Die deutsche Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jh. als alltags- und regionalgeschichtliches Thema im Geschichtsunterricht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Teil
1.1 Einleitung

II. Teil
2.1 Die deutsche Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jahrhundert
2.1.1 Emigrationsmotivationen
2.1.2 Informationszugang
2.1.3 Wanderungsformen und Reiseorganisation
2.1.4 Überfahrt, Ansiedelung und Akklimatisation
2.2 Fazit

III. Teil
3.1 Anwendungsmöglichkeiten im geschichtlichen Unterricht
3.1.1 Einleitung
3.1.2 Unterrichtsrelevanz
3.1.3 Arbeitsformen im Unterricht

IV. Teil
4.1 Literatur

I. Teil

1.1 Einleitung

Die nachfolgende Arbeit gliedert sich in zwei Hauptbereiche. Im ersten Teil erfolgt eine prägnante Darstellung wichtiger Aspekte des Titelthemas. Hierbei inhaltlich berührte Punkte umfassen u.a. die Fragen nach der Emigrationsmotivation, der Reiseorganisation oder der Ansiedelung in der "neuen Welt" mitsamt Assimilationserfahrungen. Da dieser Themenkomplex unter dem Gesichtspunkt von Alltags- und Regionalgeschichte im Geschichtsunterricht besehen wird, erfolgt die geographische Reduktion auf das Land Hessen.

Im zweiten Teil soll das Thema dann auf seine Unterrichtspraktikabilität untersucht werden. Dabei sind sowohl vorgegebene Rahmenrichtlinien und Curricula (in diesem Fall des Landes Hessen), sowie didaktische Ansätze und gestalterische Umsetzungsmöglichkeiten von Bedeutung.

Alltags- und Regionalgeschichte fokussiert den Menschen in seiner Region. Nicht die landesherrliche Gewalt, sondern die Frage, wie ein Untertan sie erlebt. Und zwar betrachtet aus der Perspektive des Untertanen.

Alltags- und Regionalgeschichte rückt nicht die großen Bischofssitze oder Residenzstädte mächtiger Herrscher in den Mittelpunkt, sondern untersucht das Leben, Wirken und Erleben "der normalen Menschen". Die hierbei gewünschten Identifikationspotenziale sollen Schüler ermutigen, den Geschichtsunterricht als unmittelbar sie betreffend zu erfahren. Angeknüpft wird dabei natürlich auf das Alltagswissen und die Erfahrungen der Schüler, die bei einer solchen Auseinandersetzung mit Alltags -und Regionalgeschichte unbedingt einfließen müssen, will man die Schüler zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit Geschichte anleiten und deren Nutzbarkeit über bleierne Daten- und Zahlenkolonnen hinaus verdeutlichen. Dabei kann der schöne von Philipp Melanchthon geprägte Satz " Ohne Geschichte ist des Menschen Leben eine ewige Kindheit und Blindheit" beherzigt werden, der die zwingende Notwendigkeit eines individuellen Geschichtsbewusstseins betont, dass auch dem Geschichtsunterricht weit entfernt stehenden Schülern in den schulischen Lebenslauf geprägt werden sollte.

II. Teil

2.1 Die deutsche Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jahrhundert

Wie unter 1.1 angemerkt, soll in der vorliegenden Auseinandersetzung mit der deutschen Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jh. der Blick auf den hessischen Raum konzentriert werden. Die Auswanderung aus diesem Gebiet ist gut erforscht und dokumentiert, so dass nicht nur auf wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch auf sorgfältig edierte Briefsammlungen zurückgegriffen werden kann. Eine weitere Informationsquelle stellt das Internet dar, wo zusätzliches (Daten) - material bereit gestellt ist, das aufgrund seiner Aktualität eine sinnvolle Ergänzung zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit Thema bietet. Ein Aspekt, der im dritten Teil näher betrachtet werden soll.

