Hauttextur und weibliche Schönheit


Diplomarbeit, 2000

78 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


INHALTVERZEICHNIS

2 ZUSAMMENFASSUNG

3 VORBEMERKUNGEN UND DANKSAGUNGEN

4 PHYSISCHE ATTRAKTIVITÄT
4.1 DIE GESCHICHTE ÄSTHETISCHEN DENKENS UND ERLEBENS
4.2. GESICHTSSCHÖNHEIT
4.2.1 Einführung und Begriff
4.2.2 Variablen der Gesichtsschönheit
4.2.2.1 Das Regelmaß
4.2.2.2 Das Kindchenschema
4.2.2.3 Das Mensch- und Partnerschema
4.2.2.4 Gesundheit und Jugendlichkeit
4.2.2.5 Die dominante Sozialbestimmung
4.2.2.6 Das gelernte Normalgesicht
4.2.2.7 Gesichtsschönheit im Umfeld der Speisebevorzugung
4.3 DARWIN`SCHE ÄSTHETIK: DAS GESICHT ALS SCHAUPLATZ VON SELEKTIONSPROZESSEN?
4.3.1 Schönheit und das Auge des Betrachters: Weibliche Attraktivität aus der Sicht der Evolutionären Psychologie
4.3.2 Das Hamilton-Zuk-Paradigma der Parasitenresistenz
4.3.3 ”Good Genes”: Zahavi’s Handikap Prinzip
4.4 DIE HAUT - INTEGUMENTUM COMMUNE
4.4.1 Allgemeines
4.4.2 Epidermis
4.4.3 Dermis
4.4.4 Tela subcutanea
4.4.5 Physiologisch bedingte Veränderungen der Haut

5 HYPOTHESEN

6 DIE UNTERSUCHUNG
6.1 MATERIAL
6.1.1 Morphing und Warping
6.2 VERSUCHSABLAUF
6.3 AUSWERTUNG
6.3.1 Grundlagen der digitalen Bildverarbeitung
6.3.1.1 Überblick
6.3.1.2 Digitalisierung von Schwarz/Weiss-Bilddaten
6.3.2 Verarbeitung des Datenmaterials
6.3.2.1 Charakterisierung digitalisierter Bilder
6.3.2.2 Texturanalyse
6.3.2.2.1 Überblick
6.3.2.2.2 Die Cooccurrence-Matrix
6.3.2.2.3 Weitere Variablen in der Untersuchung
6.3.2.2.2 Bildanalyse mit dem ”Facial Explorer”
6.4 ERGEBNISSE
6.5 DISKUSSION

7 LITERATURVERZEICHNIS

8 ÜBER DEN AUTOR - CURRICULUM VITAE

2 Zusammenfassung

In vielen empirischen Studien hat sich gezeigt, daß Composites (Mittelwertbilder) weiblicher Gesichter attraktiver eingestuft werden als die Ausgangsbilder selbst (LANGLOIS & ROGGMAN, 1990; GRAMMER & THORNHILL, 1993; PERRETT, MAY & YOSHIKAWA, 1994).

Dies hat zur Behauptung geführt, daß Attraktivität ”Durchschnitt” sei. Allerdings zeigt sich auch, daß Durchschnittsgesichter zwar attraktiv, nicht aber die attraktivsten sind (ALLEY & CUNNINGHAM, 1991). Die Methoden der Forschungen in diesem Gebiet konzentrieren sich vor allem auf die morphometrische Veränderung von Composites mittels Grafikprogrammen am Computer und die Beobachtung deren Auswirkungen.

Bisher sehr wenig beachtet worden ist dabei der Einfluß der Hautoberfläche auf die Attraktivität eines Gesichtes. Der Grund dafür dürfte die Schwierigkeit sein, ein valides Maß für die Beschaffenheit der Hautoberfläche zu finden. In dieser Untersuchung bediente ich mich eines typischen Hilfsmittels der Texturanalyse, der sogenannten Cooccurrence-Matrix (auch Spatial Greylevel Dependence Matrix - SGLD - oder Grauwertübergangsmatrix genannt). Dabei wird versucht die Grauwertverhältnisse in der näheren Umgebung eines aktuellen Pixels zu beschreiben und somit zu aussagekräftigen Parametern für die Beschaffenheit der Haut zu gelangen.

In dieser Untersuchung wurden von den insgesamt hundert Bildern einer Photo-CD- ROM des japanischen Photographen Akira Gomi, die schon in einer früheren Studie hinsichtlich ihrer Attraktivität beurteilt worden waren, 20 Photos weiblicher Stimuluspersonen aller Attraktivitätsstufen ausgewählt und auf ein aus allen 100 Gesichtern gemorphtes Durchschnittsgesicht gewarpt. Durch dieses Verfahren wurde der Einfluß der Gesichtsform weitgehend reduziert und eine Attraktivitätsbeurteilung mußte nun vor allem Ausdruck der Beschaffenheit der Gesichtsoberfläche beziehungsweise der Textur sein.

Siebenundzwanzig männliche Versuchspersonen hatten die Aufgabe an einem Personal Computer die randomisiert gebotenen Stimulusgesichter hinsichtlich zehn Eigenschaften zu beurteilen. Die so erhaltenen Ratings wurden mit den Parametern aus der Cooccurrence- Matrix, die auf die Gesichter angewendet wurde, korreliert. Es zeigt sich ein Trend, in bezug auf die Hautoberfläche homogenere Gesichter als attraktiver einzustufen. Dieser Trend stabilisiert sich bei wachsender Stichprobengröße. Ein Einfluß der Beschaffenheit der Hautoberfläche auf die Attraktivitätsbeurteilung konnte somit nachgewiesen werden, wobei doch auch Einschränkungen anzumerken sind.

