Das Erlösungsverständnis in der österlichen Liturgie vor dem Hintergrund systematisch-theologischer Diskussionen


Essay, 2019

9 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einführung in die aktuelle Diskussion innerhalb der Soteriologie

3 Analyse der österlichen Liturgie

4 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das vorliegende Essay dient der Analyse der österlichen Liturgie aus dem speziellen Blickwinkel der Soteriologie. Dabei dient das Schott-Online Messbuch als Grundla­ge für die liturgische Auswahl der Inhalte. Das Verständnis der Erlösung aus christli­cher Perspektive scheint von vielen Christen auf das Sterben Jesu Christi zur Verge­bung der Sünden reduziert zu werden. Aktuelle Diskussionen zeigen jedoch, dass sich ein viel weitreichender Erlösungskomplex aufspannt, wenn die Erlösung syste­matisch hinterfragt wird. Daher ist ein Teilziel dieses Essays, einen kurzen Einblick in die Thematik der aktuellen Diskussion über die Theologie der Erlösung zu geben, auch wenn an dieser Stelle angemerkt sei, dass dies wohl nicht alle Aspekte abde­cken kann. Weiterführend soll vor diesem Hintergrund die österliche Liturgie auf ihr Verständnis von Erlösung befragt werden. Dazu werden beispielhaft die Inhalte einer Messe zu Ostersonntag untersucht.

2 Einführung in die aktuelle Diskussion innerhalb der Soteriologie

Zunächst scheint die Antwort auf die Frage nach der Erlösung im christlichen Glau­ben offensichtlich zu sein: Es geht um die Erlösung von den Sünden durch Jesus Christus. Doch der Erlösungskomplex geht viel weiter, als diese simple Definition erwarten lässt. Der Tod Jesu Christi dient dabei als zentrales Ereignis der Erlösung. Wenn allerdings die Erlösung anhand eines bestimmten Ereignisses festgemacht werden sollte, so müsste die Erlösung bereits stattgefunden haben. Schon Nietzsche zeigt mit folgendem Satz die offenkundige Problematik auf: „[...] erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“1 In der heiligen Schrift lassen sich für alle Zeitformen der Erlösung, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Argumente finden. Taxacher spricht daher von einer Erlösung die noch nicht vollendet ist, deren Anfang im Da­mals und im Jetzt liegt und auch in Zukünftigem vorhanden ist.2

Die Frage nachdem, was letztendlich der Gegenstand der Erlösung sei, ist vieldimen­sional. Ruster stellt ein Modell von einer Erlösung von der Sünde, des Todes und des Teufels vor. Damit ist nicht nur die Erlösung von Sünden im Sinne eines devianten Verhaltens der Menschen gemeint, sondern auch eine Erlösung von Endlichkeit und strukturellem Bösen.3 Auch Pannenberg kritisiert die Reduzierung Jesu Handeln auf eine Erlösung der Sünden: „Das Heil des Gottesreiches, wie es in den Mahlfeiern Jesu seine Darstellung fand, auf die Sündenvergebung einzuschränken, ist der Bot­schaft Jesu nicht angemessen.“4

Autoren wie Treat entwickelten in den letzten Jahren neue Perspektiven auf das Wir­ken Jesu und die Bedeutung für die Erlösung. Treat versucht das Konzept der drei Ämter Jesu (König, Priester, Prophet) in eine Erlösungstheorie zu münden, in der vor allen Dingen von der Gründung des Reiches Gottes unter den Menschen die Rede ist.5 Aspekte wie die Menschwerdung Gottes durch Jesus zum echten Menschen als unabdingbares Geschehen werden besonders berücksichtigt. Dabei wird Jesus als eine Art König gesehen, der den Grundstein für die Erlösung legt, welche einen Pro­zess des Aufbauens einer Verbindung zu Gott darstellt und gleichzeitig die menschli­che Freiheit begründet: „Ja, Erlösung ist unsere Freiheit in Christus, weil sie dessen Freiheit in Gott ist.“6

