Die Polizei als Vermittler zwischen der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat - In: G.W.F. Hegel: Grundlinien der Phiolosophie des Rechts


Hausarbeit, 2005

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung
1.1 Politische Grundideen nach 1815
1.2 Vorstellung des Themas

2. Die bürgerliche Gesellschaft
2.1 Die drei Momente der bürgerliche Gesellschaft
2.2 Das System der Bedürfnisse
2.3 Die Rechtspflege
2.4 Die Polizei und die Korporation
2.4.1 Die Korporation
2.4.2 Die Polizei im Kontext der Rechtsphilosophie

3. Inhalt der § 230- 249
3.1 Zum Begriff Polizei § 230 und 231
3.2 Die Polizei als allgemeine Macht § 232 bis 234
3.3 Die Polizei als öffentliche Macht § 235 und 236
3.4 Die Polizei als Recht der bürgerlichen Gesellschaft auf die Individuen der Familien § 237 bis 242
3.5 Die Polizei als Begrenzung der ungehinderten Wirksamkeit der bürgerlichen Gesellschaft nach innen und Regelung der Expansion nach außen § 243 – 249

4. Die Polizei als Vermittler zwischen der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat
4.1 Der Bezug zur Familie
4.2 Der Bezug zum Staat
4.3 Die Funktion der Polizei als Vermittler innerhalb Hegels Staatskonstruktion

5. Schlussfolgerung
5.1 Die Bedrohung des Staates durch den Pöbel
5.2 Die Idee des Staates
5.3 Fazit

6. Zeittafel

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Politische Grundideen nach 1815

Konservative, liberale, demokratische und nationale Ideen sind ebenso charakteristisch für das 19.Jahrhundert wie die Konstitutionelle Monarchie. Das Zeitalter der Restauration erhält durch die Restauration der Staatswissenschaften des Schweizers Karl Ludwig von Haller ihren Namen.

Der Konservativismus stellt die politische Gegenbewegung zur Französischen Revolution dar. Staat, Gesellschaft, Recht und Kultur werden in ihrer geschichtlichen Mannigfaltigkeit als organisch sich entwickelnde Gebilde verstanden, die sich nicht nach Ideen, Theorien oder Verfassungen künstlich ändern lassen. Der Adel, die Geistlichkeit, die Beamten und die Bauern sind Träger der konservativen Bewegung, die Mitteleuropa (Österreich, Preußen) bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts beherrscht.

Der Liberalismus wurzelt geistig in der Vertrags- und Naturrechtslehre der westeuropäischen Aufklärung vor allem von John Locke und Montesquieu. Er kommt mit der Französischen Revolution zum Durchbruch. Auf den Fortschritt der Vernunft vertrauend, zielt er auf Verwirklichung individueller Freiheit. Forderungen sind: Freiheit der Person, Grund- und Menschenrechte, Verfassungsstaat, Gewaltenteilung, Grundgesetze, Rechtsstaat, Wahl, Parlament und freie Wirtschaft. Der Liberalismus wird vom Besitz- und Bildungsbürgertum vertreten, er setzt sich vor allem in England durch und erlebt seine Blüte Mitte des 19.Jahrhunderts. Als einflussreiche Philosophen sind in diesem Kontext Jeremy Bentham, John Stuart Mill und Herbert Spencer zu nennen.

Von den Liberalen heben sich die Demokraten- Radikale und Republikaner- durch die Betonung der Gleichheit und der Volkssouveränität (Rousseau) ab. Vor dem Recht des einzelnen rangiert das Recht der Mehrheit, das der Staat, die Einheit von Regierenden und Regierten zu schützen hat. Forderungen sind: das allgemeine Wahlrecht, gerechtere Verteilung des Eigentums, Beseitigung der Klassengegensätze und Bildungsvorrechte. Anhänger dieser Bewegung sind unter den Kleinbürgern und den Arbeitern zu finden. Die demokratische Bewegung setzt im Laufe des 19.Jahrhunderts in den Industriestaaten Wahlrechtserweiterungen durch.