Alle Operationen wurden bei zweidimensionalen Gesichtern durchgeführt. Es ist zweifellos so, daß dadurch Information über ein Gesicht verloren geht, die wir in Wirklichkeit aber erhalten. Um also ein noch genaueres Abbild der Realität zu schaffen wird es notwendig sein, sich auch bei diesen Untersuchungsmethoden in die dritte Dimension zu begeben. Zur Zeit gibt es dabei aber noch zu viele Probleme um wirklich sinnvolle Aussagen treffen zu können. Dennoch kann man vermuten, daß sich uns nach Bewältigung dieses Schrittes eine Fülle neuer Möglichkeiten zur Beschreibung physischer Attraktivität auftun werden.

3 Vorbemerkungen und Danksagungen

”Tempora mutantur - Die Zeiten ändern sich...”, so auch in der Ethologie, einem Forschungsgebiet der Biologie, das sich bei weitem nicht mehr ausschließlich klassischer Beobachtungsmethoden bedient, sondern zusehends interdisziplinär arbeitet. Auch hier sind mathematische und informatische Hilfsmittel nicht mehr wegzudenken und glücklicherweise versteht man es immer besser, ursprünglich technische Anwendungen für die Verhaltensforschung brauchbar zu machen.

Eine der neuen Methoden in der Verhaltensbiologie ist die digitale Bildanalyse, die es gestattet Bilddaten in rechnerkonforme Datenformate zu transformieren und sie so einer Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. In dieser Arbeit soll durch die Verwendung der Texturanalyse, einem Anwendungsgebiet der digitalen Bildverarbeitung, gezeigt werden, wie sehr sich die Verhaltensforschung weiterentwickelt hat. Neben einer ausführlichen Beschreibung der verwendeten Techniken wird aber auch auf die klassische Anthropologie verwiesen, die mit der morphologischen Beschreibung der Primaten bis hin zum Homo sapiens ein wichtiges Fundament für die Beantwortung der Frage nach den Determinanten menschlicher Attraktivität in evolutionsbiologischer Sicht bietet.

Viele Menschen waren für meine seelische und geistige Entwicklung im Laufe meines Studiums wichtig. Ich schulde ihnen allen großen Dank und hoffe, das nicht nur durch diese Arbeit ausdrücken zu können.

Besondere Unterstützung beim Verfassen dieser Diplomarbeit bekam ich von Herrn Univ. Prof. Dr. Karl Grammer, der mir immer wieder mit Anregungen zur Seite stand, von Frau Dr. Katrin Schäfer, die für viele meiner Anliegen immer ein offenes Ohr hatte, und von Herrn Dr. Martin Fieder, der mich in Fragen der Computerprogrammierung unterstützte. Auch bei allen anderen Mitarbeitern und Freunden des Instituts für Humanbiologie der Universität Wien sowie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Stadtethologie möchte ich mich auf diesem Wege herzlich bedanken. Herrn Univ. Prof. Hans G. Feichtinger vom Institut für Mathematik der Universität Wien danke ich herzlich für seine Bemühungen, mir Grundlegendes über die Anwendungen der Fourier Transformation in der digitalen Bildverarbeitung zu erklären.

4 Physische Attraktivität

4.1 Die Geschichte ästhetischen Denkens und Erlebens

Wie in so vielen menschlichen Verhaltensbereichen ist die Geschichte für die Bildung eines Konzeptes und schließlich auch für das Erleben selbst ein entscheidender Faktor. Bevor in dieser Arbeit näher auf das, was man als ”schön” empfindet und bezeichnet, eingegangen wird, soll zuerst ein Blick in die Vergangenheit ein wenig Klarheit über die Wandlung des ästhetischen Erlebens bringen.

Aus der Antike ist eine Vielzahl von Schriften zur Ästhetik überliefert, die uns einen Eindruck vermitteln, welche Erklärungen man für das ”Schöne” hatte. Regelmäßigkeit, Symmetrie und Maß standen in den Ästhetiken nach den Pythagoräern im Vordergrund. Es wird auch das ”Mittlere”, das Kanonische gelobt, weil es genau die Symmetrie aller Maße enthält. Dieser Gedanke ist gerade mit dem heutigen Stand der Attraktivitätsforschung äußerst beachtenswert und wird uns auch in dieser Arbeit noch des öfteren begegnen. Die antiken Statuen, die nach Proportionskatalogen gestaltet wurden, dienten noch den Gesundheitsbüchern des 19. Jahrhunderts als Vorbild idealer Schönheit. So wird eben auch das ästhetische Ideal des schönen Menschen nahezu bis zur Jetztzeit von den ästhetischen Theorien der Antike beeinflußt.

Trotz der oftmaligen Betonung der Proportionen des Menschen fordern zum Beispiel die griechischen Ästhetiker auch die Gewichtung des Ausdrucks. Sie meinen, daß diejenigen Menschen schöner anzusehen wären, bei denen gute Eigenschaften durchscheinen. Schönheit erscheint also als ”Symptom” des edlen und guten Charakters. Auch wenn eine Differenzierung in ”gut” und ”schlecht” in bezug auf den menschlichen Charakter in dieser Form keine relevante Aussage darstellt, scheint das Prinzip, das dahintersteht doch einer näheren Betrachtung würdig zu sein. Es begegnet uns, wenn auch in abgeänderter Form, auch in modernen, ganzheitlichen Ansätzen der Medizin und Psychologie wieder.