An dieser Stelle sei kurz die intrachristliche Diskussion zwischen der reformierten Kirche und der katholischen Kirche skizziert. Die Theologie Luthers und Calvins zeichnet sich durch die Rechtfertigungslehre aus, die besagt, dass die äußerliche Ge­rechtigkeit Gottes, welche durch und in Christus in die Welt gelangt ist, die Rettung darstellt. Diese Fokussierung auf eine äußerliche Erlösung stellte die reformierte Kir­che vor das Problem, eine Erlösung ohne eigenes Handeln zu legitimieren.7 Die spä­tere protestantische Theologie hat dieses Problem wahrgenommen und es bildeten sich Richtungen die in das genaue Gegenteil umschlagen: Eine Erlösung die fast aus­schließlich nur durch eigene Frömmigkeit erreicht werden kann. Die Diskussion über Erlösung als „fremdbestimmten“ Prozess oder intrasubjektiven Prozess ist weiterhin Teil aktueller Theologie.

Die Diskussion über die Konkretisierung wie Erlösung funktioniert, ist mehrdimen­sional und wie sich zeigt, durch deutlich mehr Gesichtspunkte gekennzeichnet als vielleicht gängige Auffassung unter Christen vermuten lässt. Der Akt des Sterbens Jesu Christi und seine Auferstehung sind zentrale Gegenstände der Soteriologie, je­doch ist die Reduzierung darauf der Mehrdimensionalität und Verwobenheit des Er­lösungskomplexes nicht angemessen. Erlösung beinhaltet sowohl eine äußerliche (extra nos) als auch eine innerliche Komponente (intra nos) und ist somit nicht nur Abhängig von einem konkreten Ereignis. Nichtsdestotrotz darf der Auferstehung Jesu die Bedeutung nicht abgesprochen werden, obwohl in der aktuellen Diskussion durchaus die Christozentrik der Soteriologie eine Abschwächung erfahren hat.8

Vor dem Hintergrund dieser systematisch-theologischen Erörterung was der konkrete Inhalt der Erlösung ist, soll beispielhaft die Erlösungsvorstellung, welche in einer Messe zum Ostersonntag verkörpert wird, analysiert werden.

3 Analyse der österlichen Liturgie

Die folgenden Inhalte sind dem Online Messbuch der Erzabtei Beuron entnommen.9 Das folgende Tagesgebet, welches für die österliche Messe vorgesehen ist, zeigt be­reits deutlich einige Aspekte der Soteriologie auf:

Allmächtiger, ewiger Gott,

am heutigen Tag

hast du durch deinen Sohn den Tod besiegt

und uns den Zugang zum ewigen Leben erschlossen.

Darum begehen wir in Freude

das Fest seiner Auferstehung.

Schaffe uns neu durch deinen Geist,

damit auch wir auferstehen

und im Licht des Lebens wandeln.

Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Schon in der Anrede, Gott als ewiger Gott, wird die Unabhängigkeit von der Zeit herausgestellt. Weiterhin wird in dem Gebet beschrieben, dass durch Jesus Christus der Tod besiegt sei. Ruster beschreibt den Tod als eine Art Strafe für den Sünder, da er die „schmerzhafte Grenze für das Projekt, aus eigener Kraft wie Gott werden zu wollen“10 darstellt. Der Tod wird in der Theologie mit Erkenntnis- und Willens- schwäche verbunden und führt so zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität.11 Ruster betont, dass die Auferstehung nicht nur auf das Leben nach Jesu Christi Tod verstanden werden soll. Vielmehr hat Jesus bereits zu Lebzeiten Wunder vollbracht und auch bereits den Tod besiegt. Die Auferstehung zeigt erneut, dass „die Lebens­schaffende Verheißungskraft Gottes stärker ist als die Macht des Todes.“12

In der nachfolgenden Zeile wird von der Erschließung des Zugangs zum ewigen Le­ben gesprochen. Interessant dabei ist die Tatsache, dass nur der Zugang betont wird, aber nicht das Erreichen des Zustandes ewigen Lebens. Durch diesen Zugang muss noch erst „selbst gegangen“ werden. Auch die nachfolgende Aufforderung, „Schaffe uns neu durch deinen Geist, damit auch wir auferstehen“ lässt die Erlösung als noch ausstehendes Ereignis erscheinen. Betrachtet man das Tagesgebet im Ganzen und separiert von den übrigen Inhalten der österlichen Liturgie, könnte der Eindruck ei­ner stark „fremdbestimmten“ Erlösung erzeugt werden. Es scheint als könne nur durch Jesus Christus Erlösung erlangt werden, ohne dass ein eigener Beitrag geleistet werden müsse und lässt so eine luthersche Theologie mitschwingen.

