Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Zugang zum Thema „Gesunde Führung“
2 Der Zusammenhang von Gesundheit und Führung
2.1 Begriffliche Abklärung
2.1.1 Verständnis von Gesundheit
2.1.2 Verständnis von Führung
2.1.3 Verständnis von „Gesunder Führung“
2.2 Führungsherausforderungen in der Arbeitswelt
2.2.1 Umgang mit der Digitalisierung
2.2.2 Umgang mit der Diversität der Mitarbeitenden
2.3 Gesundheitsfördernde Ansatzpunkte in Organisationen
2.3.1 Mitarbeitende im Fokus der Unternehmenskultur
2.3.2 Führungsverhalten als Schlüsselfunktion für Gesundheit
2.3.3 Emotionale Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen
2.3.4 Sinnerleben durch die berufliche Tätigkeit
2.3.5 Stärkende, soziale Beziehungen am Arbeitsplatz
3 Anforderungen an Führungskräfte
3.1 Methodische Vorgehensweise
3.1.1 Beschreibung des Vorgehens
3.1.2 Flussdiagramm der Recherche
3.2 Ergebnisse der Literaturrecherche
3.2.1 Tabellarische Kurzdarstellung der Hauptliteratur
3.2.2 Fehlzeiten-Report 2018 – Badura et al
3.2.3 Gesunde Führung – Möltner et al
3.2.4 Führung und Gesundheit – Gregersen et al
3.3 Diskussion
4 Fazit
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang A: Suchverlauf in The Cochrane Library (01.06.2019)
Anhang B: Suchverlauf Embase (01.06.2019)
Anhang C: Schlagwortsuche WISO (02.06.2019)
Anhang D: Schlagwortsuche Google Scholar (02.06.2019)
Abstract
Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema der gesunden Führung im Hinblick auf die sozialen Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden am Arbeitsplatz und die Auswirkungen der Beziehungen auf die psychische Mitarbeitergesundheit. Die dargestellten Erkenntnisse wurden aufgrund der Thematik durch eine systematische Literaturrecherche in elektronischen Datenbanken gewonnen und bedeutsame Artikel wurden im Hauptteil der Arbeit zusammengestellt und diskutiert.
In den Ergebnissen der drei untersuchten Hauptartikel zeigt sich, dass das Führungsverhalten der Vorgesetzten für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden eine zentrale Rolle einnimmt. Neben methodischen und fachlichen Kompetenzen sind die Sozialkompetenzen der Führungskraft eine wesentliche Voraussetzung, zum einen für die Führungskräfte selbst, zum anderen, um Mitarbeitende gesund führen zu können.
Für die gesundheitspolitische Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt sind Digitalisierung und Diversity-Management neue Schlagwörter, allerdings weisen die Arbeitgeber große Defizite in der Gestaltung gesunder Rahmenbedingungen für eine digitalisierte und interkulturelle Zusammenarbeit auf. Es mangelt an der Umsetzung von gesunder Führung in der Praxis, obgleich die Theorie eine klare Tendenz und Notwendigkeit für neue Führungskonzepte aufweist, die dem Trend gerecht werden. Gesunde Führung ist zunehmend bedeutsamer, da es darum geht, die Generationen Y und Z durch ein gesundes Betriebsklima als engagierte Mitarbeitende zu gewinnen, die ältere Belegschaft gesund und leistungsfähig zu erhalten und sich gemeinsam den Herausforderungen in der Arbeitswelt zu stellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Abstract
This Bachelor thesis is about healthy leadership with regard to the social relations between employees and leaders and the effects of the social relations on mental health of the employees. Based on the subject, the research results were obtained through a systematic literature review and the most significant articles were compiled and analyzed.
The results show that the leadership‘s behavior is a key factor to mental health of employees. In addition to methodical and specialist competences, the social skills of the leaders are an important prerequisite, on the one hand for the managers themselves and, on the other, for being able to lead healthy employees.
Digitalisation and diversity management are new buzzwords for shaping the health of the future world of work, but the employers have great deficits in shaping the framework conditions for digitized, intercultural and multigenerational cooperation. When implementing healthy leadership, new leadership concepts are needed to meet this trend. There is a lack of healthy leadership in practice, although the theory has a clear tendency and there is a need for it. Healthy leadership is increasingly important as it involves winning the Generation Y and Z as a dedicated workforce, keeping the older workforce healthy and productive, and stay competitive througout the challenges.
* Aufgrund der besseren Lesbarkeit wurde in vorliegender Arbeit die männliche Form der Begriffe gewählt, nichtsdestotrotz beziehen sich die Angaben gleichermaßen auf alle Geschlechter.
1 Zugang zum Thema „Gesunde Führung“
Die Arbeitswelt ist einem fortlaufenden Wandel unterworfen und Unternehmen und Führungskräfte reagieren unterschiedlich darauf. Der Entwicklungstrend in Bezug auf die Digitalisierung, die Technologisierung und den demografischen Wandel ist hinlänglich bekannt. Insbesondere in Zeiten von starken Veränderungsprozessen ist es bedeutsam, dass Führungskräfte sich um ihre Mitarbeitenden kümmern, um eine zunehmende Erschöpfung sowie ansteigende Krankenstände zu verhindern und die Work-Life-Balance zu fördern. Heute ist es wichtiger als jemals zuvor, multikulturelle Generationen von Mitarbeitenden, mit durchaus konträren Werten und Haltungen, zu gesunden und leistungsfähigen Teams zu entwickeln und an das Unternehmen zu binden. Aufgrund des Fachkräftemangels werden Arbeitsplätze von jungen Mitarbeitenden schneller und leichtfertiger gewechselt und es wird nach Jobs gesucht, die über das Gehalt und die Karriere hinaus einen Mehrwert bieten. Die Führungskräfte sehen sich durch die Wichtigkeit von neuen Werten wie Freizeit, Sinn und sozialer Zugehörigkeit vor völlig neuen Anforderungen. Neben der Veränderung der eigenen Führungsrolle, müssen sie zusätzlich in der Lage sein, eine humanitäre Einstellung mit einer ergebnisorientierten Zielsetzung zu verbinden, dabei ist es wichtig, weitestgehend Freiheitsgrade in der Umsetzung zu ermöglichen und gleichzeitig die Bedürfnisse der älteren Mitarbeitenden zu berücksichtigen (Gatterer et al. 2012: 82).
