Ausgewählte Screening-Tests zur Verletzungsprävention bei Gewichthebern


Bachelorarbeit, 2017

55 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bewegungsprofil Gewichtheben
2.1 Technikbeschreibung: Rei!1en und Stor1en
2.2 Mar1geblich beteiligte Gelenke und Muskulatur

3 Verletzungsprofil Gewichtheben

4 Screening-Tests

5 Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes
5.1 Functional Movement Screen
5. 2 Y-Balance Test
5.3 Weight-Bearing Lunge Test

6 Eignung der Screening-Tests im Gewichtheben
6.1 Functional Movement Screen
6.2 Y-Balance Test
6.3 Weight-Bearing Lunge Test

7 Mogliche lnterventionsmar1nahmen

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

10 Anhang

Abbi ldu ngsverzeich nis

Abb. 1. The phases of the snatch

Abb. 2. The barbell trajectories of subjects during their heaviest successful snatch

Abb. 3. Clean and Jerk

Abb. 4. Anatomie des Schultergelenks

Abb. 5. Upper-Crossed Syndrom

Abb. 6. Flexion des unteren Ruckens wahrend der Kniebeuge

Abb. 7. DeepsquatTest

Abb. 8. Hurdle Step

Abb. 9. In-Line Lunge

Abb. 10. Shoulder Mobility Test

Abb. 11. Active Straight Leg Raise Test

Abb. 12. Trunk Stability Push Up

Abb. 13. Rotary Stability

Abb. 14. Validity Indices for Total FMS Scores at Various Cut-off Points

Abb. 15. ROC Curve for Total FMS Scores at Different Cut-off Points

Abb. 16. ROC Curve for the FMS composite score and injury status

Abb. 17. Y- Balance Test AusfUhrung: Posteromedial, Anterior, Posterolateral

Abb. 18. Plot of girls' normalized composite right reach distance with girls below the 94% criterion line at greater risk of injury

Abb. 19. Weight-Bearing Lunge Test

Abb. 20. Strengthening exercises for the rotator cuff and scapula musculature

Abb. 21. Flexibility stretches: (A) stretch for anterior shoulder musculature, and (B) stretch for posterior shoulder musculature

Abb. 22. Dehnubung Iliopsoas

1 Einleitung

Um Sportier bei der Verletzungspravention zu unterstutzen, existieren in der Sport­ wissenschaft Methoden, um Verletzungsrisiken zu erkennen und diese zu minimie­ ren. Sogenannte Screening-Tests werden in unterschiedlichen Sportarten einge­ setzt, um intrinsische Verletzungsrisiken bei Sportlern zu identifizieren. Diese Tests konnen Defizite in Bewegungsablaufen, muskulare Dysbalancen und Haltungs­ schwachen aufdecken, um daraus Anhaltspunkte fUr Trainingsinterventionen abzu­ leiten.

In Teamsportarten wurden Screening-Tests zur Verletzungspravention bereits ein­gesetzt und ihre Wirksamkeit wurde in mehreren Studien untersucht (Smith, Chime­ ra & Warren, 2014; Kiesel, Plisky & Voight, 2007; Malliaras, Cook & Kent, 2006). Aktuelle Studien zeigen, dass Screening-Tests teilweise Verletzungen prognostizie­ ren und zu gezielten Trainingsinterventionen einen entscheidenden Beitrag leisten konnen. Anhand der Ergebnisse konnen Sportier individuell ihre intrinsischen Ver­ letzungsrisiken minimieren und so ihre Leistungsfahigkeit in der jeweiligen Sportart steigern.

Randsportarten, wie das klassische Gewichtheben, finden bei Untersuchungen zur Verletzungspravention durch den Einsatz von Screening-Tests in aktuellen Studien wenig Berucksichtigung. Bei der Recherche zur Pravention von Verletzungen bei Gewichthebern wird wiederholt auf das Beherrschen der korrekten Technik, Krafti­ gungsubungen der beteiligten Muskelpartien und eine Verbesserung der Beweg­ lichkeit in den mar1geblich belasteten Gelenken verwiesen (Takano & Nuys, 1987). In dieser Arbeit soli nun untersucht und begrundet werden, inwiefern ausgewahlte Screening-Tests auch im Gewichtheben nutzlich sein konnen, Indikatoren fUr ein erhohtes Verletzungsrisiko zu bestimmen. Dies kann hilfreich sein, um ein individu­ elles und effizientes Trainingskonzept zu entwickeln, das besonders Anfanger im Gewichtheben bei der individuellen Verletzungspravention unterstutzen kann.

