Im Folgenden sollen die Fragen beantwortet werden, inwieweit sich die Kölner jüdische Wirtschaftselite an die nichtjüdische Bevölkerung angepasst hat, welche Faktoren dabei gegebenenfalls eine Rolle gespielt haben könnten, ob es einerseits Berührungspunkte zwischen der jüdischen und nichtjüdischen Elite gegeben hat und wo sich beide andererseits bewusst, oder unbewusst voneinander distanzierten. Der Schwerpunkt liegt somit auf dem sozialen Verhalten der Wirtschaftselite. Diesen Fragen zu Grunde liegen die Erkenntnisse von Hansjoachim Henning, der in seinem Beitrag, „Soziales Verhalten Jüdischer Unternehmer in Frankfurt und Köln zwischen 1860 und 1933“ zu dem Schluss kommt, dass die jüdischen Unternehmer nur gering mit der Kölner nichtjüdischen Gesellschaft verflochten waren. Um sich der Fragestellung zu nähern, werden zunächst die Begriffe „Jude“ und „Elite“ definiert und auf die Problematik ihrer Verwendung hingewiesen.
Gliederung
1. Zur Situation der jüdischen Bevölkerung in Köln in der Weimarer Republik
2. Fragestellung und Gliederung der Arbeit
3. Zur Definition „Jüdisch“
4. Problematik des Elitebegriffs
5. Die jüdische Elite als Gegenstand der Historischen Forschung
6. Louis Hagen (1855-1932)
6.1. Soziale Herkunft
6.2. Wahl des Ehepartners und Einstellung zum jüdischen Glauben
7. Paul Silverberg (1876-1959)
7.1. Soziale Herkunft, Ausbildung und Karrierewege
7.2. Soziale Netzwerke
8. Gönner und Geldgeber
9. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Zur Situation der jüdischen Bevölkerung in Köln in der Weimarer Republik
In der Weimarer Republik betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Köln 2,3%.[1] Köln war somit die Stadt mit dem größten jüdischen Bevölkerungsanteil, wobei die Stadt eine stagnierende Tendenz aufwies.[2] Bis zum Ende der Weimarer Republik blieb Köln für die jüdischen Unternehmer eine Zuzugsgemeinde.[3]
Köln war für sie insofern attraktiv, als sie eine sichere Position in der Öffentlichkeit und gute wirtschaftliche Möglichkeiten hatten.[4] Zugewanderte Unternehmer waren meist schon verheiratet, so dass für sie keine Notwendigkeit bestand sich über eine Ehe in die Elite der Stadt einzuheiraten.[5] Das weit verbreitete Phänomen der Assimilation durch das Konnubium, eine gesellschaftlich günstige Heirat, war vor allem für Frankfurt sehr typisch, für Köln eher nicht. In Köln kamen Konversionen unter jüdischen Kaufleuten und Industriellen kaum vor.[6] Auch waren die jüdischen Unternehmer nur gering mit der Kölner nicht-jüdischen Gesellschaft verflochten.
2. Fragestellung und Gliederung der Arbeit
Im Folgenden sollen die Fragen beantwortet werden, inwieweit sich die Kölner jüdische Wirtschaftselite an die nichtjüdische Bevölkerung angepasst hat, welche Faktoren dabei gegebenenfalls eine Rolle gespielt haben könnten, ob es einerseits Berührungspunkte zwischen der jüdischen und nichtjüdischen Elite gegeben hat und wo sich beide andererseits bewusst, oder unbewusst voneinander distanzierten. Der Schwerpunkt liegt somit auf dem sozialen Verhalten der Wirtschaftselite.
