Landreformen und Ernährungssicherheit in Afrika

Die Ausgestaltung von Landreformen für eine Verbesserung der Ernährungssicherheit in Ostafrika


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ernährungssicherheit
2.1 Die Vier Dimensionen von Ernährungssicherheit
2.2 Ernährungsunsicherheit in Ostafrika
2.3 Lösungsideen
2.3.1 Der neoliberale Lösungsansatz
2.3.2 Ernährungssouveränität

3. Die rechtliche Situation der Landnutzung in Ostafrika
3.1 Das Wesen des afrikanischen Gewohnheitsrechtes
3.2 Die Gefahren der Landnutzung

4. Theorien der Landreformen
4.1 Die marktorientierten Idee
4.1.1 Eigenkapital
4.1.2 Implikationen
4.1.3 Kritik
4.2 Die gemeinschaftsbasierte Idee
4.2.1 Soziales Kapital
4.2.2. Implikationen
4.2.3 Kritik

5. Die Praxisbeispiele
5.1. Äthiopien
5.1.1 Ausgestaltung
5.1.2 Auswirkungen
5.2 Uganda
5.2.1 Ausgestaltung
5.2.2 Auswirkungen
5.3 Malawi
5.3.1 Ausgestaltung
5.3.2 Auswirkungen

6. Fazit

1. Einleitung

''I do not believe people should be allowed to buy and sell land . . . The land is a gift from God to the People. It is not like a house. A house is made by man’s effort; land is not. That’s why the land should not be for sale. I would not pay even a shilling for it. The land is my blanket. I wear it like my ancestors wore it (Lambert 1999, S.1).''

Dieses Zitat von einem afrikanischen Schuljungen beschreibt das Verständnis von Landbesitz, welches in großen Teilen der afrikanischen Bevölkerung herrscht. Auf den ersten Blick ist dieses schwer vereinbar mit großflächigen Landadministrationen, Einführung von privaten Landeigentumsrechten und martkgetriebener Entwicklung, wie sie von vielen afrikanischen Staaten mit Unterstützung der Weltbank und UN umgesetzt wird. Ein Ziel dieser neoliberalen Agenda der globalen Entwicklungsagenturen für das rurale Sub-Sahara Afrika ist die Herstellung von Ernährungssicherheit durch eine Entwicklung und Intensivierung der Landwirtschaft. Diese bedarf einer Industrialisierung der Landwirtschaft, welche vor allem durch Wissensaustausch und Investitionen implementiert werden sollen. Aktuell sind 90 % der Flächen von Afrika nicht administriert , und somit ''totes Kapital'', welches durch Landreformen und eine Liberalisierung des Marktes wieder aufleben sollen(vgl. Deininger et al. 2011, S. 1 ff.). Besonders die Region Sub-Sahara Afrika besitzt viele natürliche Ressourcen und hat weltweit das meiste kultivierbare Agrarland zur Verfügung . Des Weiteren ist ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft als Lebensgrundlage abhängig( vgl. Kress 2012, S. 83). Dennoch ist Afrika, insbesondere Ostafrika mit einer Unterernährung von über 30 % weiterhin die vom Hunger am stärksten betroffene Region weltweit(vgl. FAO et al. 2018, S. 4).

Diese Arbeit zielt darauf ab, die Probleme vieler Kleinbauern bei der Umsetzung von Landreformen aufzuzeigen und dabei speziell Bezug zur Ernährungssicherung der Bevölkerung nehmen. Dabei sollen alternative Reformkonzepte gerichtet auf die Herstellung von Ernährungssouveränität, mit den vorherrschenden neoliberalen Reformideen verglichen werden, um die Frage zu beantworten: ''Wie müssen Landreformen ausgestaltet werden um Ernährungssicherheit für SSA zu gewährleisten ?''

Hierfür wird im ersten Abschnitt der Begriff der Ernährungssicherheit erklärt und die aktuelle Ernährungsunsicherheit in Ostafrika aufgezeigt, um anschließend verschiedene Ideen zur Nahrungssicherung vorzustellen. Danach soll die aktuelle Lage der Landrechte in Ostafrika aufgezeigt werden, um im Anschluss die verschiedenen Reformkonzepte vorzustellen. Hierauf aufbauend sollen deren Auswirkungen auf die Ernährungssicherung anhand von empirischen Studien aus Äthiopien, Uganda und Malawi mittels quantitativer und qualitativer Methoden analysiert werden. Abschließend sollen aufgrund der Analyse mögliche Implikationen für künftige Landreformen in Ostafrika gegeben werden.

