeit untersuche ich das Frankfurter Ostend (Verortung vgl. Abb.1) deshalb im Hinblick auf die dort durchgeführten Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen seit dem Jahr 1986, weil ich herausfinden möchte wie sich die regionalen Zeitungen gegenüber der Bevölkerung darüber äußern, um schlussendlich etwas über die Resultate dieser Maßnahmen aussagen zu können. Aufgrund dessen habe ich folgende Fragestellung konzipiert:

„Wie gestalten sich die im Frankfurter Ostend durchgeführten Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen seit 1986 und wie werden die damit einhergehenden materiellen als auch sozialen Umstrukturierungsprozesse in den Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Rundschau der Jahre 2010-2016 dargestellt?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verortung des Untersuchungsgebiets Ostend (Kartengrundlage: www.statistik.stadt-frankfurt.de/strukturdatenatlas/stadtteile/html/atlas.html, zuletzt aufgerufen am 18.07.2016)

Dabei richte ich meinen Blick vor allem auf die Gründe, Ziele und Ergebnisse der Sanierung und Aufwertung, mögliche Begleiterscheinungen und unterschiedliche Positionen. Um die Problemstellung beantworten zu können, habe ich folgende Leitfragen entwickelt:

- Warum wurden die Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen durchgeführt?
- Was waren Ziele der Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen seit 1986?
- Was sind die Ergebnisse dieser Maßnahmen?
- Lässt sich im Frankfurter Ostend von einer Neubau-Gentrification sprechen?
- Wie sehen mögliche Begleiterscheinungen aus?
- Welche unterschiedlichen Positionen gibt es sowohl in der Öffentlichkeit als auch auf städtischer Ebene?

Um aufzuzeigen, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Rundschau die Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen im Ostend darstellen und beschreiben, führe ich eine lexikometrische Inhaltsanalyse durch. Ich habe dafür den Zeitraum 01. Januar 2010 bis 15. Juni 2016 gewählt, um möglichst aktuelle Aussagen über das Ostend treffen zu können. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu bewahren, habe ich mich dazu entschlossen, Gentrification statt Gentrifizierung zu schreiben (hiervon ausgenommen sind Zitate).

1.3 Aufbau der Arbeit

Im Folgenden expliziere ich einführend die Theorie und den Forschungsstand zu den Thematiken Stadtentwicklung und Stadterneuerung sowie Gentrification. Zudem werde ich erste Forschungsarbeiten zum Ostend analysieren, um den diesbezüglichen Stand der Forschung aufzuzeigen. Darauf aufbauend gehe ich auf die historisch-genetische Stadtentwicklung des Ostends ein, um die Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen seit dem Jahr 1986, die ich nachfolgend erläutere, in einen Kontext zu stellen. Im anschließenden Kapitel stelle ich meine Forschungsfrage und das Projektziel vor um im Nachgang das Untersuchungsdesign und die gewählte Methodik zu erläutern, mit welcher ich die Forschungsfrage bearbeitet habe. Daran anschließend erläutere ich das spezifische methodische Vorgehen dieser Arbeit und stelle daran anschließend kurz die von mir untersuchten Medien vor. Das darauffolgende Kapitel beinhaltet die Auswertung und Interpretation meiner Untersuchungsergebnisse. Ich beende diese Arbeit mit einem Fazit und einem möglichen Ausblick.

2 Theorie und aktueller Forschungsstand

Nachstehend setze ich mich mit Stadterneuerung und Stadterweiterung sowie den wissenschaftlichen Anfängen der Gentrification und der Entwicklung der Gentrification-Forschung auseinander. Des Weiteren werfe ich einen Blick auf die sogenannte Neubau-Gentrification und analysiere abschließend erste Forschungsarbeiten zum Ostend um den aktuellen Forschungsstand zum Untersuchungsgebiet darstellen zu können.

