Selbstwirksamkeit bei Menschen mit Demenz. Die Auswirkungen des Gezeiten-Modells


Hausarbeit, 2019

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. das Gezeiten Modell
2.1 die Metapher
2.2. die Annahmen, die Verpflichtungen und die Fertigkeiten des Gezeiten-Modells
2.2.1 die sechs philosophischen Annahmen
2.2.2 die zehn Verpflichtungen in Verbindung mit den 20 Befähigungen
2.3 das Assessment

3. Stadien der Alzheimer und Demenz-Erkrankung

4. Fragestellung

5. Methodik

6. Ergebnisdarstellung
6.1 teilnehmende Beobachtung
6.2 Interviews

7. Diskussion

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

10. Anlageverzeichnis

1. Einleitung

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Profession der Pflege mit Hilfe von einer Vielzahl von Pflegetheorien und einer eigenen Fachsprache in Form von Pflegediagno­sen beschrieben und als eigenständige Disziplin dargestellt. Dabei muss kritisch beo­bachtet werden ob wir uns währenddessen nicht vom Patienten1 entfernt haben.

Das Gezeiten Modell, welches speziell für die psychiatrische Pflege eine Pflegetheorie anbietet, gewährt einen anderen Aspekt und einen personenorientierten Ansatz. Hier wird sich nach den Individuen ausgerichtet und die praxisbasierten Evidenzen sind Handlungsgrundlage (Abderhalden, 2011 S. 74).

Schon im Jahr 1954 beschreibt Hildegard Peplau Pflege als einen therapeutisch bedeu­tenden, interpersonellen Beziehungsprozess, in welchem Pflegende und Patienten ver­schiedene Rollen innehaben. Diese beiden Rollen, so wie die zwischen ihnen beste­hende Dynamik, sind ein entscheidender Faktor der Pflegesituation (Peplau, 2009 S. 21). Die Basis unseres pflegerischen Handelns ist die am Menschen ausgerichtete Kon­takt- und Beziehungspflege. Psychiatrische Pflege heißt, dass Pflegende mit den Pati­enten Wege aus der Krise suchen, finden und gemeinsam gehen, sowie Hilfe zur Selbst­hilfe anbieten (Noelle, 2015 S. 19). Dazu bedarf es unter anderem professionelle Bezie­hungsgestaltung. In dieser Beziehung ist der Patient von Beginn an Fachmann. Seine Expertise erstreckt sich über sich selbst, seine Probleme und seine Ziele (Sachse, 2016 S. 15).

Diese Definition von psychiatrischer Pflege und therapeutischer Beziehungsgestaltung vereinbart das Gezeiten-Modell.

Das ganzheitliche Assessment des Gezeiten Modells spricht durch die Fragen, „Was tat ich?", „Was folgt draus?" und „Was kann ich damit tun?" die Ebenen des „Denkens", „Fühlens" und" Handelns" an. Damit wird der Patient unterstützt, seine Fähigkeit, Situa­tionen, die sich aufgrund seines eigenen Tuns verändert haben, zu erkennen und ziel­gerichtet anzuwenden. So wird das Bewusstsein der eigenen Selbstwirksamkeit gestärkt (Kirchhof, 2017 S. 368).

Gerade Menschen, die an einer dementiellen Entwicklung leiden und sich selbst und ihre Selbstständigkeit unabdingbar verlieren, bedürfen einer solche Verstärkung. Doch kann das Gezeiten Modell bei Menschen angewandt werden die kognitiv beeinträchtigt sind?

Eine der formulierten Voraussetzungen für das Gezeiten-Modell ist die Kommunikations­fähigkeit. Ist dies der Grund warum es bisher nur wenig Erfahrungen mit der Arbeit des Gezeiten-Modells in Verbindung mit demenzerkrankten Menschen gibt (Zuaboni, Burr & Schulz, 2013b S. 25)?