Auch aktuelle Trendsportarten - wie Crossfit- konnen von dem Einsatz von Scree­ning-Tests profitieren. In deren Trainingskonzept lassen sich Bewegungen des Gewichthebens wiederfinden. Das Verletzungsprofil eines ,Crossfitters" weist Pa­ rallelen zu dem eines Gewichthebers auf (Weisenthal, Beck, Maloney, DeHaven & Giordano, 2014). Somit konnen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in dieser Sportart, zusatzlich zum Gewichtheben, fUr die Verletzungspravention relevant se1n.

Fur diese Arbeit sind die Screening-Tests Functional Movement Screen, Y-Balance Test und Weight-Bearing Lunge Test ausgewahlt worden, da sie fUr das Gewicht­ heben relevante Bereiche des Korpers untersuchen und bereits im Zusammenhang mit der Verletzungspravention in anderen Sportarten verwendet wurden.

Anhand der Erarbeitung eines Bewegungsanalyseprofils sowie eines Verletzungs­profils werden theoretische Anhaltspunkte erarbeitet, die den Einsatz der ausge­wahlten Screening-Tests im Gewichtheben begrunden konnen.

Wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit stellt zudem die Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes der Tests dar, bei dem die Testverfahren hinsichtlich ihrer Moglichkeiten zur Verletzungspravention in unterschiedlichen Sportarten unter der Berucksichtigung der allgemeinen Testgutekriterien untersucht werden. Abschlie­!1end werden die Screening-Tests auf Grundlage der in der Arbeit erstellten theore­tischen Verbindungen zum Gewichtheben hinsichtlich ihrer Eignung bewertet.

2 Bewegungsprofil Gewichtheben

Die Bewegungsanalyse ist ein Teilbereich der Bewegungswissenschaft. Sie befasst sich mit

,der grundlagen- und anwendungsorientierten Erforschung der aulßerlich sichtbaren Bewe­ gungsablaufe (Aulßensicht) und den korperinneren Mechanismen und Funktionsprozessen der Bewegung (lnnenansicht)." (Wollny, 2007, S 27).

Zu den wesentlichen au!1eren Aspekten der Bewegungsanalyse zahlen unter ande­ rem die Beschreibung, Systematisierung und die Erklarung von Sporttechniken. Die inneren Aspekte beschaftigen sich mit den Vorgangen bei sportlicher Bewegung im lnneren des menschlichen Korpers und untersuchen Funktionsprozesse sportlicher Bewegung unter Berucksichtigung der anatomischen Strukturen (ebd.).

In diesem Kapitel soli die komplexe Bewegung des Gewichthebens aufgearbeitet und in ihre einzelnen Bestandteile aufgegliedert werden. Um zu verstehen, welche typischen Verletzungen bei Gewichthebern entstehen konnen, ist es notwendig uber die Belastungen im Kerper eines Gewichthebers bei der AusfUhrung des Rei­!1ens und Stor1ens Kenntnis zu besitzen. Anhand einer detaillierten Technikbe­ schreibung (Aur1enansicht) und unter Einbezug von Literatur, welche die inneren Prozesse bei der Technik des Gewichthebens beschreiben, soli der Bewegungsab­ lauf analysiert werden. Ergebnis dieser Bewegungsanalyse soli die Herausstellung der an der Bewegung mar1geblich beteiligten Muskulatur und Gelenke sein.

2.1 Technikbeschreibung: Reif!,en und Stof!,en

Sportliche Technik versteht sich als Losungsverfahren einer Bewegungsaufgabe. Sie zielt auf das Erreichen moglichst hoher sportlicher Leistungen ab und nutzt bestmoglich die physischen und technischen Gegebenheiten des Sportlers (Wick,2005). Eine sportliche Technik besteht aus der Form und dem lnhalt der Bewe­gung. Die Form meint die au!1ere Organisation und Struktur der Bewegung. Der lnhalt umfasst qualitative Aspekte der Bewegung (Zahran, 2003). Sportliche Tech­ nik stellt gewissermar1en ein ldealmodell eines Bewegungsablaufes zur bestmogli­ chen Losung einer bestimmten sportlichen Bewegungsaufgabe dar (Gullich & Kru­ ger, 2013).

