Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Unternehmen Amazon
2.1 Vom Online-Buchhändler zum Alles-Verkäufer
2.2 Geschäftsmodell
2.3 Der Einstieg in den Fernsehmarkt mit Prime Video
3. Der Fernsehmarkt in Deutschland
3.1. Medienpolitische Grundlagen
3.2. Der Fernsehmarkt im Umbruch
4. Video-on-Demand
4.1. Begriffserklärung
4.2. Konsumverhalten der Nutzer
4.3. Prime Video im Marktvergleich
5. Erfolgsfaktoren von Prime Video
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nahezu jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland nutzt täglich Medien (Engel, Mai & Müller, 2017). Dabei zählt das Medium Fernsehen zu den beliebtesten Frei- zeitbeschäftigungen der Deutschen: Jeder von uns sieht täglich 208 Minuten fern, was mehr als ein Drittel unseres Medienzeitbudgets ausmacht (Krupp & Breunig, 2016). Jedoch ist Fernsehen heutzutage nicht mehr so, wie es die älteren Generatio- nen kennengelernt haben: Wollte man etwas Bestimmtes schauen, musste man war- ten, bis es zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Rundfunkprogramm ausgestrahlt wurde. Durch die voranschreitende Digitalisierung der Medien ist es heute möglich, sich Filme und Serien zu jeder beliebigen Uhrzeit im Internet anzuse- hen, was als Video-on-Demand bezeichnet wird (Robinson, 2017). Eine Orts- sowie Geräteunabhängigkeit sind kennzeichnend hierfür. So könnte der Rezipient seinen Wunschtitel beispielsweise bei einer morgendlichen Laufrunde durch den Wald auf seinem Smartphone konsumieren. Was früher undenkbar gewesen wäre, ist der All- tag von heute.
Ebenfalls undenkbar wäre es wohl früher gewesen, sämtliche Produkte bequem im Internet zu bestellen und nach Hause geliefert zu bekommen. Dafür ist der Online- Versandhändler Amazon bekannt, welcher in Deutschland als der beliebteste und reichweitenstärkste seiner Art gilt (Statista, 2017). Die durch die Digitalisierung be- dingten Veränderungen im Rundfunk boten Amazon die Gelegenheit, mit einem Vi- deo-on-Demand-Angebot auf den deutschen Fernsehmarkt einzusteigen: Seit 2014 erhalten Abonnenten des Amazon Prime-Pakets über Prime Video Zugriff auf tau- sende Filme und Serien (Amazon.de, 2014).
Trotz des rasant wachsenden Markts für Video-on-Demand und etlicher Mitbewerber konnte sich Prime Video binnen nur knapp vier Jahren als Branchenführer etablieren (Statista, 2017). Das wirft die Frage auf, warum Amazons Video-on-Demand- Angebot auf dem deutschen Markt so erfolgreich ist. Der aktuelle Forschungsstand kann diese Frage nicht beantworten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Faktoren für den Erfolg von Prime Video herauszuarbeiten. Diesbezüglich relevante Forschungs- gebiete sind die Medien- und Mediennutzungsforschung. Dafür soll zunächst der Online-Versandhändler Amazon im Allgemeinen betrachtet werden. Nach einem kurzen Einblick in die Geschichte des Unternehmens, soll dessen Geschäftsmodell erarbeitet werden, um dann den Einstieg in den Fernsehmarkt mit Prime Video darin einordnen zu können. Wenn verständlich ist, weshalb das ganze Unternehmen so erfolgreich ist, kann man auch den Erfolg von Prime Video leichter nachvollziehen. Daraufhin soll der Fernsehmarkt in Deutschland untersucht werden. Hierfür werden als erstes medienpolitische Grundlagen herangezogen, um zu skizzieren, wie der Fernsehmarkt reguliert wird. Danach wird der Umbruch des Fernsehmarkts inklusive der Veränderungen, die durch die Digitalisierung ausgelöst werden, veranschaulicht, weil das die Grundlage für den Erfolg von Prime Video bildet. Im Anschluss daran sollen die beiden Komponenten Amazon und der deutsche Fernsehmarkt verknüpft werden. Demnach liegt der Fokus auf Video-on-Demand. Dabei soll zuerst der Be- griff geklärt und das Konsumverhalten der Nutzer analysiert werden, bevor ein Ver- gleich von Prime Video mit seinen Mitbewerbern auf dem deutschen Markt stattfin- det. Schließlich kristallisieren sich die Erfolgsfaktoren von Prime Video heraus. Am Ende wird ein Fazit gezogen, warum Amazons Video-on-Demand-Angebot auf dem deutschen Fernsehmarkt so erfolgreich ist. Auch soll an dieser Stelle geprüft werden, welche Zukunftsentwicklungen denkbar wären.
