Das vorliegende Essay bemüht sich um die Klärung einer sehr grundsätzlichen, gleichzeitig jedoch, nach wie vor sehr kontrovers diskutierten Fragestellung. Nämlich jener nach der Begrifflichkeit Hinduismus an sich bzw. dessen Einordnung als Religion, ja sogar Weltreligion. Die Frage der Entstehung und Deutung des Begriffs ist insofern relevant, als sich etwa 900 Mio. Menschen heute zum Hinduismus bekennen und er einen gewichtigen Teil deren individueller Identität ausmacht. Die Tatsache, dass die Einordnung des Hinduismus in das Korsett der Religionen heute und seit jeher überhaupt diskutiert wird, hat dabei unterschiedliche Gründe.
Der Hinduismus stellt ein komplexes System unterschiedlicher religiöser Praktiken, Traditionen, Theologien und gesellschaftlicher Phänomene dar und wird allein deshalb oft nicht als Religion, sondern als Summe von religiösen Traditionen gesehen. Häufig findet man für das, was Hinduismus in der Regel meint, auch den Plural Hindu-Religionen. Im Hinduismus gibt es aus wissenschaftlicher Sicht auch viele weitere Merkmale nicht, die andere Religionen ausmachen. Während sich die Anhänger dieser anderen Weltreligionen wie dem Christentum, dem Islam oder dem Judentum, auf eine Hl. Schrift berufen, wird in diesem Bereich und im Gegensatz dazu, im Hinduismus dessen Pluralität erkennbar. Da sind zum einen die Offenbarungsschriften der Veden und Upanishaden, zum Anderen die Epen Ramayana, sowie das Mahabharata, in der auch die wohl berühmteste hinduistische Schrift, die Bhagavadgita, enthalten ist, zu nennen. All diese Literaturen sind für verschiedene Strömungen und Traditionen im Hinduismus unterschiedlich wichtig bzw. gültig. Im Hinduismus findet man auch keine übergeordnete, für alle Traditionen geltende Instanz oder Persönlichkeit, sowie kein einheitliches Glaubensbekenntnis, wie es bei vielen anderen (Welt-)Religionen der Fall ist.
Bevor nun die Frage der Berechtigung dieses Verständnisses des Hinduismus selbst und des Hinduismus als (Welt-)Religion diskutiert wird, bedarf es eines Blickes auf die Geschichte der Entstehung des Begriffs.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Historische Entwicklung der Entstehung des Begriffs
- 3. Hintergründe zur Skepsis gegenüber dem Begriff
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die kontroverse Frage nach der Definition des Hinduismus und seiner Einordnung als Religion, insbesondere als Weltreligion. Er beleuchtet die historische Entwicklung des Begriffs "Hinduismus" und analysiert die Gründe für die Skepsis gegenüber seiner Einordnung als einheitliche Religion.
- Historische Entwicklung des Begriffs "Hinduismus"
- Pluralität und Vielfalt der hinduistischen Traditionen
- Kritik an der Einheitsvorstellung des Hinduismus
- Politischer und ideologischer Missbrauch des Hinduismus
- Religions-theologischer Pluralismus
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Der Essay befasst sich mit der grundlegenden und kontroversen Frage nach der Definition des Hinduismus und seiner Einordnung als Religion. Die Schwierigkeit liegt in der enormen Vielfalt religiöser Praktiken, Traditionen und Theologien, die unter dem Begriff "Hinduismus" zusammengefasst werden. Die etwa 900 Millionen Anhänger dieser Traditionen sehen den Hinduismus als Teil ihrer Identität. Die Debatte um die Einordnung des Hinduismus als Religion wird aufgrund seiner Komplexität und der fehlenden zentralen Autorität oder einheitlicher Schrift geführt. Die Einleitung führt in die Problematik ein und kündigt die historische Entwicklung des Begriffs sowie die Gründe für die anhaltende Diskussion an.
2. Historische Entwicklung der Entstehung des Begriffs: Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entstehung des Begriffs "Hinduismus". Ursprünglich ein geografischer Begriff, der die Menschen jenseits des Indus bezeichnete, erlangte er im Zuge des muslimischen Einflusses eine religiös-politische Bedeutung. Die Verwendung als Sammelbegriff für die vielfältigen religiösen Praktiken der Hindus entstand erst im 19. Jahrhundert in europäischen Texten, beeinflusst von der Übersetzung der Bhagavad Gita. Die europäische Sichtweise, die Einheitlichkeit suchte, basierte auf den von brahmanischen Gelehrten stammenden Quellen, die wiederum von europäischen Wissenschaftlern aus christlich-jüdischer Perspektive ausgewählt wurden. Die Versuche, den Hinduismus zu systematisieren und zu vereinheitlichen, beeinflussten die weitere Entwicklung des Begriffs maßgeblich und führten zu verschiedenen Strömungen, die den Hinduismus entweder als einheitliche Religion mit bestimmten Schriften und Vorschriften oder als pluralistische Tradition mit Toleranz sehen. Die unterschiedlichen Ansichten von Mahatma Gandhi und Sarvepalli Radhakrishnan werden hier ebenfalls diskutiert.
