Kinder und Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten. Wie kann eine psychomotorische Förderung eingesetzt werden?


Hausarbeit, 2019

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundbegriffe der Motorik
2.1. Sensomotorik
2.2. Psychomotorik
2.3. Motopädagogik

3. Krankheitsbild des selbstverletzenden Verhaltens

4. Wichtige Erfahrungs- und Kompetenzfelder der Psychomotorik in Bezug auf selbstverletzendem Verhalten
4.1. Körpererfahrung Ich-Kompetenz
4.2. Materialerfahrung -Sachkompetenz
4.3. Sozialerfahrung -Sozialkompetenz

5. Perspektiven
5.1. Kompetenztheoretische, erkenntnisstrukturierende, selbstkonzeptorientierte Perspektive
5.2. Sinnverstehenden Perspektive
5.3. Verknüpfung

6. Methodisch didaktische Überlegungen einer psychomotorischen Förderung bei selbstverletzendem Verhalten

7. Fördereinheit
7.1. Konzept
7.2. Menschenbild
7.3. Klientel
7.4. Inhalte und Ziele
7.5. Die Fachkraft
7.6. Setting

8. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Mich fasziniert die Idee und die praktische Lösung der Aufgaben, wie man ungeschickten, entmutigten Kindern über kleine und kleinste Erfolge im Bewegungsbereich allmählich wieder zu Selbstvertrauen und zu selbstbestimmtem Handeln, innerhalb der Gruppengemeinschaft verhelfen kann“ (Hünnekens/ Kiphard 1990, S.28)

Im Rahmen des Bachelorstudiengangs Gesundheit- und Sozialwesen der Hochschule Nordhausen, ist eine Hausarbeit in einem Vertiefungsgebiet vorgesehen. Meine Hausarbeit bezieht sich auf die Psychomotorik. Das Konzept der Psychomotorik zählt mittlerweile zu den bedeutendsten pädagogischen und therapeutischen Angeboten in vielen Bereichen. In dieser Hausarbeit soll erläutert werden, wie eine psychomotorische Fördereinheit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausschaut. Wie eine psychomotorische Fördereinheit beispielsweise eingesetzt werden kann. Hierbei soll speziell auf die Selbstverletzung eingegangen werden. In den letzten drei Jahren meines Bachelorstudiengangs wurde das Thema der Selbstverletzung nicht oft thematisiert. Aufgrund dessen interessiert mich dieser Bereich umso mehr. Schon vor meinem Studium war mir bekannt, dass die Psyche und die Bewegungen eng miteinander verknüpft sind. Alles was wir tun muss einen Grund haben. Im Sportverein beispielsweise wollte ich damals immer den ersten Platz belegen- und warum? Weil meine Innenwelt einen Erfolg sehen wollte. Das heißt meine Innenwelt, meine Gefühle und Emotionen regten mich dazu an, an einem Wettkampf teilzunehmen und die Außenwelt, also meine Bewegungen, die Motorik tat alles dafür, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Um das Beispiel auf die Hausarbeit übertragen zu können, ist damit gemeint, das auch hinter jeder Selbstverletzung (Bewegung) eine Emotion, ein Gefühl steht (Psyche). In der Hausarbeit soll im ersten Abschnitt auf die Schlüsselbegriffe eingegangen werden, um Klarheit zu schaffen und um die Begriffe voneinander abtrennen zu können. Auch die Selbstverletzung, beziehungsweise das selbstverletzende Verhalten wird klar definiert. Im nächsten Abschnitt wird auf wichtige Erfahrungs- und Kompetenzfelder in Bezug auf Selbstverletzung eingegangen. Erläutert werden hier die Punkte der Körper- Material- und Sozialerfahrungen. Darauf folgen die Perspektiven beziehungsweise die Sichtweiten in der Psychomotorik, ebenfalls in Bezug auf Selbstverletzung. Diese sind die kompetenztheoretische, erkenntnisstrukturierende, selbstkonzeptorientierte Perspektive und die Sinnesverstehende Perspektive. Nach der Definition dieser beiden Sichtweiten, nehme ich eigene Stellung zu den Perspektiven und verknüpfe sie miteinander. Im nächsten Punkt folgt die methodisch didaktische Überlegung einer psychomotorischen Förderung bei Selbstverletzung. Im letzten Abschnitt wird auf eine Fördereinheit eingegangen, wie solch eine Förderung ausschauen könnte.