2.1 Stadtentwicklung und Stadterneuerung

Nach Hartmut Häußermann und Jens Wurtzbacher existiert Stadterneuerung und Stadterneuerungspolitik seit dem 19. Jahrhundert, in welchem innerstädtische Gebiete, meist Altbaugebiete, abgerissen und für künftige neue ökonomische Funktionen wieder aufgebaut wurden (Häußermann, Wurtzbacher 2005: 513). Als Vorreiter der Stadterneuerung lässt sich Paris benennen: Seit dem Jahr 1853 wurde dort unter der Herrschaft von Kaiser Napoleon III, welcher die Stadt zu einer vorbildlichen und modernen Metropole umbauen wollte, Stadterneuerung betrieben. Um dieses Ziel zu erreichen nahm man der ärmeren Bevölkerungsschicht die Häuser in der Innenstadt weg und trieb sie an den Rand der Stadt. Der dadurch frei gewordene Raum wurde genutzt für den Bau von prachtvollen Straßen, eine Etablierung der bürgerlichen Kultur ohne „Pöbel“ sowie Handel und Verwaltung. Im Falle von Paris kümmerte man sich nicht weiter um die Vertriebenen, denn es ging hierbei ausschließlich um die Schaffung von Wohn- und Gewerberaum für die bürgerliche Schicht. Diese Art der Stadtsanierung fand man bis in die 1960er Jahre in diversen Städten vor. Erst mit dem Laufe der Zeit entwickelten sich diverse sozialpolitische Konzepte und mit Beginn des 20. Jahrhunderts änderten sich die städtebaulichen Prinzipien grundlegend. Von nun an galt es, die Belichtung und Belüftung einer Stadt zu verbessern, Nachbarschaften zu etablieren und somit eine Gemeinschaft zu bilden. Einen entscheidenden Einfluss zur europäischen Stadtentwicklung leistete die amerikanische stadtsoziologische Chicagoer Schule, welche der Meinung war, dass sich Städte wie ein Mosaik aus unterschiedlichen Kulturen und Lebensstilen heraus entwickeln. Dieser Art der Community-Bildung wollte man in Europa entgegenwirken, da sich homogene Viertel oftmals negativ entwickelten (Kriminalität, Seuchen, soziale Unruhen sind hierbei nur einige Stichworte), weshalb sich das Konzept der „sozialen Mischung“ entwickelte, mit welchem man sowohl kulturelle als auch soziale Differenzen verhindern wollte (Häußermann, Oswald 1997: 12ff.). Bekannte Vertreter dieser Durchmischung waren Baron Haussmann aus Paris oder James Hobrecht, einst Stadtplaner in Berlin.

Mitte des 20. Jahrhunderts waren deutsche Städte von strukturellen und funktionellen Schwächen gekennzeichnet und dementsprechend sanierungsbedürftig, weshalb die Stadterneuerung seit Ende der 1960er Jahre eine große Bedeutung erhielt. Primäres Ziel war es, die Innenstädte zu stärken in sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht. Eine Durchmischung sollte dabei nach wie vor gewährleistet werden.

Ronald Kunze, Assessor für Städtebau an der Universität Kassel, veröffentlichte im „Jahrbuch Stadterneuerung 1990“ den Artikel „Stadterneuerung als Teilstrategie der Stadtentwicklung“. Darin beschreibt er, dass es für den Begriff der Stadterneuerung keine einheitliche Definition gibt. Er charakterisiert diese als die

„baulich(e) Veränderung des Bestandes schon vorhandener Substanz. Stadterneuerung findet folglich ‚in der Stadt‘ – d.h. baurechtlich: Im Zusammenhang bebauter Ortsteile – statt, aber nicht unbedingt ausschließlich in der Innenstadt oder gar der Kernstadt; beispielsweise liegen in den Großstädten die wichtigsten Stadterneuerungsgebiete gerade in dem Gürtel der innenstadtnahen Wohngebiete“ (Kunze 1990: 103).

Hannes Tank betont in seinem Buch „Stadtentwicklung – Raumnutzung – Stadterneuerung“, dass Stadterneuerung stetig zu betreiben sei, denn Städte können als Kontinuum sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht betrachtet werden und müssen den Anforderungen der Zeit gerecht und funktionsfähig gemacht werden (Tank 1987: 293). Häußermann und Wurtzbacher kritisieren, dass die Kriterien für eine Sanierungsbedürftigkeit eines Gebietes nicht klar definiert sind, sondern in den Händen der städtischen Behörden liegen (Häußermann und Wurtzbacher 2005: 514).