Es wird hier als unbestritten vorausgesetzt, daß zum Beispiel ein zufriedener Mensch einen anderen Gesichtsausdruck besitzt als ein unzufriedener. Auch sein psychisches Gleichgewicht wird sich, von weniger kognitiven Dissonanzen charakterisiert, eher in einem

homöostatischen Zustand befinden (FESTINGER, 1957). Nach Meinung der Psychoneuroimmunologie (SCHEDLOWSKI, 1996) und der psychosomatischen Ansätze in der Psychologie, erfährt der Mensch dadurch eine Rückmeldung, die sich dementsprechend positiv auf die Regelprozesse des Körpers auswirken können. Wohlbefinden und Gesundheit scheint sich also sehr wohl im Ausdruck des Menschen widerzuspiegeln und ich werde im Abschnitt 4.4.5 noch genauer auf die Bedeutung dieser Erkenntnis für die Attraktivitätsforschung eingehen.

Zu den ästhetischen Theorien der Antike zurückkehrend werden wir sehen, daß immer mehr der damaligen intuitiven Erkenntnisse auch heute ihre Entsprechung gefunden haben. So wird früher zum Beispiel immer wieder betont, wie das Gute und das Nützliche im Schönen aufgeht. Auch dies findet in heutigen Theorien von der Gesichtsschönheit eine Parallele.

Die Renaissance übernimmt die Konzepte der antiken Philosophen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Proportion und dem Verhältnis von Größen geschenkt. Man sucht die ”richtige” Proportion für menschliche Schönheit. Bei Frauen werden außerdem blonde Haare, dunkle Augenbrauen und Augen sowie die weiße Haut gelobt.

Das Mittelalter hebt Einzelmerkmale der Körperschönheit hervor, wie die weiße Haut der Frauen, ein feines langes Gesicht, eine hochangesetzte Nase, schmale rote Lippen, harmonische Züge, dunkle Augen und blonde Haare oder feste Brüste, die mit Nüssen verglichen werden. Der Teint spielt eine wichtige Rolle, weil man mit ihm auch psychische Eigenschaften assoziiert. Die weibliche Haut sollte weiß, glatt und weich sein. Auch die Bilder der Zeit zeigen Schönheiten von hellerer Hautfarbe, als wir sie heute bevorzugen. Einem helleren Teint wird ein sanguinisches Temperament zugeschrieben, während man bei einem melancholischen Menschen eine dunklere Hautfarbe erwartet. Die Einmischung Rot im Teint gilt als Garant der Gesundheit und der männlichen Liebesfähigkeit.

Solche Typologien haben sich in der differentiellen Psychologie und Persönlichkeitsforschung recht lange gehalten. Im allgemeinen gelten die Theorien von Kretschmer und Sheldon heute aber als überholt und haben nur noch traditionellen Charakter (AMELANG & BARTUSSEK, 1994). Man hat erkannt, daß eine Klassifizierung in nur vier verschiedene Typen zu grob wäre. Dennoch sind es auch solche Ansätze, die auf einer gewissen Art von Beobachtung beruhen nicht so einfach von der Hand zu weisen. Gerade das

Beispiel des Zusammenhanges von Liebesfähigkeit und Hautrötung wird uns noch näher zu interessieren haben.

Wir sehen, daß es für die Künstler der Jahrhunderte nicht leicht war, Gesichtsschönheit zu verwirklichen. Schwankungen im Schönheitsempfinden der Menschen mögen bei im Prinzip unverändertem Schönheitsurteil auch durch den Wechsel von beachteten Merkmalen zustande gekommen sein. Möglicherweise ist hier gerade der Punkt erreicht, wo es an der Biologie gelegen ist, diese unveränderten Schönheitsurteile als eine Determinante unseres Verhaltens, bestimmt durch unsere biologische Konstitution und unser Wesen, darzustellen.

4.2. Gesichtsschönheit

4.2.1 Einführung und Begriff

”Uns allen ist es ein Rätsel, daß unter so vielen Millionen Gesichtern keines dem anderen gleicht ...”, meinte Sir Thomas Browne, und er drückte damit eigentlich schon eines der großen Probleme aus, das sich ergibt, wenn man von Schönheit spricht. Bevor ich beginne Schönheit und Attraktivität zu untersuchen muß ich wissen, wie sie sich eigentlich definiert. Das erscheint bei genauer Betrachtung gar nicht so einfach zu sein, unterliegen die Maßstäbe und Einschätzungen der Menschen doch einer großen Variation. Immer wieder sucht man aber nach Gemeinsamkeiten und Rahmenbedingungen innerhalb derer sich Vielfalt entwickeln kann. Es scheint, daß eine Erleichterung der Wahrnehmung (auf den verschiedenen Stufen der Reizanalyse) im Dienste der ”erweiterten Wahrnehmung” ästhetische Empfindungen auslöst (SCHUSTER, 1985) . Auf dieses Problem, mit dem sich die Neuroästhetik (MÜLLER, 1993) befaßt, werde ich später noch zurückkommen.