2. Ernährungssicherheit

Der Begriff der Ernährungssicherheit ist historisch gewachsen und wird auch heute noch ständig diskutiert, erweitert und verändert. Grundsätzlich umfasst er eine globale, eine nationale und eine Haushalts Dimension. Seinen Ursprung findet er in der allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 und dem darin verankerten Menschenrecht auf Nahrung, sowie dem internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966(vgl. Southgate 2011, S. 18 f.).

Mit der weltweiten Nahrungsmittelkrise der Jahre 1972-1974 wurde die Dringlichkeit für konkrete Handlungsanweisungen zur Ernährungssicherung verstärkt, sodass auf der Welternährungskonferenz 1975 die erste offizielle Definition von Ernährungssicherheit entstand. Hierin wurde zuerst Ernährungssicherheit auf einem nationalen und internationalen Level verstanden und anhand des allgemeinen Angebots von Nahrung gemessen(vgl. Maxwell/Smith 1992, S. 4 ff.). Der Fokus der globalen Nahrungsanalyse lag auf der Produktion von Nahrung; um jedoch Ernährungssicherheit auch für Individuen und Haushalte messbar zu machen, benötigte es eine Betrachtung der Verteilung von Nahrung aus einer Individual- oder Haushaltsperspektive(vgl. Pinstrup- Andersen 2009, S. 5 ff.).

Das 1981 erschienene Werk ''Poverty and Famines'' von Amartya Sen und der hierin aufgezeigte Begriff der entitlements1 brachte einen fundamentalen Anstoß hierfür, indem es die Bedeutung des individuellen Zugangs zu Nahrung als essentiell für die Herstellung von Ernährungssicherheit beschrieb(vgl. Kress 2012, S. 74).

In den folgenden Jahren wich die globale Perspektive auf Ernährungssicherung einem stärker auf das Individuum bezogenen Begriffsverständnis, indem nun neben Angebot, Verteilung und Zugang auch die Qualität des Essens in den Begriff einbezogen wurde.

'' Food Security exists when all People, at all times, have physical and economic access to sufficient, safe and nutritous food to meet their dietary needs and food preferences for an active and healthy life(FAO 1996).''

Diese Definition entspricht dem heute am weitesten verbreiteten Verständnis von Ernährungssicherheit und wird als allgemeine Zielvorgabe für politisches Handeln angesehen. Dabei dient der Begriff als Analyseinstrument zur Evaluierung von Entwicklungsprogrammen, die die Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit bezwecken(vgl. Kress 2012, S. 78 f.). Ernährungsunsicherheit ist dementsprechend definiert als fehlender Zugang zu ausreichender Nahrung(vgl. Maxwell/Wiebe 1999, S. 828).

2.1 Die Vier Dimension von Ernährungssicherheit

Wenn Ernährungssicherheit das Ziel ist, benötigt es auch geeignete Determinanten. Diese finden sich in den vier Dimensionen von Ernährungssicherheit, welche sich aus der genannten Definition extrahieren lassen(vgl. Simon 2012, S. 5).

Die Stabilität des Nahrungssystems, beschrieben als ständige Verfügbarkeit und Zugang zu Nahrung, bedarf einer zusätzliche Analyse der Ernährungssicherheit bezüglich der temporären Auswirkungen von Klimaschäden, sowie wirtschaftlichen oder politischen Krisen(vgl. Kress 2012, S.76).

Die Nutzbarkeit von Nahrung wird verstanden als Bedarfsdeckung sämtlicher physiologischer Bedürfnisse wie Hygenie, Gesundheits- und Wasserversorgung. Die Verfügbarkeit von Nahrung definiert sich als die Menge der Nahrung, die in einem Land oder einer Region bereitgestellt werden kann, unabhängig ob dies durch lokale Produktion, Importe, Vorräte oder Nahrungsmittelhilfe geschieht(vgl. Ebd. S. 76).

Die Definition von Zugang zu Nahrung besitzt drei verschieden Dimensionen. Erstens die ökonomische, beschrieben als die Möglichkeit eines Haushalts zum Erwerb von adäquaten Mengen an ordnungsgemäßer Nahrung durch eine Kombination von Einkäufen, Tauschgeschäften, Leihen, Nahrungshilfen und Geschenken. Zweitens die physische oder auch logistische Dimension des Zugangs, demnach die Nahrung dort vorhanden sein soll, wo sie gebraucht wird. Die dritte sozio-kulturelle Dimension bezieht sich auf mögliche Schranken des Zugangs, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einem gewissen Geschlecht oder einer sozialen, politischen, religiösen Gruppierung bestehen(vgl. Simon 2012, S. 6).