Stadterneuerung und Stadterweiterung,

„(der) Bau neuer Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete oder ganzer Industriekomplexe auf bisher meist landwirtschaftlich genutztem oder ökonomisch ungenutztem Gelände außerhalb des bis dahin bebauten örtlichen Zusammenhangs“ (Kunze 1990: 103),

sind demnach zwei Teilbereiche der Stadtentwicklung, welche sowohl räumlich als auch zeitlich parallel ablaufen. Stadterneuerung ist ein allgegenwärtiges Phänomen und wird von vielen Städten im Rahmen einer Stadterneuerungspolitik als Instrument stadtpolitischer Interventionen zu einer gezielten Stadtentwicklung genutzt und angewendet. Dabei wird unterschieden zwischen einer Sanierung und einem Stadtumbau als Unterbegriffe der Stadterneuerung. Bei einer Sanierung sollen bauliche Strukturen erhalten und gleichzeitig verbessert werden und eine Verbesserung von Funktionen und Nutzungen erreicht werden. Eine Sanierung ist nicht unbedingt verbunden mit dem Erhalt der sozialen Strukturen. Stadtumbau hingegen beschreibt Veränderungen struktureller Grundlagen und damit einhergehend auch spezifischer Nutzungen. Die Folge eines Stadtumbaus ist meist ein Wandel der Funktionen und Nutzungen im betroffenen Gebiet sowie eine Veränderung oder gar ein Austausch der BewohnerInnen (ebd: 104f.). Problematisch ist, dass durch Stadterneuerungspolitik immer eine Veränderung des Sozialraums stattfindet und trotz der primär baulichen Instrumente Stadterneuerung stets auch soziale Folgen mit sich bringt (Häußermann und Wurtzbacher 2005: 514).

Zu beachten ist letztendlich, dass die Begriffe Stadterneuerung, Stadtumbau, Sanierung und Stadtumbau sehr vielfältig und sehr variierend verwendet werden wobei ich die eben erläuterten Definitionen und Aspekte als Grundlage dieser Bachelorarbeit verwendet habe. Im Folgenden erläutere ein Instrument der Stadtsanierung, die Gentrification.

2.2 Gentrification

Als „Erfinderin“ der Gentrification gilt die britische Soziologin mit deutscher Herkunft Ruth Glass (*1912, † 1990), welche sich besonders mit der Stadtsoziologie beschäftigte. Glass forschte in den 1960er Jahren zu sozialen Veränderungen im Londoner Stadtteil Islington, welche sie mit dem Begriff Gentrification benannte:

„One by one, many of the working class quarters of London have been invaded by the middle-class-upper, and lower-shabby modest news and cottages (…) have been taken over when their leases expired, and have become elegant, expensive residences. Larger Victorian houses, downgraded in an earlier or recent period – which were uses as lodging houses or were otherwise in multiple occupation – have been upgraded once again. (…) Once this process of “gentrification” starts in a district it goes on rapidly until all or most of the original working class occupiers are displaced and the whole social character of the district is changed” (Glass 1964: xviii, zit. nach Krajewski 2006: 36) .

Glass beschreibt, dass die obere Mittelschicht in einige der Londoner Arbeiterviertel eingedrungen ist. Die bis dahin durch unansehnliche und marode Häuschen geprägte Viertel wurden aufgewertet, was dazu führte, dass die Mieten stiegen und das Viertel zu einem teuren Wohnort wurde. Diesen Prozess benannte Glass damals als Gentrification. Des Weiteren beschrieb sie, dass sich Gentrification so lange fortsetzt und ausbreitet, bis sich der soziale Charakter eines Viertels vollständig gewandelt hat.

Seitdem sich Gentrification als ein Forschungsfeld in der Wissenschaft etabliert hat, wurden zahlreiche Definitionen veröffentlicht. Dabei ist zu bemerken, dass sich die Definitionen meist aufgrund der unterschiedlichen Untersuchungsschwerpunkte unterscheiden. Was den meisten jedoch gemein ist, ist eine Kombination aus einer baulichen Erneuerung des Wohnungsbestandes und ein Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerungsgruppen. Der Soziologe Chris Hamnett veröffentlichte 1984 in einem seiner Aufsätze eine Definition, die all diese Merkmale zusammenfasst:

„[Gentrification is] simultaneously a physical, economic, social and cultural phenomenon. Gentrification commonly involves the invasion by middle-class or higher-income groups of previously working-class neighborhoods or multi-occupied “twilight areas” and the replacement or displacement of many of the original occupants. It involves the physical renovation or rehabilitation of what was frequently a highly deteriorated housing stock and its upgrading to meet the requirements of its new owners. In the process, housing in the areas affected, both renovated and unrenovated, undergoes a significant price appreciation. Such a process of neighborhood transition commonly involves a degree of tenure transformation from renting to owning.” (Hamnett 1984: 284).