Um eine Vorstellung zu dem Modell, losgelöst von Fachbüchern, zu erhalten und um sich der Frage bezüglich der Anwendbarkeit bei demenzkranken Menschen zu näheren, hat sich die Autorin dieses Praxisberichtes für eine zweiwöchige Hospitation an der Uni­versität-Klinik Köln entschieden. Diese Institution ist bisher die erste Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland, welche das Gezeiten Modell in ihren Pflegeprozess kom­plett implementiert hat (Kirchhof, 2017 S. 363).

In der folgenden Arbeit wird das Gezeiten-Modell vorgestellt, es folgt ein Überblick über die verschiedenen Stadien der Demenz und dem zugeordneten Fähigkeitsverlust. Im Weiteren wird die konkrete Fragestellung der Hausarbeit dargelegt und es folgt eine Übersicht der Methodik, wie diese Fragestellung bearbeitet wurde. Eine Zusammenfas­sung der Ergebnisse sowie ein persönliches Fazit der Autorin schließen die Arbeit ab.

Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Hausarbeit kann über die verschiedenen The­men nur ein Überblick gegeben werden.

2. das Gezeiten Modell

Das Gezeiten Modell, welches teilweise schon lang bekannte Annahmen und Erfahrun­gen der Beziehungspflege in der psychiatrischen Pflege erweitert und bestärkt, ist ein Instrument, mit welchem ein personenorientierter Recovery-Ansatz in dieser Bezie­hungspflege gestaltet werden kann.

Der personenorientierte Recovery-Ansatz versteht sich als ein nie endender Prozess, in welchem sich auf die persönlichen Erfahrungen der Menschen mit psychischen Beein­trächtigungen berufen wird. Die Kraft und Fähigkeit eines jeden Einzelnen, Probleme und schwierige Situationen, die zum Beispiel durch eine psychische Erkrankung entste­hen, zu bewältigen, ist ein wesentliches Kernelement. Ziel ist es, dass ein jeder Mensch sein Leben eigenständig und nach seinen Werten gestaltet und dort leben kann, wo er es will (Burr, Schulz, Winter A. & Zuaboni, 2013 S. 10).

2.1 die Metapher

Der Vergleich mit dem Element Wasser eignet sich aus verschiedenen Sichtweisen. Ein jeder von uns ist auf seiner eigenen Lebensreise schon in stürmische Gewässer geraten.

Aussagen von Menschen, die durch Erlebnisse und Lebenseinschnitte überwältigt und an den Rand Ihrer Kräfte gebracht werden erinnern oft an Beschreibungen des Ertrin­kens oder dem Überlebenskampf im Wasser (Zuaboni, Burr & Schulz, 2013a S. 44).

Der Verbindung mit den Gezeiten - Ebbe und Flut - kommt nicht von ungefähr. Die Entwickler des Gezeiten-Modells Phil Barker und Poppy Buchanan-Barker beschreiben Recovery während eines Interviews im Jahr 2013 mit dem Satz „Wieder in den Gang kommen“ (Zuaboni et al. S. 20). Das Vorwärtsgehen, die Vorwärtsbewegungen, sind die angestrebten Ziele, bei denen psychiatrische Pflege helfen und unterstützen will. Mit die­sem Modell wird gleichzeitig anerkannt, dass es auch Rückschritte, ein Zurückfallen, gibt und der nie endende Prozess des Vorwärtsgehens wieder von vorne beginnen muss (Zuaboni et al., 2013b S. 20) .

2.2. die Annahmen, die Verpflichtungen und die Fertigkeiten des Gezeiten-Modells

Die Erkenntnisse, Werte und dazu notwendigen Fähigkeiten des Gezeiten-Modell legen ihren Schwerpunkt darauf, den Menschen als Individuum zu verstehen. So soll derjenige in seiner aktuellen Krise unterstützt werden und im weiteren Schritt dazu befähigt wer­den, seinen Weg allein weiterzugehen. Des Weiteren soll ihm ermöglicht werden, auf gegebenenfalls wieder neu auftretende Krisen selbstfürsorglich reagieren zu können. Hierfür wurden verschiedene Methoden und Richtlinien im Gezeiten-Modell erarbeitet und beschrieben. Um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht zu sprengen wird hier auf die philosophischen Annahmen, den Verpflichtungen und den dazu gehörigen Befähigun­gen eingegangen. Diese stellen aus Sicht der Autorin am ehesten die Philosophie, Hal­tung und Umsetzung des Gezeiten-Modells dar. Dies bedeutet nicht, dass es nicht wei­tere, wichtige Instrumente in diesem Modell gibt.