Die nationale Bewegung und das moderne National- bzw. Vaterlandsgefühl- entstanden in der Französischen Revolution- wird zu einer der stärksten politischen Kräfte des 19.Jahrhunderts. Erstrebt wird ein souveräner Nationalstaat durch das Selbstbestimmungsrecht der Nation. Voraussetzung der modernen Nationalidee sind die rationalen und irrationalen Lehren der Zeit. Unter anderem die Volkssouveränität, die Autonomie der Freiheit und eine romantische Volkstumsauffassung. Infolgedessen kann sich die nationale Bewegung mit allen politischen Richtungen verbinden und entfaltet sich am stärksten dort, wo noch keine staatliche Einheit der Gesamtnation erreicht ist, dementsprechend in Deutschland, Italien, Polen, Ungarn, bei den Balkanvölkern, in Belgien und Irland.

1.2 Vorstellung des Themas

Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat den Text der Rechtphilosophie im Frühjahr und Sommer 1819 abschließend überarbeitet. Aufgrund der Karlsbader Beschlüsse im Oktober 1819, die rigide Zensurvorschriften mit sich brachte, konnte der Text jedoch nicht erscheinen. Wie Hegel in einem Brief im Oktober 1819 schrieb musste er den Text neu redigieren:

„Ich wollte eben anfangen drucken zu lassen, als die Bundestagsbeschlüsse ankamen. Da wir jetzt wissen woran wir mit unserer Zensurfreiheit sind, werde ich jetzt nächstens in Druck gehen.“[1]

Die Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse erscheinen im Herbst 1820. Die Möglichkeit und der Zeitpunkt des Erscheinens ist gleichzeitig eine inhaltliche Grenze. Hegel vertritt in der Rechtsphilosophie eine bürgerliche Ideologie und betrachtet die bestehenden Verhältnisse affirmativ. Das er die konstitutionelle Monarchie als den Höhe- und Endpunkt der Entwicklung des modernen Staates beschreibt ist auch geprägt durch die historischen Vorgänge seiner Zeit, auf die ich an gegebener Stelle konkreter eingehen werde und die ich in der Zeittafel dargestellt habe.

Die Rechtsphilosophie gliedert sich in drei Abschnitte. Erster Teil: Das abstrakte Recht. In diesem Abschnitt behandelt Hegel das Eigentumsrecht, den Vertrag und das Unrecht. Es existiert eine abstrakte Freiheit. Zweiter Teil: Die Moralität. Hier erörtert Hegel: den Vorsatz und die Schuld, die Absicht und das Wohl und das Gute und das Gewissen. Er bestimmt das „Ich“ im Verhältnis zur Welt. Hier existiert Willkür. Dritter Teil: Die Sittlichkeit. Dieser Teil gliedert sich in die Familie, die bürgerliche Gesellschaft und den Staat. In Hegels System hat das jeweils dritte Element eines Sachverhaltes eine privilegierte Rolle in der Gesamtdarstellung. Im Kontext der Rechtsphilosophie ist es die Sittlichkeit dem diese Rolle zukommt. Erst in der Sittlichkeit ist die Wirklichkeit als freier Wille existent und die Verwirklichung richtig verstandener Freiheit möglich. Erst hier gibt es konkrete Freiheit.

Die Paragraphen 230 bis 249, die Inhalt dieser Hausarbeit sind, finden sich im Abschnitt über die bürgerliche Gesellschaft. In ihnen bestimmt Hegel die verschiedenen Aufgaben der Polizei innerhalb seiner Staatskonstruktion. Ziel dieser Arbeit ist es, die Funktion der Polizei als Vermittler zwischen der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat herauszuarbeiten und die Aufgabe dieser Vermittlung innerhalb Hegels Staatskonstruktion aufzuzeigen.

2. Die bürgerliche Gesellschaft

2.1 Die drei Momente der bürgerliche Gesellschaft

Die bürgerliche Gesellschaft unterteilt sich in drei Abschnitte: das System der Bedürfnisse, die Rechtspflege und die Polizei und Korporation. Diese drei Momente bestimmen die Form der Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft.