2.1.1 Emigrationsmotivationen

Neben einer sehr frühen, bereits im 17. Jh. erfolgenden Auswanderung aus Deutschland, setzt für den hier relevanten Betrachtungszeitraum des 19. Jh. die massenhafte Auswanderung aus deutschen Gebieten zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein, wenn auch mit geographischen Schwerpunkten.[1] Jedoch wird mit dem für diese Auswanderungswelle verantwortlichen Grund, das sog. Hungerjahr 1817, ein Emigrationshintergrund angedeutet, der auch in den Folgejahrzehnten von Bedeutung war, wenn auch gekoppelt an andere Faktoren. Denn im Zuge der zunehmenden Industrialisierung, welche die kleinen handwerklichen Betriebe und Landwirtschaft betreibenden Bauern vor immer größere Probleme stellte, kam es zu einem massiven Schwund der Lebensqualität vieler Menschen, der sich treffend in folgendem Zitat widerspiegelt: "der fühlbare Mangel an Arbeit und Brod hat mich zu dem Entschluss geführt, mit meiner Frau Martha... und den 5 Kindern nach Nordamerika auszuwandern, wo selbst ich eher Hoffnung habe, Arbeit und mein Brod zu finden als hier im Land".[2] Die Mehrzahl der deutschen Auswanderer verließ aus eben diesem Grund den engen Verbund von Familie und Heimatdorf oder Stadt. Die Motivation, den sowohl in pekuniärer, sozialer und individueller Hinsicht bedeutenden Schritt der Auswanderung zu tun, wurde verstärkt durch die vielen Broschüren, Ratgeber und Handbücher, aber auch den Briefen von Familienangehörigen oder Bekannten, die Loblieder auf die Möglichkeiten und ihrer Existenz in der neuen Welt sangen und auf die an anderer Stelle der vorliegenden Arbeit eingegangen werden soll. Neben beklemmender Armut und daraus resultierender Perspektivlosigkeit gab es jedoch nicht wenige Deutsche, die im Zuge der revolutionären Ereignisse um die Jahrhundertmitte das Land verließen, um die freiheitliche Demokratie der Vereinigten Staaten zu kosten. Diese Absichten wurden sowohl von Angehörigen des konservativen wie auch des progressiven politischen Spektrums getragen: während beispielsweise die Ursprungsmotivation der linken "Gießener Gesellschaft" darin bestand, in noch unbesiedeltem Land (was sich später jedoch als unüberwindbare Hürde erweisen sollte) einen auf utopischem Gedankengut fundierenden Idealstaat zu gründen, zog der von Fürsten und anderen Adeligen nationaldeutscher Prägung gegründete "Texasverein" aus, "an einer Stelle deutsche Ansiedelungen zu konzentrieren, um die nationale Identität der Auswanderer zu wahren".[3] Auch pure Abenteuerlust, vornehmlich getragen von Angehörigen der oberen Schichten, lässt sich als Motivation benennen.[4] All diesen emigrationswilligen Menschen kam dabei zupass, dass sich seit den 1820er Jahren das Auswanderungsrecht liberalisierte[5] und es nur einige "Standardfragen" waren, die der Gesetzgeber dem Ausreisewilligen abverlangte: galt jemand nicht als militärpflichtig, hinterließ er keine Schulden oder zu versorgende Kinder (dies wurde nur mit besonderer Erlaubnis der Staats-Regierung bewilligt) stand der urkundlichen Aushändigung der Entlassung aus dem Untertanenverband und der Ausstellung eines Reisepasses nichts entgegen.

Abschließend sei ein Akteur genannt, der ebenfalls eine Emigrationsmotivation hatte, wenn auch mutatis mutandis. Denn auch staatlicherseits hatte man die Vorteile einer Aus-wanderung erkannt; wenn auch nur die einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, deren (wirtschaftliche) Existenz einer kühlen Berechnung unterzogen wurde. So befand etwa eine im Jahre 1850 in Frankfurt gedruckte Schrift, dass es von größerem Vorteil sei, die Ortsarmen mit dem Reisegeld aus der Gemeindekasse zu versorgen um ihre Emigration zu ermöglichen, als sie ein leben lang unter Hinzuziehung der Allgemeinheit zu unterstützen.[6] Ein Vorschlag, der von vielen Gemeinden durchaus ernst genommen wurde und in einem gravierenden Fall sogar für weltweites Aufsehen sorgte.