Kruse zeigt, dass die digitale Transformation und die daraus resultierende Intelligenz kollektiver Netzwerke das Verhältnis zwischen Kunden, Mitarbeitenden und Führungskräften verändert und sich die Rahmenbedingungen für die Führung grundlegend reformieren müssen (Kruse 2012). Der demografische Wandel forciert einen Paradigmenwechsel, der Veränderungsbereitschaft verlangt, Verbundenheit sowie Arbeitgeberattraktivität erzeugen und Diversitäten unter einem Führungsstil vereinen soll. Die Veränderungsnotwendigkeit fordert Offenheit von den Führungskräften und stößt zum Teil auf Widerstand bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitenden (Kühmayer 2019: 90). Die Geschäftsführung, die Führungskräfte und die Mitarbeitenden stehen vor der Aufgabe, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen neu zu formieren und die Autorität in der ganzen Organisation neu zu verteilen (Robertson 2016: 176). In dem Prozess haben es Führungspersonen der mittleren Führungsebene besonders schwer, denn sie sind das Bindeglied zwischen dem sogenannten Top-Management, Kunden und Mitarbeitenden. Sie führen selbst, werden geführt und müssen allen Anforderungen zugleich gerecht werden (Siemann 2012: 1).
Schon Drucker sagte, dass das 21. Jahrhundert eine Zeit des tiefgreifenden Wandels ist und die Veränderungen in der Berufswelt radikaler, komplexer und schneller sind als je zuvor. Dies erfordert zunehmend eine Umkehr von bewährten Strategien und verlangt veränderte Denkmuster, denen Unternehmensstrukturen und menschliches Verhalten zugrunde liegen (Drucker 2005: 8). Trotz der bereits wissenschaftlich aufgegriffenen Notwendigkeit der Veränderung in der Mitarbeiterführung, verläuft die Umsetzung in der Praxis sichtlich schleppend. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit gesunder Führung klaffen Welten. Die Nebenwirkungen von Stress, ausgehend von zu hohen Erwartungen seitens des Managements, sind hoch (Schröder 2013: 137). Gegenwärtig sind oftmals noch deutliche Hierarchien in Unternehmen vorzufinden sowie eine Führungskultur, die von Misstrauen statt von Vertrauen geprägt ist. Die oben genannten Eigenschaften der Beschäftigung entsprechen dem Industriezeitalter und gelten als überholt, sie werden aber dennoch praktiziert. Dabei werden heutzutage selbstorganisierte, flexible Arbeitsformen sowie flache, vertrauensvolle Hierarchien gebraucht (Badura 2017: 7).
Negri bestätigt, dass es die Führung heutzutage nicht mehr leisten kann, alles zu kontrollieren. Das liegt zum einen daran, dass schnelle Entwicklungen und Entscheidungen gefragt sind und zum anderen daran, dass große Ansprüche an die Mitarbeitenden gestellt werden und auch an die Führungsverantwortlichen. Führung sollte folglich Handlungsspielräume und Entscheidungsfreiheiten entstehen lassen, sodass Kontolle durch Vertrauen gegenüber den Mitarbeitenden ersetzt wird. Führungskräfte sind mehr denn je gefragt, ihre eigenen Führungsmuster zu reflektieren und möglichst situationsabhängig und flexibel zu reagieren (Negri 2019: 15).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung der Krankheitsarten in Anlehnung an den Fehlzeiten-Report (2018)
Wie vorstehende Abbildung zeigt, ist gesunde Führung notwendig, da am Arbeitsplatz zunehmend häufiger psychische Belastungen entstehen, welche sich neben tatsächlichen Abwesenheiten auch durch Produktivitätseinbußen in Form von Präsentismus zeigen. Die Angestellten erledigen ihre Aufgaben zwar pflichtgemäß, allerdings nicht besonders engagiert aufgrund von psychischen Belastungen, die die Folgen von negativen zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz sein können (Badura et al. 2010: 4). Wie Singer bestätigt, können Unternehmen durch gesunde Führung die Fehlzeiten senken, übermäßige Fluktuation vermeiden und die Mitarbeitenden emotional binden. Für das Unternehmen hat dies zufolge, dass die Produktivität steigt und das Unternehmen attraktiver wird für potenzielle Arbeitnehmer. Durch gesunde Führung sind die Mitarbeitenden engagierter, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation steigt (Singer et al. 2010: 59 f.). Durch den Führungsstil beeinflussen Führungskräfte die Gestaltung des Arbeitsalltags. Je nachdem wie der Führungsstil ausgeübt wird, können Belastungen oder Begünstigungen der Gesundheit entstehen. Soziale Unterstützung hängt eng mit guter Führung zusammen. Dabei geht es um Wertschätzung, Miteinbeziehung sowie eine positive Unternehmenskultur als Ressource für die Gesundheit (Latocha 2015: 145).