In der zweiten Lesung lassen sich allerdings Aspekte für eine Theologie erkennen, die auf das „Intra Nos“ Bezug nimmt und so den individuellen Aspekt und die Not­wendigkeit eigenen Zutuns herausstellt:

[1]Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rech­ten Gottes sitzt. [2]Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! [3]Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. [4]Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit.13

Die Aufforderung, nachdem zu streben was im Himmel ist, wird als Bedingung dar­gestellt, die nötig ist um Erlösung zu erfahren. Der Sinn soll auf das Himmlische und nicht auf das Irdische gerichtet werden. Es soll somit ein Perspektivwechsel vollzo­gen werden, weg von der irdischen Vergänglichkeit und den Sünden, sondern ein Glaube an die himmlische Ewigkeit.

Karl Barth hat versucht zwischen diesen Aspekten des „Extra Nos“ und „Intra Nos“ zu vermitteln. Neben der klassischen Rechtfertigung geht Barth einen Schritt weiter und spricht von einer Heilung des Menschen, welche die „reale Veränderung des Menschen gemeint, der zum Glauben an die Rechtfertigung kommt.“14 Am Ende dieses Dreischritts steht für Barth die Berufung, in der sich die Gerechtfertigten und im Glauben Geheiligten als Zeugen verstehen, die Versöhnung mit Gott zu teilen.15 Betrachtet man folgenden für die österliche Messe vorgesehenen Kommunionvers, entsteht ein Verständnis von bereits abgeschlossener Erlösung:

Unser Osterlamm ist geopfert, Christus, der Herr. Halleluja.

Wir sind befreit von Sünde und Schuld.

So lasst uns Festmahl halten in Freude. Halleluja!16

Hier wird konkret von der Sündenerlösung gesprochen, direkt nach der Erwähnung der Opferung eines Osterlamms. Dabei entsteht die durchaus verbreitete Annahme, dass Jesus sich selbst für die Vergebung der Sünden geopfert hätte. Die Opferlogik des Neuen Testamentes an dieser Stelle zu thematisieren würde den Rahmen dieses Essays sprengen. Jesu Tod ist weniger ein Opfer, das dargebracht werde musste um Gott zu versöhnen, als viel mehr ein Selbstopfer im Sinne einer Hingabe Jesu im Leben und im Sterben in Gottes Willen.17 Daher ist Jesus „der Retter für uns, weil er diesen Weg in einzigartiger Weise voranging und damit unser Weg zu Gott gewor­den ist.“18

Dass das „Opfer“ Jesu nicht auf seinen Tod reduziert werden darf, stellt Ruster an­hand eines biblischen Verständnisses heraus. Er zeigt auf, dass im Sinne eines Opfers des alten Bundes der Zweck des Opfers die Erzeugung eines „Wohlgeruchs“ ist. Weiterhin führt er aus, dass somit das ganze Leben Jesu als Opfer für Gott verstan­den werden müsse und zwar nicht für sich selbst, sondern für „viele Söhne.“19 Ruster spricht daraufhin von der Teilhabe an Jesu Christi Leben und damit auch eine Teil­habe an dem Wohlgefallen Gottes gegenüber.20

Als Schlussgebet wird im Schott-Online Messbuch folgender Text vorgeschlagen:

Allmächtiger Gott,

du hast deiner Kirche

durch die österlichen Geheimnisse

neues Leben geschenkt.

Bewahre und beschütze uns in deiner Liebe

und führe uns zur Herrlichkeit der Auferstehung.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Hier findet sich wieder eine Bitte an Gott wieder, uns zur Herrlichkeit der Auferste­hung zu führen. Es scheint als wäre hier das Verständnis von Erlösung als beispiel­haftes Ereignis zu deuten, dessen Herrlichkeit auch für die Menschheit erfahrbar ge­macht werden solle. Hier lassen sich noch einmal die zuvor benannten Aspekte wie­derfinden. Zum einen zeigt sich hier wieder eine externe Erlösung, in dem Sinn, als dass Gott zur Herrlichkeit führen soll, andererseits muss dieser Weg selbst beschrit­ten werden (Intra Nos) vor dem Hintergrund der österlichen Geheimnisse, quasi Je­sus als einzigartiges Beispiel und unser Weg zu Gott.