Hamnett beschreibt Gentrification demnach als ein physisches, ökonomisches, soziales und kulturelles Phänomen, wobei die Mittel- oder Oberschicht in ein Gebiet eindringt, welches bis dato durch die Arbeiter-Klasse geprägt war und ein Austausch der Bevölkerung stattfindet. Das bis dahin von Verfall geprägte Viertel wird optisch aufgebessert nach den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen BewohnerInnen. Typisch sind ebenfalls preisliche Wertsteigerungen des Gebietes und eine Transformation vom Mieten zum Besitzen.

Erste Beobachtungen und Forschungen zu Gentrification in europäischen und vor allem deutschen Städten fanden Ende der 1980er Jahren statt anhand drei Hamburger Wohngebiete. Der (Stadt-)Soziologe Jens S. Dangschat veröffentliche seinen Beitrag „Gentrification – Der Wandel innenstadtnaher Wohnviertel“, in dem von Jürgen Friedrichs, ebenfalls (Stadt-)Soziologe, herausgegebenen Sammelwerk „Soziologische Stadtforschung“, einem Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie im Jahre 1988. Darin betont Dangschat, dass nicht jede innerstädtische Aufwertung direkt als Gentrification benannt werden kann (Dangschat 1988: 273f.). Für ihn ist es wichtig, dass zwischen Gentrification und dem sogenannten Incumbent Upgrading unterschieden wird:

„Während der Prozeß der Gentrification intensiv abläuft, bewirkt wird von Personen und Institutionen von außerhalb des Viertels („developers“, Maklern, Spekulanten und Planungsbehörden) und anderen Zielen oder den Zielen der neu Hinzuziehenden orientiert ist, wird Incumbent Upgrading durch Eigentümer, die auch im Viertel wohnen, und durch die übrigen Bewohner bewirkt, verläuft in seiner Intensität langsam und kontinuierlich und orientiert sich an den Zielen und den finanziellen Möglichkeiten der Bewohner“ (ebd.: 274).

Den Unterschied zwischen Gentrification und Incumbent Upgrading macht demnach der Auslöser, welcher für die Erneuerung verantwortlich ist, aus (Friedrichs 2000: 58). Des Weiteren definiert Dangschat zwei idealtypische Gentrificationverläufe, wie sie in Deutschland zu finden sind: Zum einen findet Gentrification auf hohem Niveau in gut erhaltenen Vierteln statt, welche durch eine gründerzeitliche Bebauung geprägt sind und der Großteil der BewohnerInnen aus der Mittelschicht stammt. Diese Viertel findet man in einem Umkreis von vier bis sieben Kilometern rund um die Innenstadt. Hier wird die Gentrification durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorangetrieben, welche durch eine Ausweitung der Abschreibungen auf den Altbaubestand nach §7 EStG seit 1977 zusätzliche Förderung erlangt. Den zweiten idealtypischen Verlauf findet man nach Dangschat in Vierteln, die durch eine heruntergekommene Bebauung ehemaliger Arbeiter-Wohnungen charakterisiert sind und deren BewohnerInnen überwiegend aus Alten, Armen und AusländerInnen bestehen. Zudem liegen die Viertel innenstadtnah in der sogenannten transitorischen Zone (transitorisch bedeutet vorübergehend oder nur kurz andauernd, transitorische Zonen sind demnach geprägt durch eine hohe Fluktuations- und Mobilitätsrate). Seit den 70er Jahren wurden in diesen Vierteln umfassende Modernisierungen und zuvor Sanierungen durchgeführt, wodurch der Wohnraum attraktiv und gleichzeitig die Wohnqualität aufgewertet wird. Zuvor wurden Pioniere durch niedrige Mieten angezogen. Wie sich diese Viertel nach der Aufwertung entwickeln, ob sich diese abschwächt oder eine weitere Einwanderungswelle Gentrifier anzieht, ist abhängig vom Wohnungsmarkt der gesamten Stadt (Dangschat 1988: 277f.).