Die Gestaltung des Arbeitsalltags durch einen gesunden Führungsstil kann etwa so aussehen. „How can I support you to achieve your goals?“, fragen die Führungskräfte im Silicon Valley ihre Kollegen, Kunden und Geschäftspartner. Hier wird Führung als Dienstleistung verstanden und gelebt, d. h. Führung wird als Dienst am Mitarbeitenden angesehen (Kühmayer 2019: 48). Es braucht tiefgreifende Änderungen in Organisations- und Führungsprinzipien, in denen die Mitarbeitenden eingebunden sind, sich gegenseitig wertschätzen, respektiert und befähigt werden, einen Beitrag zu leisten und ihre Potenziale einzubringen. Führung als Dienstleistung heißt, Hindernisse für die Mitarbeitenden aus dem Weg zu räumen, sich glaubwürdig um die Menschen in Unternehmen zu kümmern und deren wahres Potenzial auf den richtigen Rollen zur Entfaltung zu bringen. Es geht um einen integrativen Prozess bei maximaler Entfaltung des Individuums und um die Nutzung der Talentpotenziale, um Unternehmen agiler und wettbewerbsfähiger zu machen und gleichzeitig auf die menschlichen Bedürfnisse zu achten (Brandes 2016: 84).
Gesunde Führung ist ein wesentlicher Baustein des betrieblichen Gesundheitsmanagements und zugleich die Basis für den nachhaltigen Erfolg von Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wie in nachfolgender Grafik kurz dargestellt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: BGM Übersicht in Anlehnung an Rehwaldt (2012)
Die Verknüpfung von „Gesunder Führung“ mit dem Thema “Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik” erfolgt im weitesten Sinne, denn aus ökonomischer Sicht werden durch gesunde Führung Kosten eingespart, wie beispielsweise durch Reduzierung von Fehlzeiten, Fluktuationskosten und Kosten, die durch Produktivitätseinbußen entstehen. Aus dem Blickwinkel der betrieblichen Gesundheitspolitik ist eine gesunde Führung zwingend notwendig, um die Organisation langfristig leistungsfähig zu erhalten, denn die Gesundheit der Angestellten ist eine elementare Voraussetzung für deren Motivation und diese wiederum ist notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Zunehmend mehr Unternehmen erkennen, dass mitarbeiterorientierte Führungskonzepte zu besseren Arbeitsergebnissen, Gesundheit und somit zur Gewinnsteigerung führen (Badura et al. 2010: 1 ff.). Die betriebliche Gesundheitspolitik zu gestalten fällt in den Aufgabenbereich der obersten Führungsebene. Für einen nachhaltigen Erfolg im Wettbewerb müssen die Unternehmenswerte klar kommuniziert und die Ziele für den zwischenmenschlichen Umgang festgelegt werden. Noch immer mangelt es in zahlreichen Organisationen an einem umfassenden Gesundheitsverständnis sowie an einem Rahmen, der die psychosoziale Gesundheit der Angestellten gewährleistet (Badura et al. 2010: 51). Eine Unternehmenskultur entsteht prozessartig, sodass vorhandene Defizite in der betrieblichen Gesundheit, wie beispielsweise Führungsstile mit negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit, nicht von heute auf morgen entstehen. Es wird Geduld benötigt bis durch einen gesunden Führungsstil die Hindernisse bewältigt sind und eine positive Führungskultur entstehen kann (Härter 2017: 42 f.).
In der Arbeit wird untersucht, inwieweit die sozialen Beziehungen zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeitenden Einfluss auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden nehmen. Konkret wird folgender Forschungsfrage nachgegangen: Welche Bedeutung haben positive soziale Beziehungen am Arbeitsplatz für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden?
Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die persönlichen sozialen Kompetenzen der Führungskräfte die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden positiv beeinflussen können. Die Art der Führung und die dadurch entstehenden sozialen Beziehungen im beruflichen Umfeld sind bedeutsame Stellschrauben, um durch gute Beziehungen den steigenden Potenzialen psychischer Belastungen entgegenzuwirken. Heutzutage steht eine positive Arbeitskultur vermehrt im Fokus der unternehmerischen Gesundheitspolitik, um die mentale Gesundheit im Unternehmen zu stärken (Badura et al. 2016: 20). Das Ziel der Bachelorarbeit ist es, die Notwendigkeit von gesunder Führung vor dem Hintergrund der Arbeitswelt 4.0 zu analysieren und die Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte im Hinblick auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu beleuchten.
Während sich die Autorin der Bachelorarbeit im Rahmen ihrer studentischen Praxisphase in einer Krankenkasse mit Konzepten für betriebliche Gesundheitspolitik in Unternehmen befasst und Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements strategisch begleitet hat, stellte sie ihrerseits fest, dass Gesundheitskonzepte nur erfolgreich sind, wenn die Führungskräfte ein Interesse an Gesundheit und einen persönlichen Nutzen von Gesundheitsmaßnahmen im betrieblichen Setting haben (vgl. Matyssek 2013: 17). Ohne einen persönlichen Mehrwert sind die meisten Führungsverantwortlichen nicht bereit, sich neben ihren alltäglichen Aufgaben, zusätzlich um die Gesundheit zu kümmern.
Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer Literaturrecherche, die aufgrund der behandelten Thematik als geeignet erscheint. Nach dem einleitenden Kapitel werden im zweiten Kapitel zunächst der Hintergrund sowie die theoretischen Grundlagen dargelegt, indem begriffliche Abgrenzungen, die Herausforderungen für Führungsverantwortliche und die Gesundheitsressourcen im beruflichen Kontext beschrieben werden. Der Hauptteil beschreibt die methodische Vorgehensweise, stellt die zentralen Ergebnisse der Literaturrecherche dar und diskutiert insbesondere die Auswirkungen von Beziehungen zur Führungskraft, die für die Mitarbeitenden von großer Bedeutung sind, um leistungsfähig und psychisch gesund zu bleiben. Am Ende erfolgt ein Fazit unter Berücksichtigung der Forschungsfrage und auf Basis der Literaturanalyse.
