Das duale Ausbildungssystem im Lichte der Humankapitaltheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

1. Einleitung

2. Literaturdiskussion
2.1 Ausbildungsentscheidung nach der klassischen Humankapitaltheorie
2.2 Erweiterungen der Humankapitaltheorie
2.2.1 Der Skill-Weights Approach
2.2.2 Ausbildung unter Arbeitsmarktunvollkommenheiten
2.2.3 Ausbildung als Personalbeschaffungsstrategie
2.3 Einordnung des eigenen Arguments in die Forschungslücke

3. Theoretisches Argument

4. Stilisierte Fakten im internationalen Vergleich
4.1 Datengrundlagen
4.2 Ausbildungsaktivitäten und Kündigungsschutz in den Ländern
4.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse

5. Forschungsdesign

6. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

Nach der klassischen Humankapitaltheorie investieren Unternehmen niemals in allgemeines Humankapital ihrer Mitarbeiter. Diese Arbeit erweitert die Humankapital- theorie um Arbeitsmarktunvollkommenheiten. Herrschen Informationsasymmetrien bezüglich der Fähigkeiten der Arbeitnehmer, wird ein positiver Zusammenhang zwischen der Stärke des Kündigungsschutzes und der Ausbildungsintensität in einem Land unterstellt. Die Hypothese wird durch einen Ländervergleich auf EU Ebene anhand von Daten zur Ausbildungsaktivität der Europäischen Kommission sowie zur Stärke des Kündigungsschutzes der OECD getestet. Die Untersuchung lässt auf einen leicht positiven Zusammenhang zwischen Kündigungsschutz und Anzahl Auszubildende je 1000 Arbeitnehmer schließen. Der Zusammenhang ist allerdings sehr gering und statistisch nicht robust.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anzahl Auszubildende je 1000 Arbeitnehmer in den 27 EU Staaten im Jahr 2009.

Abbildung 2: OECD Kündigungsschutz von festangestellten Arbeitnehmer im Jahr 2008

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen der Stärke des Kündigungsschutzes festangestellter Arbeitnehmer und der Anzahl Auszubildende je 1000 Arbeitnehmer

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Daten zur Ausbildungsintensitiit

Anhang II: Daten und Indikatoren des OECD Employment Protection Index

Anhang III: Berechnung des Bravais-Pearson-Korrelationskoeffizienten

1. Einleitung

„Exportschlager aus Deutschland? Autos und Maschinen natürlich. Doch auch die duale Berufsausbildung klettert auf der Hitliste stetig nach oben.“ schreibt Spiegel Online (2013) und greift dabei ein Thema auf, das aktuell in den Medien sehr präsent ist. Viele westliche Gesellschaften wie z.B. Spanien oder Griechenland kämpfen mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit und sehen dabei das duale Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild als Allheilmittel.

Das duale Ausbildungssystem verbindet Praxisphasen in einem Unternehmen mit theoretischer Präsenz an einer Berufsschule. Dabei nehmen die Lehrphasen im auszubildenden Unternehmen circa vier Fünftel der Ausbildungszeit ein. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehrphase erhält der Auszubildende ein offizielles Zertifikat, das ihm seine Ausbildung bescheinigt. Da dieses Zertifikat viele andere Unternehmen anerkennen, finanziert das auszubildende Unternehmen eindeutig die Ausbildung allgemeiner Fähigkeiten ihrer Lehrlinge.

Dass Politiker und Auszubildende von diesem System profitieren, ist unübersehbar. Doch warum investieren Unternehmen im Rahmen der dualen Berufsausbildung in allgemeines Humankapital ihrer Mitarbeiter? Durch eine Erweiterung der klassischen Humankapitaltheorie nach Becker (1962) um Arbeitsmarktunvollkommenheiten entwickelt vorliegende Arbeit darauf eine Antwort.

