Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Definition und Diagnostik
3. Klinisches Erscheinungsbild
4. Epidemiologie
5. Ätiologie der Sozialen Phobie
6. Verlauf
7. Psychosoziale Folgen der Phobie
8. Hilfesuchverhalten
9. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Soziale Phobie gehört zu den häufigsten Angststörungen und verursacht bei den Betroffenen einen enormen Leidensdruck, der nicht nur zu Beeinträchtigungen im Beruf sondern auch zu Einschränkungen in sozialen Beziehungen führt. Sie entwickelt sich häufig schon im Kindes- und Jugendalter. Daher ist es wichtig, dass sie rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, um langfristige Schädigungen zu vermeiden. Jedoch wird die Soziale Phobie nicht sofort erkannt und als einfache Schüchternheit abgetan. Bei Nichtbehandlung bleibt die Angst weiterhin bestehen und führt zu bedeutenden Folgen in dem Leben der Betroffenen.
Die folgende Hausarbeit befasst sich mit dem Krankheitsbild der sozialen Phobie unter Berücksichtigung der Fragestellung: Welche psychosozialen Folgen bringt die soziale Phobie bei Kindern und Jugendlichen mit sich?
Zunächst wird auf die Klassifikation der Sozialen Phobie eingegangen, dabei werden sowohl das Klassifikationssystem DSM-IV als auch das Klassifikationssystem der ICD-10 herangezogen. Anschließend an das klinische Erscheinungsbild eines sozialen Phobikers, folgt Epidemiologie und Ätiologie der Störung. Daraufhin wird ein typischer Verlauf einer unbehandelten Sozialen Phobie aufgeführt und in dem darauffolgenden Kapitel werden die daraus resultierenden Beeinträchtigungen in den Bereichen Beruf & Schule und dem sozialen Umfeld dargestellt. Zum Schluss hin wird das Hilfesuchverhalten kurz angeschnitten und es folgt das Fazit.
2. Definition und Diagnostik
„Krankhafte Schüchternheit und Vermeidung von Kontakten zu anderen Menschen wurden bereits in der Antike u. a. von Hippokrates als seelisches Leiden beschrieben.“ (Stangier, Clark & Ehlers; 2006). Die Störung wurde zunächst als eine „phobische Neurose“ angesehen und eine genauere Bezeichnung für die Störung gab es erst im Jahre 1966 von Marks und Gelder. Sie betrachteten die Störung als:
„ phobias of social situations, expressed variably as shyness, fears of blushing in public, of eating meals in restaurants, of meeting men or women, of going to dances or parties, or of shaking when in the center of attention.” (Steil, Matulis, Schreiber, Stangier; 2011).
Jedoch wurde die Soziale Phobie erst im Jahre 1980 in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders eingetragen (vgl. Stangier et. al.; 2006). Heutzutage findet man die Soziale Phobie sowohl in der ICD-10 als auch im DSM-IV wieder. Zusätzlich enthält die DSM-IV Klassifikationshinweise für Kinder.
2.1. Klassifikation nach ICD-10
Die Klassifikation der Sozialen Phobie erfolgt gemäß der ICD-10 nach fünf diagnostischen Kriterien. Gemäß der ICD-10 sollte entweder (1) die Angst bestehen im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich eventuell peinlich zu verhalten oder (2) es sollte ein Vermeidungsverhalten gegen über Situationen, in denen man sich peinlich verhalten könnte, vorliegen (vgl. Strangier et. al.; 2006). „Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf, wie Essen und Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der Öffentlichkeit, Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen, wie z. B. bei Partys, Treffen oder in Klassenräumen.“ (Stangier et. al.; 2006). Außerdem muss zusätzlich eins der folgenden Symptome auftreten: (1) Erröten oder Zittern, (2) Angst zu erbrechen, (3) Miktions- oder Defäktionsdrang bzw. Angst davor. Personen, die von derartigen Symptomen betroffen sind, haben die Einsicht, dass ihr Verhalten unnatürlich und übertrieben ist. Die aufgeführten Symptome treten jedoch nur in der gefürchteten Situation auf oder auch schon bei Gedanken an diese. Wenn all diese Symptome vorliegen, spricht man laut der ICD-10 von einer Sozialen Phobie, jedoch kann diese ausgeschlossen werden wenn sie „[…] durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen, Schizophrenie und verwandte Störungen, affektive Störungen oder eine Zwangsstörung […]“ ( Steil et. al.; 2011) bedingt sind.