„Die bürgerliche Gesellschaft enthält die drei Momente:

A. Die Vermittlung des Bedürfnisses und die Befriedigung der Einzelnen durch seine Arbeit und durch die Arbeit und Befriedigung der Bedürfnisse aller Übrigen, - das System der Bedürfnisse.
B. Die Wirklichkeit des darin enthaltenen Allgemeinen der Freihei t, der Schutz des Eigentums durch die Rechtspflege.
C. Die Vorsorge gegen die in jenen Systemen zurückbleibenden Zufälligkeiten und die Besorgung des besonderen Interesses als eines Gemeinsamen, durch die Polizei und Korporation.“[2]

2.2 Das System der Bedürfnisse

Das System der Bedürfnisse konstituiert sich durch die Bürger, die Bedürfnisse haben und die Mittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse produzieren. Die Befriedigung der Bedürfnisse erfolgt nach Hegel arbeitsteilig. So ist im System der Bedürfnisse die Gesamtheit der Gesellschaft durch Stände organisiert. Die Definition der Stände erfolgt durch die Tätigkeit der Menschen bzw. ihren Bezug zur Natur. Der substantielle Stand ist der Stand, der der Natur am nächsten ist. Die Mitglieder dieses Standes bearbeiten den Boden und erzeugen Naturprodukte, er besteht aus den Bauern. Der reflektierte Stand ist der Stand des Gewerbes. Die Mitglieder dieses Standes bearbeiten die Natur nicht direkt, sondern sie verarbeiten die Naturprodukte. In diesem Stand befinden sich drei unterschiedliche und hierarchisch gegliederte Gewerbe: der Handwerksstand, der Fabrikantenstand und der Handelsstand. Hier befinden sich sowohl die Fabrikanten, als auch die Fabrikarbeiter. Der allgemeine Stand schließlich hat gar kein Verhältnis mehr zu der Natur und ihren Produkten. Die Tätigkeit der Mitglieder bezieht sich auf die Sicherung der Möglichkeit des Funktionierens der bürgerlichen Gesellschaft, auf die Erhaltung und den Schutz der bürgerlichen Verhältnisse. Der allgemeine Stand „macht Politik“, kümmert sich um die allgemeinen Angelegenheiten und muss deshalb frei sein von der direkten Arbeit für die Bedürfnisse. Die Mitglieder dieses Standes gehören der Zivilverwaltung an, dem Militär und der Polizei. Es sind Beamte.

2.3 Die Rechtspflege

Im Abschnitt über die Rechtspflege geht Hegel davon aus, dass die bürgerliche Gesellschaft durch die besonderen Interessen ihrer Mitglieder konstituiert ist. Grundlage hierfür ist das System der Bedürfnisse. Als Voraussetzung für Gesetze muss es innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft die wechselseitige Anerkennung als Freie und Gleiche geben. In der Rechtspflege wird das Recht auf Eigentum anerkannt und der Schutz dieses Rechts soll gewährleistet werden. Hegel zählt in der Rechtspflege nicht bestimmte Rechte auf, sondern legt die Bedingungen, die im Kontext der bürgerlichen Gesellschaft Rechtssicherheit ermöglichen fest. Dies ist erstens: die Gesetzförmigkeit des Rechts. Damit ist gemeint, dass nur das Recht ist, was die Form eines Gesetzes hat und allgemeingültig ist. Hegel ist gegen Gewohnheitsrechte und ungeschriebene Gesetze. Zweitens: die angemessene Kodifizierung des Rechts. Hierunter versteht Hegel die Niederlegung der Gesetze in einem allgemein zugänglichen, öffentlichen Gesetzbuch. Diese Grundsätze sollen einfach, verständlich und allen zur Kenntnis gebracht werden bzw. jeder muss die Möglichkeit erhalten sie zur Kenntnis nehmen zu können. Sie sollen die Grundlage eindeutiger Entscheidungen sein. Drittens: die Rechtsprechung durch Gerichte. Gerichtsverhandlungen sollen öffentlich sein, es muss die Möglichkeit geben Rechtsmittel gegen Urteile einzulegen und Urteilbegründungen dürfen nur erweisbare Tatbestände dokumentieren.

2.4 Die Polizei und die Korporation

Der dritte Abschnitt der bürgerlichen Gesellschaft behandelt die Polizei und die Korporation. In ihr werden die Grenzen der Freiheit der Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft ihre besonderen Interessen egoistisch zu verfolgen festgelegt. Es muss Grenzen geben, um zu gewährleisten, dass jedes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft wenigstens im Prinzip sein besonderes Wohl verwirklichen kann. Die Durchsetzung dieser Grenzen obliegt der Polizei und den Korporationen.