Es zeigt sich, dass in den ausgewählten Texten und Gebeten für die österliche Litur­gie durchaus Anhaltspunkte für eine mehrdimensionale Betrachtungsweise der Sote- riologie finden lassen. Allerdings ist nicht jeder Person die aktuelle Diskussion und Deutungen der Erlösung aus christlicher Perspektive gegenwärtig bewusst. Beson­ders Textstellen wie „Wir sind befreit von Sünde und Tod“ sind ohne den Kontext systematischer Erörterungen leicht wortwörtlich zu verstehen. Sie erwecken den Eindruck, dass die Erlösung rein externer Natur sei und vernachlässigen die intrain­dividuelle Dimension. Nichtsdestotrotz lassen sich auch Anhaltspunkte für die „Nichtabgeschlossenheit“ der Erlösung finden, die ein eigenes Handeln erfordern. Die Predigt könnte als Teil der Liturgie dazu genutzt werden, das Erlösungsver­ständnis zumindest über das profane Wissen hinaus zu erweitern.

4 Literaturverzeichnis

Nietzsche, F. W ., Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen -Kapitel 37 „Von den Priestern“. (Zitiert nach der Online-Ausgabe http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3248/37).

Pannenberg, W.: Systematische Theologie Band 2, Göttingen 1991, 508.

Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung. Hinführung zur Soteriologie. Skript zur Vorle­sung im WS18/19, Dortmund 2018.

Treat, J. R., The Crucified King, Atonement and Kingdom in Biblical and Systematic Theolo­gy, Grand Rapids 2014.

[...]


1 Nietzsche, F. W ., Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen -Kapitel 37 „Von den Priestern“. (Zitiert nach der Online-Ausgabe http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3248/37).

2 Vgl. Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung. Hinführung zur Soteriologie. Skript zur Vorlesung im WS18/19, Dortmund 2018.

3 Vgl. Ruster, T., Erlöst von Sünde, Tod und Teufel. Aus systematisch-theologischer Sicht das Ge­heimnis der Erlösung zeitgemäß deuten, in: S. Horstmann (Hg.), E. Ballhorn, Theologie verstehen, 2019, 113-124.

4 Pannenberg, W.: Systematische Theologie Band 2, Göttingen 1991, 508.

5 Vgl. Treat, J. R., The Crucified King, Atonement and Kingdom in Biblical and Systematic Theology, Grand Rapids 2014.

6 Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018, 135.

7 Vgl. Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018,

8 Vgl. Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018,

9 Vgl. Erzabtei-Beuron (abgerufen am 12.05. unter https://www.erzabtei-beuron.de/ schott/register/osterzeit /schott_anz/index.html?file=osterzeit%2Fostersonntag%2FTagA.htm)

10 Ruster, T., Erlöst von Sünde, Tod und Teufel, 2019, 118.

11 Vgl. Ebd.

12 Ebd., 121.

13 Kol 3, 1-4

14 Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018, 15.

15 Barth, K., Kirchliche Dogmatik IV,3, Zürich 1959.

16 1 Kor 6, 7-8

17 Vgl. Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018.

18 Taxacher, G., Nachricht von der Erlösung, Dortmund 2018, 75.

19 Hebr. 2,9

20 Vgl. Ruster, T., Erlöst von Sünde, Tod und Teufel, 2019.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Das Erlösungsverständnis in der österlichen Liturgie vor dem Hintergrund systematisch-theologischer Diskussionen
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Autor
Jahr
2019
Seiten
9
Katalognummer
V504337
ISBN (eBook)
9783346130341
ISBN (Buch)
9783346130358
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erlösungsverständnis, liturgie, hintergrund, diskussionen
Arbeit zitieren
Johannes Krahforst (Autor:in), 2019, Das Erlösungsverständnis in der österlichen Liturgie vor dem Hintergrund systematisch-theologischer Diskussionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504337

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