2 Der Zusammenhang von Gesundheit und Führung
2.1 Begriffliche Abklärung
2.1.1 Verständnis von Gesundheit
Die Grundsätze der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1948 beschreiben Gesundheit bis heute wie folgt: “Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity” (WHO 2019). Die Begriffserläuterung ist weit verbreitet, denn es wurde die körperliche, die geistige sowie die soziale Dimension von Gesundheit miteinbezogen und betont, dass Gesundheit nicht nur das Gegenteil von Krankheit ist. In der Ergänzung zur Ottawa-Charta, die den vorangegangenen Gesundheitsbegriff hervorgebracht hat, ergänzte die WHO, dass Gesundheit zudem die Bereitschaft ist, ein engagiertes Leben zu führen, sowohl im wirtschaftlichen Sinne als auch aus sozialer Betrachtung (WHO 2019).
Neben der wohl bekanntesten Definition gibt es weitere zahlreiche Begriffserklärungen von Gesundheit. Aaron Antonovsky, der im 20. Jahrhundert den Begriff der Salutogenese geprägt hat, beschreibt Gesundheit und Krankheit als Enden einer Skala, auf der das Wohlbefinden stets schwankt. Es ist folglich kein abgeschlossenes Ergebnis, sondern es ist ein sich ständig wandelnder Prozess (Bentel et al. 1999: 32). Dem Gesundheitswissenschaftler Badura zufolge gehört zum Gesundsein die Fähigkeit, Probleme zu lösen sowie die eigenen Gefühle zu regulieren. Somit entsteht eine positive mentale und körperliche Gesundheit, die ein gesundes Selbstwertgefühl hervorruft und dazu beiträgt, dass das Individuum in sozialen Gefügen integriert ist und Beziehungen herstellen kann, die gesundheitsförderlich wirken (Badura et al. 2010: 32).
2.1.2 Verständnis von Führung
Der Begriff der Führung wird vielseitig interpretiert, sodass einige Definitionen wiedergegeben werden, die in Bezug auf die vorliegende Arbeit von Relevanz sind. Beinahe alle Führungsdefinitionen stimmen jedoch überein, dass Führung im Zusammenhang mit Einflussnahme respektive Beeinflussung steht (vgl. Weinert 2004: 458; Stogdill 1950: 4). Nach Neuberger umfasst der Begriff der Führung einerseits die Einflussnahme, Machtausübung und Rollendefinition, andererseits gehören Soft Skills wie gute Kommunikation und vertrauensvolle Beziehungen ebenso in den Verantwortungsbereich (Neuberger 2002). Zudem schreibt Schirmer, dass die Mitarbeiterführung ein Prozess der sozialen Beeinflussung ist, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen und Werte zu erreichen (Schirmer et al. 2016: 2 f.).
Führung ist die Kunst, andere Menschen in die Richtung eines angestrebten Ziels zu lenken. Die Ziele gesunder Führung nur mit guten persönlichen Kontakten, wechselseitigem Vertrauen und Verantwortung erreicht (Härter 2017: 100). Aufgrund der Vollständigkeit wird darauf aufmerksam gemacht, dass es Unterschiede zwischen Führung, Management und Leadership gibt, die Begriffe sind in Organisationen allerdings eng verknüpft (Böhmer 2014: 11). Unter Führung ist die Mitarbeiterführung zu verstehen, um die es sich in der Arbeit handelt, mit Management wird die Unternehmensführung bezeichnet. Leadership meint das Zusammenspiel der beiden Begriffe (Böhmer 2014: 17). Die Führungsbegriffe in der vorliegenden Arbeit beziehen sich primär auf die Mitarbeiterführung in Organisationen von der mittleren Führungsebene aus, die eine Teilaufgabe der Unternehmensführung mit oftmals limitierten Einflussmöglichkeiten darstellt.
Führung beeinflusst das Befinden der geführten Mitarbeitenden durch bewusste Einflussnahme auf Ziele und Prozesse sowie durch die alltägliche Kommunikation und das Treffen von Entscheidungen. Führung kann sowohl salutogen, sprich gesundheitsfördernd, als auch pathogen, demzufolge krankheitsverursachend wirken (Stadler et al. 2000). In der Beziehung zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden liegt ein Ungleichgewicht vor, d. h. die Mitarbeitenden als schwächerer Part sind darauf angewiesen, gerecht behandelt zu werden. Das gegenseitige Vertrauen ist die Basis einer guten Beziehung und stärkt diese zudem (Zimber 2018: 35).
2.1.3 Verständnis von „Gesunder Führung“
Gesunde Führung beinhaltet sowohl das Führen der eigenen Person sowie auch das Führen von Mitarbeitenden. Führungskräfte können andere nur gesund führen, wenn sie sich selbst gut führen und die Vorbildfunktion einnehmen. Inhaltlich geht es um ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten, das den hohen Stellenwert der Gesundheit im betrieblichen Setting aufzeigt und unterstützt. Gesunde Führung beinhaltet die Verhaltensoptimierung der Führungskräfte, wird jedoch der Verhältnisprävention zugeordnet, da gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden geschaffen werden. Die Arbeitsumwelt und die Arbeitsbedingungen können größtenteils von dem Vorgesetzen gesteuert und gesundheitsförderlich gestaltet werden (Möltner et al. 2016: 5). Gesunde Führung wirkt vorwiegend auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden und hängt maßgeblich mit den sozialen Kompetenzen der Führungskraft zusammen (Bruch et al. (o. Jg.): 4 f.).
Die Führung während der Arbeitszeit hat eine bedeutsame Rolle in Bezug auf die Gesundheit der Beschäftigten sowie auf die Gesundheit des gesamten Unternehmens. Das Verhalten der Führungsebene kann als Schutzfaktor für die Gesundheit der Angestellten dienen, andererseits kann es ein Gesundheitsrisiko darstellen. Daher empfiehlt es sich bei einem umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagement, den Fokus auf die gesunde Führung zu legen (Hahnzog 2015: VII).