Ich möchte in dieser Arbeit lediglich die zwei letztgenannten Dimensionen zur Analyse der Landreformen auf die Ernährungssicherheit nutzen, da eine Einbeziehung aller Determinanten den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

2.2 Ernährungsunsicherheit in Ostafrika

Aktuell ist Ostafrika wie bereits erwähnt die Region mit der höchsten Verbreitung von Ernährungsunsicherheit in der Welt. Hierfür gibt es mehrere Gründe; allgemein sind dies langfristige Krisen, wie politische Konflikte, schlechte Gesundheitsversorgung, Armut und Wetterextreme. Infolge des Bevölkerungswachstums steigt zudem der Bedarf an Nahrung(vgl. Kress 2012, S. 81 f.).

Speziell im ländlichen Ostafrika stellt Landbesitz die Lebensgrundlage einer großen Mehrheit der Bevölkerung dar. Hier werden die ineffizienten Bewirtschaftungsformen der Kleinbauern als ursächlich für die hohe Ernährungsunsicherheit angesehen, denn diese sind besonders anfällig für Wetterextreme und Schädlinge. Ebenso führt der oder fehlende rechtliche Landbesitz zu unsicherem Einkommen und beschränkten Investitionsmöglichkeiten, welche das Wachstum der Agrarwirtschaft hemmen(vgl. Boone 2007, S. 566).

2.3 Lösungsideen

2.3.1 Der neoliberale Lösungsansatz

Der Begriff der Ernährungssicherheit ist in der Literatur hauptsächlich mit der vorherrschenden neoliberalen Entwicklungsstrategie konnotiert. Dabei soll durch Liberalisierung des Welthandels, Öffnung der Märkte, sowie Deregulierung nationaler Industrien und damit verbundene Privatisierung, Armut bekämpft werden und folglich Ernährungssicherheit hergestellt werden. Bisher konnte diese durch Weltbank und IWF maßgeblich vorangetriebene Entwicklungspolitik im Kampf gegen den Hunger in Ostafrika keinen signifikanten Erfolgen erzielen(vgl. Kress 2012, S. 78).

Dem aus dieser Politik entstandenen globalen Ernährungssystem fehlt es jedoch nicht an Verfügbarkeit von Nahrung, denn der globale Markt bietet ein ausreichendes Nahrungsangebot. Demnach ist die Verteilungsfrage, ergo der Zugang zu Nahrung, die größte Herausforderung für die globale Ernährungssicherung(vgl. Windfuhr/Jonsèn 2005, S.1 f.).

2.3.2 Ernährungssouveränität

Als Kritik zum neoliberalen Entwicklungsansatz für Ernährungssicherung entwickelte sich Anfang der 90er Jahre unter maßgeblicher Führung der internationale Bauernorganisation ''La Viá Campesina'' das Konzept der Ernährungssouveränität. Dabei wurde erkannt, dass das globale Ernährungssystem ländliche, agrarwirtschaftlich geprägte Regionen benachteiligt, denen die notwendige finanzielle Grundausstattung fehlt, um am globalen Nahrungsmarkt teilzuhaben(vgl. Akram-Lodhi 2015, S. 563 f.). Das Konzept wurde der internationalen Gemeinschaft erstmals auf dem Welternährungsgipfel 1996 vorgestellt.

“Food Sovereignty is the right of peoples to define their own food and agriculture; to protect and regulate domestic agricultural production and trade in order to achieve sustainable development objectives; to determine the extent to which they want to be self reliant;to restrict the dumping of products in their markets; and to provide local fisheries-based communities the priority in managing the use of and the rights to aquatic resources. Food Sovereignty does not negate trade, but rather it promotes the formulation of trade policies and practices that serve the rights of peoples to food and to safe, healthy and ecologically sustainable production(Pimbert 2009, S.5).”

[...]


1 ''Entitlements werden gemäß Amarty Sen verstanden als die Gesamtheit aller handelbaren Waren über die eine Person, gemäß der gesetzlichen, politischen, ökonomischen und sozialen Modalitäten der spezifischen Gesellschaft, verfügen kann(vgl. Kress 2012, S. 75).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Landreformen und Ernährungssicherheit in Afrika
Untertitel
Die Ausgestaltung von Landreformen für eine Verbesserung der Ernährungssicherheit in Ostafrika
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
20
Katalognummer
V504599
ISBN (eBook)
9783346057051
ISBN (Buch)
9783346057068
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Afrika, Entwicklung, Entwicklungspolitik, Ostafrika, Äthiopien, Uganda, Malawi, Ernährung, Ernährungssicherheit, Rurale Entwicklung, Kleinbauern, Landbevölkerung, Sub Sahara Afrika, afrikanisches Gewohnheitsrecht, Landnutzung, Landreformen, Hunger, Unterernährung, globales Nahrungssystem, Ernährungssouveränität, Weltbank, UNO
Arbeit zitieren
Marcus Robert (Autor:in), 2019, Landreformen und Ernährungssicherheit in Afrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504599

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