2.2.1 die sechs philosophischen Annahmen

Um das Gezeiten Modell umsetzen zu können müssen die grundlegenden Annahmen dieses Modells verstanden und gelebt werden.

1. Der Wert der ehrlichen Neugierde, die Person und dessen Geschichte kennen­zulernen.
2. Die Kraft der Ressourcen, die auf dem Weg zu einem verbesserten Befinden eine Unterstützung darstellen.
3. Der Respekt vor Wünschen, die die individuellen Bedürfnisse aufzeigen.
4. Die Krise als Chance sehen, denn so erkennt man, dass sich etwas ändern muss.
5. Die Ziele der Person, die auf dem Weg zur Genesung individuell sind.
6. Die Eleganz der Einfachheit, die uns bewusst machen soll, dass Veränderung und Fortschritt auch mit einfachen Handhabungen erreicht werden kann Nur wenn diese Annahmen in die Haltung der psychiatrischen Pflegefachkraft einfließen kann diese mit dem Gegenüber in Sinne des Gezeiten-Modell arbeiten (Buchanan-Bar- ker & Barker, 2008 S. 15).

2.2.2 die zehn Verpflichtungen in Verbindung mit den 20 Befähigungen

Die sechs philosophischen Annahmen sind bezogen auf menschliches Erleben, menschliche Erfahrungen sowie unterstützende Beziehungen im Gezeiten-Modell in Form von zehn eigenständigen Verpflichtungen formuliert. Das Einhalten dieser Ver­pflichtungen und Werte ist bei der praktischen Anwendung maßgeblich entscheidend. Um diese Werte und Verpflichtungen nicht nur zu kennen, sondern auch umsetzen und leben zu können, bedarf es bestimmter sogenannter Gezeiten-Befähigungen. Diese kön­nen auch zur Evaluation genutzt werden, um so zum Beispiel notwendigen Schulungs­bedarf im Rahmen einer Mitarbeiterentwicklung festzustellen.

Aufgrund der begrenzten Größe dieser Hausarbeit ist es hier nicht möglich, alle zehn Verpflichtungen beziehungsweise die dazugehörigen 20 Befähigungen vorzustellen. Um dem Leser aber einen Eindruck vermitteln zu können werden hier beispielhaft zwei Ver­pflichtungen mit den zugeordneten Befähigungen dargestellt (Buchanan-Barker & Bar­ker, 2008 S. 16).

Verpflichtung: Die persönliche Stimme wertschätzen

- Befähigung 1: Der Experte hört sich die Lebensgeschichte eines Menschen aktiv an.
- Befähigung 2: Dem Experten ist es ein Anliegen, dem Gegenüber zu helfen, die eigene Geschichte mit eigenen Worten zu erzählen, festzuhalten und fortzu­schreiben als einen beständigen Aspekt des Pflege- und Versorgungsprozesses.

Verpflichtung: Die Sprache respektieren

- Befähigung 3: Der Experte hilft dem Menschen, allzeit sich, seine Bedürfnisse und Wünsche mit seinen eigenen Worten darzulegen.
- Befähigung 4: Der Experte unterstützt dabei, das eigene Verständnis von per­sönlicher Erfahrung durch individuelle Geschichten und Vergleiche auszudrü­cken.

2.3 das Assessment

Das in vier Teile gegliederte Aufnahme-Assessment ist das Instrument, um die theoreti­schen Ansprüche des Gezeiten-Modells in die Praxis umzusetzen. Das Assessment ist dieser Hausarbeit als Anlage (Anlage A) beigefügt.