2. Grundbegriffe der Motorik

Motorik bezeichnet aus physikalischer Sicht jede Bewegung und jede Ortsveränderung eines Körpers. Bewegung ist unser Lebensmotor, sei es von äußerer Bewegung (ich bewege mich) oder die innere Bewegung (mich bewegen Gefühle). Das Verb kann also aktiv oder passiv benutzt werden. Es kann physikalisch (Ortsänderung) oder auch emotional (berührt sein) verstanden werden. Wir sind ständig in Bewegung. Wir gehen auf andere zu, wir erleben Bewegungsvariationen oder erfahren Einschränkungen. Wir setzen uns eigenständig in Bewegung. Beispielsweise organisieren wir Bewegungsspiele, oder schaffen Bewegungsräume. (vgl. Möllers 2015, S. 28) Zur Verdeutlichung der motorischen Prozesse, werden die Prozesse von manchen Autoren in vier Dimensionen unterteilt. Diese sind: Sozio-, Neuro-, Senso-, Psychomotorik. Um spezifisch auf die Frage der Hausarbeit eingehen zu können, werde ich näher auf die Sensomotorik und die Psychomotorik eingehen und sie näher erklären.

2.1. Sensomotorik

Sensomotorik, oder auch Sensumotorik (altlateinische Form) bezeichnet die wichtigen Zusammenhänge von Wahrnehmungen und Bewegungen. Die Wahrnehmung des Reizes durch die Sinnesorgane und der Bewegung stehen im direkten Zusammenhang. Zur Verdeutlichung können an der Stelle die Reize oder Triggerpunkte erwähnt werden, die zur Selbstverletzung führen. Beispiel: Das Kind/ der Jugendliche wird in der Schule gehänselt (Wahrnehmung). Es nimmt böse und gemeine Erfahrungen wahr. Die Bewegung dazu wäre die darauffolgende Selbstverletzung, um seine Gefühle in Bewegung bzw. in motorischer Handlung ausdrücken zu können. Ob das die richtige Bewältigungsstrategie ist, sei momentan dahingestellt. Die Koordination dieser ist eine grundlegende Entwicklungsaufgabe. Schon vom Säuglingsalter an lernen wir Wahrnehmung und Bewegung aufeinander abzustimmen und sie zu koordinieren. Somit bilden Wahrnehmung und Bewegung eine Einheit. Die Wahrnehmung passen sich der Bewegung an und die Bewegung ermöglicht die Aufnahme von Wahrnehmungen. (vgl. Möllers 2015, S. 31)

2.2. Psychomotorik

Der Begriff setzt sich aus beiden Wortstämmen „Psyche“ und Motorik“ zusammen. Unter dem Begriff Psyche werden die Persönlichkeitsbereiche des Menschen bezeichnet, wie die Wahrnehmung, das Sozialverhalten, die Emotion und die Kognition. Die Motorik bezeichnet die Bewegung, wie beispielsweise das Gleichgewicht, die Koordination und die Feinmotorik.

Unter der Psychomotorik wird also die Wechselwirkung zwischen der Psyche und der Motorik verstanden. Also wird die Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung, Emotion etc. und Gleichgewicht, Koordination etc. beschrieben. (vgl. Möllers 2015, S. 35)

Dieses Bedeutet das die Bewegung sehr eng mit den kognitiven und emotionalen Vorgängen zusammenhängt. Die Psyche beeinflusst also unsere Bewegungen. Der Zusammenhang dieser Prozesse, der Kognition und Emotion mit der Motorik wird unter dem Begriff Psychomotorik zusammengefasst. Psychomotorisches Handeln drückt sich Beispiels durch Körperhaltung, Mimik oder Sprechen aus. (vgl. Möllers 2015, S. 31)

2.3. Motopädagogik

DieMotopädieist eine Form der Förderung und Therapie, die psychologische, pädagogische mit medizinischen Erkenntnissen und Methoden verknüpft. (vgl. Kuhlenkamp 2017, S.20) Zentraler Ansatz ist die Bewegung. Genauer beschrieben ist gemeint, die Wechselwirkung zwischen dem Körper in Bewegung und der Psyche des Menschen. Diese Wechselwirkung wird international unter dem Begriff Psychomotorik anerkannt. Bewegung wird verstanden als ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung, als Teil der Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Körper sowie mit dem materialen und sozialen Umfeld. Diese Kompetenzen werden in Punkt 4 näher beschrieben.