2. Das Unternehmen Amazon
Um sich den Erfolg von Prime Video erklären zu können, ist ein Blick auf das ganze Unternehmen Amazon.com, Inc. hilfreich. Da letzteres oft als „Amazon“ abgekürzt wird, soll diese Version im Folgenden verwendet werden. Im Jahr 2017 verzeichnete das börsennotierte, US-amerikanische Unternehmen mit Sitz in Seattle, Washington einen weltweiten Umsatz von 177,87 Milliarden US-Dollar (Statista, 2017). Mit ei- nem Umsatz von 16,95 Milliarden US-Dollar hierzulande (Ebd.), gilt Deutschland als der wichtigste Auslandsmarkt für Amazon.
Das Unternehmensleitbild lautet: „to be earth’s most customer-centric company where people can find and discover anything they want to buy online“ (Brandt, 2011, S.7). Der Fokus liegt also auf dem Kunden, mit dem Ziel, diesem eine breite Produktpalette zu bieten. Dabei werden nicht alle Produkte von Amazon selbst ver- kauft. Auch private und gewerbliche Verkäufer können über den Amazon Market- place ihre Produkte anbieten.
2.1 Vom Online-Buchhändler zum Alles-Verkäufer
Die breite Produktpalette, die heutzutage bei Amazon vorzufinden ist, ist Ergebnis einer langen Entwicklung des Unternehmens. 1994 gründete der Informatiker Jeff Bezos das Unternehmen als eine Online-Buchhandlung und ging ein Jahr später mit einer Datenbank von einer Million Büchern online (Gassmann, 2015). Anfangs lie- ferte Bezos als CEO die Bücher noch selbst aus, was allerdings durch das schnelle Wachstum schon nach einigen Monaten nicht mehr zu bewältigen war. Nach drei Jahren verzeichnete das Unternehmen bereits einen Umsatz von 147,8 Millionen US- Dollar (Brandt, 2011). Dieser Erfolg motivierte Bezos, auch international Fuß zu fassen. Mit der Übernahme des Unternehmens Telebuch.de trat Amazon 1998 als führender Online-Buchhandel in den deutschen Markt ein (Ebd.).
Mit mehreren Übernahmen von einer chinesischen E-Commerce-Webseite bis zu Premiumanbietern für Mode gelang es dem Unternehmen sich schrittweise immer breiter aufzustellen (Stone, 2013). Dabei waren während der Entwicklung zwei Fak- toren von besonderer Bedeutung: Der Fokus auf dem Kunden und die Liebe zum Detail. Jeff Bezos allgemeine Philosophie sei es, freundlich zum Kunden zu sein, beschreibt einer der wichtigsten Programmierer Amazons Peri Hartmann den CEO (Brandt, 2011). Hartmann war es, der 1997 das Software Programm „1-Klick“ ent- wickelte, das Kunden seitdem ermöglicht, Bestellungen mit nur einem Klick auf die Maustaste zu tätigen (Ebd.). Eine weitere bedeutende Innovation ist das Cloud Com- puting, welches das Mieten von Rechnerkapazität ermöglicht und somit Geschäfts- modelle von Firmen wie Netflix erleichtert (Ebd.). Amazon verfügte also schon vor der Gründung von Prime Video die benötigte Rechenleistung für das Hochladen und Streamen von Filmen und Serien, was die Basis von Video-on-Demand-Diensten darstellt. Diese Grundlage ist mitverantwortlich für den schnellen Erfolg von Prime Video.