Wie Matyssek bestätigt, ist gesundheitsförderliches Führen von Angestellten erlernbar. Besonders Führungskräfte des mittleren Managements haben eine Doppelposition inne; sie führen selbst und werden geführt. Um gesund führen zu können, muss die Führungskraft sich grundlegend selbst gesundheitsgerecht führen. Dazu gehört auch, dass Führungsverantwortliche sich trotz des anspruchsvollen und zum Teil stressigen Jobs ausreichend erholen und eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben schaffen. Sie müssen sowohl für die eigene Gesundheit als auch für die Gesundheit der Mitarbeitenden sensibilisiert sein, um als Vorbild dienen zu können. Gesunde Selbstführung ist die Basis, um den Mitarbeitenden durch Anerkennung, Interesse und offene sowie transparente Kommunikation ein gutes Gefühl zu geben. Letzten Endes geht es um soziale Unterstützung, die ermöglicht, dass die Mitarbeitenden sich an ihrem Arbeitsplatz zwischen Kollegen und Vorgesetzten wohlfühlen (Matyssek 2012).
Die nachgestellte Tabelle zeigt, wie sich gesunde Führung im mittleren Management von der Verankerung der gesunden Führung im Top-Management bzw. der Unternehmenswerte unterscheidet.
Tabelle 1: Gesunde Führung auf verschiedenen Ebenen in Anlehnung an Hänsel (2016)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2 Führungsherausforderungen in der Arbeitswelt 4.0
2.2.1 Umgang mit der Digitalisierung
Die Personalführung wird im digitalen Zeitalter zu einer zunehmend herausfordernden Aufgabe (Badura et al. 2016: 3). Die gegenwärtigen beruflichen Tätigkeiten finden sich überwiegend im Dienstleistungssektor und im Bereich der Wissensarbeit, d. h. die Gesundheit der meisten Erwerbstätigen wird neben den steigenden psychischen Beanspruchungen auch durch den Bewegungsmangel beeinträchtigt (Davenport et al. 2006). Aus dem Grund sind Führungskräfte zunehmend mehr gefragt, sich um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu kümmern (Esslinger 2010: 67).
Die Digitalisierung erfordert eine Auflösung des traditionell bestehenden Misstrauens gegenüber den Mitarbeitenden, das die kollegialen Beziehungen in Unternehmen noch prägt. Durch technische Innovationen lassen sich Arbeitsaufgaben flexibler und autonomer gestalten, daher ist Vertrauen zwischen den internen Organisationsebenen gefragt. Reagieren die Führungsverantwortlichen der Organisation nicht auf die technologischen Fortschritte, sondern versuchen, sich ihr entgegen zu stellen, verliert das Unternehmen auf lange Sicht gesehen an Wettbewerbsfähigkeit. Es ist die Aufgabe der Führungspersonen auf allen Ebenen die Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse, die die Digitalisierung mit sich bringt, behutsam miteinzubinden, sodass sie nicht plötzlich überrascht werden und sich schlagartig auf neue Systeme einstellen müssen. Mitarbeitende müssen darauf vertrauen können, rechtzeitig über Veränderungen informiert zu werden, sodass sie nicht aufgrund von Unberechenbarkeiten durch Ängste gehemmt sind. Dies gilt besonders für ältere Erwerbstätige, die anders als die Generationen Y und Z nicht mit technischem Equipment großgeworden sind und dementsprechend nicht das Gefühl haben dürfen, von der Technik abgehängt zu werden, wie im nachfolgenden Unterkapitel „Diversity-Management“ genauer beschrieben wird (Bleicher (o. Jg.): 2).
Das im vorhergehenden Absatz angesprochene Vertrauen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzen wird durch die Entwicklungen des digitalen Zeitalters zunehmend bedeutsamer. Die Digitalisierung und die anonyme, flexible Arbeitsweise stehen der Zwischenmenschlichkeit, dem Vertrauen und stabilen Beziehungen am Arbeitsplatz gegenüber. Durch die weitestgehende Aufgabenteilung und die ursprünglich verfolgte Vereinfachung der Arbeitsaufgaben durch den technischen Fortschritt, werden Zusammenhänge für die Mitarbeitenden oft entkoppelt und sind komplexer zu verstehen. Die Führungskraft ist gefragt, den Mitarbeitenden das Hauptunternehmensziel stets vor Augen zu halten, sodass das Große und Ganze betrachtet werden kann und die Beschäftigten den Sinn erkennen, den das Unternehmen stiftet. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Angestellten engagiert arbeiten, Leistungsbereitschaft zeigen und sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Der Sinn des menschlichen Handels, sowohl privat als auch geschäftlich, ist eine bedeutende Gesundheitsressource für die Psyche des Individuums (Bleicher (o. Jg.): 2).
Die Bindung zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen kann durch einen gesunden Führungsstil, der Partizipation und Aufgabenübertragung in verschiedenen Arbeitsbereichen fördert, gestärkt werden. Dies stellt nicht nur für die Mitarbeitenden einen gesundheitsförderlichen Aspekt dar, sondern zudem für die Vorgesetzten, denn durch sich schnell ändernde Rahmenbedingungen, ist es für Führungsverantwortliche oft nicht möglich, rechtzeitig allein die optimalen Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grund ist es notwendig die Mitarbeitenden unter agiler Führung zu befähigen, selbstständig Entscheidungen zu treffen und sie umzusetzen, sodass die Führungskräfte des mittleren Managements in der Doppelfunktion entlastet werden (Schirmer et al. 2016: 3).
Die im vorherigen Absatz beschriebene Mitarbeiterpartizipation und die interne Organisationsgestaltung zeigen sich durch die Digitalisierung zudem in der Außendarstellung, da die persönliche Meinung über das Unternehmen auf Plattformen preisgegeben werden kann und potenzielle Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, die Bewertungen bei der Jobsuche zu berücksichtigen. Eine erhöhte Arbeitgeberattraktivität, die durch gesunde Führung erzielt werden kann, verspricht mehr Erfolg in der Mitarbeiterrekrutierung. Eine positive Unternehmenskultur, die nach außen getragen wird, dient als Employer Branding, denn am besten werben schließlich die Angestellten selbst, die von ihrem Arbeitgeber ungezwungen schwärmen (Haas 2015: 273).
