Kinderarmut in Deutschland. Macht Armut krank und Reichtum gesund?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Armut in Deutschland: Was ist Armut in einem reichen Land?
2.1 Armutsdefinitionen
2.2 Zahlen und Entwicklung

3 Kinderarmut in Deutschland
3.1 Kinderarmut allgemein: Auftreten, Ausmaß und Entwicklung
3.2 Kinderarmut in Zahlen

4 Die Folgen der Kinderarmut
4.1 Armut und Arbeitslosigkeit und die allgemeinen Auswirkungen auf die Kinder
4.2 Macht Armut krank und Reichtum gesund?

5 Schluss

6 Literaturverzeichnis

7 Schriftliche Erklärung

1 EINLEITUNG

Heutzutage ist Armut nicht mehr ein Problem, das nur in den Entwicklungsländern auftritt. In Deutschland und den anderen westlichen Industrienationen ist Armut weiter verbreitet, als allgemein angenommen wird.

Viele Kinder und Jugendliche leben in Deutschland in Armut. Sie sind die Bevölkerungsgruppe, die am stärksten davon betroffen ist.

In der vorliegenden Hausarbeit wird auf dieses Problem eingegangen und die Auswirkungen der Armut für die Kinder werden verdeutlicht. Hierbei werden speziell die physischen und psychischen Folgen betrachtet.

Um allerdings über die Kinderarmut reden zu können, wird zunächst unter Punkt 2.1 auf die Definition von Armut eingegangen und anschließend die Armutsentwicklung in Deutschland kurz erörtert.

Es folgen unter Punkt 3 allgemeine Daten und Fakten zur Kinderarmut. Wichtig hierbei ist, zu verdeutlichen, welches die Gründe sind, aufgrund derer ein Kind in Armut leben muss. Außerdem wird der Begriff der „Infantilisierung der Armut“ erläutert- ein Trend, der seit den 90er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten ist und neue Anforderungen an die Politik stellt. Anschließend werden anhand von zwei Tabellen aus dem Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des Deutschen Gewerkschaftsbunds und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands von 2000 die Ergebnisse verdeutlicht.

Innerhalb des vierten Punktes werden dann die Folgen der Kinderarmut beschrieben. Zunächst wird allgemein auf Auswirkungen der Armut und Arbeitslosigkeit eingegangen (4.1), da gerade in der Kindheit physische, psychische und soziale Erfahrungen Einfluss auf das spätere Leben haben.

Der „Erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“ bestätigt, dass Armut negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Da dieses besonders in Bezug auf Kinder ein Problem ist, widmet sich der letzte Punkt (4.2) den gesundheitsbeeinflussenden Faktoren der Kinderarmut.

Den Schluss bildet eine kurze Zusammenfassung mit grundsätzlichen Überlegungen zum Thema.

2 Armut in Deutschland: Was ist Armut in einem reichen Land?

2.1 Armutsdefinitionen

Bevor Aussagen über Armut gemacht werden können, muss festgelegt werden, was Armut überhaupt ist und ab wann eine Person als arm bezeichnet wird. Innerhalb der Armutsforschung existiert seit längerem eine Diskussion, was die Definition von „Armut“ angeht. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffes gibt es keine einheitliche Definition, sondern eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen und Konzepten, die je nach Sichtweise und Intention verwendet werden (Joos 1997: 49).

Wo die Forscher sich einig sind ist, dass Armut immer etwas mit Unterversorgung, Mangel, Entbehrung und Einschränkung zu tun hat (Brinkmann 2002: 57). Personen sind dann arm, wenn Unterversorungserscheinungen, wie Unterernährung, unzureichende Kleidung, unzumutbare Wohnverhältnisse, unzureichender Schutz gegen Krankheitskosten sowie kaum Kommunikationsmöglichkeiten und fehlende Beteiligungsmöglichkeiten an gesellschaftlichen Aktivitäten, vorliegen (Otto/Bolaya 1997: 9).

Im Ratsbeschluss der Europäischen Union wurde im Rahmen des dritten Armutsprogramms am 19. Dezember 1984 folgende Armutsdefinition formuliert:

„Als verarmt sind jene Einzelpersonen, Familien und Personengruppen anzu-

sehen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen,

dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind.“

(Hanesch/Krause/Bäcker 2002: 48)