lm Allgemeinen lasst sich das Ziel des Gewichthebens als das Rei en und Sto en von moglichst hohen Gewichten auf einer Langhantel definieren, wobei das Ge­ wicht zu einer Hochstrecke Ober den Kopf gebracht werden soli. Bei der Technik des Rei ens (engl. Snatch) stemmt der Athlet eine Langhantel gemaden Wett­ kampfbedingungen in einer kontinuierlichen Bewegung vom Boden mit ausge­ streckten Armen Ober seinen Kopf. In der Endposition muss das Gewicht so lange regungslos gehalten werden, bis die Kampfrichter das Signal zum Absetzen der Hantel geben. Bis auf die FOe dart kein Korperteil des Athleten den Boden berOh­ ren (Sportordnung fOr Gewichtheben des Bundesverbandes Deutscher Gewichthe­ ber, 2009). Die Technik lasst sich wie nachfolgend dargestellt, in sechs Phasen aufgliedern:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. The phases of the snatch: (a) the first pull, (b) transition from the first to the second pull, (c) the second pull, (d) turnover under the barbell, (e) the catch phase, (f) rising from the squat position (Gourgoulis et al., 2000, p. 644).

In der Ausgangsposition befinden sich die FOe des Gewichthebers etwa schulter­breit unter der Langhantel und auf der Hohe des Gro zehengrundgelenks (Derwin,1990). Die Arme greifen die Hantel deutlich breiter als schulterbreit, wahrend die Handflachen nach unten gerichtet sind. Bei Gewichthebern ist der Griff der Dau­ menklemme weit verbreitet. Dabei wird der Daumen beim Greifen der Langhantel zwischen den Fingern und der Hantel eingeklemmt. Dieser Griff soli eine erhohte Sicherheit gegenOber anderen Griffarten bieten - besonders bei hohen Gewichtsbe­ lastungen (Haft & Triplett, 2016). Der breite Griff ist vorteilhaft, da sich der Weg, den die Langhantel zurucklegen muss, im Vergleich zu einem engen Griff verringert und sich der notwendige Kraftaufwand somit reduziert (Zahran, 2007).

Nachfolgend werden die den in Abb. 1 dargestellten Phasen zugeordneten Buch­stabenbezeichnungen zur besseren Orientierung im Text mit eingebunden.

Zu Beginn befindet sich die HOfte des Athleten Ober der Langhantel, die Schienbei­ ne sind je nach Praferenz des Athleten sehr nah an oder mit Kontakt zur Langhan­ tel positioniert (a). Die Schultern befinden sich in einer Linie mit der Langhantel o-

der etwas nach vorne uber die Langhantel hinaus gerichtet (Derwin, 1990). Der Oberkorper richtet sich auf und der Rucken wolbt sich in ein leichtes Hohlkreuz. Dabei bleibt der Kopf in einer neutralen bis Ieicht angehobenen Position. Sobald sich die Hantel vom Boden lost, betragen die Winkel in den Kniegelenken etwa 100-110 Grad (Zahran, 2007). Die Hantel wird dann zunachst in eine Position et­was uber den Kniegelenken gebracht (b). Die Schienbeine nahern sich einer verti­ kalen Position an und die Hufte sowie die Schultern bewegen sich mit gleicher Ge­ schwindigkeit nach oben (Derwin, 1990). Bevor die Hantel naher zur Hufte gebracht (c) und der Kerper sich durch die explosive Streckung der Knie und Huftgelenke weiter aufrichtet, ermoglicht eine weitere Beugung des Kniegelenks die gror1tmogli­ che Kraftentfaltung der Kniegelenksextensoren. Dieser Vorgang wird als Double­ Knee-Bend Technik bezeichnet (lsaka, Okada & Funato, 1996). Bei der vollen Streckung des Korpers befinden sich die Fur1e in einem Zehenstand. Das Becken wird nach vorn verlagert und die Schultern Ieicht nach hinten (d).

Die Hantel befindet sich in einer Aufwartsbewegung und nun in der Phase der gror1ten Beschleunigung. Die Arme bleiben gestreckt und bringen die Hantel weiter nach oben, bis sie schlier11ich keine Aufwartsbeschleunigung mehr erfahrt und da­ rauffolgend beginnt abzusinken. Kurz vor dem Absinken der Langhantel muss der Athlet eine schnelle Anderung der Bewegungsrichtung einleiten, indem er den Ker­ per unter die Hantel verlagert (e).