Unter Annahme von Informationsasymmetrien auf dem Arbeitsmarkt führt ein strenger Kündigungsschutz für festangestellte Arbeitnehmer zu einem höheren Ausbildungs - angebot von Unternehmen. Dies begründet sich im Informationsvorsprung bezüglich der Fähigkeiten eines Mitarbeiters gegenüber anderen Arbeitgebern, den das auszubildende Unternehmen durch ein Lehrprogramm erhält. Hierdurch wird die Mobilität des Auszubildenden nach seiner Lehre eingeschränkt, wodurch der aktuelle Arbeitgeber nicht mehr das komplette Grenzprodukt seines Mitarbeiters entlohnen muss. Das Unternehmen kann einen Teil des Grenzprodukts einbehalten und profitiert auf langer Sicht von der Ausbildung. Der theoretische Rahmen gilt nicht in Ländern mit einem schwachen Kündigungsschutz, da hier Informationsasymmetrien wenig problematisch sind. Entpuppt sich ein Arbeitnehmer als unproduktiv, kann er ohne große Kosten wieder entlassen werden.

Die Hypothese wird durch einen Ländervergleich zwischen EU Staaten überprüft, wobei ein schwach positiver Zusammenhang zwischen Kündigungsschutz und Ausbildungsniveau in einem Land bestätigt werden kann. Da der Zusammenhang allerdings so gering ist, kann das Ergebnis nicht als statistisch signifikant angesehen werden.

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Der Literaturteil beleuchtet die klassische Human- kapitaltheorie und diskutiert anschließend Erweiterungen der Theorie. Nach der Herleitung des theoretischen Arguments in Kapitel 3, präsentiert Kapitel 4 stilisierte Fakten im internationalen Vergleich. Der letzte Teil skizziert das Forschungsdesign.

2. Literaturdiskussion

2.1 Ausbildungsentscheidung nach der klassischen Humankapitaltheorie

Anfang der 60er-Jahre entwickelten die Volkswirte Gary S. Becker und Theodore W. Schultz das Grundmodell der Humankapitaltheorie, welches den Ausgangspunkt heutiger Überlegungen zur betrieblichen Ausbildungsentscheidung darstellt.

Schultz (1961) definiert Investitionen in Humankapital als sämtliche Ausgaben für Schul- und Universitätsbildung, Gesundheit, betriebliche Aus- und Weiterbildung sowie arbeitsbedingte Wohnortswechsel. Die Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt tätigen jene Investitionen, um ihre Produktivität zu erhöhen und schließlich eine positive Rendite zu erhalten. Schultz (1961) hebt dabei hervor, dass sich diese Investitionen besonders für junge Menschen lohnen, da sie mehr Lebensarbeitszeit haben, um die Bildungsausgaben zu amortisieren.

Beckers Überlegungen zur Humankapitaltheorie basieren auf der Annahme vollkommener Märkte und perfekt rationaler Individuen. Becker (1962) vertieft das Entscheidungsproblem, ob betriebliche Aus- und Weiterbildung durchgeführt werden sollte bzw. wer dafür aufkommt. Dafür unterteilt er Humankapital in seine allgemeine und spezifische Komponente. Allgemeines Humankapital erhöht die Produktivität in allen Unternehmen, während spezifisches Humankapital die Produktivität nur im ausbildenden Betrieb verbessert. Da auf einem kompetitiven Arbeitsmarkt alle Arbeitgeber den Nutzen von allgemeinem Humankapital gleichermaßen anerkennen, wird der Arbeitnehmer nach seinem Grenzprodukt entlohnt. Würde ein Unternehmen nun die Investition in allgemeines Humankapital finanzieren, entstünde eine Holdup- Situation. Der Arbeitgeber wäre erpressbar, da der Arbeitnehmer das Unternehmen wechseln könnte, wenn er nicht nach seinem Grenzprodukt entlohnt werden würde. Folglich bezahlt ein Unternehmen niemals die Investition in allgemeines Humankapital. Anders steht es um die Finanzierung von spezifischem Humankapital. Da der Arbeitnehmer hierfür von keinem anderen Unternehmen belohnt wird, muss der ausbildende Arbeitgeber ihn nicht nach dem Grenzprodukt entlohnen. Solange er ihm einen Teil der Ausbildung finanziert und der Lohn über dem Lohnangebot der Wettbewerber liegt, bindet das Unternehmen den Arbeitnehmer. Somit lohnt sich die Weiterbildung für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.

