Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung & Vorwort
1.1. Vorwort zur vorliegenden Hausarbeit
1.2. Thematischer Einstieg
2. Vorgeschichte von Nostra Aetate
2.1. Papst Johannes XXIII
2.2. Jules Isaac
2.3. Haltung „der Juden“ zum Konzil
2.4. Entstehung von Konzilstexten
3. Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate
3.1. Die Geburtsstunde von Nostra Aetate
3.2. Die Wardi -Affäre
3.3. Die Judenerklärung im Ökumenismus-Schema
3.4. Die Judenerklärung im Kirchen-Schema
4. Theologie
5. Conclusio
Literaturverzeichnis
1. Einleitung & Vorwort
1.1. Vorwort zur vorliegenden Hausarbeit
Die vorliegende Hausarbeit zum Thema „ Mea Culpa Mea Culpa - Die katholische Kirche und die Juden nach dem II. Vatikanischen Konzil“ wurde im Rahmen des Seminars „Ausgewählte Fragen der Kirchengeschichte - Kirche und Antijudaismus/Antisemitismus“ an der Universität Salzburg im Wintersemester 2015/16 verfasst.
1.2. Thematischer Einstieg
Bei der Vorabrecherche zu dieser Arbeit hat sich schnell gezeigt, dass man um die Konzilserklärung des II. Vatikanischen Konzils, Nostra Aetate „über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ nicht umhinkommt, will man sich mit dem vorgegebenen Thema (siehe „1.1. Vorwort zur vorliegenden Hausarbeit“) befassen. Zu grundlegend und radikal war der Wandel im Verhältnis der Kirche zum Judentum, der mit der Promulgation dieses Dokuments im Oktober 1965, eingeleitet wurde. Ziel dieser Hausarbeit ist demnach zunächst ein Blick auf „3. Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate “, um anhand dessen, den historischen und politischen Kontext, herauszuarbeiten. In weiterer Folge und vor dem Hintergrund der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse, sollen dann in „4. Theologie“, die theologischen „Knackpunkte“ der Erklärung zur Sprache kommen. Wenngleich es in Anbetracht des Themas wünschenswert wäre, auch eine umfassende Wirkungsgeschichte von Nostra Aetate darzulegen, so kann dies im Rahmen dieser Hausarbeit, aus Gründen begrenzten Umfangs, nicht geleistet werden. In „5. Conclusio“ sollen künftige Entwicklungen dennoch wenigstens kurz zur Sprache kommen.
2. Vorgeschichte von Nostra Aetate
Die Erklärung „ Nostra Aetate “ (lat. für „in unserer Zeit) war eines der bedeutendsten Dokumente, die auf dem II. Vatikanischen Konzil (1962-65) verabschiedet wurden.
Die Einberufung dieses ökumenischen Konzils, das scheinbar in Kontinuität zum I. Vatikanischen Konzil (1869-70) stand, kam für viele überraschend, wurde doch auf dem I. Vatikanum das Jurisdiktionsprimat des Papstes sowie seine „Unfehlbarkeit“ in dogmatischen Rang erhoben und damit die Zusammenkunft höchster Leitungs- und Lehrautorität der Kirche, scheinbar unnötig1. Somit ist gerade das Stattfinden des II. Vatikanischen Konzils an sich, ein Zeichen für ein kollegiales und synodales Verständnis von Kirche und damit in deutlichem Kontrast zur Lehre des I. Vatikanischen Konzils 2. Abgesehen von dieser ekklesiologischen Abgrenzung, liegen gewichtige historische Ereignisse und damit einhergehende gesellschaftliche Veränderungen zwischen den beiden Konzilien, die schon im Vorfeld auf die Notwendigkeit eines eigenständigen ökumenischen Konzils hindeuteten. Schließlich haben wohl auch die immense Tragödie der Shoah, vor allem ihr Stattfinden in europäischen Ländern mit einer langen christlichen Tradition und die jahrhundertelange antijüdische Haltung vieler Christen, eine Stellungnahme der Gesamtkirche auf einem ökumenischen Konzil und einer dementsprechenden Neuausrichtung der Haltung zum Judentum, unausweichlich gemacht3.
2.1. Papst Johannes XXIII.
Das II. Vatikanum wurde von Papst Johannes XXIII. am 25.01.1959 erstmals angekündigt und in der Folge auch maßgebend geprägt. Während seiner Zeit als Apostolischer Delegat für Griechenland und die Türkei setzte er sich für die griechische Bevölkerung unter deutscher Besatzung ein und leistete Widerstand gegen die Deportation griechischer Juden. Besondere Aufmerksamkeit des Papstes galt auch der christlichen Einheit, was später zur Gründung des „Sekretariats für die Einheit der
Christen“ führte. 4 Dieses Gremium sollte, unter der Leitung Kardinal Beas, hauptverantwortlich für das Zustandekommen von Nostra Aetate sein. Schon vor der Einberufung des II. Vatikanums ließ Papst Johannes XXIII. zudem, die seit jeher für das jüdische Volk, anstößigen Formulierungen perfidis und perfidiam (dt. „anstößig“) in den großen Karfreitagsfürbitten streichen bzw. ersetzen5.
