Leseprobe
I INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Soziale Nachhaltigkeit
2.1 Bestimmung des Sozialen
2.2 Indikatoren von sozialer Nachhaltigkeit
2.3 Einordnung von sozialer Nachhaltigkeit
2.4 Soziale Nachhaltigkeit als Aushandlungsprozess
3 Kommunikation
3.1 Sozial nachhaltige Kommunikation
3.2 Qualität von Public Relations
4 Modell
4.1 Modellierung sozialer Nachhaltigkeit
4.2 Kommunikations- und Aushandlungsprozess
4.3 Beispielhafter Aushandlungsprozess
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 EINLEITUNG
Nachhaltigkeit ist aus meiner Alltagswahrnehmung heraus ein derzeitiges Trendthema in der öffentlichen Diskussion, weshalb mich als Studentin der Kommunikationswissenschaft mit Gegenstand der öffentlichen Kommunikation dieses Thema im besonderen Maße interessiert. Zudem habe ich ein in meiner Person liegendes Interesse an ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Dies begründet meine Wahl von Seminaren am Institut für Soziologie mit Schwerpunktthema Nachhaltigkeit.
Wie sich aus dem Seminar „Modellierung sozialer Nachhaltigkeit“ von Prof. Dr. Matthias Grundmann und Benjamin Görgen ergab, ist die Dimension der sozialen Nachhaltigkeit neben ihren Schwester-Dimensionen der ökonomischen sowie ökologischen Nachhaltigkeit jedoch als relevantes Thema unterrepräsentiert, wobei gerade der soziale Aspekt in Nachhaltigkeit alle Dimensionen betrifft und sowohl das Ökonomische als auch das Ökologische stets in soziale Kontexte eingebettet ist. Auf die Erkenntnisse und Anregungen des genannten Seminares aus dem Wintersemester 2015/2016 bezieht sich dieses Essay.
In diesem Essay stelle ich meine Modellierung sozialer Nachhaltigkeit vor, die sich im Laufe des Seminares durch Gespräche und Kritiken zum vorgestellten Idealmodell entwickelt hat. Antrieb der Idee war mein Wollen, dass wirtschaftlich agierende Unternehmen sich sozial nachhaltig verhalten, weil sie aus meiner Sicht ein konstituierender Teil des Gesellschaftsgefüges sind und diese daher zum Einen eine hohe Verantwortung tragen und zum Anderen das monetäre Potential besitzen, sich im besonderen Maße sozial zu engagieren. Sozial nachhaltiges Verhalten von Unternehmen, als spezifische Form von Organisationen, bedeutet für mich, dass dieses nicht trotz der ökonomischen Absichten möglich ist, sondern dass ein solches Verhalten meiner Meinung nach im Handlungsspielraum von Unternehmen liegt und mit wirtschaftlichen Interessen vereinbar sein muss, damit es funktioniert.
Die Ausgangslage kann aufgrund meines Motivs und der eigenen Meinung in diesem Essay als normativ bezeichnet werden. Ich betrachte die sich aus meiner Perspektive ergebende Wirklichkeit und verknüpfe dieses mit dem erworbenen Wissen, um Wege der Gestaltung eines Modells zu finden, welches einen Idealtypus darstellt. Es soll eine Option sozial nachhaltigen Verhaltens aufzeigen, das sich aus meiner Sicht ergibt. Meine Modellierung in diesem Essay ist keinem Anspruch auf Richtigkeit verpflichtet. Es diente vor allem dazu, im Seminar die Diskussion zu fördern und auf diese Weise die Thematik der sozialen Nachhaltigkeit zu erarbeiten. Dank Grundmann und Görgen durfte ich erfahren, mich frei mit dieser Thematik auseinander setzen zu können und folge dieser Vorgehensweise auch in diesem Essay.