Die Schultern werden weiter nach hinten bewegt und der Kerper wird sowohl unter, als auch an die Langhantel herangezogen. Die Ellbogen sollten dabei moglichst lange uber der Hantel verweilen (Derwin, 1990). Sobald die Hantel den Kopf pas­ siert, werden die Ellbogen mit einer gleichzeitigen Umdrehung der Handgelenke zum Kerper hin unter die Stange gefUhrt. Simultan beugen sich die Fur1- und Knie­ gelenke mit maximaler Beschleunigung und bringen den Kerper in die Position der Kniebeuge und schlier11ich unter die Hantel (e-f). Das schnelle Absenken des Ober­ korpers wird durch die entstehende Tragheitskraft beim Beugen der Beine unter­ stutzt (Zahran, 2007). Die Fur1e haben dabei eine breitere Stellung eingenommen und die Fur1spitzen sind Ieicht nach au!1en gedreht. Wenn sich die Schultergelenke unter der Hantel befinden, ,fangt" der Athlet die sich absenkende Langhantel und bewegt sich mit dieser in die tiefe Hacke (f).

Das Ende der Bewegung bildet das Aufstehen aus der tiefen Hacke. Die Langhan­tel, Schultern und Fur1gelenke befinden sich dabei in einer Linie, um sicherzustel­ len, dass sich die Hufte nicht zu schnell erhebt und der Athlet nach vorne fallt (Derwin, 1990). Beim Aufstehen nutzt er die Federkraft der unteren Extremitaten. Nach dem Aufstehen wird die Hantel mit ausgestreckten Armen uber dem Kopf des Athleten fixiert und aile Korperteile bilden mit der Langhantel eine vertikale Linie.

Die nachfolgende Abbildung zeigt den charakteristischen Weg der Langhantel wah­rend des ReiBens bei sechs verschiedenen Gewichthebern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2. The barbell trajectories of subjects during their heaviest successful snatch. Vertical reference lines were drawn through the barbell just prior to lift-off (lsaka et al, 1996, p 510)

Die anfangliche Beschleunigung der Langhantel mit anschlieBendem Absinken und darauffolgender Hochstreckung bewirkt den s-formigen Verlauf. DarUber hinaus lasst sich die Verlagerung der Langhantel zum Kerper des Athleten hin erkennen. Beim StoBen ist die Ausgangsposition- mit Ausnahme der Griflbreite- identisch mit der des ReiBens. Die Hantel wird enger gefasst, urn die StoBbewegung nach dem Umsetzen zu erleichtern. Auch die erste und zweite Zugphase Uberschneiden sich in allen Aspekten. Der grundlegende Unterschied folgt in der Phase des Verlagerns des Korpers unter die Hantel und in der Phase des Fangens. Die Hantel wird nicht in einer kontinuierlichen Bewegung Uber den Kopf des Athleten ausgestreckt, son­ dern ruht nach dem Absinken der Hantel zunachst im Bereich des Sternoklaviku­ largelenks (Fees, Decker, Snyder-Mackler & Axe, 1998). Der Athlet richtet sich nach der tiefen Hacke auf, wahrend sich die Langhantel weiterhin in dem Bereich des Sternoklavikulargelenks befindet. In der stehenden Position ist ein Wechsel des Griffes sowie ein leichtes Korrigieren der Lage der Langhantel erlaubt (Sport­ ordnung fUr Gewichtheben des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber, 2009). AnschlieBend werden die Beine Ieicht gebeugt und danach explosiv gestreckt mit gleichzeitiger Streckung der Arme, urn die Hantel in eine Oberkopfstreckung zu bewegen (Pierce, 1999). Dabei darf ein Ausfallschritt vollzogen werden, der fUr die endgUitige Position wieder aufgehoben werden muss. Die Endposition ist identisch mit der des ReiBens. Die in beiden Disziplinen am hochsten erreichten Gewichte werden addiert und in der jeweiligen Gewichtsklasse des Athleten bewertet.

Die Nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Bewegungsablauf des Sto ens:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3. Clean and Jerk (Pierce, 1999, p. 47).