2.2. Klassifikation nach DSM-IV
Die derzeit gültige Reversion der DSM, die DSM-IV passte die Kriterien für eine Soziale Phobie bei Kindern an. Hierzu werden im DSM-IV einige Kriterien spezifisch formuliert, um sie bei Kindern besser anwenden zu können. So wird bei Kindern vorausgesetzt, dass sie in sozialen Interaktionen über alters entsprechende soziale Kompetenzen verfügen. Die Angst in Leistungssituationen von Anderen bewertet zu werden muss auch gegenüber Gleichaltrigen erfolgen und nicht nur in Interaktion mit fremden Erwachsenen auftreten. Ein charakteristisches Verhalten dafür ist, wenn sich Kinder weigern an Gruppenspielen oder Kindergeburtstagen teilzunehmen. (vgl. Petermann; 2009). Auch bei der Konfrontation mit der gefürchteten Situation ist das Erscheinungsbild an eine Kindes Reaktion angepasst. „Bei Kindern kann sich die Angst durch Weinen, Wutanfälle, Erstarren oder Zurückweichen vor sozialen Situationen mit unvertrauten Personen ausdrücken.“ (Vriends & Margraf; 2005). Wie auch nach der ICD-10, haben betroffene Personen die Einsicht, dass ihre Angstreaktion übertrieben ist, jedoch kann bei Kindern dieses Kriterium fehlen. Die angstbereitende Situation wird in den meisten Fällen vermieden oder unter intensiver Angst ausgehalten. Das Vermeidungsverhalten beeinträchtigt die normale Lebensführung des Betroffenen, somit können ihre schulischen (oder beruflichen) Leistungen und soziale Aktivitäten eingeschränkt werden. „Bei Personen unter 18 Jahren hält die Phobie über mindestens sechs Monate an.“ (Vriends & Margraf; 2005), wenn sie weniger als sechs Monate anhält können die Symptome einer Sozialen Phobie nicht zugeordnet werden. Als Ausschlusskriterium für die Verursachung der Angst gilt der Substanzmittelgebrauch wie von Alkohol oder Drogen. Außerdem dürfen psychischen oder körperlichen Erkrankungen nicht im Zusammenhang mit der Angst stehen.
3. Klinisches Erscheinungsbild
„Das meist prägende Merkmal der Sozialen Phobie ist die Angst vor einer oder mehreren Situationen, in denen man negativ beurteilt werden könnte oder etwas tun könnte, was peinlich wäre.“ (Vriends & Margraf; 2005). Dabei beschränkt sich die meiste Angst darauf, dass körperliche Angstsymptome wie Zittern oder Erröten von dem Gegenüber registriert und möglicherweise negativ bewertet werden können. Dies kann sowohl in Leistungs- als auch Interaktionssituationen geschehen. „Unter Leistungssituationen (Perfomanzsituationen) fallen Situationen, in denen man Handlungen durchführt, die einer Beobachtung und Bewertung durch andere Personen unterliegen können, wie öffentliches Reden, Essen oder Trinken in der Öffentlichkeit und Schreiben vor anderen Menschen.“ (Vriends & Margraf; 2005). Bei Interaktionssituationen fällt es den Betroffenen schwer mit anderen Gleichaltrigen oder auch Autoritätspersonen wie Lehrern in Kontakt zu treten, da sie davon überzeugt sind , dass „ihre Erscheinung von anderen als Versagen oder als Blamage beurteilt wird oder dass ihre Reaktionen und / oder die Körpersymptome peinlich, „lächerlich“ oder „seltsam“ erscheinen.“ (Steil et. al.; 2011). Nach Beidel et. al. (1991) zählen starkes Herzklopfen (70,8 %), Zittern (66,7 %), Kälteschauer (62,5 %) und Schwitzen (54,2 %) zu den charakteristischen physiologischen Reaktionen bei sozialphobischen Kindern und Jugendlichen. Damit solche körperlichen Symptome nicht für den Gegenüber sichtbar werden, versuchen die Betroffenen gefürchtete soziale Situationen zu vermeiden. „Weitreichende Folgen dieser Vermeidung implizieren, dass sozialphobische Jugendliche soziale Beziehungen allmählich lösen, sich gar nicht erst auf romantische Beziehungen einlassen oder hohen schulischen/ beruflichen Anforderungen aus dem Wege gehen.“ (Steil et. al.; 2011). Daher zählt Schule Schwätzen zu einer der häufigsten Formen der Vermeidung von sozialphobischen Jugendlichen, auch altersangemessene Aktivitäten wie Freunde treffen oder auf Partys gehen werden vermieden (vgl. Steil et. al.; 2011).