Meine modellleitende Hypothese lautet: „Wenn sich Unternehmen sozial nachhaltig verhalten, dann wird die Entwicklung zu sozial nachhaltigem Verhalten innerhalb der gesamten Gesellschaft gefördert.“ Da mein Modell die Kommunikation fokussiert, stelle ich als zweite, abgeleitete Hypothese zur Überprüfung: „Wenn die Kommunikation dabei sozial nachhaltig ist, ist der Effekt der sozialen Nachhaltigkeit größer.“ Dazu muss geklärt werden, was soziales Verhalten ist, wie soziale Nachhaltigkeit zu verstehen ist, welche Form der Kommunikation sozial nachhaltig ist und wie diese Begriffe im Modell angewendet werden. Auf diese Weise folgt als Resultat der Ausführungen das konstruierte Modell mit seiner Funktionsweise.
2 SOZIALE NACHHALTIGKEIT
Die Brundtland-Kommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen prognostizierte bereits 1987 eine Verringerung des Umwelt- sowie des Sozialkapitals der zukünftigen Generationen aufgrund der absichtsvollen Gewinnorientierung aktueller Generationen mit deren vollem Bewusstsein für dieses Dilemma (vgl. Hauff 1987: 9). Als Gegenkonzept zu diesem profitorientierten Verhalten, das sowohl der Umwelt als auch der Gesellschaft schaden würde, übertrug die Brundtland-Kommission die jahrhundertelang praktizierte nachhaltige Entwicklung der Forstwirtschaft auf die Problematik. Eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft bedeutet für die Brundtland- Kommission
„(…) eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. (Hauff 1987: 4)
Bezogen auf die Entwicklung unternehmerischer Nachhaltigkeit gibt es laut meiner Recherche keinen umfassenden wissenschaftlichen Ansatz, der beschreibt, wo Unternehmen derzeit im Feld der Nachhaltigkeit stehen oder wie und wohin sich Unternehmen diesbezüglich entwickeln. Einigkeit besteht jedoch darin, dass eine nachhaltige Entwicklung nur zu realisieren ist, wenn alle gesellschaftliche Gruppen sich engagieren und beteiligen (vgl. Michelsen/Godemann 2005: 19). Das schließt meines Erachtens nach Menschen in Unternehmen als eine Form gesellschaftlicher Gruppierung ein. Wenn ich also von Unternehmen ausgehe, meine ich damit stets die Menschen als Akteure, die ein Unternehmen bilden. Diese Form der Betrachtung halte ich für wichtig, da Unternehmen keine anonymen, abstrakten Gebilde sind, sondern sie deshalb bestehen, weil Menschen agieren. Der Mensch als agierendes, soziales Wesen bestimmt die soziale Dimension in der Nachhaltigkeitskonzeption und zeigt auf, dass sowohl in der ökonomischen als auch in der ökologischen Nachhaltigkeitsdimension der Mensch den sozialen Aspekt stets implizit mit einbringt. Das Kriterium der sozialen Nachhaltigkeit im Gesamtkonzept der nachhaltigen Entwicklung ist dabei besonders schwer zu bestimmen, wie Grundmann und Görgen im Seminar zu Beginn vermittelten und wie es im Seminarverlauf deutlich wurde.
2.1 BESTIMMUNG DES SOZIALEN
Mit Indikatoren sozialer Nachhaltigkeit setzten sich Claudia Empacher und Peter Wehling auseinander. Die Erkenntnis daraus, dass es schwer sei, eine objektive Beschreibung dessen zu liefern, was das „Soziale“ ist (vgl. Empacher/Wehling 1999: 3), deckt sich mit meiner Erfahrung, als ich mein Modell dem Seminar vorstellte. Eine nachgestellte Literaturrecherche innerhalb der soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Fachliteratur ergab eine differenzierte kontextbezogene Verwendung des Begriffs „sozial“. Wie ich noch darstellen werde, geht es in meinem Modell um kommunikative Aushandlungsprozesse von sozialer Nachhaltigkeit. Daher halte ich es für funktional, in diesem Zusammenhang eine umgangssprachlich konsensfähige Definition von „sozial“ zu verwenden. „Sozial“ bedeutet der deskriptiven Linguistik nach:
„a. das (geregelte) Zusammenleben der Menschen in Staat und Gesellschaft betreffend; auf die menschliche Gemeinschaft bezogen, zu ihr gehörend
b. die Gesellschaft und besonders ihre ökonomische und politische Struktur betreffend
c. die Zugehörigkeit des Menschen zu einer der verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft betreffend
d. dem Gemeinwohl, der Allgemeinheit dienend; die menschlichen Beziehungen in der Gemeinschaft regelnd und fördernd und den [wirtschaftlich] Schwächeren schützend“ (Duden 2015)
Mein Gesamteindruck bei dieser Definition lässt sich zu einer Arbeitsdefinition für meine Modellierung zusammenfassen:
Das Attribut „Sozial“ bezeichnet Beziehungen von Menschen zu Gruppen, der Gesellschaft und dem Staat, meint damit Gemeinschaft, die durch Regeln, Strukturen und Gemeinwohl konstituiert ist und charakterisiert positive Auswirkungen für die Allgemeinheit, für die Beziehungen und für wirtschaftliche Benachteiligte.