Neben diesen exemplarischen Ausführungen seien ergänzend und zusammenfassend die Gründe der Auswanderung genannt. Während die Lage in Deutschland geprägt war von starkem Bevölkerungszuwachs, der beginnenden Industrialisierung und ihrer Folgen wie z.b. Armut, Lockerung des Sozialgefüges und einer daraus erwachsenen erhöhten Mobilität der Bürger, boten die Vereinigten Staaten von Amerika ein diametral entgegenstehendes Bild. Politische Unabhängigkeit, freiheitliche und demokratische Verfassungsordnung, aber auch genügend Raum zur Besiedelung wie auch der Bedarf an Arbeitskräften, ließen berechtigte Hoffnungen auf persönliche und wirtschaftliche Entfaltung und somit auf bessere Lebensumstände keimen.[7]

2.1.2 Informationszugang

Nachrichten aus der neuen Welt gab es schon seit ihrer frühen Besiedelung. Aber nicht erst die Unabhängigkeitskriege und die folgende Unabhängigkeit der Union brachte die Existenz des neuen Kontinentes auf die Weltkarte des allgemeinen Bewusstseins.

Auch seit der frühen Besiedelung existierten bereits gezielte Anwerbungsaktionen, die mittels überseeischer Agenten betrieben wurde. Allerdings werden als Interessenten der Verbreitung sogenannter "promotion literature" im 17. und 18. Jahrhundert vornehmlich Verwaltungsorgane der Kolonien und Bodenspekulanten genannt.[8] Im Zeitalter der Massenauswanderung hingegen verdichtete sich bald der Markt für ratgebende Literatur, die sowohl von Reisenden, Angesiedelten, Reedereien oder staatlicherseits veröffentlicht wurde. Manche leitete genuines wirtschaftliches Interesse, etwa wenn sie das von ihnen erfolgreich besiedelte Gebiet, in dem sie viele Landkäufe vorgenommen hatten, wohlklingend umschrieben, um von etwaigen Reisewilligen bei der Landvergabe wirtschaftlich profitieren zu können. Andere wiederum bereisten das Land im Auftrag, um einen möglichst objektiven Bericht von den tatsächlich vorherrschenden Begebenheiten zeichnen zu können. Hier kann die Schrift des Engländers Fearon genannt werden, der zu Beginn des 19. Jh. im Auftrag von 39 englischen Familien Nordamerika bereiste und das Resultat seiner Beobachtungen unter dem Titel "Skizzen von Amerika, entworfen auf einer Reise durch die Vereinigten Staaten in den Jahren 1817 und 1818" publizierte.[9] Als in Deutschland der Ruf nach einer staatlichen Organisation des Auswanderungsprozesses laut wurde, schickte man Hans von Gagern, ein Mitglied der Deutschen Nationalversammlung, auf die Reise. Sein von vorsichtigem Optimismus gezeichnetes Bild der Ansiedelungsmöglichkeiten deutscher Bürger erschien unter dem Titel "Der Deutsche in Nord-Amerika".[10] Eine Liste der in den Folgejahren veröffentlichten Publikationen würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen. Daher sei hier kurz ein Werk genannt, dass sich ob seiner Nützlichkeit und trotz seiner Schwächen als "Standardwerk" etablieren konnte. Es ist das von Gottfried Duden 1829 unter dem überaus griffigen Titel veröffentlichte Werk "Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerika´s und einen mehrjährigen Aufenthalt am Missouri (in den Jahren 1824, 25 ,26 und 1827), in Bezug auf Auswanderung und Überbevölkerung, oder: Das Leben im Innern der Vereinigten Staaten und dessen Bedeutung für die häusliche und politische Lage der Europäer, dargestellt a) in einer Sammlung von Briefen, b) in einer besonderen Abhandlung über den politischen Zustand der nordamerikanischen Freistaaten und c) in einem rathgebenden Nachtrage für auswandernde deutsche Ackerwirthe und Diejenigen, welche auf Handelsunternehmungen denken."[11]