Diese Definition liegt auch dem Armutsbericht der Bundesregierung zugrunde. Sie beinhaltet nicht nur den Faktor Einkommen, sondern schließt kulturelle und soziale Faktoren mit ein. Sie wird allgemein so operationalisiert, dass die mittlere Lebensweise eines Landes als Referenzpunkt zur Abbildung mittleren Wohlfahrtstandards angesehen wird (relative Armut) (Hanesch/Krause/Bäcker 2000: 50). Arm ist hierbei jeder, der weniger als die Hälfte des vergleichbaren Durchschnitteinkommens verdient. Bei der Messung rechnet man die Haushaltsnettoeinkommen mit Hilfe von Äquivalenzskalen um. Das Äquivalenzeinkommen ist dann das nach dem Bedarf gewichtete Pro-Kopf-Einkommen aller Personen im Haushalt. Mit Hilfe dieses methodischen Instruments lassen sich für Haushalte unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung äquivalente Wohlstandsniveaus definieren und vergleichen. Man beachtet, dass manche Güter gemeinsam genutzt und nicht für jede Person im Haushalt angeschafft werden müssen. Außerdem wird berücksichtigt, dass Haushaltsmitglieder unterschiedlichen Alters einen unterschiedlichen Bedarf aufweisen (Ebd.: 48).

Ein eindeutiger Armutsindikator ist neben der Obdachlosigkeit der Hunger. Diese Form der Armut wird als absolute Armut bezeichnet. Sie ist in unserer Gesellschaft durch die gesetzliche Sicherung des Existenzminimums durch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von 1961 allerdings eher eine Randerscheinung. Oft wird die Ernährung beziehungsweise werden die Ausgaben für Nahrungsmittel als Indikator für Armut herangezogen (Joos 1997: 51).

Personen, die diese Leistungen nach Bundessozialhilfegesetz beziehen, werden unter dem Begriff der bekämpften Armut zusammengefasst. Wobei es noch mehr arme Menschen als nur die Sozialhilfeempfänger gibt, nämlich Menschen, auf die der Begriff der verdeckten oder verschämten Armut zutrifft. Diese Personen sind einkommensarm, machen aber ihren Anspruch auf Sozialhilfe aufgrund von Angst vor Stigmatisierung, mangelnder Information, Scham und Stolz nicht geltend und werden so in vielen Studien und Statistiken oft nicht berücksichtigt (Lauterbach/ Lange 1998: 108).

Im Gegensatz zu früher ist Armut nicht mehr ein fester Zustand oder eine Eigenschaft von bestimmten Personen oder Gruppen. Armut ist ein Ereignis und eine bestimmte Phase im Lebenslauf und kann überwunden werden (Butterwegge 2000: 29). So ist Armut auch nicht mehr auf wenige soziale Schichten begrenzt, sondern Verarmungsprozesse sind sozial entgrenzt und die Lebensverhältnisse eines jeden Menschen können sich im Verlauf seines Lebens mehrfach ändern (Bertsch 2002: 11). In diesem Zusammenhang wird seit den 80er Jahren von neuer Armut gesprochen. Hierbei werden verschiedene Merkmale und Entwicklungen zusammengefasst, die das Auftreten der Armut verändert haben. Hierzu zählt beispielsweise der Anstieg der Armut in Gruppen, die vorher kaum von Armut betroffen waren, wie Facharbeiter oder Personen mit höherer Ausbildung. Diese neuen Armutslagen sind innerhalb der Bevölkerung weiter verbreitet und schwerer zu lokalisieren und werden von den Betroffenen anders wahrgenommen als die „alte“ Armut, die mit elementarer Unterversorgung, Krankheit und Elend einherging (Bieback/Milz 1995:11).

Betrachtungen von Armutsforschern reduzieren sich in erster Linie auf eine Analyse des Einkommens, also der relativen Armut. Einkommensmangel ist zwar ein wichtiges Merkmal für Armut, reicht allerdings häufig nicht aus, weil auch soziale und subjektive Faktoren eine Rolle spielen, um einen Menschen als arm zu bezeichnen. Gerade bei Kindern, die über kein eigenes Einkommen verfügen, macht eine Definition, die sich rein auf das Geld bezieht, wenig Sinn (PFAFF 1995: 31 F.).

Durch die unterschiedlichen Armutsdefinitionen und –messungen ist das Ausmaß der Armut nur schwer zu erfassen. Die vorhandenen Daten orientieren sich deshalb weitgehend am Einkommen.

2.2 Zahlen und Entwicklung

Seit Mitte der 70er Jahre zeichnet sich in Deutschland eine Armutsentwicklung ab, die in erster Linie die gering gebildete Bevölkerungsgruppe betrifft, sowie Menschen, die durch Familienereignisse, wie Tod oder Scheidung von Armut betroffen sind, Ausländer, Alleinerziehende oder Personen, die keine Berufsausbildung haben(Lauterbach/Lange 1998: 109). Heiner Geißler, damals Sozialminister von Rheinland-Pfalz, sprach zu dieser Zeit bereits von der neuen Armut und wies auf Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft hin. In den 80er Jahren sprachen dann auch die Gewerkschaften von der neuen Armut und machten auf Armut durch Arbeitslosigkeit aufmerksam (Schneider 1997: 9).