Der deutsche Sozialwissenschaftler und wissenschaftliche Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin Andrej Holm veröffentlichte 2013 das Buch „Wir bleiben alle! Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung“ und beschreibt darin, dass Gentrification in der Vergangenheit oft in innerstädtischen Altbaugebieten zu finden war. Die Gebiete waren geprägt durch Verfall und die sogenannten A-Gruppen, wie soziologische Studien bis in die 1980er Jahre herausfanden und auch Dangschat 1988 schon betonte: „Arme, AusländerInnen, Alleinerziehende, Alte“ (Holm 2013: 9). Auf Grund von veränderten Lebensstilen und neuen Berufswegen der Mittelklasse empfanden diese die innerstädtischen Gebiete nunmehr als attraktiv. Es kam zu einem Wechsel der A-Gruppen, von nun an zogen „AnwältInnnen, ArchitektInnen und AkademikerInnen“ (ebd.: 9) in die Innenstädte. Angekurbelt wurde dieser Austausch der Bevölkerung durch diverse Förderprogramme der Städte und Denkmalschutzaktivitäten. Viele Gebiete wurden als Sanierungsgebiete ausgerufen. In Folge dessen war das Leben in diesen Gebieten für große Teile der ursprünglichen BewohnerInnen nicht mehr zu tragen und sie wurden verdrängt. In Berlin Mitte und dem Viertel Prenzlauer Berg wohnten 15 Jahre nach Modernisierungsbeginn beispielsweise nur noch 20% der früheren BewohnerInnen (ebd.: 10). Holm beschreibt noch einen weiteren Aspekt der Gentrification:

„Mit den Modernisierungsarbeiten verbunden ist meist auch das Ende der improvisierten Kneipen und Galerien. Steigende Gewerbemieten verstärken den Kommerzialisierungsprozess der Kulturprojekte und bilden die immobilienwirtschaftliche Basis für die Etablierung eines kommerziellen Gastronomie- und Unterhaltungsangebotes für ein internationales touristisches Publikum. (…) Statt handbedruckter T-Shirts und selbst genähter Kleider bestimmen nun Adidas, Nike und Carhartt das Straßenbild“ (ebd.: 11).

Für viele WissenschaftlerInnen folgt der Prozess der Gentrification einem Modell, welches ich im Folgenden kurz erläutere: Jürgen Friedrichs, welcher Gentrification als

Austausch einer statusniedrigen Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung in einem Wohngebiet“ (Friedrichs 1996: 14)

definiert, wobei er den Aspekt der Modernisierung der Bausubstanz außen vor lässt, hat das sogenannte Vier-Phasen-Modell entwickelt. In diesem folgt Gentrification dem sogenannten Invasions-Sukzessions-Zyklus, welches an den doppelten Invasions-Sukzessions-Zyklus von Phillip Clay (1979) angelehnt ist: Invasion beschreibt dabei den Zuzug einer Minderheit und Sukzession folglich, dass diese Minderheit im Laufe der Zeit zur Mehrheit wird. Die Gebiete, in denen Gentrification stattfindet, sind Wohngebiete, die nahe dem Stadtzentrum liegen; durch Gebäude gekennzeichnet sind, welche um 1900 errichtet wurden und sich in einem schlechten Zustand befinden; in denen Bodenpreise und Mieten niedrig sind; BewohnerInnen mit einem niedrigen Status leben und in welchem bereits vereinzelt Sanierungsmaßnahmen vorgesehen sind.

In Phase I ziehen erste Pioniere, eine zumindest bezüglich der Bildung statushöhere Minderheit, in das Gebiet ein. Charakteristisch sind dies risikobereite Einzelpersonen oder Paare ohne Kinder und geringem Einkommen (StudentInnen, KünstlerInnen o.Ä.), die die Nähe zu kulturellen Einrichtungen oder Gastronomie-Angeboten suchen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Bodenpreise bzw. Mieten auf tiefem Niveau und stabil, vereinzelt lassen sich bereits Modernisierungen beobachten. Das Image des Viertels ist unverändert und Veränderungen kaum bis überhaupt nicht spürbar. Es findet noch keine Verdrängung statt.