Eine weitere Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff der Schönheit besteht darin, daß er auch metaphorisch verwendet werden kann. Schön wird oft mit gut gleichgesetzt, und die ästhetische Empfindung und die positive Einschätzung eines Gegenstandes gehen ineinander über. Die enge Beziehung dieser Problematik zur menschlichen Attraktivitätsforschung kommt in zahlreichen Arbeiten zum Ausdruck (DION, BERSCHEID & WALSTER, 1972; JOHNSTON & FRANKLIN, 1993; SYMONS, 1995) . Ein objektiver Blick in das psychische Geschehen eines

anderen ist uns auf diesem Gebiet noch verwehrt. Fest steht allerdings, daß es hier keine einfachen Reiz-Reaktions-Konstellationen gibt, sondern vielmehr hochkomplexe Informationsverabreitungsprozesse des Gehirns tätig sind, die auch einen ästhetischen Kontrast betonen. Johnston und FRANKLIN (1993) scheinen mit der Frage ”Is beauty in the eye of the beholder” nur jenen Teil der Informationsverabreitung unseres Gehirns ansprechen zu können, der eintreffende visuelle Reize betrifft. In der Folge scheint es aber notwendig zu sein, SYMONS’ (1995) Erklärung zu akzeptieren: ”Beauty is in the adaptations of the beholder”. Ähnlich dem Modell zur Entwicklung der Intelligenz von PIAGET (1975) scheint die Wahrheit in einer Synthese von Akkomodation und Assimilation der Reize zu liegen.

4.2.2 Variablen der Gesichtsschönheit

Im Rahmen der Attraktivitätsforschung wurden im Laufe der Zeit verschiedene Ansätze verfolgt, um Gesichtsschönheit zu erklären, die jeweils unterschiedliche Merkmalsgruppen in den Vordergrund heben. Bisher zeigt sich aber, daß alle Ansätze zwar ihre Berechtigung haben, trotzdem aber keine zureichende Erklärung für die Variable ”Schönheit” bieten können. Selbst eine Kombination aller Modelle, die überdies sehr schwer zu erstellen und faßbar ist, scheint dafür keine Lösung zu bieten. In Anlehnung an Schuster (SCHUSTER, 1993) sollen hier einige der bisherigen Gedanken kurz vorgestellt werden, wobei deren zumeist noch hypothetischer Charakter betont werden muß.

4.2.2.1 Das Regelmaß

Wie wir schon bei den Ästhetikern der Antike gehört haben, zielt auch dieser Ansatz auf die ideale Proportion eines Gesichtes ab. Allerdings folgen viele besonders schöne Gesichter diesem Ansatz nicht (ALLEY & CUNNINGHAM, 1991). Absolut spiegelbildliche Gesichter wirken starr und langweilig. MORRISON (1978) hat hierzu die These der ”broken symmetry” entwickelt, nach der kleine Abweichungen von der Regelmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit erwecken. Große Abweichungen von der Lateralsymmetrie, wie eine schiefe

Nase, schiefe Zähne oder ein schiefes Auge, werden aber allgemein als schönheitsmindernd empfunden.

4.2.2.2 Das Kindchenschema

Hier wird behauptet, daß die Ähnlichkeit des Erwachsenengesichtes mit dem typischen Kleinkindgesicht, wie es von LORENZ (1943) als ”Kindchenschema” beschreiben wurde, im Sinne eines Triggersignals Zuwendung und Pflegeinstinkte auslöst. HÜCKSTEDT (1965) konnte zeigen, daß Personen in der Tat Präferenzen für Merkmalskombinationen eines Kindergesichtes, wie ein kleiner Mund, Pausbacken, große Augen und eine hohe Stirn, zeigen. Man hat außerdem festgestellt, daß dieses Kindchenschema bei Frauen vermehrt Lächeln auslöst (FRIDLUND, 1996). Die Funktion dieses Schemas wird als Signal der Submission beschrieben. BROWNLOW UND ZEBROWITZ (1990) zeigen, daß Leuten, die ein Kindergesicht besitzen, auch kindliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Auch bei Erwachsenen werden kindliche Merkmale des Gesichtes als Signale der Submission und Abhängigkeit interpretiert. GRAMMER UND ATZWANGER (1994) kommen allerdings zum Schluß, daß bei der Betrachtung des Kindchenschemas als Triggersignal, dieses seine spezifische Wirkung in erster Linie in der Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern hat und meinen, daß dort auch die Interpretation der Signale als submissiv und kindlich angebracht ist. Im Bereich der Partnerwahltheorien hat das Kindchenschema wenig Beständigkeit, da es für Männer nicht sinnvoll erscheint, eine Partnerin zu suchen, die kindliche Verhaltensweisen besitzt.

4.2.2.3 Das Mensch- und Partnerschema

In diesem Ansatz wird vermutet, daß das menschliche Gesicht ein gewisses Mensch- Schema erfüllen muß. Es darf nicht zu tierisch, schnauzenartig aussehen. Solche Mechanismen sind scheinbar auch kulturübergreifend wirksam. Auch uns gefällt zum Beispiel die starke Frontalität asiatischer Gesichter. Die Behaarung des Gesichtes ist nur begrenzt schön. Der männliche Bart wird oft rasiert, weil eben die nackte Haut mit ihrer spezifischen Farbe und

ihrem spezifischen Glanz das Merkmal des Menschen ist. Haare an der falschen Stelle beeinträchtigen das Aussehen erheblich. Weibliche Augenbrauen müssen eine empfindliche Balance zwischen Sichtbarkeit und Haarlosigkeit leisten, wogegen ein Damenbart in keiner der uns bekannten Kulturen zugelassen ist.

4.2.2.4 Gesundheit und Jugendlichkeit

Viele Merkmale eines schönen Gesichtes sind auch Merkmale eines gesunden Gesichtes: die reine Haut, die leichte Rötung der Haut (der Teint), die weißen Zähne oder auch der weiße Augenhintergrund. Akne, Melanome und andere Hautveränderungen werden als extrem häßlich empfunden. Die möglichen Ursachen für eine derartige Wirkung von zumeist physiologisch bedingten Erkrankungen und Veränderungen der Haut werden uns im Kapitel

4.4.5 noch beschäftigen zumal sich auf diesen auch evolutionspsychologische Thesen stützen.