Während eines wirtschaftlichen Booms in den Jahren 1986 bis 1992 schwächte diese Entwicklung etwas ab, setzte sich aber in den 90er Jahren fort. Eine Wirtschaftskrise 1992 und der einsetzende Wirtschaftsaufschwung `94 haben die soziale Polarisierung verstärkt. Es gibt immer mehr reiche und immer mehr arme Menschen und die Mittelschicht nimmt ab. Heutzutage wächst der Sockel der Langzeitarbeitslosen immer mehr und zunehmend mehr Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen (Lauterbach/Lange 1998: 109).

1998 lebten nach Ergebnissen im Armutsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbunds 9,1 Prozent der Bevölkerung in Einkommensarmut, das heißt, ihnen stand weniger als 50 Prozent des Durchschnitteinkommens zur Verfügung. 34,5 Prozent mussten mit einem Niedrigeinkommen von weniger als 75 Prozent des Durchschnitteinkommens auskommen. Sie lebten somit im prekären Wohlstand und waren damit armutsgefährded. In den neuen Bundesländern liegen die Armutsquoten immer noch höher als in den alten Bundesländern (Hanesch/Krause Bäcker 2000: 29 F.).

Die Zahl der Arbeitslosen unter den Sozialhilfeempfängern lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2003 mit 836 000 Menschen bei 47 Prozent (2002: 43,5 Prozent). Insgesamt bezogen Ende 2003 2,81 Millionen Menschen Sozialhilfe, welches einen Anteil von 3,4 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht- ein Anstieg von 0,1 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr (2002: 3,3 Prozent) (Statistisches Bundesamt 2004: online).

3 Kinderarmut in Deutschland

3.1 Kinderarmut allgemein: Auftreten, Ausmaß und Entwicklung

Wie bereits erwähnt ist die heutige Gesellschaft gekennzeichnet durch eine zunehmende Polarisierung zwischen Arm und Reich. Die zunehmende Kinderarmut steht in Zusammenhang mit dieser Polarisierung, unter der die Kinder leiden (Schönig 2000: 206).

Kinderarmut ist die aktuell verbreitetste Armutsform in der Bundesrepublik Deutschland (Butterwegge 2000: 49 f.) und betrifft die gesamte Lebenssituation von Kindern (Bertsch 2002: 13). Auch wenn diese Kinderarmut nicht mit der Not der Kinder in der Dritten Welt vergleichbar ist, ist sie ein bedeutendes Problem (Beisenherz 2000: 79).

Seit den 60er Jahren zeigt die Verarmung der Kinder eine steigende Tendenz (Schönig 2000: 206). Waren es damals vor allem ältere Menschen, die von Armut bedroht waren, so sind es heute besonders Kinder und Jugendliche, die immer häufiger in einkommensarmen Familien leben. Zu Beginn der 70er Jahre war das Armutsrisiko der Kinder unter sieben Jahren nur halb so groß wie das der über 65-jährigen. 1990 hatte der Anteil der Sozialhilfeempfänger bei Kindern unter sieben Jahren den Anteil der Senioren um ein Dreifaches übertroffen und man kann eine Verschiebung von der „Altersarmut“ hin zur „Armut im jungen Alter“ feststellen (Lauterbach/Lange 1998: 110/113). Armutsforscher sprechen seit den 90er Jahren von einer „Infantilisierung der Armut“ (Joos 1997: 50). Ein Trend, der auch im Armutsbericht der Bundesregierung bestätigt wird (Bundesregierung 2001: 27).

Nach aktuellen Ergebnissen des statistischen Bundesamtes werden immer mehr Kinder und Jugendliche zu Sozialhilfeempfängern. Ende '99 lebten zwei Millionen Minderjährige in Familien, die als einkommensarm zu bezeichnen sind, und mehr als eine Million der unter 18-jährigen bezog Sozialhilfe. Davon waren:

- 227 000 Kleinkinder unter 3 Jahren
- 237 000 Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren
- 445 000 Kinder im Schulalter (7-15 Jahre)
- 128 000 Jugendliche von 15-18 Jahren

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Kinderarmut in Deutschland. Macht Armut krank und Reichtum gesund?
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V50298
ISBN (eBook)
9783638465434
ISBN (Buch)
9783638660921
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Folgen, Kinderarmut, Deutschland, Macht, Armut, Reichtum, Aktuelle, Probleme, Wirtschaftspolitik
Arbeit zitieren
Sabine Köhler (Autor:in), 2004, Kinderarmut in Deutschland. Macht Armut krank und Reichtum gesund?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50298

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