2.2 Ma/3geblich beteiligte Gelenke und Muskulatur

Wie die Beschreibung der Technik zeigt, sind beim Gewichtheben vorwiegend die Fu -. Knie- Huft- und Schultergelenke und ihre Strecker (Extensoren) und Beuger (Fiexoren) beteiligt.

Zu Beginn der Bewegung herrschen die gro ten Drehmomente im Bereich des Huftgelenkes. Es wird vermutet, dass der Streckung im Huftgelenk bei der Ober­ windung der Tragheit und der Beschleunigung der Langhantel in der ersten lug­ phase die gro te Bedeutung zugesprochen werden kann und in der zweiten lug­ phase die rapide Streckung des Kniegelenks fur eine erfolgreiche Ausfuhrung des Gewichthebens verantwortlich ist (Kipp, Redden, Sabick & Harris, 2012). Eine ruhi­ ge und teste Rumpfposition in der ersten lugphase sowie eine geringere Huftex­ tension wahrend des zweiten rapiden Beugens der Knie ermoglichen hohere Ge­ wichtsbelastungen (Kipp et al., 2012).

Daruber hinaus begunstigt eine kraftvolle Plantarflexion des Fu gelenks die Be­ schleunigung der Langhantel in der Vertikalen (Bartonietz, 1996). Fur die Streckung des Fu gelenkes sind vor allen Dingen der hintere Schienbeinmuskel, die Iangen lehenbeuger und der lange und kurze Wadenbeinmuskel verantwortlich (Nyska & Mann, 2002).

Es wird davon ausgegangen, dass die rapide dreifache Streckung der unteren Ext­remitaten (Fu gelenk, Kniegelenk und Hufte), wahrend der zweiten lugphase des Gewichthebens der entscheidende Faktor fur das Gelingen der Technik des Rei en und Sto ens ist (Kipp et al., 2012).

Auch wenn ein lusammenspiel aller beteiligten Muskeln notwendig ist, kann der Beinmuskulatur beim Gewichtheben die hochste Bedeutung zugesprochen werden. Besonders die ischiocrurale Muskulatur stellt einen limitierenden Faktor fur das Gewichtheben dar. Sie ist ma gebend an der Huftstreckung und Kniebeugung be-teiligt. Durch sie wird die meiste Kraft beim Gewichtheben entwickelt (Bartonietz, 1996). Zu der Gruppe der ischiocruralen Muskulatur gehoren: Der M. biceps femo­ ris, M. semimembranosus, M. semitendinosus. (Appell & Stang-Voss, 2013). Sie befinden sich auf der Ruckseite des Oberschenkels.

Die Muskulatur der Rotatorenmanschette gewahrleistet die notige Stabilitat im Schultergelenk bei der hohen Gewichtsbelastung durch die Langhantel bei extre­ mer Streckung der Arme uber den Kopf (Calhoon & Fry, 1999).

Der Rotatorenmanschette ist eine Reihe von Muskeln zugehorig, die im Zusam­menspiel mit ihren Sehnen das Schultergelenk stabilisieren und den Humeruskopf (das Ende des Oberarmknochens) allseitig umfassen. Sie beeinflusst den Bewe­ gungsspielraum des Knochens in der flachen Gelenkpfanne der Schulter (Appell & Stang-Voss, 2013).

Bei der Stor1bewegung des Gewichthebens sind neben der Rotatorenmanschette der Deltamuskel und der M. trapezius besonders beteiligt (Kohler, Flanagan & Whit­ ing, 2010). Der Deltamuskel ist an der Abduktion des Armes beteiligt und wird da­ bei durch die Rotatorenmanschette - besonders dem M. supraspinatus- in stabili­ sierender Weise unterstutzt (Schunke, 2000).

Der M. trapezius ist an allen Zieh- und Hebebewegungen beteiligt und hebt am Ende der ersten Zugphase bei der Reir1bewegung die Schultern an (Derwin, 1990).

lm weiteren Verlauf der Arbeit wird somit das Hauptaugenmerk auf mogliche Ver­ letzungen im Fur1-, Knie-, Huft- und Schultergelenk gelegt unter besonderer Be­ rucksichtigung der wichtigsten beteiligten Muskulatur.

3 Verletzungsprofil Gewichtheben

In der Literatur herrscht keine Einigkeit uber die Definition von Sportverletzungen. Nach Timpka, Jacobsson, Bickenbach, Finch, Ekberg und Nordenfelt (2014) liegen bei der Untersuchung von Sportverletzungen keine einheitlichen Begriffe vor.

