Leseprobe
Gliederung
Einleitung: Manifest Destiny von den Gründungsvätern bis heute
1.Manifest Destiny
1.1.Begriff
1.2. Geschichte
1.3. Rhetorik
2.Imperialismus
2.1.Begriff
2.2. Geschichte
2.3. Manifest Destiny und Imperialismus
Ausblick: Manifest Destiny am Beginn des 21. Jahrhunderts?
Literaturverzeichnis
Einleitung: Manifest Destiny von den Gründungsvätern bis heute
Manifest Destiny ist ein Begriff, der tief verwurzelt ist in der nordamerikanischen Geschichte und Gesellschaft. Erstmals verwendet 1845, beschreibt er seitdem das amerikanische Sendungsbewusstsein und die Ideologie, die Amerika eine Vorbildfunktion für die übrige Welt einräumt.
Ich möchte in dieser Arbeit zunächst Begriff, Geschichte und Entwicklung der Ideologie und Rhetorik von Manifest Destiny herausarbeiten. In den Vordergrund stellen möchte ich hierbei, die wichtige Rolle der Manifest Destiny Ideologie für Amerika seit den ersten Kolonien durch seine gesamte Geschichte.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der Wandel im Laufe der Geschichte Amerikas von der euphorischen Aufnahme der Bevölkerung im Nation building Prozess zu bloßer Instrumentalisierung während des Imperialismus.
In einem zweiten Schritt soll die Genese des US-Imperialismus in ihrem Zusammenhang, von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute nachgezeichnet werden. Der Schwerpunkt wird jedoch eindeutig auf dem 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts, der Zeit des ersten Erwachens des übernationalen Expansionsgedanken, liegen. Enden werde ich mit einer kurzen Spurenlese der Einflüsse von Manifest Destiny auf die jüngste Geschichte, wie sie seit 2000 in der ebenso machtpolitischen wie ideologisch motivierten interventionistischen Politik der gegenwärtigen George W. Bush-Administration zunehmend deutlich wird.
1. Manifest Destiny
1.1. Begriff
Der Begriff Manifest Destiny als solcher wurde erstmalig explizit 1845 in einem Artikel von dem Herausgeber der Democratic Review[1] John L. O’Sullivan gebraucht. In seinem Artikel „Annexation“ beschreibt O’Sullivan nachdrücklich die dringende Notwendigkeit einer intensiven Expansionspolitik und versucht die Annektierung Texas 1845 mit der Vorsehung zu rechtfertigen, deren Wille es sei, dass das amerikanische Volk den gesamten nordamerikanischen Kontinent bevölkere. Dies sieht er erzwungen und bestätigt durch das enorme Wachstum der Bevölkerung und dem Bedarf an neuem Siedlungsland. Es sei das natürliche Recht der Amerikaner gewesen, Texas in die Union aufzunehmen. Der Krieg, der sich hieraus ergab, sei allein von Mexiko verursacht. Im weiteren Verlauf des Artikels sieht O’Sullivan das gleiche Schicksal für Kalifornien und viele weitere Annektierungen an der gesamten nördlichen Grenze der amerikanischen Staaten voraus. Dabei läge es allein in den Händen der mexikanischen Regierung, ob die Parteien den Konflikt friedlich lösen oder nicht. Nicht die amerikanische Regierung annektiert, sondern der gewaltige Sog der Vorsehung, der die Menschen nach Westen wandern lässt, erzwingt Expansion und Usurpation.
Es sei nicht nur Recht, sondern geradezu die patriotische Pflicht der Bevölkerung sich einig einzureihen für das Ziel der Durchsetzung des Manifest Destiny Amerikas: bevor andere Staaten sich ihm in den Weg stellen, muss Amerika sich ausbreiten bis es an seine natürlichen Grenzen stößt. O’Sullivan schließt mit der Prognose, dass Europa Amerika in seiner Expansion nun bald nichts mehr entgegen zu halten hätte (O’Sullivan 1947: 563ff).
Der Artikel „Annexation“ beschreibt beispielhaft die Instrumentalisierung der Manifest Destiny Ideologie für eine Expansionspolitik, die wenig später schon in eine imperialistische Stimmung umschlägt. Die Grundgedanken der Ideologie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Amerika mit seiner neu entstandenen Gesellschaft, den liberalen Prinzipien und seinen politischen Institutionen soll ein Vorbild für die gesamte Welt sein: legitimiert durch den Willen Gottes und die göttliche Fügung. Es ist nicht nur Amerikas Recht, sondern auch seine Pflicht diese Verantwortung wahrzunehmen (Clark 1963: 173ff). O’Sullivan beschreibt eine nationale Überzeugung und ein Gefühl des Sendungsauftrages, das schon die ersten Siedler antrieb. Gleichzeitig definiert er mit Manifest Destiny einen Begriff, der bis heute die amerikanische Gesellschaft prägt und „vorwärts“ treibt.
1.2.Geschichte
Die Geschichte der Ideologie und der Rhetorik von Manifest Destiny zieht sich durch die amerikanische Geschichte von den ersten Siedlern, die mit einem bestimmten Sendungsbewusstsein auf dem neuen Kontinent ankamen, in der Hoffnung eine Vorbildrepublik und Mustergesellschaft zu schaffen, bis zu den Überzeugungen, Werten und Reden amerikanischer Politiker der Gegenwart. Auch das Selbstverständnis der Bevölkerung wird zumindest implizit tief von ihr geprägt. Obwohl der Begriff erst im Rahmen der populistischen Verbreitung des Expansionsgedanken formuliert wurde, ist er historisch tiefer verwurzelt als in der Mitte des 19. Jahrhundert.
Als die ersten puritanischen Siedler in Amerika ankamen, waren sie gewappnet mit einer festen, religiös durchwirkten Vorstellung von der Gesellschaft, die sie gründen wollten. Sie waren sich ihrer Pionierpositon wohl bewusst. Sie fühlten sich, als ob die Welt genau beobachtete, ob sie scheitern würden oder nicht. Dieses Bewusstsein ist schon in der Rede von John Winthrop aus dem Jahre 1630 zu finden als er die neue, entstehende Gesellschaft beschreibt. Es gipfelt in dem missionarisch-programmatischen Satz: „For we must consider that we shall be as a city upon a hill.” (Winthrop 1630: 41)
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[1] Parteiorgan der Democratic Party, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts die politische Szene in Amerika dominierte.