Gallup verzeichnet seit dem Jahr 2013 in der allgemeinen deutschen Führungskultur eine Verbesserung. Offensichtlich haben einige Unternehmen aufgrund von Folgen des demografischen Wandels erkannt, dass eine gesunde Führung notwendig ist, um die talentierten Arbeitnehmer für sich zu gewinnen (Nink 2018: 12). Für den Unternehmenserfolg sind gesunde Mitarbeitende elementar. Die Erkenntnis kommt mittlerweile in der Führungskultur an. Das Führungsverhalten ist maßgeblich dafür verantwortlich, ob Mitarbeitende arbeitsfähig, leistungsfähig und motiviert bleiben oder ob sie erschöpft sind und unproduktiv. Durch gesunde Führung wird den Mitarbeitenden Vertrauen entgegengebracht und die Leistung, die sie erbringen, erfährt Anerkennung. Die Beschäftigten wollen individuell behandelt und wahrgenommen werden (Breucker et al. 2015: 17). Dennoch besteht Handlungsbedarf und die Wichtigkeit von tragfähigen sozialen Beziehungen in Unternehmen muss von den Führungsverantwortlichen aller Ebenen erkannt werden, denn Zwischenmenschlichkeit und Vertrauen gewinnen stark an Bedeutung am Arbeitsplatz. Der Erfolg eines Unternehmens hängt trotz technischem Fortschritt immer noch maßgeblich von der Gesundheit, den innovativen Ideen und dem Engagement der Beschäftigten ab (Badura et al. 2016: 3). Sind die Angestellten krankheitsbedingt nicht leistungsfähig oder durch destruktiven Führungsstil gehemmt oder unwillig, engagiert zu arbeiten, spiegelt sich dies im Unternehmenserfolg wider (Nefiodow 1996).
2.2.2 Umgang mit der Diversität der Mitarbeitenden
In den letzten Dekaden hat sich die Arbeitssituation in Deutschland stark gewandelt: Durch die Globalisierung gewinnt die Zusammenarbeit in kulturell gemischten Arbeitsgruppen, dezentralisierten Netzwerken und über die Landesgrenzen hinaus an Bedeutung (Bürger 2014: 6). Kühmayer bestätigt, dass es heute und in Zukunft eine der bedeutendsten Aufgaben der Führungskräfte sein wird, Diversitäten zusammenzubringen und zu vereinen (Kühmayer 2019: 9). Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu erhalten sind junge, qualifizierte, ausländische Fachkräfte aufgrund der demografischen Entwicklung dringend von Nöten. Für die Führungskräfte bedeutet dies, die heterogenen Teams durch eine angemessene Führung zusammenzubringen. Es gilt, die interkulturelle Vielfalt in Unternehmen zu berücksichtigen und das Miteinander durch Flexibilität und Offenheit zu koordinieren. Das gesunde Führen von multikulturellen Teams kann am besten dann gewährleistet werden, wenn die Verantwortungsbereiche eine familiäre Größe aufweisen, sodass die Führungskraft wirklich die Chance hat, sich um jeden Mitarbeitenden persönlich zu kümmern (Bürger 2014: 7).
Unter Diversity-Management fällt unter anderem auch das Age-Diversity-Management, also die Gestaltung der Führung von drei bis vier unterschiedlichen Generationen. Besonders die Generation Y, geboren in den Jahren von 1980 bis 2000, stellt die Unternehmen und Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Ihnen geht es nicht primär darum, Geld zu verdienen, sondern sie haben den Anspruch, Nutzen zu stiften, erfüllt zu sein und eine Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit zu sehen. Dazu kommt, dass sie sich ungern festlegen und jederzeit bereit sind, den Job zu kündigen, wenn der Arbeitsvertrag für sie nicht erfüllend ist. Aufgrund des demografischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels, kann die Generationen Y und Z es sich mehr als die vorhergehenden Generationen leisten, Ansprüche an die Arbeitgeber zu stellen und bei der Jobauswahl wählerisch zu sein. Allerdings darf der Fokus des Managements nicht nur auf die nachrückende Generation gerichtet werden, sondern auch auf die langjährigen Berufstätigen, deren Gesundheit für das Unternehmen von großer Wichtigkeit ist, damit sie lange leistungsfähig bleiben und ihr wertvolles Wissen weiterhin genutzt werden kann (Bürger 2014: 9 f.). Aufgrund der alternden Erwerbsgesellschaft ist es wichtig, die Mitarbeitenden durch Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements bis zur Rente hin und bestenfalls darüber hinaus gesund zu halten (Esslinger et al. 2010: 50). Als zusätzlichen Effekt erhöhen gesundheitsförderliche Maßnahmen das Unternehmensimage und somit die Beschäftigungsattraktivität für potenzielle Arbeitnehmer (Esslinger et al. 2010: 62).
Die Werte der Unternehmenskultur sowie der individuelle Führungsstil müssen für die Dynamik der Altersunterschiede und der Veränderung bereit sein. Die unterschiedlichen Führungsebenen müssen für Rahmenbedingungen sorgen, in denen sowohl junge innovative Kräfte ihr volles Potenzial ausleben können als auch ältere Mitarbeitende die erwarteten Leistungsanforderungen erbringen können und in denen deren wertvolle langjährige Erfahrung genutzt wird (Siebenhüner 2016: 9).