Vorweg sei gesagt, daß bei der Beurteilung der Gesichtsschönheit hier sicher auch ”assoziative” Faktoren kommen. Wenn man weiß, daß ein bestimmtes Merkmal (zum Beispiel eine Hautrötung) eine Krankheit verrät, wird der gleiche Teint, der vorher noch als schön hätte gelten könne, kaum mehr als bevorzugbar wahrgenommen. Auch übergroße Gesichtszüge werden in diesem Sinne als krankhaft gesehen, und wir wissen, daß zahlreiche humangenetische Anomalien solche Erscheinungsbilder erzeugen können.

Besonders bei der Frau hängt die Fortpflanzungsfähigkeit vom Alter ab, und eine Beurteilung der Frau als Partnerin wird auf Merkmalen der Jugendlichkeit aufbauen. Mit zunehmendem Alter etwa ergeben sich charakteristische Pigmentveränderungen in der Haut, die auch sichtbar wahrgenommen werden können (BOLOGNIA, 1995; CASTENET, 1997) .

4.2.2.5 Die dominante Sozialbestimmung

Schuster sieht die dominante Sozialbestimmung des unbewegten Gesichtes als wesentliche Grundlage der Gesichtsschönheit (SCHUSTER, 1993). Er versteht darunter die Stimmung, die das unbewegte Gesicht durch seine Physiognomie vermittelt. Ein ”fliehendes” Kinn wirkt daher ängstlich, die Hakennase zurückweisend nach hinten gebogen, ablehnend,

während die begierig aufgeblähten Nüstern zum Merkmal weiblicher Schönheit werden, indem sie signalisieren, daß man das Gegenüber gerne riecht. Die Verarbeitung von Gesichtsmerkmalen scheint sich aber nicht nur an die Möglichkeit der Ausdrucksbewegung zu halten, wie die Beispiele von Stirn und Kinn zeigen. Dies ist insofern interessant, als hier die Änderung der Gesichtsmorphologie im Zuge der Hominidenevolution plötzlich eine große Bedeutung zu bekommen scheint. Es sind nicht nur unsere Emotionen und der damit vermittelte Ausdruck von Bedeutung, sondern auch die Anatomie und Morphologie unseres Schädels selbst. Aus diesem Grund werde ich mich im folgenden Abschnitt 5 in einem kurzen Exkurs ein wenig mit unserer Stammesgeschichte befassen.

4.2.2.6 Das gelernte Normalgesicht

Menschen lernen natürlich auch das in der Kultur übliche Gesichtsschema als Normalgesicht, wie man zum Beispiel auch lernt, die in der Kultur übliche Speise zu bevorzugen. Man könnte argumentieren, daß dieses Normalgesicht besonders ”leicht” wahrzunehmen ist.

Auch dieser Ansatz wurde in der Attraktivitätsforschung weiterverfolgt und aus ihm entstand die sogenannte ”Prototypentheorie”. Ihr zufolge ist ein Gesicht um so attraktiver, je weniger es von dem in unserem Gehirn gespeicherten Durchschnittstyp (Prototyp) abweicht. Müller erklärt diese ”Neuroästhetik” nach dem Schlüssel-Schloß-Prinzip (HASSEBRAUCK & NIKETTA, 1993). Wenn Stimuli (Schlüssel) genau zu den neuronalen Verarbeitungssystemen (Schlösser) passen, dann ergibt sich eine schnellere und effizientere Verarbeitung und somit eine hohe Harmonie im System. Die Effizienz ist gerade für das visuelle System aufgrund der enormen Zahl an Stimuli entscheidend und es liegt nahe, daß sich das Gehirn solcher und ähnlicher Prototypisierungsmechanismen bedient um möglichst rationell zu arbeiten. Durch den ständigen Konflikt, möglichst viel Informationen zu erwerben und einer möglichst effektiven Verarbeitung muß das Gehirn mit ”Tricks” arbeiten um die Verarbeitungsgeschwindigkeit zu steigern. Es benutzt konstante Bedingungen der objektiven Welt, um zu schnellerer und einfacherer Verarbeitung von Denkzwängen zu kommen. RIEDL (1984) hat hierfür mehrere Hypothesen vorgeschlagen auf die hier nur verweisen werden kann.

4.2.2.7 Gesichtsschönheit im Umfeld der Speisebevorzugung

SCHUSTER (1985, 1992) ist der Meinung, daß solche Gesichter, die man schön findet, Merkmale reifer, eßbarer und leckerer Früchte haben. Er stützt diese auf den ersten Blick etwas befremdliche These auf zahlreiche Aussagen und Metaphern, die Vergleiche zwischen Früchten und etwa Lippen, Brüsten oder menschliche Haut finden. Außerdem betont er den Akt des Küssens als Rest eines Rituals zur Fütterung mit deutlicher Beiß- und Verzehrlust. Geformte Rundlichkeit und reife, rote Farben (geschminkte Lippen) sind Merkmale des schönen Gesichtes, wie der reifen Frucht. Diese in der Tat umgangssprachlich häufig verwendeten Attribute und Vergleiche stellen aber nicht viel mehr als einen Gedanken dar und Schuster selbst betont, diesen vorläufig nur zur Diskussion zu stellen (HASSEBRAUCK & NIKETTA, 1993) .