Begonnen wird mit einem retroperspektivischen Blick mit der Fragestellung „Wann alles begonnen hat" und „Wie sich die Dinge im Laufe der Zeit geändert haben." Im zweiten Schritt werden Fragen erörtert, die auf das „hier und jetzt" abzielen. Die aktuelle Gefühls­situation wird erfragt und dem Patienten wird ermöglicht, seine Erwartungen an die Pfle­geperson zu formulieren.

Danach erfolgt eine Priorisierung der unerfüllten Bedürfnisse oder der, durch den Pati­enten, formulierten Probleme. Der Patient bewertet selbst, wie stark er als Mensch be­ziehungsweise sein Alltag allgemein unter dem jeweiligen Aspekt leidet. So ergibt sich ein Überblick über die formulierten Probleme und es kann auch eine Dringlichkeit der einzelnen Bereiche erarbeitet werden.

Gemeinsam wird dann auf bestehende Ressourcen geschaut. Zu Beginn neigen Patien­ten hier meist dazu rück zu melden, dass sie keine Ressourcen haben. Durch die offenen Fragen und dadurch, dass die Pflegekraft den Patienten mit seinen eigenen Worten seine Geschichte und sein Leben erzählen lässt, erarbeitet sich der Patient sich im Laufe des Gespräches die Erkenntnis, dass und teilweise wie viele Ressourcen er selber noch besitzt. Im Weiteren wird auf persönlichen Überzeugungen und Werte eingegangen.

Beendet wird das Aufnahme-Assessment mit der Imagination, wie das Leben nach Über­stehen dieser Krise aussehen kann.

Durch diesen methodischen Ablauf kann die Pflegekraft dem Patienten Hoffnung und Unterstützung vermitteln, gemeinsam nach und nach das durch den Patienten formu­lierte Ziel zu erreichen.

Ähnlich sind auch die wöchentlichen Bezugspersonengespräche aufgebaut, das dazu­gehörige Protokoll ist als Anlage (Anlage B) beigefügt. In diesen Gesprächen werden ebenfalls die aktuelle Situation und das Befinden angesprochen. Es wird gemeinsam besprochen, was sich verändert hat und warum diese Veränderung eingetreten ist. Da­raus kann wiederrum ein Vorsatz für die kommende Zeit formuliert werden.

Das Aufnahmeprotokoll sowie die wöchentlichen Bezugspersonengespräche werden gemeinsam mit dem Patienten ausgefüllt. Der Patient wird aufgefordert und gebeten das Protokoll selbst zu schreiben somit ist sichergestellt, dass sein Zustand auch durch seine Worte beschrieben wird. Ist der Patienten in der aktuellen Situation dazu nicht in der Lage, übernimmt natürlich die Pflegekraft die Dokumentation, hierbei ist aber sorgfältig darauf zu achten, die Formulierungen und Worte des Patienten wahrzunehmen und zu dokumentieren. Der Patient und die Pflegekraft können gemeinsam im Verlauf der wö­chentlichen Gespräche und deren schriftliche Protokolle Veränderungen und Verhalten die genesungsförderlich sind, identifizieren. Dadurch, dass im Verlauf auch die Sprache des Patienten genutzt wird, ist es für ihn oft leichter, Veränderungen wahr- und anzu­nehmen. Die Pflegekraft erkennt auch kleine Veränderungen, weist den Patienten darauf hin und wertschätzt dessen Arbeit und Bemühungen. So steigt das Selbstvertrauen (Kirchhof, 2017 S. 364).

3. Stadien der Alzheimer und Demenz-Erkrankung

Bei der Erkrankung bleiben auch nach Einsetzten der ersten Gedächtnisprobleme viele geistige Fähigkeiten erhalten, unter anderem das Sprachverständnis und der sprachli­che Ausdruck, welche erst in späteren Krankheitsstadien beeinträchtigt sind.

Im frühen Stadium stehen vor allem Gedächtnisprobleme im Vordergrund. Diese betref­fen meist das Kurzzeitgedächtnis sowie Orientierungsprobleme, vor allem bezogen auf die zeitliche Dimension. Oft tritt zusätzlich eine Depression auf, die behandelt werden muss (Neubert, 2004 S. 9).