Diesen Fragen zu Grunde liegen die Erkenntnisse von Hansjoachim Henning, der in seinem Beitrag, „Soziales Verhalten Jüdischer Unternehmer in Frankfurt und Köln zwischen 1860 und 1933“ zu dem Schluss kommt, dass die jüdischen Unternehmer nur gering mit der Kölner nichtjüdischen Gesellschaft verflochten waren.[7]
Um sich der Fragestellung zu nähern, werden zunächst die Begriffe „Jude“ und „Elite“ definiert und auf die Problematik ihrer Verwendung hingewiesen. Da sich die vorliegende Arbeit auf die Wirtschaftselite beschränkt und andere Eliten, wie z.B. die Geistige Elite wird nicht behandelt, bedarf es auch einer Definition der Wirtschaftselite. In diesem Zusammenhang ist es wichtig eine klare Unterscheidung zwischen Unternehmertätigkeit und Wirtschaftselite zu treffen, bzw. beide voneinander abzugrenzen. Daran anschließend wird der Forschungsstand dargestellt.
Darauf folgt eine exemplarische Untersuchung von zwei Vertretern der Kölner jüdischen Wirtschaftelite; Louis Hagen und Paul Silverberg.
Von besonderem Interesse sind die soziale Herkunft, die Einstellung zum jüdischen Glauben, die Ausbildung und Karrierewege, die Wahl des Ehepartners und soziale Verflechtungen sowie Tätigkeiten als Gönner und Geldgeber für Kunst und Wissenschaft.
Da das soziale Verhalten hier näher untersucht werden soll, wird auf das spezielle Eingehen auf politische Aktivitäten verzichtet.
3. Zur Definition „Jüdisch“
Bei der Beschäftigung mit dem Thema „Jüdische Eliten in Köln in der Weimarer Republik“ stellt sich zunächst die Frage wer als Jude betrachtet wird.
1925 gab es in Köln 16000 Juden.[8] Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 700000 Einwohnern betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung 2,3%.[9] Aus Bruno Kuskes Beitrag zur allgemeinen Großstadtforschung aus dem Jahr 1928 geht nicht hervor welche Kriterien der Definition von jüdisch/Jude zu Grunde liegen.
Es ist davon auszugehen, dass die Bezeichnung Jude nicht aus jüdisch-orthodoxer Sicht gemeint ist. In diesem Fall richtet sich die Religionszugehörigkeit nach der Mutter, d.h., dass nach jüdischer Lehre Kinder einer nichtjüdischen Mutter und eines jüdischen Vaters nicht als Juden bezeichnet werden.[10]
Dieses Kriterium dürfte bei Kuske keine Rolle gespielt haben. Darüber hinaus lichteten sich durch Taufe, Mischehe und damit einhergehender Assimilation die Reihen der Juden in beträchtlichem Maße.[11] Unter die 2,3% dürften vielmehr auch jene fallen, die rudimentäre jüdische Wurzeln haben und aus orthodoxer Sicht nicht als Jude bezeichnet würden.
4. Problematik des Begriffs: Elite
Um sich mit dem Thema Elite auseinander setzen zu können, ist es unerlässlich den Begriff Elite zu definieren und auf die Problematik dieses Begriffes hinzuweisen.
Nach 1965 war der Begriff Elite aufgrund ideologischer Vorbehalte in Deutschland unbrauchbar und nach 1968 verzichtete man am besten ganz auf dieses Wort, denn Elite war identisch mit autoritär, repressiv, konservativ oder reaktionär.[12]
Erst in den 1980-er Jahren vollzog sich allmählich ein Wandel; der Begriff Elite kehrte zurück und in der Forschung wurden wieder zunehmend Fragen der Elite behandelt. Die unterschiedlichen und uneinheitlichen Definitionen von Elite zeigen jedoch, dass die Beschäftigung mit diesem Thema nach wie vor heikel ist. Es gibt keine allgemeingültige Definition des Elitebegriffs.