Bei der Betrachtung der in der Literatur vorherrschenden Definitionen, lassen sich aber Obereinstimmungen dahingehend finden, dass Sportverletzungen Schadigun­ gen des Korpers eines Sportlers im Rahmen sportlicher Aktivitaten sind. Es zeigen sich Unterschiede in den Definitionen, ob Sportverletzungen nur die Folge von au­!1erer Einwirkung wahrend des Sportes sind und Sporlschaden ,die Folgen chroni­scher Oberlastung und Mikrotraumatisierung des aktiven und/oder passiven Bewe­ gungsapparates" bezeichnen (Wegner, 2003, S. 29). Andere Definitionen fassen den Begriff der Sportverletzungen allgemeiner, beziehen aber die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung der Verletzung mit ein. Timpka et al. (2014) formu­ lieren Sportverletzungen wie folgt:

,Loss or abnormality of bodily structure or functioning resulting from isolated exposure to physi­ cal energy during sports training or competition that following examination is diagnosed by a cli­ nical professional as a medically recognized injury." (Timpka et al., 2014, p. 425).

Entscheidend bei der Definition ist die Betonung der Einschrankung der Funktiona­litat des Korpers aufgrund von sportassoziierten Schaden korperlicher Strukturen.

Diese Schadigungen des Korpers werden im Gewichtheben in erster Linie durch sogenannte intrinsische Faktoren bestimmt.

lntrinsische Faktoren sind individuell bedingt und beinhalten neben Alter, Ge­schlecht, Grol1e, Gewicht und anderen Gesichtspunkten, auch Aspekte der Be­ schaffenheit von Bandern und Sehnen, Verletzungs-Historie, anatomische Beson­ derheiten, Starke und Flexibilitat der Muskeln sowie die Beweglichkeit der Gelenke. Einige Faktoren, wie Alter und Geschlecht lassen sich nicht beeinflussen. lm Ge­ gensatz dazu behandeln die extrinsischen Faktoren unter anderem die au!1eren Umstande, in denen der Sport betrieben wird. Dazu gehoren unter anderem die Sportausrustung, der Tageszeitpunkt, die Haufigkeit des Trainings oder Sportgera­ te (Smith, 2001). In dieser Arbeit soli der Fokus auf den intrinsischen Faktoren lie­ gen und das Erkennen dieser Faktoren Gegenstand der Verletzungspravention im Gewichtheben sein.

Der Begriff der Verletzungspravention meint in diesem Zusammenhang die Mar1-nahmen, die unternommen werden, um zukunftige Verletzungen zu verhindern. Die in dieser Arbeit zu untersuchenden Screening-Tests sollten Anhaltspunkte fUr die Erkennung von intrinsischen Risikofaktoren liefern. lnnerhalb von lnterventions­ mar1nahmen besteht die Moglichkeit der Reduktion dieser Risikofaktoren, um so das Verletzungsrisiko eines Athleten zu minimieren.

Generell ist das Gewichtheben im Vergleich zu anderen Sportarten mit einem ge­ ringen Verletzungsrisiko verbunden. Andere Sportarten weisen durch unvorherseh­ bare Anderungen des Bewegungsmusters ein hoheres Verletzungsrisiko auf. Ge­ genspieler, unsicherer Untergrund oder andere Storvariablen entfallen beim Ge­ wichtheben. Die Bewegungsabfolge des Gewichthebens kann wiederholt trainiert werden und verandert sich auch in Wettkampfsituationen nicht. Die optimale Vorbe­ reitung auf das Bewegungsmuster und der kontrollierte Bewegungsradius, beson­ ders der unteren Extremitaten, konnen als Begrundung fUr das geringe Verlet­ zungsrisiko eines Gewichthebers herangezogen werden (Calhoon & Fry, 1999). Wenn Sportverletzungen im Gewichtheben auftreten, dann haufig durch fehlerhafte Belastungen des Korpers und durch die Gewichteinwirkung der Langhantel auf den Kerper. Aber auch Oberbelastungen bei chronischer Oberschreitung der Belas­ tungstoleranz des Korpers pragen das Verletzungsbild.