Die Phase II ist geprägt durch den Zuzug weiterer Pioniere und ersten Gentrifiern: Diese sind eher risikoscheue Paare, mit oder ohne Kinder und einem höheren Einkommen. Sie ziehen erst in ein Gebiet, wenn ein Wandel zum Positiven sichtbar ist und tätigen dann erste Investitionen. Dementsprechend steigen die Mieten und Bodenpreise langsam an und erste Spekulanten und Banken beginnen sich für das Gebiet zu interessieren. Es entstehen neue Geschäfte sowie Dienstleistungen und das Viertel wird für BesucherInnen interessant. Erste Alteingesessene verlassen das Gebiet, besonders nachdem Modernisierungen stattgefunden haben.

Phase III ist gekennzeichnet durch den Zuzug weiterer Gentrifier und wird als Hauptphase der Gentrification angesehen. Auch rückt das Viertel nun in das Sichtfeld der Medien und wird von weiteren externen Personen wahrgenommen. Die Gentrifier fühlen sich wohl und befürworten die Gentrification – die Pioniere hingegen lehnen diese ab und bemängeln die zunehmende Homogenität des Gebiets, weshalb es unter Umständen zu sozialen Konflikten kommen kann. Die Mieten und Bodenpreise steigen weiter an und es kommt vermehrt zu Modernisierungen im Gebiet. Das Image des Viertels wandelt sich durch die Eröffnung neuer Läden und Boutiquen, alte Geschäfte wechseln den Besitzer. Auf Grund der steigenden Preise ziehen immer mehr der ursprünglichen BewohnerInnen weg und auch erste Pioniere verlassen das Gebiet bereits wieder.

Die letzte Phase, Phase IV, beschreibt den weiteren Zuzug von Gentrifiern mit hohem Einkommen und nun vermehrt mit Kindern. Gebäude werden von Investoren aufgekauft und in Eigentumswohnungen umgewandelt, da solche als sichere Kapitalanlage gelten. Der Wandel gilt als abgeschlossen und das Viertel ist zu einem attraktiven Wohngebiet geworden. Nach wie vor kommt es zu Verdrängung der Alteingesessenen, der Pioniere und auch der ersten Gentrifier. Friedrichs beschreibt Gentrification demnach als einen selbstverstärkenden Prozess, bei dem ein Gebiet sozialstrukturell, infrastrukturell und optisch aufgewertet wird (Friedrichs 2000: 58ff.).

Für Holm hingegen

„[folgt] der Verlauf (…) selten einem festgesetzten Modell mit klar vorgegebenen Entwicklungsphasen. In den wissenschaftlichen Gentrification-Theorien gibt es zwar verschiedene Annahmen über einen idealtypischen Verlauf von Pionierphasen, beginnenden Verdrängungsprozessen, den Zuzug der >echten Gentrifier< also Besserverdienenden bis hin zum weitgehenden Austausch der Bewohnerschaft. Doch die Praxis der Aufwertung hat sehr verschiedene Gesichter und erfolgt nicht immer als klassischer Gentrificationprozess“ (Holm 2013: 8).

Die Humangeographie-Professorin an der Universität Leicester, Loretta Lees, schrieb einst ihre Dissertation zum Thema Gentrification und veröffentlichte im Jahr 2008 gemeinsam mit Tom Slater (Universität Edinburgh) und Elvin Wyly (Universität Vancouver) das Buch „Gentrification“. Die Autoren betonen, dass Gentrification in der Öffentlichkeit schon längst die Aufmerksamkeit von Medien, nationalen und lokalen Regierungen, StadtplanerInnen, ArchitektInnen, politischen AktivistInnen, Umwelt- und Denkmalschutzgruppierungen sowie unterschiedlichen Firmen oder Unternehmen gewonnen hat. In der Wissenschaft zeigen sowohl GeographInnen, SoziologInnen, AnthropologInnen, ImmobilienwirtschaftlerInnen als auch politische AkteurInnen ein Interesse an diesem Thema. Dabei integrieren viele Forschungen unterschiedliche Theorien und Belege in andere Bereiche der Stadtforschung: Globalisierung, World Cities, Soziale Exklusion, Polarisation und Geographien des Konsums sind nur einige Beispiele dafür (Lees et al 2008: xv).