3. Hintergründe zur Skepsis gegenüber dem Begriff: Das Kapitel analysiert die Gründe für die zunehmende Skepsis gegenüber der Einordnung des Hinduismus als einheitliche Religion. Die Kritik zielt auf den Einheitsgedanken des Religionsbegriffs, der eher auf monotheistischen Religionen basiert und die Vielfalt des Hinduismus nicht angemessen erfasst. Eine solche Vereinheitlichung birgt die Gefahr, abweichende Traditionen und Praktiken zu marginalisieren und dem politischen und ideologischen Missbrauch Tür und Tor zu öffnen. Der Neo-Hinduismus und der Hindu-Nationalismus (Hindutva) werden als Beispiele für diesen Missbrauch angeführt, ebenso wie restriktive Gesetzesänderungen im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Der Essay betont die Wichtigkeit, die Pluralität des Hinduismus hervorzuheben, ähnlich wie Gandhi und Radhakrishnan. Schließlich wird der religions-theologische Pluralismus als möglicher Ansatz zur Interpretation der Vielfalt vorgestellt.
Schlüsselwörter
Hinduismus, Religion, Weltreligion, Historische Entwicklung, Pluralität, Vielfalt, Kritik, Einheitsbegriff, Politischer Missbrauch, Neo-Hinduismus, Hindutva, Religions-theologischer Pluralismus, Vedische Texte, Kastensystem, Indien.
Häufig gestellte Fragen zum Essay: Der Hinduismus - Einheitsreligion oder pluralistische Tradition?
Was ist der Gegenstand des Essays?
Der Essay untersucht die kontroverse Frage nach der Definition des Hinduismus und seiner Einordnung als Religion, insbesondere als Weltreligion. Er beleuchtet die historische Entwicklung des Begriffs "Hinduismus" und analysiert die Gründe für die Skepsis gegenüber seiner Einordnung als einheitliche Religion.
Welche Themen werden im Essay behandelt?
Der Essay behandelt die historische Entwicklung des Begriffs "Hinduismus", die Pluralität und Vielfalt der hinduistischen Traditionen, die Kritik an der Einheitsvorstellung des Hinduismus, den politischen und ideologischen Missbrauch des Hinduismus und den religions-theologischen Pluralismus. Er diskutiert auch unterschiedliche Ansichten von Mahatma Gandhi und Sarvepalli Radhakrishnan.
Wie wird die historische Entwicklung des Begriffs "Hinduismus" dargestellt?
Der Essay zeigt, dass der Begriff "Hinduismus" ursprünglich ein geografischer Begriff war, der die Menschen jenseits des Indus bezeichnete. Im Zuge des muslimischen Einflusses erlangte er eine religiös-politische Bedeutung. Die Verwendung als Sammelbegriff für die vielfältigen religiösen Praktiken der Hindus entstand erst im 19. Jahrhundert in europäischen Texten, beeinflusst von der Übersetzung der Bhagavad Gita. Die europäische Sichtweise, die Einheitlichkeit suchte, basierte auf den von brahmanischen Gelehrten stammenden Quellen, die wiederum von europäischen Wissenschaftlern aus christlich-jüdischer Perspektive ausgewählt wurden.
Warum gibt es Skepsis gegenüber der Einordnung des Hinduismus als einheitliche Religion?
Die Skepsis rührt von der enormen Vielfalt religiöser Praktiken, Traditionen und Theologien her, die unter dem Begriff "Hinduismus" zusammengefasst werden. Die Kritik zielt auf den Einheitsgedanken des Religionsbegriffs, der eher auf monotheistischen Religionen basiert und die Vielfalt des Hinduismus nicht angemessen erfasst. Eine solche Vereinheitlichung birgt die Gefahr, abweichende Traditionen und Praktiken zu marginalisieren und dem politischen und ideologischen Missbrauch Tür und Tor zu öffnen. Neo-Hinduismus und Hindu-Nationalismus (Hindutva) werden als Beispiele für diesen Missbrauch genannt.
Welche Schlussfolgerung zieht der Essay?
Der Essay betont die Wichtigkeit, die Pluralität des Hinduismus hervorzuheben, ähnlich wie Gandhi und Radhakrishnan. Religions-theologischer Pluralismus wird als möglicher Ansatz zur Interpretation der Vielfalt vorgestellt. Die Einordnung des Hinduismus als einheitliche Religion wird kritisch hinterfragt.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für den Essay?
Schlüsselwörter sind: Hinduismus, Religion, Weltreligion, Historische Entwicklung, Pluralität, Vielfalt, Kritik, Einheitsbegriff, Politischer Missbrauch, Neo-Hinduismus, Hindutva, Religions-theologischer Pluralismus, Vedische Texte, Kastensystem, Indien.
Welche Kapitel umfasst der Essay?
Der Essay umfasst drei Kapitel: Einleitung, Historische Entwicklung der Entstehung des Begriffs und Hintergründe zur Skepsis gegenüber dem Begriff.
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- B.Sc. Sebastian Riedel (Author), 2014, Der "Hinduismus" - eine Religion?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504067