Im mittleren Stadium, oft auch die verwirrte Phase genannt, nimmt die Autonomie immer mehr ab. Hilfestellung und teilweise Aufsicht im Alltagsleben sind notwendig. Hierbei sind zunehmend auch die Handlungen und Tätigkeiten des täglichen Lebens betroffen. Der Verlust der geistigen Fähigkeiten wie die schwindende Problemlösungsfähigkeit und die Handfertigkeitsstörung führen zunehmend zur Hilfsbedürftigkeit (Neubert, 2004 S. 9). Meist beginnt in diesem Stadium das sogenannte herausfordernde Verhalten. Auf­grund von Unruhe, Aggression und einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus wird der Kontakt und die notwendige Unterstützung oft als anstrengend erlebt. Doch darf dieses Verhalten nicht nur als Symptom der Krankheit abgetan werden. Oft ist diese Verhal­tensweise der Versuch des Kranken, Gefühle wie Wut, Überforderung, Aufregung und Enttäuschung mitzuteilen.

Im fortgeschrittenen Stadium führt der geistige Abbau zur völligen Hilflosigkeit. In diesem Stadium verarmt die Sprache immer mehr. Apathie und Verkennung der Situationen sind hier stark ausgeprägt.

Das Gefühlsleben allerdings wird kaum eingeschränkt, es wird aber durch das Selbster­leben der schwindenden kognitiven Fähigkeiten belastet.

Der Krankheitsverlauf insgesamt aber auch die Dauer der einzelnen Stadien sind indivi­duell und fließend und können nicht in einem festen Zeitablauf angegeben werden (Maier, Schulz, Weggen & Wolf, 2010 S. 36).

4. Fragestellung

Das Gezeiten Modell zielt drauf ab, die Grundbedürfnisse der Patienten nach Beziehung in Form von Anerkennung seiner Person und Geschichte und dem anerkennen und stär­ken der Selbstwirksamkeit zu erfüllen und damit sein Wohlbefinden zu erhöhen.

Kitwood hat die Bedürfnisse für ein erfülltes Wohlbefinden von dementen Menschen be­schrieben (2013 S. 244). Hier werden unter anderem die Bedürfnisse nach Bindung an eine Bezugsperson, nach ihrem eigenen Selbstkonzept und nach zwischenmenschlicher Akzeptanz erwähnt.

Es ist das erklärte Pflegeziel und zu meist Bestandteil einer jeden Pflegintervention, Wohlbefinden, in all seinen Möglichkeiten und Definitionen, zu ermöglichen (Sauter, 2011 S. 1086). Der Auftrag der Professionen Pflege, Menschen bei ihrer individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit zu beraten, anzuleiten und zu unter­stützen ist auch auf gesetzlicher Ebene geregelt (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 2003).

Das Ziel dieser Hausarbeit ist es, die Möglichkeiten des Gezeiten-Modells in der Arbeit mit demenzkranken Menschen genauer zu beleuchten. Ein Schwerpunkt wird auf die Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein, bezüglich der eigenen Selbstwirksamkeit, durch das Gezeiten-Modell bei Menschen mit einer Demenzerkrankung gelegt.

5. Methodik

Um die Fragestellung bearbeiten zu können hat die Autorin dieser Hausarbeit zwei Wo­chen in der Universitätsklinik Köln auf den psychiatrischen Stationen hospitiert.

Das auf das Gezeiten Modell umgestellte Assessment im Rahmen der Aufnahme und der wöchentlichen Bezugspersonen wurde der Hospitantin ausführlich vorgestellt.

Durch eine teilnehmende Beobachtung (offen) bei mehreren Aufnahmegesprächen war es möglich, die praktische Umsetzung dieser Assessments kennen zu lernen. Auf die Begleitung eines Bezugspersonengespräches wurde wegen der kurzen Hospitationszeit

verzichtet. Das Augenmerk während der teilnehmenden Beobachtung lag hierbei auf die für die Fragestellung bedeutsamen Probleme, Prozesse und Personen.