Der klassischen Humankapitaltheorie nach Becker (1962) zufolge finanziert ein gewinnmaximierendes Unternehmen niemals das allgemeine Humankapital eines Arbeitnehmers. Da aber im System der dualen Ausbildung Lehrlinge nach Abschluss ihrer Lehrzeit ein Zertifikat bekommen, das alle anderen Unternehmen anerkennen, kommen Arbeitgeber in der Realität doch für die Investitionen in allgemeines Human - kapital ihrer Mitarbeiter auf. Deshalb müssen andere Erklärungsansätze gefunden werden.

2.2 Erweiterungen der Humankapitaltheorie

2.2.1 Der Skill-Weights Approach

Als eine Erweiterung der klassischen Humankapitaltheorie entwickelte Lazear (2009) die Theorie des Skill-Weights Approach. Diese widerspricht zwar nicht der Unter- teilung nach Becker (1962) in spezifisches und allgemeines Humankapital, jedoch schließt Lazear (2009) andere Rückschlüsse auf die Finanzierung betrieblicher Aus- und Weiterbildung.

Lazear (2009) statiert, dass in den meisten Unternehmen allgemeines Humankapital gefragt ist. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Firmen in der Kombination allgemeiner Qualifikationen. Diese verschiedenen Gewichtungen von allgemeinem Humankapital sind wiederum spezifisch. Ein Arbeitnehmer ist dann nicht bereit die Kosten für die allgemeine Ausbildung zu tragen, da er das Humankapital nicht in vollen Umfang in ein anderes Unternehmen transferieren kann.

Der Arbeitgeber muss also einen Teil des allgemeinen Humankapitals der Ausbi ldung finanzieren. Die Höhe der Beteiligung hängt davon ab, wie spezifisch die Kombination der allgemeinen Ausbildungsinhalten und somit die Abwanderungsgefahr des Arbeit - nehmers ist.

2.2.2 Ausbildung unter Arbeitsmarktunvollkommenheiten

Andere Erweiterungen der Humankapitaltheorie sind notwendig, da es in der Realität eingeschränkte Mobilität, Informationsasymmetrien und nicht-flexible Löhne gibt. Das Marktversagen auf dem Arbeitsmarkt erklärt, warum Unternehmen entgegen Becker (1962) bereit sind, in allgemeines Humankapital zu investieren.

Zunächst verfolgt ein Literaturstrang die Hypothese der Mobilitätskosten. So argumentieren Harhoff und Kane (1997), dass durch hohe Mobilitätskosten allgemeine Qualifikationen gewissermaßen spezifisch werden. Mobilitätskosten werden demnach zum einen durch Gewerkschaften und Betriebsräte ausgelöst. Jene Institutionen beeinflussen nicht nur die Lohnhöhe der Angestellten, sondern auch die Möglichkeit anderer Firmen die Fachkräfte nach der Ausbildung abzuwerben. Dies führt zu einer Einschränkung der Mobilität. Zum anderen erfassen Harhoff und Kane (1997) den Unwillen vieler deutscher Arbeitnehmer umzuziehen. Demnach bieten Unternehmen solange Ausbildungsprogramme an, wie es Arbeitnehmer gibt, die wegen hoher Mobilitätskosten bereit sind, für den lokalen Arbeitgeber unter ihrem Grenzprodukt zu arbeiten. Somit werden allgemeine Fähigkeiten zu einem gewissen Grad spezifisch, da der Arbeitnehmer keine Alternativen hat, diese einzusetzen. Folglich besitzt der Arbeitgeber Monopsonmacht1 und kann die Arbeitnehmer unter ihrer Grenzproduktivität entlohnen, wodurch sich die allgemeine Ausbildung für Unternehmen lohnt. Clark (2001) bestätigt die Hypothese der eingeschränkten Mobilität und unterstreicht die Monopsonstellung des ausbildenden Arbeitgebers. Dieser erhält nach der Ausbildung eine Prämie, indem er zwar mehr als alternative Unternehmen zahlt, aber weniger als das Grenzprodukt.