4.3 Darwin`sche Ästhetik: Das Gesicht als Schauplatz von Selektionsprozessen?

4.3.1 Schönheit und das Auge des Betrachters: Weibliche Attraktivität aus der Sicht der Evolutionären Psychologie

NANCY ETCOFF (1994) schreibt:

”A beautiful human face inspires pleasure and interest and often attracts riveted attention. But what constitutes beauty? There must be some general understanding of the concept, however vaguely defined”

Tatsächlich sind viel Versuche unternommen worden Schönheit zu erklären, keiner aber konnte bisher ein hinreichendes Modell zur Erklärung bieten. Nach dem heutigen Stand unseres Wissen scheint es jedoch nicht so zu sein, daß Schönheit ausschließlich im Auge des

Betrachters liegt. Die Annahme, daß Schönheit allein auf einer willkürlichen, kulturellen Konvention beruht, ist also nicht richtig. Sicherlich wird unsere individuelle Geschichte, die Erlebnisse und Erfahrungen jedes einzelnen in der jeweiligen Kultur eine Rolle spielen, aber man kann auch kulturelle Universalien erkennen und es scheint, daß die Wahrnehmung dieser auf der natürlichen Selektion in unserem Gehirn basiert. Es sollen hier nun einige der am meisten favorisierten Theorien vorgestellt werden, die für universelle Wahrnehmungsmechanismen sprechen und kurz deren Bedeutung diskutiert werden.

- Ist Schönheit Durchschnitt?

Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß ein Durchschnittsgesicht (”Composite”), das durch Übereinanderlegen mehrerer Einzelbilder entstanden ist, attraktiver bewertet wird, als die Ausgangsbilder selbst. LANGLOIS UND ROGGMAN (1990) waren die ersten, die diese von SIR FRANCIS GALTON (1878) stammende Idee wieder aufgegriffen haben. Sie konnten mit ihren Daten zeigen, daß eine generelle Tendenz besteht, Durchschnittsgesichter attraktiver zu beurteilen und interpretieren dieses Ergebnis im Sinne SYMONS`(1979), der meint, daß der Evolutionsdruck auf die Extremtypen einer Population besonders wirkt. Menschen mit durchschnittlichen Proportionen haben demnach die besseren Chancen zu überleben. Diese Theorie ist aber nicht ganz unumstritten, da schon die Methode der Erzeugung der Composites allein Anlaß zur Kritik bietet (PITTENGER, 1991). Die Hauptangriffspunkte neben der Tatsache, daß immer der Durchschnittliche Grauwert der Matrix über ein ganzes Gesicht statt einzelne anatomische Charakteristika berechnet wird, sind die Operation in der Ebene statt im Raum, was vor allem eine große computergraphische Herausforderung bedeutet, und das Verwenden des Mittelwertes als Maß der zentralen Tendenz statt eines anderen Wertes, der das Optimum repräsentieren könnte.

Neben dieser Diskussion hat sich außerdem gezeigt, daß Durchschnittsgesichter zwar sehr attraktiv eingestuft werden, nicht aber die attraktivsten sind (ALLEY & CUNNINGHAM, 1991). GRAMMER UND THORNHILL (1994) sowie PERRETT, MAY UND YOSHIKAWA (1994) konnten diesen Effekt ebenfalls zeigen, indem sie Composites herstellten, die eine identische Hauttextur, aber unterschiedliche Form besaßen. Wir werden sehen, daß die hier vorliegende Arbeit sich auf diese Untersuchung stützt, im Gegenteil zu dieser aber versucht, die Form des Gesichtes konstant zu halten und die Textur zu variieren. Möglicherweise ist die Hauttextur eine Variable, die bisher unbeachtet geblieben sind, die ein Gesicht attraktiver als das Durchschnittsgesicht macht.

Wir müssen uns an dieser Stelle aber fragen, was die Wahrnehmung der Attraktivität eines Gesichtes für den Träger und den Betrachter eigentlich bedeutet? BARBER (1995) glaubt, daß uns die Psychologie genug Beweise dafür liefert, daß morphologische Geschlechtsunterschiede, die durch sexuelle Selektion entstanden sind, einerseits dem Anwerben von Geschlechtspartnern (intersexuelle Selektion), andererseits auch dem Konkurrenzkampf dienen (intrasexuelle Selektion). Frauen konkurrieren seiner Meinung nach untereinander, um sich den optimalen Partner zu sichern, und sie tun dies durch Unterstreichen von morphologischen Merkmalen der Jugendlichkeit, wie zum Beispiel eine schmale Nase oder glatte, haarlose Haut. Sekundäre Geschlechtsmerkmale lassen auch einen Rückschluß auf das Immunsystem und die genetische Konstitution des Trägers zu (HAMILTON & ZUK, 1982; GANGESTAD ET AL., 1993; GRAMMER & THORNHILL, 1994; BARBER, 1995). Das berühmte

Verhältnis von Taillie zu Hüfte (”waist-hip-ratio”) beispielsweise korreliert bei Frauen in einem bestimmten Bereich mit deren sexueller Attraktivität und einem erhöhten Testosteron- Östrogen-Verhältnis, das erhöhte reproduktive Qualitäten kennzeichnet.

Die physische Attraktivität nimmt bei beiden Geschlechtern mit dem Alter ab. JACKSON (1992) berichtet aber eine raschere Abnahme bei Frauen, die bei Versuchen, attraktiver zu wirken, sich künstliche Signale von Jugendlichkeit aneignen. Zu diesen Signalen zählen etwa eine haarlose Haut, eine relativ schwache Pigmentierung, kleine Füße und eine Verlagerung von Körperfett in die distalen Extremitäten. Zu diesen Merkmalen der Neotenie zählt auch noch eine Präferenz für helle Hautfarbe, die als Zeichen der Jugendlichkeit interpretiert wird (FROST, 1988).