2.2. Jules Isaac
Eine weitere wichtige Gestalt im Vorfeld der Entstehung von Nostra Aetate ist der französische Historiker Jules Isaac. Ausgehend von der Fragestellung, wie eine Barbarei wie die Shoah in Ländern möglich war, die eine jahrhundertelange christliche Tradition aufwiesen, stellte er systematische Fehlinterpretationen der Bibel durch christliche Theologen fest, die sich in falschen Bibelkommentaren, fehlgeleiteten Katechesen, usw. manifestierte. Er erkannte, dass die jahrhundelange Falschdarstellung des Verhältnisses Jesu zu seinem eigenen Volk, kontinuierlich den christlichen Antisemitismus genährt hatte. In seinem Buch „ Jesus et Israel “ postuliert er 21 Thesen, die diesen antisemitischen Tendenzen entgegenwirken und das rechte Verhältnis Jesu zu den Juden darstellen sollen.6 Seine Thesen brachte er später in die Konferenz von Seelisberg ein, die bis heute mitunter als Ausgangspunkt des jüdisch- christlichen Dialogs nach der Shoah gilt. Im Juni 1959 schlug Jules Isaac, Papst Johannes XXIII. vor, im Vorfeld des Konzils ein, den Seelisberger-Thesen ähnliches, Dokument zu verfassen. Ein solches führte letztendlich zur Beauftragung Kardinal Beas, sich im Rahmen des Konzils, mit der Frage des Verhältnisses der katholischen Kirche zum Judentum auseinanderzusetzen.7
2.3. Haltung „der Juden“ zum Konzil
Da die Frage der Ökumene am Konzil eine Entscheidende sein sollte, war vorgesehen, dass alle Konfessionen mit Vertretern am Konzil teilnahmen. Wie später noch zu zeigen sein wird (siehe Kapitel „3.3. Die Judenerklärung im Ökumenismus-Schema“), ist die Frage der Ökumene auch in Hinblick auf das Judentum zu stellen, weshalb auch „die Juden“ mit der Frage konfrontiert wurden, ob sie einen Vertreter zum Konzil entsenden wollten. Die Antwort auf diese Frage sollte auch in der (ebenfalls später noch zu behandelnden) Wardi -Affäre eine Rolle spielen. Neben der Frage nach einer möglichen Teilnahme, bot Kardinal Bea den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Nahum Goldmann an, sie mögen ein Memorandum aufsetzen, das eventuelle Wünsche „des Judentums“ an das Konzil, formulierte.8 N ahum Goldmann wandte sich daraufhin an den angesehenen Bostoner Rabbiner Dov Soloveitchik, einen Vertreter der jüdischen Orthodoxie, der klar dafür plädierte, nicht am Konzil teilzunehmen. Obwohl damit eine nur einseitige Position des Judentums eingeholt war, denn die liberale jüdische Bewegung wurde nicht mehr gefragt, akzeptierte man die ablehnende Antwort des Rabbiners, weil man kirchlicherseits einen Disput zwischen den jüdischen Bewegungen vermeiden wollte, der ansonsten negativ auf die Kirche rückwirken hätte können.9 Diese Befürchtung lag deshalb nahe, weil eine einheitliche Positionierung „des Judentums“ zur Frage der Teilnahme am Konzil nicht zu erwarten war.
Bevor nun die (weitere) Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate in den Blick genommen wird, soll im folgenden Kapitel kurz auf den Entstehungsprozess von Konzilstexten im Allgemeinen eingegangen werden. Dies erleichtert vor Allem das Verständnis und die Einordnung des, im Kapitel „3. Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate “, Geschriebenen.
2.4. Entstehung von Konzilstexten
Die 10 Kommissionen und 3 Sekretariate entwarfen vor oder während des Konzils erste Textentwürfe, so genannte „Schemata“. Wurde ein solches Schema, nach gründlicher Prüfung durch die Konzilsväter, ins Plenum eingeführt, wurde es in einer so genannten „ Relatio “ durch ein Kommissionsmitglied vorgestellt. Nach einer weiteren Debatte und Abstimmung, die zur positiven Annahme mindestens einer Zweidrittelmehrheit bedurfte, konnten Abänderungsvorschläge, „Modi“ genannt, eingebracht werden. Die jeweilige Kommission hatte die Aufgabe, die Modi schließlich in die Schemata zu integrieren. Der daraus entstandene Text bedurfte zur Annahme wieder einer Zweidrittelmehrheit im Plenum, konnte dabei jedoch nur mehr angenommen („ placet “) oder abgelehnt („ non placet “) werden.10
3. Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate
Das folgende Kapitel widmet sich nun der Entstehung der Erklärung Nostra Aetate.