Das bedeutet, dass ein soziales Verhalten und soziale Ereignisse in meiner Modellierung Bezug nehmen zu den Beziehungen von Menschen untereinander zugunsten einer Gemeinschaft, in der ausnahmslos alle Menschen der jeweiligen Gruppe oder der Gesellschaft beinhaltet sind und dann etwas als sozial zu bezeichnen ist, das diese Beziehungen, die Gemeinschaft und die Gesellschaft in ihrer Konstitution auf positive Weise für alle Beteiligten fördert.
2.2 INDIKATOREN VON SOZIALER NACHHALTIGKEIT
Was bedeutet es also, wenn ein Ereignis oder ein Verhalten nicht nur sozial, sondern auch nachhaltig ist? Martha Nussbaum entwickelte Konzepte zur Messung der Lebensqualität, die als Indikatoren eines „guten Lebens“ gelten. Florin von Blanckenburg entwickelte im Kontext des Seminares ein Mind Map von Fähigkeiten, die als Indikatoren für soziale Nachhaltigkeit kulturenübergreifend herangezogen werden können, wenn man soziale Nachhaltigkeit mit einem guten Leben gleichsetzt.
In diesem Modell werden von den übergeordneten Kategorien Vertrauen, Vorstellung des Guten, Humor und Spiel, Sterblichkeit, Sozialist, körperliche Integrität, Gefühlserfahrung Getrenntsein/starkes Getrenntsein, Verbundenheit mit anderen/Natur und kognitive Fähigkeiten Kriterien für ein gutes Leben abgeleitet, welche Bedürfnisse, Eigenschaften, Fähigkeiten und Emotionen beschreiben. Für mich wäre soziale Nachhaltigkeit in diesem Sinne, wenn es jedem Menschen möglich ist, ein gutes Leben nach der Definition von Martha Nussbaum führen zu können und diese Möglichkeit auf Dauer sicher gestellt ist. Da das Modell nur den Menschen Mund sein Erleben behandelt, fehlen mir für eine Sicherstellung der Möglichkeiten die ökologischen Gegebenheiten und Einflüsse, die ein gutes Leben in seiner biologischen Form jetzt und in Zukunft berücksichtigen.
Konkreter befassen sich Claudia Empacher und Peter Wehling mit sozialer Nachhaltigkeit. Ihre Indikatoren ergeben sich aus vier Kernelementen sozialer Nachhaltigkeit: Existenzsicherung aller Gesellschaftsmitglieder, Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialressourcen, Chancengleichheit im Zugang zu Ressourcen und Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Die Indikatoren daraus wurden im Seminar von Marcel Heupel behandelt. Seine kritische Auseinandersetzung ergab, dass eine neue und verbesserte Ermittlung von Indikatoren überfällig sei. (Vgl. Heupel 2015: 4f.) Meine Aufmerksamkeit erhält vor allem der objektive Leitindikator „Human Poverty Index 2“, um Grundbedürfnisse darzustellen, denn dieser bezieht sich lediglich auf Bedürfnisse in Industrieländern und die Begründung, weshalb es keinen Indikator gibt, der auch Probleme in Schwellen- und Entwicklungsländern beschreibe, bringt für mich eine elementare Schwierigkeit hervor: kein Indikator könne im gleichen Maß die Bedürfnisse in den verschiedenen Länderkomplexen darstellen (vgl. ebd: 3). Bedürfnisse können so gravierend unterschiedlich sein, dass durch Wissenschaft, Politik, Journalismus oder NGO´s vorgegebene Indikatoren sozialer Nachhaltigkeit meines Erachtens nach keine Allgemeingültigkeit besitzen können, würden sie denn erhoben. Den Anspruch, den die Brundtland-Kommission erhebt und sich damit an die Politik der Länder richtet, sämtliche Bedürfnisse jetzt und Zukunft befriedigen und sicherstellen zu wollen, kann nach meiner Auffassung nicht durch politische Maßnahmen erfüllt werden, sondern kann sich nur eo ipso, aus sich selbst heraus entwickeln. Was für alle gleichermaßen sozial nachhaltig ist, müsste als Konventionen ausgehandelt werden.