Im Folgenden meint der Begriff jene,
„die im Strukturzusammenhang gesellschaftlicher Prozesse zentrale oder sektorale Führungsfunktionen wahrzunehmen haben, die als formelle oder informelle institutionelle Repräsentanten beschreibbar sind.“[13]
Folglich haben Eliten die Funktion gesellschaftliche Entscheidungen zu beeinflussen, zu ermöglichen, zu verhindern oder zu fällen.[14]
Diese Definition verdeutlicht, dass es nicht auf die Qualität der Person, also auf Kriterien, wie Herkunft und Reichtum ankommt, sondern auf die soziale Funktionsposition.
Auch für die Wirtschaftselite gibt es bislang keine allgemein akzeptierte Definition. Für Soziologen scheint die positionale Bedeutung einer Person ein geeignetes Kriterium zu sein, während Politik- und Wirtschaftshistoriker eher zu einer funktionalen Definition tendieren.[15] Um dennoch mit dem Begriff der Wirtschaftselite operieren zu können, wurde er für das 20. Jahrhundert wie folgt beschrieben: „Wirtschaftsbürger“ im 20. Jahrhundert seien in erster Linie als Unternehmer zu definieren.[16] Außerdem zeichneten sie sich dadurch aus, dass sie Einfluss auf gesellschaftlich bedeutsame Entscheidungen haben, wobei diese Einflussnahme einen messbaren Zeitraum Bestand haben sollte.[17]
Der pauschale Begriff des Unternehmers ist im Zusammenhang der Betrachtung jüdischer Unternehmer insofern problematisch und ungenau, dass er fast zu einem Synonym für die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung geworden ist. Er eignet sich nicht als eine Bezeichnung für eine soziale Gruppe. Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren die Juden in Deutschland in ihrer Berufswahl eingeschränkt und wandten sich somit sowohl den unternehmerischen, als auch den freien Berufen zu.[18] Der Begriff Unternehmer umfasst in der jüdischen Bevölkerungsgruppe den Großkaufmann ebenso, wie den Industriellen, den Bankier und den selbständigen Handwerker.[19] Durch die zusätzliche Verwendung des Elitebegriffs ist eine Eingrenzung möglich.
Eindeutig zur Wirtschaftselite Kölns in der Weimarer Republik gehörten die Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Köln Louis Hagen und Paul Silverberg.
„Als die Alliierten das Rheinland besetzten, sah man in Hagen den führenden Vertreter der rheinischen Wirtschaft, den Mann, der ihre Interessen bei den Behörden des Reiches sowie bei den Stellen der Alliierten am besten wahrnehmen konnte.“[20]
Der Industrielle Paul Silverberg gehörte zu den größten deutschen Unternehmern der Nachkriegszeit. Als führende Persönlichkeit der Wirtschaft erreichte er seinen letzten Höhepunkt 1932, als dieser, als Hagens Nachfolger, zum Präsidenten der IHK Köln gewählt wurde.[21]
[...]
[1] Kuske: Die Groszstadt Köln, S.30.
[2] Henning: Soziales Verhalten, S. 249.
[3] Ebd.: S. 264.
[4] Ebd.: S. 264.
[5] Ebd.: S. 264.
[6] Ebd.: S. 265.
[7] Ebd.. S.269.
[8] Kuske: Die Groszstadt Köln, S. 30.
[9] Ebd.: S. 30.
[10] Rabbi Lau
[11] Henning: Soziales Verhalten, S. 247.
[12] Pohl: Eliten in Wirtschaft und Gesellschaft, S. 48.
[13] Schumann: Die soziale und politische Funktion, S. 32.
[14] Ebd.: S. 32.
[15] Ziegler: Die wirtschaftsbürgerliche Elite, S. 12.
[16] Ebd.: S. 13.
[17] Ebd.: S. 13.
[18] Treue: Wirtschaftsgeschichte, S. 152.
[19] Henning: Soziales Verhalten, S. 248.
[20] Kellenbenz: Louis Hagen, S. 143.
[21] Ebd.: Paul Silverberg, S. 126.
- Arbeit zitieren
- Nora Banaim (Autor:in), 2005, Das soziale Verhalten der jüdischen Wirtschaftselite in Köln in der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50466
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