Da Kunden bei Amazon neue und gebrauchte Ware aus beinahe allen Bereichen fin- den, kann man das Unternehmen heute als einen Alles-Verkäufer bezeichnen.
Bücher, Elektronikprodukte und Videospiele werden ebenso angeboten wie Geräte für Haus und Garten, Autos, Spielwaren, Mode oder Schmuck. Darüber hinaus wer- den zahlreiche weitere Produkte und Dienstleistungen angeboten wie das Spracher- kennungssystem Echo, der Kindle-Reader oder die Online-Bestellung von frischen Lebensmitteln.
Jeff Bezos Ziel, dass Kunden alles bei Amazon online bestellen können, wonach sie suchen, scheint erreicht zu sein. Jedenfalls lässt das Angebot außergewöhnlichster Produkte wie eine Warnweste für Hühner, Mondgrundstücke oder eine Rasierschab- lone für Bärte darauf schließen (Amazon.de, 2018). So bekommen 57% der Bevölke- rung bei Amazon, was sie brauchen und für knapp jeden dritten Deutschen ist das Unternehmen nicht mehr aus dem Leben wegzudenken (Statista, 2018).
Doch auch Kritik wird über die Jahre immer wieder laut: Die Gewerkschaft Ver.di beispielsweise beschuldigt Amazon, psychischen Druck auf dessen Mitarbeiter aus- zuüben, sie zu überwachen und ihre Rechte zu missachten (ver.di, 2018). Trotz dut- zender Aktionen und Streiks, konnte Amazon allerdings noch kein Tarifvertrag für die rund fünfzehntausend Mitarbeiter abgerungen werden (Ebd.). Auch die Bevor- mundung von Autoren, Verlagen und Onlinekleinhändlern sowie Steuerhinterzie- hung werden dem Unternehmen oftmals vorgeworfen (Gassmann, 2015). Die Kritik kann die Aufwärtsentwicklung Amazons allerdings nicht stoppen.
2.2 Geschäftsmodell
Bei der Betrachtung der Entwicklung von Amazon vom Online-Buchhändler zum Alles-Verkäufer kommt die Frage auf, wie es Amazon geschafft hat, so erfolgreich und binnen 24 Jahren zur viert wertvollsten Marke der Welt zu werden (Statista, 2018). Die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen ist ein gutes Geschäftsmodell.
Für den Unternehmensgründer Jeff Bezos bestimmen vier Faktoren sein Geschäfts- modell: Sortiment, Kundenerlebnis, Handelsverkehr und Anbieter (Hoffmeister, 2014). Demnach zieht ein breites Sortiment den Kunden an und bezweckt einen Ein- kauf in immer mehr Bereichen. Durch ein positives Kundenerlebnis, welches bei- spielsweise durch einen guten Kundenservice oder niedrige Preise gefördert wird, können Kunden langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Dadurch wird sowohl der Umsatz gesteigert als auch der Handelsverkehr erhöht. Der Kunden- stamm und der Handelsverkehr wiederum sind attraktiv für Drittanbieter, die in den etablierten Marktplatz einsteigen. Dieses Geschäftsmodell lässt sich ebenso auf das VoD-Angebot Prime Video übertragen.
Damit weiterhin 88% der Deutschen mit dem Kundenservice zufrieden sind (Statista, 2018), bedarf es Einfachheit in der Bedienung. Diese wird beispielsweise durch das bereits erwähnte „1-Klick“-System gewährleistet. Ein weiteres entscheidendes Krite- rium für positives Kundenerlebnis ist Innovativität. „Man braucht eine Menge Ener- gie, Schweiß und Tränen, um innovativ zu sein“, schildert Amazons CEO Bezos die Herausforderung (Gassmann, 2015, Absatz 1). Misserfolge würden dazu gehören (Ebd.). Durch seine zielstrebige, ehrgeizige und innovative Art ist der Chef zu einem großen Teil verantwortlich für den Erfolg des Unternehmens und somit auch von Prime Video. Jeder zweite Deutsche sieht in Amazon ein innovatives Unternehmen (Statista, 2018). Als Anerkennung für die kundenorientierte Leistung gewann das Unternehmen 2014 den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft (Amazon.de, 2014).