Oberlastungsschaden konnen durch andauernde, durch Dysbalancen in der Mus­ kulatur bedingte Fehlbelastungen des Korpers entstehen (Piesch, Sieven & Trzo­ lek, 2016). Muskulare Dysbalancen liegen dann vor,

,wenn ein Ungleichgewicht zwischen tonischer und Fasermuskulatur besteht. Dabei sind durch die Fehlbelastung die tonischen Muskeln bei erhaltender Kraft verkorzt, die phasischen Antago­ nisten und Synergisten abgeschwacht." (Neumann, 2000, S. 1200).

Starke muskulare Dysbalancen konnen zu Gelenkfehlbelastungen und lnstabilita­ ten fUhren. ,Daraus resultieren Storungen des Knorpelaufbaus und zunehmende Belastungsbeschwerden" (Hottenrott & Neumann, 2014, S. 200), die sich letztend­ lich in ineffizienten Bewegungsablaufen, in einer gleichzeitig hoheren Belastung und in Oberreizungen der Sehnen niederschlagen (Neumann, 2000). Zu den Muskeln, die zu einer Verkurzung neigen, zahlen unter anderem die vorde­re und hintere Oberschenkelmuskulatur, die Muskulatur des unteren Ruckens und die Huftbeuger (Vogt & Topper, 2007). Sie konnen lnstabilitaten der Huft- und Kniegelenke bewirken. Es konnte gezeigt werden, dass muskulare Dysbalancen im Bereich der ischiocruralen Muskulatur, konkret eine pragnantere Auspragung des M. quadriceps femoris im Vergleich zur ischiocruralen Muskulatur, lnstabilitaten im Kniegelenk verursachen. Die Oberentwicklung des M. quadriceps femoris bewirkt eine Verminderung der Koaktivierung der ischiocruralen Muskulatur, die bei der Ex­ tension des Kniegelenks unter Belastungen eine stabilisierende Funktion uber­ nimmt. Das Fehlen dieser Koaktivierung der ischiocruralen Muskulatur hat eine he­ here Belastung der Bandstrukturen im Kniegelenk zur Folge.

,Such reduced antagonist activity diminishes the total stabilizing force available to the joint during extension loading and exposes the ligaments to the majority of the loading force." (Barat­ ta, Solomonow, Zhou, Letson, Chuinard & D'Ambrosia, 1988, p. 121).

Die Bandstrukturen im Kniegelenk sind neben der Muskulatur, die fUr die Kniestabi­litat bedeutendsten Strukturen.

Neben dem Risiko der lnstabilitat im Kniegelenk - beispielsweise bedingt durch muskulare Dysbalancen - ist die charakteristische Einnahme der tiefen Kniebeuge unter Gewichtsbelastungen eine fUr die Bandstrukturen im Kniegelenk belastende Position. Klein (1961) untersuchte in seiner Studie die unterschiedlichen Belastun­ gen von Personen, welche die Parallei-Kniebeuge durchfUhrten (Die Oberschenkel befinden sich dabei parallel zum Boden in der Phase der maximalen Kniebeugung) und Personen, die die tiefe Kniebeuge ausfUhrten (Kontakt der Oberschenkel zur Wadenmuskulatur). Er kam zu dem Ergebnis, dass bei letzterer Personengruppe die Seitenbander eine gror1ere Dehnung aufwiesen im Vergleich zu Personen, die sich auf die Parallelkniebeuge beschranken (Klein, 1961).

Daruber hinaus wies die Gruppe, welche die tiefen Kniebeugen ausfUhrte, lnstabili­ taten in den Bandstrukturen des Kniegelenkes auf. ,Compared with the control group, the deepsquat group showed a) 61% greater instability in two or more liga­ ments of both legs."(Escamilla, 2001, p. 137). Die hoheren Belastungen der Sei­ tenbander werden mit der verstarkten Rotation des Femur (Oberschenkelknochen) nach au!1en bei der Knieflexion und verstarkter Rotation nach innen bei der Knieex­tension begrundet (Escamilla, 2001).

[...]

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Ausgewählte Screening-Tests zur Verletzungsprävention bei Gewichthebern
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Sport und Sportwissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
55
Katalognummer
V503781
ISBN (eBook)
9783346044068
ISBN (Buch)
9783346044075
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ausgewählte, screening-tests, verletzungsprävention, gewichthebern
Arbeit zitieren
Johannes Krahforst (Autor:in), 2017, Ausgewählte Screening-Tests zur Verletzungsprävention bei Gewichthebern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503781

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