Als weitere Erhebungsmethode wurden für diesen Praxisbericht vier Kollegen interviewt. Die Durchführung der Interviews begründet sich mit dem überschaubaren Zeitfenster des Praktikums und der angedachten Hypothesen-Generierung, dass das Gezeiten-Mo- dell auch bei demenzerkrankten Menschen angewandt werden kann und somit ein Be­wusstwerden der Selbstwirksamkeit erzielt werden kann. Alle Kollegen wurden über die weitere Verarbeitung ihrer Interviews informiert und es wurde auf die Einhaltung des Datenschutzes hingewiesen.

Die Autorin dieser Hausarbeit hat die inhaltlich-semantische Transkription gewählt. (Dresing & Pehl, 2018 S. 21). Die Transkriptionen sind dieser Hausarbeit als Anlage (Anlage C) beigefügt.

Für das Interview wurden fünf Kernfragen durch die Interviewerin vorbereitet:

1. Beschreiben Sie bitte, welche Veränderungen Sie im Behandlungsprozess durch Einführung des Gezeiten-Modells wahrnehmen.
2. Wie wirkt sich Ihrer Meinung nach das Gezeiten-Modell auf das Selbstvertrauen des Patienten bezogen auf die eigenen Fähigkeiten (Selbstwirksamkeit) aus?
3. Welche Instrumente des Gezeiten-Modells bewirken diese Veränderung Ihrer Meinung nach?
4. Welche Fertigkeiten / Befähigungen muss aus ihrer Erfahrung heraus der Patient besitzen, damit mit ihm im Gezeiten-Modell gearbeitet werden kann?
5. Wie ist ihre Erfahrung bezüglich der Anwendbarkeit des Gezeiten-Modells bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen?

Des Weiteren hat die Interviewerin zwei Fragen zur konkreteren Nachfrage bei den Fra­gen zwei und fünf, bezogen auf das Thema der Hausarbeit, vorbereitet. Diese wurden nur bei Bedarf eingesetzt.

K1. Welche Veränderungen nehmen Sie bezüglich der Rolle des Patienten wahr?
K5. Wie hat sich das Model auf das Selbstvertrauen des Patienten, bezogen auf die eigenen Fähigkeiten, ausgewirkt?

Die Fragen wurden im laufenden Interview durch die Interviewerin in ihrer Reihenfolge und Formulierung angepasst, um den offenen Gesprächsverlauf nicht zu stören.

6. Ergebnisdarstellung

In diesem Kapitel wird im ersten Schritt die Autorin von ihrer eigenen Beobachtung und Wahrnehmungen bezüglich der Fragstellung, während den begleiteten Aufnahmege­sprächen berichten.

Im Folgenden werden die Interviews orientiert an den vorbereiteten Fragen zusammen­gefasst.

6.1 teilnehmende Beobachtung

Während der zwei Wochen in der Uniklinik in Köln konnte die Hospitantin mehrere Auf­nahmegespräche in Form einer teilnehmenden Beobachtung begleiten. Dabei konnten die praktische Handhabung und Umsetzung der unter 2.3 beschriebenen Assessments beobachtet werden.

Aufgefallen ist die sehr offene Gesprächsatmosphäre. Durch die Art der Fragen ergaben sich auch Punkte, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Erkrankung standen, aber für den Patienten sehr wichtig waren. Bei den herkömmlichen Aufnahmegesprä­chen ist davon auszugehen, dass eben diese Punkte untergegangen wären. Dem per­sönlichen Leidensdruck, den Sorgen und Ängste der einzelnen Patienten wurden somit Raum geschaffen und waren für die anwesenden Pflegenden spürbar und nachvollzieh­bar.

Ebenso wurden viel intensiver die vorhandenen Ressourcen erarbeitet. Dadurch dass die Patienten aufgefordert werden zu erzählen, welche Menschen, Dinge, Vorstellungen und Überzeugungen ihnen in Bezug auf das Leben wichtig sind, werden zum Beispiel soziale Kontakte oder andere Anker wie Glauben oder Sport wieder bewusster gemacht und können so dem Pflegepersonal Möglichkeiten des Anknüpfens und Verstärkens ge­ben.