Wie der Titel es impliziert, konnte der Leser hier eine Fülle von relevanten Informationen vorfinden, die nicht zuletzt auch organisatorische Elemente aufgriffen und somit einen hohen praktischen Wert hatten. Es versteht sich fast von selbst, das nach dieser Vorlage auf gewisse Besiedelungsgebiete zugeschnittene (z.b. Texas) Schriften entstanden. Mancher Autor führte in penibler Kleinarbeit die Verdienstmöglichkeiten für alle möglichen Berufsgruppen auf, um daraus ableitend entsprechende Ratschläge für oder gegen eine Auswanderung an Angehörige eben dieser Gruppen auszusprechen.

Auch die amerikanische Regierung griff mit anwerbenden Maßnahmen direkt in den deutschen Ratgebermarkt ein, da sie besonders nach dem Bürgerkrieg die entvölkerten und zerstörten Regionen des Südens durch Ansiedelung zu bevölkern suchten. Dem folgten einzelstaatliche Maßnahmen, die nach 1865 und dem Beispiel Missouris folgend, sukzessive staatliche Einwanderungsbehörden errichteten. Nicht zu vergessen sind darüber hinaus die Reedereien, die mit Hilfe von Auswandereragenten und deren Subunternehmern ihre Angebote bis in die kleinsten Ortschaften transportierten.

[...]


[1] Helbich, Kamphoefner, Sommer (Hrsg.): Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der neuen Welt. 1830-1930. München 1988, S. 11

[2] Zitiert nach: Assion, Peter: Von Hessen in die neue Welt. Eine Sozial- und Kulturgeschichte der hessischen Amerikaauswanderung mit Text- und Bilddokumenten. Frankfurt am Main 1987, S. 33

[3] Inge Auerbach. Auswanderung aus Kurhessen 1832-1866, in: Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Bd. 17. Der große Aufbruch. Studien zur Amerikaauswanderung. Marburg 1985, S. 24

[4] Vgl. die selbst über 150 Jahre später noch spannend zu lesenden Briefe der Brüder Blümner, in: Helbich et al. , S. 97 ff.

[5] Hier sticht besonders das Großherzogtum Hessen hervor, vgl. Helbich, Wolfgang J.: "Alle Menschen sind dort gleich..." Die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1988, S. 28

[6] Assion, S. 49 f.

[7] Bartolosch, Neutsch, Roth: Das 19. Jahrhundert - Zeit der Massenauswanderung, in: Bartolosch, Neutsch, Roth (Hrsg.): Vom Westerwald nach Amerika. Auswanderung im 19. Jahrhundert. Hachenburg 1996, S. 9

[8] Görisch, Stephan: Die gedruckten "Ratgeber" für Auswanderer, in: Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Bd. 17. Der große Aufbruch. Studien zur Amerikaauswanderung. Marburg 1985, S. 51

[9] Ebd., S. 55

[10] Ebd.

[11] Ebd., S. 56

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die deutsche Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jh. als alltags- und regionalgeschichtliches Thema im Geschichtsunterricht
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Geschichtsdidaktik)
Veranstaltung
Alltag und Region im Geschichtsunterricht
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V50047
ISBN (eBook)
9783638463546
ISBN (Buch)
9783638650281
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auswanderung, Nordamerika, Thema, Geschichtsunterricht, Alltag, Region, Geschichtsunterricht
Arbeit zitieren
Stefan Laszlo (Autor:in), 2004, Die deutsche Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jh. als alltags- und regionalgeschichtliches Thema im Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50047

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