Was genau soziale Nachhaltigkeit ist, was sie für die Gesellschaft, für die Menschen bedeutet, lässt sich hier nicht ermitteln. Unter Einbeziehung der Gespräche aus dem Seminar ziehe ich daraus den Schluss, dass es schwierig zu sein scheint, eine empirische Beschreibung dessen zu liefern, was soziale Nachhaltigkeit definiert. Wenn ich zwar nicht soziale Nachhaltigkeit in ihrer Beschaffenheit darlegen kann, so möchte ich sie zumindest auf der Makroebene einordnen können.
2.3 EINORDNUNG VON SOZIALER NACHHALTIGKEIT
Unklar bleibt der wissenschaftlichen Betrachtungsweise bei Empacher und Wehling, ob die soziale Dimension von Nachhaltigkeit als eigenständig betrachtet werden muss, oder ob sie als Unterstützung der ökologischen und ökonomischen Dimensionen fungiert (vgl. Empacher/Wehling 1999: 3).
Um pragmatische Anhaltspunkte zu finden, untersuchte ich den Schlussbericht der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, der sich an die Politik der Staaten richtet. Die soziale Dimension ist explizit im Inhaltsverzeichnis benannt, findet sich jedoch nicht eindeutig wieder, sondern in verschiedenen Formulierungen in verschiedenen Kapiteln. Die Darstellung im Inhaltsverzeichnis, nämlich dass die soziale Dimension gleichrangig neben der wirtschaftlichen benannt wird, gibt einen ersten Hinweis darauf, wie verwoben die sozialen Nachhaltigkeitsaspekte mit den wirtschaftlichen in diesem Papier sind. Es wird vor allem an mehreren Stellen in unterschiedlicher Form von einer Stärkung des Handels und einer Liberalisierung dessen geschrieben. Neben dem in den Vordergrund gerückten Ziel der Armutsbekämpfung innerhalb der sozialen Dimension sind zu erschließende Rohstoffmärkte in Entwicklungsländern ebenso behandelte Punkte wie Datensammlung. Alles in allem hinreichend unkonkret formuliert. (Vgl. Agenda 21: 1992) Armut als Mangel an Befriedigung von Grundbedürfnissen deckt dabei ein breites Spektrum an sozialen Benachteiligungen ab. Zu diesen Bedürfnissen gehören vor allem der:
„Konsum und die Sicherheit von Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausübung von Rechten, Mitsprache, Sicherheit und Würde sowie menschenwürdige Arbeit.“ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2016)
Ohne mich in Details zu verlieren ist mein Resümee der Agenda 21 eher kritisch und nicht vollständig, so dass ich von den Erkenntnissen des Schlussberichts der Rio-Konferenz in dieser Ausarbeitung abrücke, da ich finde, dass die Empfehlungen in dem Bericht nicht intersubjektiv nachvollziehbar sind. Es kommt meinem Eindruck nach auf die Perspektive an, wie man den Text auslegen kann. Ich kann nicht alle Ziele und Maßnahmen umfassend untersuchen, ob diese in ihrer Gesamtheit soziale Nachhaltigkeit fördern. Zu diesem Zeitpunkt bleiben zumindest bei mir Zweifel. Das bedeutet, dass ich mich nicht auf die Nachhaltigkeitsstrategien des deutschsprachigen Raums Deutschland, Österreich und der Schweiz beziehen kann, die sich aus der Agenda 21 ergeben (vgl. Bundesamt für Raumentwicklung 2012; Die Bundesregierung (2016); Ministerium für ein lebenswertes Österreich (2015)). Vielleicht lautet die Antwort auf die Frage nach der Eigenständigkeit der sozialen Dimension aufgrund meiner Interpretation der Agenda 21, dass die soziale Dimension der wirtschaftlichen untergeordnet ist. Da ich oben bereits angeführt habe, dass ich Unternehmen in der Form sehe, dass sie nur deshalb bestehen, weil Menschen agieren, ziehe ich daraus die Konsequenz, meinem eigenen Verständnis zu folgen und verstehe die soziale Dimension nicht allem untergeordnet, sondern der ökonomischen übergeordnet und der ökologischen Dimension gleichwertig nebengestellt, da der Mensch nicht nur ein soziales, sondern auch ein biologisches, natürliches Wesen ist.