Als besonders beeindruckend für die Hospitantin war der Teil, wo der Patient seinen Auftrag formulieren konnte und musste. Durch die Fragen „Was muss jetzt geschehen / was möchte oder wünsche ich mir, das als nächstes geschieht?" und „Was soll die Pfle­geperson meiner Erwartung nach für mich tun?" musste der Patient konkrete Ansprüche und Vorstellungen ausdrücken. Die Pflegenden konnten daraufhin reale Zusagen aber auch realistische Einschätzungen des möglichen zurückgeben. Somit wurde in der Wahrnehmung der Autorin sehr früh eine beginnende Allianz zwischen den Patienten und der Bezugsperson geschlossen. Durch das Formulieren der gegenseitigen Erwar­tungen ist es für die Autorin vorstellbar, dass die Arbeit für die Pflegenden befriedigender und zielführender ist.

6.2 Interviews

1) Beschreiben Sie bitte, welche Veränderungen Sie im Behandlungsprozess durch Ein­führung des Gezeiten Modells wahrnehmen? Welche Veränderungen nehmen Sie be­züglich der Rolle des Patienten wahr?

Hier beschreiben die Kollegen mehrheitlich eine Veränderung dahingehend, dass dem Patienten die Verantwortung und Entscheidung während seines Genesungsweg zuge­standen wird. Dadurch hat sich die Rolle des Patienten maßgeblich verändert. Er wird aktiver in den Behandlungsprozess eingebunden. Ebenso wird der pflegerische Behand­lungsprozess als personenorientierter und strukturierter wahrgenommen.

Auch Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung zwischen dem Patienten und seiner Bezugspersonen werden größtenteils von den Befragten wahrgenommen. Diese sei in­tensiver und verbindlicher. Gleichzeitig wurde aber auch vereinzelt darauf hingewiesen, dass je nach persönlicher Voraussetzung und individueller Art und Weise, mit dem Pati­enten in Kontakt zu treten, auch mit den anderen Methoden dieses Ergebnis erreicht werden kann.

2) Wie wirkt sich Ihrer Meinung nach das Gezeiten-Modell auf das Selbstvertrauen des Patienten bezogen auf die eigenen Fähigkeiten (Selbstwirksamkeit) aus?

Auch hier wird von der Mehrheit der Befragten eine Stärkung und Steigerung des Selbst­bewusstseins formuliert. Die Kollegen berichten, dass sie bei den Patienten, mit welchen sie nach dem Gezeiten Modell arbeiten, vor allem in Zeiten, wo Patienten Ohnmacht und Stagnation fühlen, aufgrund der durchgeführten und protokollierten Aufnahme- und Be­zugspflegegespräche ein Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten der Veränderungen wahrnehmen.

Die Kollegen, die nicht ständig mit dem Gezeiten-Modell arbeiten, räumen zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit ein, dass die Anwendung des Modells einen positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein hat, allein schon durch den regelmäßigen Kontakt.

3) Welche Instrumente des Gezeiten-Modells bewirken diese Veränderung Ihrer Mei­nung nach?

[...]


1 Zur Verbesserung des Leseflusses wird in der folgenden Arbeit das generische Maskulin ver­wendet. Dies impliziert in keiner Weise eine Vernachlässigung des weiblichen Geschlechts.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Selbstwirksamkeit bei Menschen mit Demenz. Die Auswirkungen des Gezeiten-Modells
Hochschule
Fachhochschule der Diakonie GmbH
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
42
Katalognummer
V505179
ISBN (eBook)
9783346065117
ISBN (Buch)
9783346065124
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gezeiten Modell, Demenz, Empowerment, Gerontopsychiatrie, Selbstwirksamkeit, Menschen mit Demenz
Arbeit zitieren
Sabine Brüchmann (Autor:in), 2019, Selbstwirksamkeit bei Menschen mit Demenz. Die Auswirkungen des Gezeiten-Modells, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505179

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