„Gentrification – the transformation of a working-class or vacant area of the central city into middle-class residential and/or commercial use (…) is without a doubt one of the more popular topics of urban inquirs” (ebd.).

Weiter vergleichen die Autoren Gentrification mit einem “valuable lens” (ebd.: xvf.) – einem wertvollen Brillenglas – was dazu befähigt, eine große Bandbreite an sich überschneidenden Phänomenen in einer Stadt und/oder einem nachbarschaftlichen Kontext zu untersuchen. Lees, Slater und Wyly betonen weiter, dass Gentrification auch nach bereits jahrelanger Forschung nach wie vor aktuell ist und erweitern den Begriff um folgende drei Merkmale:

„Gentrification is the leadingedge of neoliberal urbanism. Gentrification has gone global and is intertwined with processes of globalization. Gentrification is no longer confined to the inner city or to First World metropolises” (ebd.: xvii).

Mit diesen drei Punkten knüpfen die Autoren an die fünf Gründe von Chris Hamnett an, warum Gentrification solch eine weitgefächerte Aufmerksamkeit anzieht: Hamnett ist der Meinung, dass Gentrification ein neuartiges und zugleich interessantes städtisches Phänomen hervorgebracht hat, welches von GeographInnen und SoziologInnen untersucht werden kann. Des Weiteren ergeben sich mit Gentrification große Herausforderungen für traditionelle Theorien der Wohnstandorte und soziale Strukturen. Ein weiteres Argument von ihm ist, dass Gentrification auch ein politisch-relevantes Thema ist und es sei zu einem Vorsprung der zeitgenössischen Umstrukturierung der Metropolen geworden. Letztendlich repräsentiert Gentrification eins der wichtigsten theoretischen und ideologischen Schlachtfelder in der Stadtgeographie (Hamnett 1991: 173-174, zit. nach Lees et al 2008: xvi).

Das war bereits 1991 so und nach wie vor ist Gentrification ein allgegenwärtiges Phänomen, welches in beinahe jeder Großstadt vorzufinden ist. Neben der traditionellen Art der Gentrification haben sich mit dem Laufe der Zeit unterschiedliche Formen entwickelt, eine davon ist die New-build Gentrification (Neubau-Gentrifizierung).

2.3 New-build Gentrification

Gentrification hat viele Formen und Gesichter. Neben der klassischen Gentrification beschäftigen sich immer mehr WissenschaftlerInnen oder StadtforscherInnen mit der sogenannten New-build Gentrification, der „Verdrängung durch Büronutzungen und Luxuswohnprojekte“ (Holm 2013: 14), und diskutieren diese. Hierbei werden keine Altbauten saniert, sondern hochpreisige Neubauprojekte mit vermehrtem Anteil an Eigentumswohnungen realisiert. Den Prozess der New-build Gentrification findet man besonders häufig bei Entwicklungsprojekten in ehemaligen Hafen- oder Industrieanlagen, genannt Konversion, vor. Auf den ersten Blick mögen solche Projekte keine Verdrängung auslösen, denn wo bis dato niemand wohnt, kann auch niemand verdrängt werden. Jedoch werden durch den Bau von hochpreisigen Lofts oder sogenannten Townhouses auch die umliegenden Gebiete automatisch aufgewertet und locken auf Grund günstiger Bodenwertrenditen weitere Investoren an. Dadurch senkt sich der Anteil an bezahlbarem Wohnraum für einkommensschwächere Haushalte und diese sind möglicherweise gezwungen wegzuziehen.

„Die sonst für Gentrification-Prozesse so typischen Pionier-Phasen der symbolischen Aufwertung werden bei solchen Neubauprojekten übersprungen. Immobilienwirtschaftliche Inwertsetzungen und städtische Aufwertungsstrategien zeigen (…), dass die Rolle von Künstler_innen und Alternativen in den Gentrification-Diskursen oft überschätzt werden und diese eher Begleiterscheinungen und Katalysatoren von Aufwertungsprozessen als deren Ursache sind“ (ebd.: 16).