Arbeitsmarktunvollkommenheiten berücksichtigen auch Acemoglu und Pischke (1999a; 1999b) in ihrem vielzitierten Modell. Sie argumentieren, dass es komprimierte Lohn- strukturen für Arbeitgeber rentabel machen, in das allgemeine Humankapital ihrer Angestellten zu investieren. Herrschen in einer Branche oder einer Region komprimierte Löhne, verdienen qualifizierte Arbeitnehmer im Verhältnis zu unqualifizierten Arbeitnehmern weniger Lohn. Da gut ausgebildete Arbeiter nicht ihr volles Grenzprodukt erhalten, haben Unternehmen einen Anreiz, in die allgemeine Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren, da sie von ihnen mehr Gewinn abschöpfen können (Acemoglu und Pischke, 1999a). Für komprimierte Lohnstrukturen gibt es laut Acemoglu und Pischke (1999a; 1999b) verschiedene Gründe. Erstens bestehen Arbeitsmarktfriktionen. Diese äußern sich zum einen in Such- und Matchingkosten für den

Arbeitnehmer. Zum anderen treten wie schon erwähnt asymmetrische Informationen auf. Diese geben dem ausbildenden Arbeitgeber eine Monopsonstellung, wodurch er Löhne unterhalb der Grenzproduktivität zahlen kann, was diese komprimiert. Weiterhin führen Komplementaritäten zwischen spezifischen und allgemeinen Humankapital zu Lohnkompressionen. Zu komprimierten Löhnen tragen auch Arbeitsmarktinstitutionen bei, die durch Tarif- oder Mindestlöhne das Gehalt der Unproduktiven anheben, während die Gehälter der fähigsten Arbeitnehmer davon unbeeinflusst bleiben. Dustmann und Schönberg (2009) bestätigen, dass Gewerkschaften einen signifikant positiven Einfluss auf Lohnkompressionen und damit auf allgemeine Ausbildung haben.

Ein weiterer Erklärungsansatz, warum Unternehmen im Rahmen der dualen Ausbildung allgemeines Humankapital ihrer Lehrlinge finanzieren, berücksichtigt den Zustand der Informationsasymmetrien auf dem Arbeitsmarkt. Franz und Soskice (1995) analysierten das deutsche Ausbildungssystem und kamen u.a. zu dem Ergebnis, dass große Unternehmen als Folge der Informationsasymmetrien auf dem Arbeitsmarkt Ausbildung anbieten, um die besten Schulabgänger zu werben. Chang und Wang (1996) sowie Euwals und Winkelmann (2001) verbinden die Folgen der asymmetrischen Information mit der Höhe der Fluktuationsraten. So führen höhere Fluktuationsraten unter asymmetrischen Informationen am Arbeitsmarkt bezüglich der Fähigkeiten am Arbeits- markt zu niedrigeren Investitionen in Humankapital, wobei es hier unerheblich ist, ob es sich um spezifisches oder allgemeines Humankapital handelt (Chang und Wang 1996). Euwals und Winkelmann (2001) erhalten des Weiteren die empirischen Ergebnisse, dass Arbeitnehmer, die nach der Ausbildung im Unternehmen bleiben aufgrund der vorherrschenden Informationsasymmetrie am Arbeitsmarkt einen höheren Lohn erhalten als jene, die das Unternehmen nach der Ausbildung wechseln. Ähnlich argumentieren Acemoglu und Pischke (1998). Sie entwickeln ein Modell mit multiplen Gleichgewichten, die sich je nach der institutionellen Struktur des Arbeitsmarkts in einem Land einstellen. So gebe es einerseits Länder mit einer geringen Kündigungsrate und einem hohen Ausbildungsniveau (Deutschland) und andererseits Länder mit einer hohen Kündigungsrate und einem niedrigen Ausbildungsniveau (USA). Weiterhin beschäftigen sich Katz und Ziderman (1990) mit dem Zusammenhang von Mindest- löhnen und der Investition in allgemeines Humankapital. Dieser sei negativ, wobei der negative Effekt durch Informationsasymmetrien abgeschwächt wird und es somit trotz Mindestlöhnen für Unternehmen rentabel sein kann, in allgemeines Humankapital zu investieren. Katz und Ziderman (1990) analysieren dabei allerdings das allgemeine Weiterbildungsangebot eines Unternehmens.