2.4.1 Die Korporation

Die Korporationen sind Berufsgenossenschaften bzw. „modernisierte“ Zünfte. Ihre Mitglieder gehören zum Stand des Gewerbes. Sie agieren:

„...unter der Aufsicht der öffentlichen Macht...“[3]

relativ selbständig, haben eine eigene Rechtsordnung und sind nicht jedem zugänglich. Darüber hinaus besitzen sie ein Ausbildungsmonopol für ihre Berufsbereiche und übernehmen Fürsorgepflichten für ihre Mitglieder.

2.4.2 Die Polizei im Kontext der Rechtsphilosophie

Die Polizei in diesem Kontext hat nichts mit dem gemein, was wir heute unter Polizei verstehen. Es handelt sich vielmehr um den Aufgabenbereich der gesamten Innenpolitik. Der Polizei obliegt in Hegels Rechtsphilosophie die Sicherung der öffentlichen Ordnung, die Gewerbeaufsicht und Industrieplanung, die Vorsorge für Infrastrukturmaßnahmen, konkret der Brückenbau und die Straßenbeleuchtung. Der Polizei kommt ebenso die Gewährleistung der Zugänglichkeit von lebensnotwendigen Waren durch entsprechende Verteilung und Steuervorschriften zu. Sie soll ebenfalls die Bereitstellung von Einrichtungen zur Gesundheitspflege, zur Erziehung der Kinder und von Armenhäusern gewährleisten. Insgesamt hat die Polizei damit ein weites und nichthomogenes Aufgabenfeld.

Hegel sieht, dass die bürgerliche Gesellschaft, wenn sie ihren eigenen Prinzipien überlassen bleibt sich selbst destabilisiert bzw. letztlich destruieren muss. In § 244 erläutert er, dass die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft als organisierte Gemeinschaft notwendig zur Verelendung großer Massen ihrer Mitglieder führt. Die Akkumulation des Kapitals liegt in den Händen einiger weniger Personen (§ 245).So kommt es von einem Punkt massenhafter Verarmung an, zu unvermeidbaren Überproduktionskrisen, die zu verstärkten Exporten in andere Länder führen, was deren Binnenwirtschaft gefährdet. Ebenso kommt es zu Auswanderung und zur Bildung von Kolonien. Obwohl Hegel sieht, dass die bürgerliche Gesellschaft sich so letztlich selbst zerstört, löst er diese, von ihm als Problem erkannte, Frage nicht staatsimmanent, sondern sie wird durch Kolonisation nach außen verlagert.

Die bürgerliche Gesellschaft befindet sich aufgrund ihrer Beziehungen der privaten Bedürfnisbefriedigung in einem spannungsreichen Zustand. Daraus ergibt sich für Hegel die Notwendigkeit einer ordnenden Macht. Die Polizei, deren Mitglieder dem allgemeinen Stand angehören und somit „aus dem Staat kommen“, sollen die Partikularinteressen der bürgerlichen Gesellschaft unterbinden. Das soziale Gefüge wird durch die Polizei vor den antagonistischen Interessen der Produzenten und Konsumenten geschützt. Sie garantiert äußere Ordnung.

[...]


[1] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Briefe von und an Hegel. Hrsg. v. Johannes Hoffmeister, Band 2, Hamburg, 1961. Seite 220

[2] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Frankfurt am Main, 1986. Seite 346

[3] Ebd. Seite 394

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Polizei als Vermittler zwischen der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat - In: G.W.F. Hegel: Grundlinien der Phiolosophie des Rechts
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Philosophie und Geisteswissenschaften)
Veranstaltung
Hegels Staatsphilosophie
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V50381
ISBN (eBook)
9783638466127
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Polizei, Vermittler, Familie, Gesellschaft, Staat, Hegel, Grundlinien, Phiolosophie, Rechts, Hegels, Staatsphilosophie
Arbeit zitieren
Monika Skolud (Autor:in), 2005, Die Polizei als Vermittler zwischen der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat - In: G.W.F. Hegel: Grundlinien der Phiolosophie des Rechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50381

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