Mark Davidson und Loretta Lees gehen in ihrem Aufsatz „New-Build Gentrification: Its Histories, Trajectories, and Critical Geographies“ (2010) den Fragen nach, ob man es als Gentrification bezeichnen kann, wenn luxuriöse Wohnkomplexe oder Townhouses auf zurückgewonnenen Industriebrachen gebaut werden und ob es zu Gentrification zählt, wenn sozialer Wohnungsbau abgerissen und damit Platz geschaffen wird für mittelständische Neubauwohnungen in durchmischten Gesellschaften (Davidson, Lees 2010: 395).Christine Lambert und Martin Boddy, ProfessorIn an der UWE Bristol, haben bereits 2002 auf einer Konferenz die Frage gestellt, in wie fern Neubau-Siedlungsentwicklungen in Stadtzentren Großbritanniens Beispiele für Gentrification sind, denn

„New-build residential developments, nevertheless, stand in stark contrast to the renovated Victorian and Georgian landscapes of classic gentrification texts [such as those of Glass (1964)]” (Davidson, Lees 2005: 1166).

Lambert und Boddy sehen zwar Parallelen zu Gentrification wie beispielsweise den Wandel in der Nachbarschaft und den Zuzug statushöherer Schichten in neue städtische Räume, sind jedoch der Meinung, dass diese Prozesse nicht als Gentrification definiert werden können, sondern unter den Begriffen „residentialisation“ oder „reurbanisation“ (ebd.) zusammengefasst werden sollten.

Davidson und Lees jedoch betonen folgendes:

„We argue that new-build gentrification is part and parcel of the maturation and mutation of the gentrification process during the post-recession era“ (ebd.: 1165).

Weiter heben die Autoren hervor, dass sich die Prozesse, welche die traditionelle Gentrification ausgelöst haben, mit dem Laufe der Zeit gewandelt haben und man sich fragen muss, wie man Gentrification im 21. Jahrhundert definieren möchte. Gentrification hat sich verändert und weiterentwickelt, es ist ein globales Phänomen geworden und kann mittlerweile auf der ganzen Welt vorgefunden werden, in Ost-Europa, Süd-Amerika, in der Karibik, Süd-Afrika, Asien und sogar auf Inseln wie Teneriffa. Zudem sei Gentrification nicht mehr nur in Innenstädten zu erkennen, sondern auch der Wandel in Vororten einiger Städte wird in der Wissenschaft als Gentrification benannt:

„Even some Third World cities and First World suburban and rural areas are experiencing gentrification“ (ebd.: 1167).

Des Weiteren haben sich mit der Zeit auch die beteiligten AkteurInnen gewandelt. Gentrification kann durchaus auch von der Stadt oder der Politik gelenkt und gefördert werden, oftmals geschieht dies zusammen mit Bauträgern oder -herren. Gentrification hat sich stellenweise sogar zu einem kommerziellen Phänomen entwickelt (ebd.: 1168). Neben dem Wandel bezüglich betroffener Gebiete und dem Wandel der Beteiligten, kann es auch New-build Gentrification geben, so Davidson und Lees (ebd.):

„New-build ‚gentrification’ is just that because it involves middle-class resettlement of the central city, the production of a gentrified landscape, and lower income displacement in the adjacent residential communities. The expensive apartments and houses in new-build developments in central cities are marketed to the high-earning middle classes who have the economic capital to purchase or rent these residences and the cultural and social capital that leads them to desire the residences in the first place“ (ebd.: 1169).

[...]

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Sanierung und Aufwertung in randständigen Gebieten. Das Frankfurter Ostend und das Mainstream-Phänomen Gentrification
Untertitel
Eine lexikometrische Inhaltsanalyse
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Humangeographie)
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
70
Katalognummer
V500437
ISBN (eBook)
9783346040619
ISBN (Buch)
9783346040626
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gentrification, Gentrifizierung, Frankfurt, Ostend, Sanierung, Aufwertung, Lexikometrie, Humangeographie, Stadtentwicklung, Mieten
Arbeit zitieren
Lisa Sachs (Autor:in), 2016, Sanierung und Aufwertung in randständigen Gebieten. Das Frankfurter Ostend und das Mainstream-Phänomen Gentrification, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/500437

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