2.2.3 Ausbildung als Personalbeschaffungsstrategie

Ein dritter Erklärungsansatz für die Investition in allgemeines Humankapital von Unternehmensseite besteht nach Franz und Soksice (1995) darin, dass Ausbildung eine alternative Personalbeschaffungsstrategie darstellt. Dabei substituiert ein Ausbildungs- programm die Rekrutierung von Fachkräften am Arbeitsmarkt. Franz und Soskice (1995) begründen den Vorteil darin, dass ein Auszubildender einen geringeren Lohn als eine bereits ausgebildete Fachkraft bezieht. Diese Annahme wird von Beckmann (2002) empirisch bestätigt. In seiner Studie belegt er den statistisch signifikant negativen Effekt von Rekrutierung, d.h. der Einstellung extern ausgebildeter Fachkräfte, auf die Ausbildungsentscheidung eines Unternehmens. Damit wird allerdings der Hypothese der asymmetrischen Informationen aus 2.2.2 widersprochen, denn herrscht Adverse Selektion auf dem Arbeitsmarkt, präferiert ein Unternehmen die eigene Ausbildung.

Mohrenweiser und Backes-Gellner (2010) sehen Auszubildende dagegen nicht als Substitute für Fachkräfte, sondern für unausgebildete oder angelernte Arbeitnehmer. Sie finden empirisch heraus, dass 19% der Unternehmen in Deutschland dieser Substitutionsstrategie folgen, weil durch das niedrige Ausbildungsgehalt die Lohnstück- kosten der Lehrlinge geringer sind als die ungelernter Arbeiter.

2.3 Einordnung des eigenen Arguments in die Forschungslücke

Es gibt bereits zahlreiche überzeugende Theorien und Studien, die Beckers Human- kapitaltheorie erweitern, um zu erklären, warum Unternehmen im Rahmen der dualen Berufsausbildung in allgemeines Humankapital investieren. Besonders bezüglich der Erweiterung um Arbeitsmarktunvollkommenheiten wurden bereits früh wissenschaftlich wertvolle Beiträge verfasst. Auch diese Arbeit setzt bei einem unvoll- kommenen Arbeitsmarkt an. Das Argument, dass ein starker Kündigungsschutz zu hohen Ausbildungsraten führt, gilt unter der Annahme, dass Informationsasymmetrien am Arbeitsmarkt herrschen. Dabei entwickelt nachfolgende Argumentation keine neue Theorie, sondern greift mehrheitlich auf bereits existierende Überlegungen zurück.