2.3 Gesundheitsfördernde Ansatzpunkte in Organisationen
2.3.1 Mitarbeitende im Fokus der Unternehmenskultur
Eine mitarbeiterzentrierte Unternehmenskultur beschäftigt sich nicht nur mit den Arbeitsbedingungen der Angestellten, sondern kümmert sich zudem um die soziale Gestaltung des Arbeitsplatzes. Mitarbeitenden sollten die Werte des Unternehmens bekannt sein und die Wertschätzung von Seiten des Managements entgegengebracht werden. In Folge dessen können sie dem Management und dem Betriebsrat vertrauen und stärken somit das gute Klima im Unternehmen. Mitarbeiterorientierung zeigt sich im Umgang mit Mitarbeitenden und mit Herausforderungen im Unternehmen. Ein schlechter Gesundheitszustand der Belegschaft und eine hohe Anzahl von Arbeitsunfähigkeitstagen sind Zeichen von unzureichender Mitarbeiterzentrierung im Unternehmen. Führung, Gesundheit und Unternehmenserfolg stehen in einem engen Zusammenhang (Zimber 2018: 27).
Das Durchführen von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen ist eines der wichtigsten Führungselemente und sollte nicht nur einmal im Jahr stattfinden. Der Fokus der Gespräche sollte auf der Entwicklung des Angestellten liegen, es soll aktiv zugehört und nachgefragt werden. Der Mitarbeitende sollte hierbei die Möglichkeit haben, zu berichten, welche Aufgaben von ihnen besonders gerne erledigt werden und ihre erbrachte Leistung einzuschätzen. Eine autoritäre Führungseinstellung mit wenig wertschätzender Kommunikation und eingeschränkten Entscheidungsspielräumen führt, einer 2009 in Schweden publizierten Langzeitstudie zufolge (Nyberg 2009), zu bedeutend mehr Fehltagen und längeren Erkrankungen. Ein Führungsstil, der mitarbeiterorientiert ist und die Mitarbeitenden an Entscheidungen teilhaben lässt und sie in Gesprächen wertschätzt, fördert hingegen die Gesundheit im beruflichen Kontext (Rütgers et al. (o.J.): 43).
Merkmale einer gesunden Organisation sind ein partizipatives Führungsverhalten, flache Hierarchien, Vertrauen und gute Zusammenarbeit im Team. Merkmale einer gesunden Person sind ein hohes Selbstwertgefühl, große Zufriedenheit, Motivation, körperliche und mentale Fitness. Merkmale eines gesunden Verhaltens sind geringe Abwesenheitsquoten, Innovationsbereitschaft, gegenseitige Hilfeleistung und ein gesunder Lebensstil (Badura et al. 1999: 31).
2.3.2 Führungsverhalten als Schlüsselfunktion für Gesundheit
Führungsverantwortliche des mittleren Managements sind in der sogenannten Sandwich-Position zwischen den Anforderungen ihrer Vorgesetzten sowie den Erwartungen der zu führenden Belegschaft. Die Führungskräfte haben sowohl wirtschaftliche als auch personelle Verantwortung und stehen dabei selbst unter großem Zeit-, Veränderungs- und Erfolgsdruck. Hinzu kommt, insbesondere auf der mittleren Managementebene, dass sie eine wichtige Schlüsselposition zwischen den individuellen Bedürfnissen von Mitarbeitenden und der Interessen der Unternehmensleitung einnehmen (Zimber 2018: V). Bei dem Thema der gesunden Führung ist folglich zu berücksichtigen, dass Führungskräfte des mittleren Managements einen anspruchsvollen Job ausüben. Führungsverantwortliche müssen meist präsent sein, denn der mündliche Informationsaustausch ist unabdingbar für die Mitarbeiterführung (Huber 2010: 76). Ihr Arbeitsalltag ist selten voraussehbar und sie müssen auf ungeplante Ereignisse schnell reagieren (Blessin et al. 2017: 96). Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Führungskräfte weiter stark an: Größere Aufgabenbereiche, ständige Veränderungen, begrenzte personelle Ressourcen, gekürzte Budgets und sie sollen sich um die Gesunderhaltung ihrer Belegschaft kümmern. Führungspersonen sind selbst anfällig für psychische Erkrankungen, sofern sie es versäumen, für ihre eigene Gesundheit zu sorgen (Zimber 2018: 4).
Einige Angestellte gelangen aufgrund von langer Betriebszugehörigkeit oder Engagement in ihrem vorherigen Arbeitsfeld, zum Teil in verantwortungsvolle Führungspositionen, ohne die notwendigen Führungsfähigkeiten zu besitzen. Wie Schröder bestätigt, sind sich Führungskräfte insbesondere dem Ausmaß ihrer Handlungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie dem daraus möglichen Erfolg des Unternehmens nicht bewusst. (Schröder 2013: 8). Zudem bestätigt auch Huber, dass Führungskräfte inhaltlich gut für ihre Aufgabe geeignet sind, sie sich allerdings nicht sicher fühlen, wenn es um den Umgang mit Mitarbeitenden und den Einfluss auf die Mitarbeitergesundheit geht (Huber 2010: 76). Führungskräfte müssen für die Gesundheit der Mitarbeitenden sensibilisiert werden und sich ihren Auswirkungen bewusstwerden. Hierfür sind Führungskräfteschulungen die beste Maßnahme (Forens et al. 2016: 35).
Führungsverantwortliche haben die Möglichkeit die Rahmenbedingungen zu gestalten, und nehmen eine zentrale Position in der Unternehmenskultur ein, da sie durch ihre Verhaltensweisen und Einstellungen einiges möglich machen können, andererseits vieles hemmen oder zerstören können (Badura et al. 2016: 35 f.). So gewinnt eine positive Einstellung gegenüber den Mitarbeitenden und eine gesunde Mitarbeiterführung immer mehr an Bedeutung und ist elementar für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, da soziale und kollegiale Beziehungen schwer ersetzbar sind (Hinterhuber et al. 2015: 5, 11).