3.1. Die Geburtsstunde von Nostra Aetate
Wie schon in „2.1. Papst Johannes XXIII.“ angeklungen, wurde das, für die Konzilserklärung Nostra Aetate wegweisende „Sekretariat für die Einheit der Christen“, von Papst Johannes XXIII. persönlich aus der Taufe gehoben und nur wenige Tage vor dem 8. Juni 1960, der Leitung Kardinal Beas unterstellt11. Fragen der Ökumene, der Religionsfreiheit sowie der Beziehungen zu anderen Religionen gehören zur Zuständigkeit des Sekretariats12. Vordringliche Aufgabe, im Rahmen des Konzils, war jedoch zweifelsohne die, schon im Kapitel „2.2. Jules Isaac “ erwähnte und von Papst Johannes XXIII. am 18. September 1960 persönlich aufgetragene, Verfassung einer eigenen „Judenerklärung“, genannt „ Quaestiones de Iudaeis “. Neben Präsident Kardinal Bea, saßen in der zuständigen Unterkommission, der Benediktinerabt der Jerusalemer Dormitio, Leo Rudloff, Gregory Baum, ein Spezialist im Bereich der Ökumene und Johannes Maria Oesterreicher. Im Dezember 1961 lag der erste Textentwurf vor, der vier wesentliche Aspekte im Verhältnis der Kirche zum Judentum herausstrich. Der erste Absatz des Textentwurfes anerkannte zunächst die Wurzeln der christlichen Religion im Judentum. Weiters wurde die Behauptung widerlegt, das jüdische Volk sei verflucht und eine klare eschatologische Dimension der Versöhnung wurde vorgezeichnet. Abschließend beklagt der Text das Unrecht, das dem jüdischen Volk zugefügt wurde, der Antisemitismus wird strikt verurteilt. 13
Obwohl dieser Textentwurf damit schon die wesentlichen theologischen Schwierigkeiten (näheres dazu später in „4. Theologie“) aufgreift, wurde die Behandlung desselben von der Tagesordnung gestrichen, noch bevor er im Plenum eingebracht werden konnte. Auslöser dafür war die so genannte „ Wardi -Affäre“, die auch massiven Protest von Seiten arabischer Staaten auslöste14.
[...]
1 Vgl. Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium. Grundlagen Theologie, Freiburg im Breisgau 352008, 18.
2 Vgl. a.a.O., 19.
3 Vgl. Fischer, Heinz-Joachim, Päpste und Juden. Die Wende unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI., Berlin 2012, 191.
4 Vgl. Bäumer, Remigius, Johannes XXIII, in: Höfer, Josef/Rahner, Karl (Hg.), LThK 5, Rom/Innsbruck 1986, 996.
5 Vgl. Langer, Gerhard/Hoff, Gregor-Maria (Hg.), Der Ort des Jüdischen in der katholischen Theologie, Göttingen 2009, 133.
6 Vgl. Morselli, Marco, Jules Isaac and the Origins of Nostra Aetate, in: Lamdan, Neville/Melloni, Alberto (Hg.), Nostra Aetate: Origins, Promulgation, Impact on Jewish-Catholic Relations, Berlin 2007, 23-24.
7 Vgl. Riegner, Gerhard, Seelisberg und Isaacs Vorstoß, in: Koschel, Ansgar (Hg.), Katholische Kirche und Judentum im 20. Jahrhundert, Münster 2002, 73.
8 Vgl. Riegner, Gerhard, Ein überwältigender Prozess, in: Koschel, Ansgar (Hg.), Katholische Kirche und Judentum im 20. Jahrhundert, Münster 2002, 79-80.
9 Vgl. Riegner, Gerhard, Die Frage jüdische Beteiligung, in: Koschel, Ansgar (Hg.), Katholische Kirche und Judentum im 20. Jahrhundert, Münster 2002, 80-81.
10 Vgl. Rahner, Kleines Konzilskompendium, 29-30.
11 Vgl. Oesterreicher, Johannes, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Kommentierende Einleitung, in: Höfer, Josef/Rahner, Karl (Hg.), LThK Das Zweite Vatikanische Konzil II, Rom/Innsbruck 1967, 410.
12 Vgl. Connelly, John, Juden - Vom Feind zum Bruder. Wie die katholische Kirche zu einer neuen Einstellung zu den Juden gelangte, Paderborn 2016, 206.
13 Vgl. Zenger, Erich, Nostra Aetate. Der notwendige Streit um die Anerkennung des Judentums in der katholischen Kirche, in: Ginzel, Günther (Hg.), Die Kirchen und die Juden. Versuch einer Bilanz, Gerlingen 1997, 63-65.
14 Vgl. Connelly, Juden, 213.