Es gibt zahlreiche Merkmale im menschlichen Gesicht, die Attraktivität kennzeichnen (CUNNINGHAM, 1986). Neben den genannten neotenen Merkmalen, denen man die Eigenschaft zuschreibt, daß sie Beschützungs- und Betreuungsinstinkte wecken sollen (LORENZ, 1943), scheint es bei Erwachsenen Zeichen zu geben, wie zum Beispiel prominente Backenknochen, die soziale Dominanz anzeigen. JOHNSTON UND FRANKLIN (1993) generierten mit Hilfe eines Computerprogrammes ein ”ideales” Gesicht, das sich aus den Bewertungen der jeweils vorhergehenden evoluieren konnte. Interessanterweise wurde das

Alter des attraktivsten Gesichtes zwar auf 24,8 Jahre geschätzt, die Proportion der Lippen entsprach jedoch einem 14 Jahre alten Gesicht und die Distanz von Auge zu Kinn sogar einem 11 Jahre alten. Diese Charakteristika wurden als Ausdruck eines erhöhten Östrogenlevels interpretiert, das wiederum einen Hinweis auf den Reproduktionswert geben könnte.

4.3.2 Das Hamilton-Zuk-Paradigma der Parasitenresistenz

Eine andere Interpretation von Attraktivität als Indikator der Fitness geht davon aus, daß diese ein Hinweis auf das Fehlen von Anomalien in der Ontogenie ist. Solche Anomalien könnten sich durch eine Schwächung des Genotyps in Form von verminderter Körpersymmetrie manifestieren. GANGESTAD, THORNHILL UND YEO (1994) fanden heraus, daß die Attraktivität eines Männergesichtes ein Fehlen von Asymmetrie vorhersagen konnte. Dieses Ergebnis zeigt, daß die Attraktivität des Gesichtes als Maß der phänotypischen Qualität interpretiert werden kann, und diese wiederum einen Rückschluß auf die genetische Konstitution des Trägers zuläßt, der gegenüber Pathogenen, wie Mikro- und Makroparasiten eine erhöhte Resistenz aufweist. Symmetrie bei sekundären Geschlechtsmerkmalen im Gesicht repräsentiert also eine erhöhte Immunkompetenz, da die Konstruktion solcher Merkmale ein erhöhtes Maß an Sexualhormonen voraussetzt (THORNHILL & GANGESTADT, 1993). Dieses Ergebnis bestätigen auch GRAMMER UND THORNHILL (1994), die zeigen konnten, daß ein sogenannte Durchschnittsgesichter (”Composites”) attraktiver bewertet werden, als deren Ausgangsbilder selbst. Sie interpretieren das als eine Präferenz für den Durchschnitt, der ihrer Meinung nach Heterozygotie anzeigt, die gegenüber Pathogenen einen größeren Puffer darstellt.

4.3.3 ”Good Genes”: Zahavi’s Handikap Prinzip

Zahavi hat 1975 erstmals ein das ”Handikap-Prinzip” postuliert, das sich neben vielen anderen biologischen Prinzipien und Merkmalen auch auf die Attraktivität übertragen läßt. Demnach demonstriert ein Individuum durch die Betonung eines besonderen Merkmals seine gute genetische Konstitution dadurch, daß es üblicherweise aufwendig ist ein solches Merkmal bilden beziehungsweise aufrecht erhalten zu können, und nur jene Individuum, die auch den

entsprechenden Genotyp dazu besitzen sind dazu in der Lage. Als Beispiel, das besonders für die hier vorliegende Arbeit von Bedeutung ist, nennt ZAHAVI (1997) rote Wangen und Lippen. Die Rotfärbung ist eine Folge der peripheren Blutzirkulation unter der Haut. Ist diese durch Krankheit oder eine kalte Umgebung irritiert, kontrahieren die Blutgefäße und die Wangen und Lippen verlieren an Farbe. Vor allem in kalten Regionen der Erde, wie zum Beispiel Rußland und Skandinavien, sind rote Wangen und Lippen daher ein Signal für Gesundheit und werden als schön angesehen. Sie zeigen, daß Personen, die sich diese teuren Signale unter extremen Bedingungen leisten können, über eine gute genetische Konstitution verfügen müssen. Die roten Lippen verleihen nach der Auffassung ZAHAVIS (1997) dem Träger eine besser Möglichkeit, der nonverbalen Kommunikation durch Mimik, da sie die Formen der Lippen deutlicher hervorheben. Ebenso sollen Falten im Gesicht dem Träger Vorteile bringen, da er seine Signale deutlicher senden kann und generell als kommunikativer eingestuft wird (ZAHAVI, 1997).

KALICK ET AL. (1998) fassen die wichtigsten Theorien zur Bedeutung der Attraktivität noch einmal zusammen und versuchen von ihnen ausgehend zu klären, ob die Attraktivität des menschlichen Gesichtes wirklich ein valider Prädiktor für Gesundheit ist. In einer Studie in der über 300 Photographien männlicher und weiblicher Adoloszenten nach deren Attraktivität beurteilt wurden, ergab sich kein signifikanter Zusammenhang mit den Daten ihrer Gesundheit. Die Autoren weisen aber darauf hin, daß möglicherweise die Attraktivität anderer Variablen überdecken könnte und betonen, daß der schon geschilderte Zusammenhang von Symmetrie und ATTRAKTIVITÄT (GRAMMER & THORNHILL, 1994) sowie ”Waist-hip-ratio” und sexuelle Attraktivität (SINGH, 1993) dennoch unbestritten bleibt.