Für Führungskräfte ist es elementar, nah am Geschehen zu sein und mitzubekommen, welche Schwierigkeiten und Herausforderungen es in dem Umfeld der Mitarbeitenden gibt. Hierfür sind soziale Beziehungen von besonders großer Bedeutung, denn sie sind die Basis für Vertrauen zwischen Kollegen, Vorgesetzten und Mitarbeitenden (Blessin et al. 2017: 98 f.). Es liegt in der Verantwortung der Führungsperson, darauf zu achten, dass die Mitarbeitenden weder über- noch unterfordert sind. Die Zielsetzung muss mit den Ressourcen und Potenzialen der Mitarbeitenden abgestimmt sein. Idealerweise ist jeder Beschäftigte in einer Position tätig, in der viele persönliche Interessen und Talente mitgebracht werden (Rütgers et al. (o. Jg.): 43).
Der Arbeitsalltag sollte von Vertrauen und von ehrlichem Interesse für einander geprägt sein. Eine unterstützende Beziehung zu dem Vorgesetzten gibt dem Mitarbeitenden eine psychologische Sicherheit (Badura et al. 2018: 202). Den Mitarbeitenden sollten keine Informationen vorenthalten werden, sodass Veränderungen für sie nicht überraschend auftreten. Zu guter Letzt ist es wichtig, dass Mitarbeitende ihr Feedback gegenüber dem Unternehmen, den Führungsverhalten oder ihren Arbeitsaufgaben äußern dürfen (Breucker et al. 2015: 18).
Sobald die Führungsperson echtes Interesse zeigt, wertschätzend ist und individuelle Belange berücksichtigt, zeigen sich bei den Mitarbeitenden weniger Gesundheitsprobleme und folglich weniger Fehlzeiten (Siebenhüner 2016: 20). Unternehmen können nur gesund und somit wettbewerbsfähig sein, wenn die Führungsebene die Gesundheit der Angestellten vollkommen unterstützt und somit elementare Voraussetzungen für Leistungsbereitschaft schafft (Spieß et al. 2007: 258). Die Qualität der Führung und die kollegialen Beziehungen bilden neben den Werten, die in der Unternehmenskultur herrschen, das Sozialkapital einer Organisation. Badura zufolge ist ein hohes Sozialkapital im Zusammenhang mit der Sinnhaftigkeit der Arbeit eines der wichtigsten Mittel, um Mitarbeitende emotional zu binden (Badura et al 2018: 205).
In modernen Organisationen ist die Komplexität der Arbeitsaufgaben zunehmend ein Dauerzustand. Entwicklungen und Krisen erfordern schnelle und richtige Entscheidungen von den Führungsverantwortlichen auf allen Ebenen. Durch technischen Fortschritt und rationalisierende Vorgehensweisen, entfernt sich die Arbeitswelt von menschlichen Beziehungen und Emotionen. Die Führungskraft ist gefragt, durch klar formulierte Visionen die Belegschaft mitzureißen, zu begeistern und positive Gefühle hervorzurufen, die mit der beruflichen Tätigkeit assoziiert werden (Blessin et al. 2017: 84 f.).
Führung beeinflusst, abhängig davon wie sie vollzogen wird, die Gesundheit der Mitarbeitenden salutogen oder pathogen. Die Kommunikation im Unternehmen und die Entscheidungen der Führungskräfte wirken sich nachhaltig auf die Unternehmenskultur aus. Anerkennung für erbrachte Leistungen und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden haben einen positiven Effekt für die Gesundheit und für das Betriebsklima. Aktives Zuhören und ein Interesse der Führungskraft an den persönlichen Angelegenheiten des Angestellten, lösen positive Emotionen in der Belegschaft aus. Emotionen scheinen aus wettbewerblicher Sicht zunächst unwichtig, haben auf den zweiten Blick aber eine große Auswirkung auf den Unternehmenserfolg (Badura et al. 2008: 34 f.).
2.3.3 Emotionale Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen
Im Normalfall starten die meisten Arbeitnehmer hoch motiviert in ihren neuen Job, allerdings hält die anfängliche Euphorie selten mehrere Jahre an. Gedanklich haben viele Beschäftigte nach geraumer Zeit mit dem Unternehmen abgeschlossen, sodass von einer inneren Kündigung gesprochen wird. Die Folge ist, dass sie entweder das Unternehmen verlassen oder ohne emotionale Verbundenheit zum Unternehmen weiterhin ihren Job ausüben, als Mittel zum Zweck. Es erübrigt sich die Frage, wie übermäßige Fluktuation durch gesunde Führung weitestgehend eingedämmt werden kann. Ein Großteil der Gründe, die für eine hohe Fluktuation sorgen, wird von der Führungskraft direkt beeinflusst (Nink 2018: 9 ff.). Bis zu einem bestimmten Grad ist Fluktuation notwendig, darüber hinaus verursacht sie allerdings hohe Kosten und mit jedem Arbeitnehmer, der geht, verlassen sein Wissen, seine aufgebauten Kontakte und die Erfahrungen das Unternehmen. Kunden wünschen sich oft einen festen Ansprechpartner in Unternehmen, was durch ständigen Personalwechsel nicht gewährleistet werden kann (Nink 2018: 34).
Sowohl körperliche als auch mentale Fitness sind die Voraussetzung für hohe Leistungsfähigkeit. Die Psyche und die Emotionen aller Mitarbeitenden, die durch den Führungsstil geprägt sein können, haben Auswirkungen auf die Beziehungen am Arbeitsplatz und beeinflussen die Kommunikation und das Verhalten untereinander. Wird die mentale Einstellung durch negative Emotionen bestimmt, wirkt sich dies durch mangelndes Engagement hinderlich auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aus (Weinert 2004). Mitarbeitende entwickeln im beruflichen Kontext ein Selbstbewusstsein und stellen somit Erwartungen an die Arbeitswelt, um sich persönlich weiterentwickeln zu können. Sie wünschen sich Selbstständigkeit bei den Arbeitsaufgaben und sind bereit sich selbst zu organisieren. Zu Hierarchien und Kontrollvorgängen hingegen besteht eine Abneigung. Dem Führungsverhalten kommt demnach als Ursache für positive sowie negative Emotionen eine entscheidende Bedeutung zu (Badura et al. 2016: 1).
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