2.4 SOZIALE NACHHALTIGKEIT ALS AUSHANDLUNGSPROZESS
In diesem Sinne betrachte ich die Ausführungen einer humanökologischen Perspektive von Wolfgang Serbser und interpretiere seine Ausführungen zu sozialer Nachhaltigkeit so, dass diejenigen Bedingungen gesichert sein müssen, die die Existenz der Gesellschaft möglich machen und diejenigen, möglicherweise anderen Bedingungen gesichert werden müssen, die eine Existenz auch in Zukunft möglich machen. Des Weiteren sollte dabei die Wechselwirkung von Mensch und Umwelt sowie von Gesellschaft und Natur berücksichtigt sein. Wichtig in Serbsers Ausführung ist für mich sein Verweis, dass ein allgemeiner Standard sozialer Nachhaltigkeit nur gefunden werden kann, wenn über die aktuellen und künftigen Voraussetzungen und Bedingungen nachgedacht werde. (Vgl. Serbser 2004: 330) Dieses Nachdenken über Voraussetzungen und Bedingungen, auch möglichen anderen in der Zukunft, beschreibt für mich einen offenwährenden Prozess, in dem ein Austausch stattfindet und temporäre Einigkeit darüber gefunden wird, was diese Voraussetzungen und Bedingungen für soziale Nachhaltigkeit sind.
Meiner Meinung nach betrifft soziale Nachhaltigkeit die gesamte Gesellschaft, also findet für mich ein solch geforderter Austauschprozess kontinuierlich und nicht endend in der gesamten Gesellschaft statt, in allen gesellschaftlichen Gruppen, deren Engagement und echte Beteiligung ein wesentlicher Faktor für eine Realisierung nachhaltiger Entwicklung sind, wie in Kapitel 2 beschrieben. Für meine Modellierung sozialer Nachhaltigkeit bedeutet es, dass das, was soziale Nachhaltigkeit letztlich ist, der gesellschaftlichen Aushandlung bedarf, veränderbar ist und der auch zwischen den Unternehmen und der Unternehmensumwelt im Sinne von gesellschaftlichen Gruppierungen stattfinden kann und für mich im Idealfall auch stattfindet.
Gesellschaftliche Gruppen und die Menschen in diesen haben nicht immer die gleichen Bedürfnisse, Wertvorstellungen oder Regeln des Zusammenlebens. Besonders unterscheiden sich Unternehmen und die Unternehmensumwelt in ihren Interessen voneinander, die teilweise konträr zueinander stehen. Das ökonomische Interesse eines Unternehmens kann beispielsweise entgegensetzt zu ökologischen Interessen spezifischer Gruppen stehen. Die Unterschiede zueinander sind vielfältig. Es gibt eine Vielzahl von Ungleichheit zwischen verschiedenen Gruppen, die Serbser als gesellschaftlich ausgehandelt beschreibt. Es müsse gemeinsam akzeptierte Konventionen geben, die eine Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen bedürfe (vgl. Serbser 2004: 340).