Allerdings besteht ein großer Untersuchungsbedarf in der Analyse unterschiedlicher Ausbildungsniveaus auf Länderebene. Im Allgemeinen untersuchen Studien das Ausbildungsniveau meist auf Firmenlevel, d.h. es werden Unternehmen innerhalb eines Landes auf ihre Entscheidungen für oder gegen ein Ausbildungsprogramm analysiert. Die vorliegende Arbeit untersucht in Kapitel 4 dagegen die Plausibilität des theoretischen Arguments auf Länderebene.

3. Theoretisches Argument

Nachfolgende Argumentationskette erläutert den positiven Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Kündigungsschutzes in einem Land und den Anreiz der Unternehmen im Rahmen einer dualen Berufsausbildung Investitionen in allgemeines Humankapital ihrer Arbeitnehmer zu finanzieren.

Vorliegendes Modell trifft die Annahme, dass es auf dem Arbeitsmarkt unterschiedliche Typen von Arbeitnehmern gibt. Die Ausbildungssuchenden unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, z.B. in ihrer Leistungsfähigkeit, Begabung, Zuverlässig- keit, Teamfähigkeit oder ihrem Auffassungsvermögen (Niederalt 2004, S.89). Dies resultiert in einer unterschiedlichen Produktivität der Bewerber. Dabei ist es unerheblich, ob die Arbeitnehmer ihre eigenen Fähigkeiten kennen, weil der Arbeitgeber nicht zwischen den produktiven und unproduktiven Bewerbern unterscheiden kann. Da mehrheitlich Schulabgänger, die keinerlei Arbeitserfahrung haben, eine Ausbildung anfangen, ist davon auszugehen, dass den Bewerbern ihre beruflichen Begabungen nicht bewusst sind.

Den Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt sind die Fähigkeiten der Arbeitnehmer unbekannt. In den ersten Jahren der Karriere eines Arbeitnehmers werden jedoch viele Informationen über die Fähigkeiten eines Auszubildenden angehäuft. Die meisten Informationen werden vom aktuellen Arbeitgeber gesammelt, wobei andere Unternehmen darauf keinen Zugriff haben. Nach der Ausbildung eines Arbeitnehmers besteht folglich eine Informationsasymmetrie zwischen dem ausbildenden Unternehmen und anderen potentiellen Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt bezüglich der Fähigkeiten des Lehrlings (Acemoglu und Pischke 1998). Diese Tatsache bezeichnet die Adverse Selektion (Akerlof 1970).

Der Zustand der Adversen Selektion wäre vernachlässigbar, könnten Unternehmen einen unproduktiven Arbeitnehmer ohne Probleme entlassen. In vielen Ländern gibt es allerdings institutionelle Rahmenbedingungen, die einen starken Kündigungsschutz implizieren und somit den Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen binden. Zu den Institutionen gehören nicht nur der gesetzliche Kündigungsschutz, sondern auch Gewerkschaften sowie Betriebsräte, die eine Kündigung schwer durchsetzbar machen. Je stärker der Kündigungsschutz in einem Land ist, desto höher sind die Entlassungskosten. Dies macht den Zustand der Adversen Selektion zu einem Problem. In Ländern mit geringen Entlassungskosten sind Informationsasymmetrien dagegen vernachlässig-bar (Acemoglu und Pischke 1998).

[...]


1 Ein Monopson ist ein Markt auf dem es viele Verkäufer, aber nur einen Käufer gibt. Monopsonmacht impliziert, dass der Käufer das Gut zu einem Preis unterhalb des Grenzwerts kaufen kann (Pindyck und Rubinfeld 2005, S.450, 483).

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Das duale Ausbildungssystem im Lichte der Humankapitaltheorie
Hochschule
Universität Augsburg  (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
35
Katalognummer
V504633
ISBN (eBook)
9783346060907
ISBN (Buch)
9783346060914
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ausbildungssystem, lichte, humankapitaltheorie
Arbeit zitieren
Lisa Nätscher (Autor:in), 2013, Das duale Ausbildungssystem im Lichte der Humankapitaltheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504633

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