Eine besonders einflussreiche Innovation in der Geschichte des Online- Versandhändlers ist die Gründung von Amazon Prime im Jahr 2005, das zwei Jahre später auch in Deutschland eingeführt wurde (Amazon.de, 2007). Prime-Mitglieder können nicht nur von vielen Versandvorteilen Gebrauch machen, wie der Lieferung am nächsten Tag, sondern erhalten auch noch Zugriff auf Musikstreaming sowie e- Books, e-Magazine und Kindle-Produkte. Zudem bekommen sie Mitgliederrabatt auf Videospiele und unbegrenzten Fotospeicherplatz. Seit 2014 ist auch der Video-on- Demand-Dienst Prime Video als Teil des Programms erhältlich (Ebd., 2014). Ein Abonnement kostet derzeit 69€ jährlich, Studenten zahlen nach einem beitragsfreien Jahr nur die Hälfte (Ebd., 2018).
Die Verknüpfung des traditionellen Paketversands mit den zusätzlichen Leistungen, vor allem Prime Video, stellt eine Ausweitung des Geschäftsmodells bezüglich des Kundenerlebnisses dar. Die Zufriedenheit der Kunden soll durch die zahlreichen Vorteile von Amazon Prime gesteigert werden. Preisrabatte sollen Studenten, sprich die zukünftigen Besserverdiener, anlocken. Somit sollen Kunden langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Amazons Strategie scheint aufzugehen: Prime- Kunden tätigen ca. dreimal so häufig Bestellungen bei Amazon als andere Kunden (Statista, 2016). Die Konsequenz des erhöhten Handelsverkehrs: Der Umsatz wächst weiter.
2.3 Der Einstieg in den Fernsehmarkt mit Prime Video
Die Entwicklung Amazons vom Online-Buchhändler zum Alles-Verkäufer bricht 2014 neue Barrieren: Mit dem Video-on-Demand-Angebot Prime Video steigt das Unternehmen in den deutschen Fernsehmarkt ein. Prime Video entsteht im Februar 2014 durch den Zusammenschluss aus Amazon Prime und der Onlinevideothek Lovefilm (Amazon.de, 2014). Das Angebot wird damals als „Amazon Instant Video“ eingeführt, ein Jahr später in „Amazon Video“ umbenannt und seit Februar 2018 unter dem Namen „Prime Video“ vermarktet (ifun.de, 2018). Um Zugriff zu erhalten, muss ein Amazon Prime Abonnement abgeschlossen werden, was sich für die meis- ten Deutschen zu lohnen scheint: Für vier von fünf Internetnutzern ist Prime Video ein Grund für die Nutzung von Amazon Prime (Statista, 2016). Der Erfolg von Prime Video steht deswegen immer im Zusammenhang mit Amazon Prime.
Seitdem das Multimedia-Komplettpaket angeboten wird, ist der Umsatz von Amazon auf dem deutschen Markt um ein Drittel gestiegen (Ebd., 2017). Der Einstieg in den Fernsehmarkt mit Prime Video ist als ein großer Erfolg für das Unternehmen zu ver- zeichnen. Ausschlaggebend dafür ist die heutige Situation des Fernsehmarkts in Deutschland.
3. Der Fernsehmarkt in Deutschland
Seit 1970 gilt der Fernseher als das reichweiten- und nutzungsintensivste Medium und erreicht an einem durchschnittlichen Tag 80% der Bevölkerung (Krupp & Breunig, 2016). Dabei spiegelt sich in den durchschnittlich 74 pro Haushalt emp- fangbaren Sendern eine breite publizistische Vielfalt wider (Statista, 2016).
In den vergangenen Jahren hat sich der Fernsehmarkt gravierend verändert. Inwie- fern und warum soll nachfolgend geklärt werden. Davor ist eine Betrachtung der medienpolitischen Grundlagen des Fernsehens sinnvoll, um einen Einblick in dessen Regulierung auf dem deutschen Markt zu erhalten.
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