Jedoch kann nicht jede soziale Situation umgangen werden, daher entwickeln die betroffenen Personen ein Sicherheitsverhalten. Ein solches Verhalten einer ängstlichen und sozial unsicheren Person tritt dann auf, wenn die soziale Anforderung unvermeidbar ist und durchgestanden werden muss. „Bei Erwachsenen finden sich Verhaltensweisen, wie z. B. Sätze innerlich vorzubereiten, um zu verhindern, dass beim Vortragen Pausen entstehen, oder starkes Make-up zu tragen, um ein Erröten des Gesichts zu verbergen.“ (Steil et. al.; 2011). Bei Jugendlichen zählen zu Sicherheitsverhalten beispielsweise „leises oder schnelles Sprechen, exzessive Hausaufgabenvorbereitung, Vermeiden von Blickkontakt“ (Steil et. al.; 2011) und das Melden im Unterricht, nachdem der Lehrer schon jemanden drangenommen hat. Weitere Sicherheitsverhalten bei Kindern und Jugendlichen sind: „keinen Blickkontakt aufnehmen, (…) nichts fragen, sich in der Kleidung oder hinter den eigenen Haaren verstecken, keinen Kontakt zu anderen aufnehmen [und] Kontaktangeboten von anderen ablehnen.“ (Petermann & Petermann; 2015). Ein solches Verhalten soll die Betroffenen so unscheinbar werden lassen wie möglich, sodass sie bei sozialen Anforderungen nicht auffallen und diesen nicht gegenübergestellt werden können.
4. Epidemiologie
Die Epidemiologie beschäftigt sich mit der quantitativen Erforschung von Gesundheitsrisiken von Gesellschaften. Sie ermöglicht zum Beispiel Aussagen über die Häufigkeit bzw. Seltenheit einer Erkrankung in einer Population.
Im Kindes- und Jugendalter stellen Soziale Phobien nach der Agoraphobie die häufigste Angststörung dar, mit einer Prävalenzrate von fünf bis zehn Prozent (vgl. Steil et. al.; 2011). Jedoch weisen verschiedene Studien unterschiedliche Ergebnisse vor. „In frühen Studien wurden von ein bis vier Prozent ausgegangen, während in späteren Studien Prävalenzraten von sieben bis 16 Prozent berichtet wurde.“ (Steil et. al.; 2011). Grund für diese Schwankungen können verschiedene Untersuchungsmethoden, Klassifikationskriterien aber auch der untersuchte Altersbereich sein (vgl. Steil et. al.; 2011). Am häufigsten tritt die Störung mit Trennungsangst, der spezifischen und sozialen Phobie sowie der generalisierten Angststörung auf. Dabei sind doppelt so viele Mädchen wie Jungen betroffen (vgl. Petermann & Petermann; 2015). Außerdem weisen die Betroffenen bezüglich der sozidemographischen Merkmale „[…] im Durchschnitt ein geringeres Einkommen, ein geringeres Bildungsniveau, Zugehörigkeit zu einer geringeren sozialen Schicht und häufiger Arbeitslosigkeit auf.“ (Stangier et. al.; 2006). Außerdem bleiben von sozialer Phobie betroffene Personen eher unverheiratet, der Grund dafür sind die sozialen Beeinträchtigungen, die mit der Störung einher gehen.
5. Ätiologie der Sozialen Phobie
Die Ätiologie beschäftigt sich mit der Ursache von Erkrankungen und ihren auslösenden Faktoren. Für die Ursache von Sozialer Phobie gibt es viele Erklärungsansätze von kognitiven Theorien bis hin zu neurobiologischen Erklärungsansätzen, oftmals ist die Ursache eine Kombination aus mehreren Faktoren.
Genetische Faktoren spielen eine bedeutsame Rolle in der Disposition zur Entwicklung Sozialer Phobie. „In Zwillingsstudien (Kendler et. al.; 1999) und Familienstudien (Lieb et. al.; 2000) wurde ein gehäuftes Auftreten von Sozialen Phobien und sozialen Ängsten beobachtet.“ (Stangier et. al.; 2006). Deutlich macht es die Zwillingsstudie von Kendler, sie wies eine Vererbungsrate von 30 bis 35 Prozent auf (vgl. Vriends & Margraf; 2005). Dementsprechend können schüchterne Eltern ihren Kindern „Schüchternheit“ vererben. „Der stabile genetisch verankerte Persönlichkeitszug „Schüchternheit“ ist auch in anderen Modellen zur Entwicklung der Sozialen Phobie als zentrales Merkmal zu finden.“ (Vriends & Margraf; 2005).
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