4.4 Die Haut - Integumentum commune

4.4.1 Allgemeines

Das Integumentum commune bedeckt die äußere Körperoberfläche. Es dient dem Schutz des Körperinneren, steht im Dienst von Regulationssystemen (Temperatur-, Elektrolyt- und Wasserhaushalt), beherbergt Sinnesorgane und spielt eine wesentliche Rolle bei

zahlreichen immunologischen Prozessen. In Abhängigkeit von der Körpergröße nimmt die Haut eine Fläche von 1,5-1,8 m² ein. Gleichzeitig ist sie das schwerste Einzelorgan des Körpers; ihr Gewicht beträgt ungefähr 16 % des Körpergewichtes.

An den Körperöffnungen (Lippen, Nasenlöcher, Augenlider, Harnröhrenmündung, Scheideneingang, After) geht die (äußere) Haut kontinuierlich in Schleimhaut über, die die innere Körperoberfläche auskleidet.

Das Integumentum commune gliedert sich in:

- Kutis (Haut im engeren Sinne),
- Tela subcutanea (Subkutis, Unterhaut) und
- Hautanhangsgebilde (Haare, Nägel, Drüsen).

Die Kutis besteht aus mehreren Schichten, die in der Regel gut gegeneinander abgesetzt sind, nämlich aus

- Epidermis (Oberhaut, ein mehrschichtiges, verhorntes Plattenepithel) und
- Dermis (Lederhaut, ein straffes, faserreiches Bindegewebe).

Die Epidermis ist ektodermaler, die Bindegewebeschichten der Dermis sind mesodermaler Herkunft. Epidermis und Dermis sind miteinander verzahnt, und zwar ragen Vorwölbungen der Dermis, die Papillen, in entsprechende Vertiefungen der Epidermis. Dadurch werden die Berührungsflächen zwischen den beiden Schichten vergrößert und die Ernährung der Epidermis verbessert. Außerdem nimmt die Verzapfung, insbesondere die Tiefe und Anordnung der Papillen, Einfluß auf die Oberflächengestaltung der Haut.

Die unter der Dermis liegende Tela subcutanea (Subkutis) besteht aus gefäßreichem, lockeren Bindegewebe und enthält viele Fettzellen, die eine mehr oder weniger zusammenhängende Schicht bilden, den Panniculus adiposus. Die Subkutis gehört ontogenetisch nicht zur Haut, verbindet aber die Haut locker mit dem darunter liegenden Gewebe.

Die Hautanhangsgebilde sind Differenzierungsgebilde der Haut, vor allem der Epidermis. Haare und Drüsen erstrecken sich in die Dermis, teilweise in die Subkutis.

4.4.2 Epidermis

Die Epidermis besteht aus einem mehrschichtigen, verhorntem Plattenepithel. Sie läßt mehrere deutlich unterscheidbare Schichten erkennen, was auf die ständige Neubildung basaler Zellen zurückzuführen ist. Diese Zellen wandern in etwa drei Wochen an die Hautoberfläche und werden dort als Hornschuppen abgestoßen. Insgesamt können in der Epidermis vier Typen von Zellen unterschieden werden:

- Keratinozyten (bilden den Hauptanteil an den Zellen der Epidermis)
- Melanozyten (Pigmentzellen, bilden das Pigment Melanin)
- Langerhans-Zellen (Zellen des Immunsystems)
- Merkel-Zellen (Tastzellen)

Die Dicke der Epidermis ist uneinheitlich (0,04-1,5 mm); relativ dünn ist sie an der Stirn, am dicksten in der Hohlhand und an der Fußsohle. Von basal nach apikal lassen sich in der Epidermis fünf Schichten unterscheiden, die hinsichtlich Dicke und Aufbau regionale Unterschiede Aufweisen:

- Stratum basale: Basophile, kubisch bis hochprismatische Zellen, deren Längsachsen senkrecht zur Hautoberfläche stehen. Basal ruhen die Zellen auf einer Basalmembran, die von den Epithelzellen gebildet wurde und Epidermis und Dermis fest miteinander verbindet. Lateral und apikal weisen die basalen Zellen zahlreiche Desmosomen zur Verknüpfung mit den Nachbarzellen auf.
- Stratum spinosum: Charakteristische polygonale Keratinozyten und zahlreiche Zytoplasmaausläufer, die an der gesamten Oberfläche der Zellen vorkommen und an der Spitze Desmosomen tragen, durch die sie mit Nachbarzellen verknüpft sind (Stachelzellschicht). In die Fortsätze der Stachelzellen ziehen Bündel intermediärer Filamente (Tonofibrillen) hinein, die eine trajektorielle Anordnung aufweisen und so die Haut insbesondere gegen Schwerwirkungen stabilisieren.
- Stratum granulosum: Das Stratum granulosum wird von den Keratinozyten während ihrer transepithelialen Wanderung durchschnittlich nach 10-4 Tagen erreicht. Die Zellen sind stark abgeflacht und bilden in der Regel 1-5 Schichten. Die Keratinozyten des Stratum granulosum sind gekennzeichnet durch:
- viele, stark verdichtete Tonofibrillen,
- Keratohyalin und

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Hauttextur und weibliche Schönheit
Hochschule
Universität Wien  (Ludwig-Boltzmann- Institut für Stadtethologie c/o Institut für Anthropologie)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
78
Katalognummer
V503
ISBN (eBook)
9783638103558
Dateigröße
1119 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesicht, Attraktivität, Haut, Partnerwahl, Evolution
Arbeit zitieren
Bernhard Fink (Autor:in), 2000, Hauttextur und weibliche Schönheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503

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