3 KOMMUNIKATION
So muss es allen Gruppen möglich sein, an den wechselseitigen Austausch- und Kontrollprozessen teilnehmen zu können; es muss allen Gruppen möglich sein, mit anderen Gruppen zu kommunizieren. Ebenso muss ermöglicht werden, exklusive Räume zu nutzen, um ihre Selbstidentität leben zu können. Der Kommunikationsprozess zwischen den Gruppen in ihrer Unterschiedlichkeit fördert die Differenziertheit und Vielfältigkeit der Gesellschaft. (Vgl. ebd.: 341) Laut Luhmann ist die Gesellschaft ein geschlossenen System, das nur durch Kommunikation beobachte und sich nur durch Kommunikation selbst regulieren könne (vgl. Luhmann 2008: 41f.) und auch Serbser hält Kommunikation zwischen unterschiedlichen Gruppen für unerlässlich. Dabei ist ein Kriterium der Qualität von Kommunikation, dass sicher gestellt sein muss, dass alle Gruppen am Diskurs um die gesellschaftliche Konvention über soziale Nachhaltigkeit teilnehmen können. (Vgl. Serbser 2004: 341)
3.1 SOZIAL NACHHALTIGE KOMMUNIKATION
Qualität von Kommunikation bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, dass sie sozial nachhaltig ist. An dieser Stelle mag diese Aussage wie ein logischer Zirkel erscheinen, denn was als sozial nachhaltig gilt, ist nach meinem Modell gesellschaftlich aushandlungsbedürftig, so dass eine solche Bezeichnung von Kommunikation nicht definiert werden kann. Des Weiteren ist soziale Nachhaltigkeit laut Grundmann kein Zustand, sondern ein Prozess, so dass ich „sozial nachhaltig“ nicht als zustandsbeschreibendes Attribut verwenden möchte, obschon es sprachlich so gesetzt ist. Für mich unterstreicht das innenwohnende Prozesshafte in „sozial nachhaltig“ zugleich die Kommunikation als einen Prozess und ich denke, dass sich gewisse Qualitätsmerkmale ermitteln lassen.
Auf der Mikroebene betrachtet halte ich nicht nur die Teilhabe per se für wichtig, sondern auch, dass diese für alle gleichwertig ist. Alle Menschen müssen die gleichen Chancen haben, sich innerhalb der Kommunikation, die hier als soziale Interaktion verstanden wird, auf dieselbe Weise äußern zu können. Nach Jürgen Habermas´ muss jeder jederzeit Diskurse eröffnen sowie durch Rede, Gegenrede, Frage und Antwort sich äußern können. Da mein Modell Aushandlungsprozesse behandelt und idealistisch orientiert ist, verwende ich die Theorie Habermas´ zum Diskurs, zur idealen Sprechsituation. Als zweite Bedingung führt Habermas an, dass alle Diskursteilnehmer die Chance haben müssen, Deutungen, Behauptungen, Empfehlungen, Erklärungen und Rechtfertigungen aufzustellen und deren Geltungsanspruch zu problematisieren, zu begründen oder zu widerlegen, so dass keine Vormeinung auf Dauer der Thematisierung und der Kritik entzogen bleibt. Zum Diskurs sind nach Habermas nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde gleiche Chancen haben, repräsentative Sprechakte zu verwenden; das heißt ihre Einstellungen, Gefühle und Wünsche zum Ausdruck zu bringen und durch Wechselseitigkeit zusammen zu finden. Als vierte Bedingung benennt Habermas die Gleichwertigkeit der Sprecher, regulierend in den Diskurs eingreifen zu können, andere seien nicht zugelassen. Alle müssten die gleiche Chance haben zu befehlen, sich zu widersetzen, zu erlauben, zu verbieten, Versprechen zu geben und Versprechen abzunehmen, Rechenschaft abzulegen und zu verlangen sowie weitere Möglichkeiten der Regulation. (Vgl. Habermas 1995: 177f.) Dass reale Situationen diesen Bedingungen selten entsprechen ist nachvollziehbar. Jedoch halte ich die Ausführungen von Habermas für einen erstrebenswerten Anspruch, der, wenn er auch nur zu siebzig Prozent erfüllt würde, für mich erfolgreich wäre; unabhängig zunächst vom Ergebnis des Diskurses.
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