3. Krankheitsbild des selbstverletzenden Verhaltens

Unter dem selbstverletzenden Verhalten werden verschiedene Auffälligkeiten zusammengefasst. Deren Ziel ist die Beschädigung des eigenen Körpers. Obwohl selbstverletzendes Verhalten und suizidales Verhalten das gemeinsame schädigende Impuls gegen den eigenen Körper haben, werden sie darin unterschieden, das selbstverletzende Verhalten nicht auf die Beendigung des eigenen Lebens zielt. Die wiederholte Beschädigung des eigenen Körpers stellt das zentrale Phänomen dar. (vgl. Remschmidt 2011, S.349) Bei selbstverletzendem Verhalten handelt es sich um keine eigenständige Diagnose, sondern sie geht meist mit komplexeren Störungsbildern einher. Bei Kindern und Jugendlichen könnten komplexe Störungsbilder Autismus, Persönlichkeitsstörung, oder Störung des Sozialverhaltens sein. (vgl. Remschmidt 2011, S.349) Wie der Name es schon sagt, zielt das selbstverletzende Verhalten auf die Selbstverletzung des eigenen Körpers hinaus. Selbstverletzung ist beispielsweise Kopf gegen die Wand schlagen, Haare rausreißen, oder sich typischer Weise Schnitt- oder Stichverletzungen hinzufügen (Ritzen oder Schnitte in die Haut). Die Selbstverletzung kann auch eine Fremdkörperaufnahme sein, welches Aral, Oral, oder Vaginal zugefügt wird. Hinzu kommt noch, dass die betroffenen KlienentInnen ein ausgeprägtes Selbstwertdefizit mit einem instabilen Selbstbild haben. Bei Menschen die ihre Impulse kontrollieren können, stellen diese Impulse keine Gefahr. Die andere Gruppe jedoch erkauft sich die kurzzeitige Erleichterung zu einem viel zu hohen Preis. Die Menschen die sich selbst verletzen, zelebrieren meist nicht den Tod, sondern es handelt sich um den Versuch zu überleben. (vgl. Kasten 2006, S. 306) Da der Menschen niemals ohne einen Grund zu haben handeln, muss es auch hierfür ein Motiv geben. Motive könnten beispielsweise Spannungsabbau, Flucht vor Gefühlen der inneren Leere, Depression, oder die Flucht vor einer Gefühlslosigkeit (Alexithymie) sein. (vgl. Kasten 2006, S. 307) Auch wurde von Kindern und Jugendlichen geäußert, das sie sich mit dieser Tat Bestrafen möchten, weil sie empfinden, dass sie ein schlechter Mensch sind. Sie möchten den seelischen Schmerz körperlich spüren. Der körperliche Schmerz soll von Betroffenen gesehen und gespürt werden, um wiederum zu spüren, dass es real ist. (vgl. Kasten 2006, S. 308) Im engeren Sinne bedeutet dieses, das die Selbstverletzung ein Ventil zur Entlastung schaffen soll und die betroffenen Personen wieder zurück in die Realität bringen soll. Sie dient also meist der Befreiung von negativen Gefühlen wie Angst, Gereiztheit oder Verstimmungen. Die Selbstverletzung führt in einer akuten Situation zu einem Entspannungsgefühl. Langfristig aber wächst bei vielen Betroffenen eine Belastung durch die vorhandenen Narben.

4. Wichtige Erfahrungs- und Kompetenzfelder der Psychomotorik in Bezug auf selbstverletzendem Verhalten

Die Motopädagogik regt die zu betreuende Person dazu an, sich handelnd seine Umwelt zu erschließen und seine Bedürfnissen dementsprechend darauf einwirken zu lassen. Um dieses Ziel erreichen zu können, bietet sie eine vielfältige Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrung in Handlungssituationen an. Die Motopädagogik zielt auf die Ganzheit der menschlichen Persönlichkeit, weil sie keine Verbesserung bestimmter motorischer Fertigkeiten zielt, sondern weil sie das Bewegungshandeln als Verwirklichungsmöglichkeit der kindlichen Persönlichkeit betrachtet. Als Richtziel formuliert die Psychomotorik die Kompetenzerweiterung von Kindern und Jugendlichen, sich sinnvoll mit sich selbst, mit seiner materiellen und personalen Umwelt auseinander zu setzen. (vgl. Fischer 2009, S.23) Dabei kann in drei Kompetenzbereiche geteilt werden. Hierbei handelt es sich um Körpererfahrung, Materialerfahrung und Sozialerfahrung. Sie wirken alle drei zusammen zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit.

4.1. Körpererfahrung Ich-Kompetenz

Unter der Ich- Kompetenz werden die gesammelten Erfahrungen mit dem eigenen Körper, während der ganzen Entwicklung zusammengefasst. Die gesammelten Erfahrungen können kognitiv, affektiv aber auch bewusst oder unbewusst geschehen sein. In einer psychomotorischen Förderung wird dem Körper mit seinen Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten also eine große Bedeutung zugeschrieben. Eine Vielfältige Erfahrung mit dem Körper zu erleben ist ein zentraler Bestandteil der Psychomotorik, welches auch zugunsten des selbstverletzendem Verhalten kommt. Körpererfahrung bedeutet eine Zunahme, Verbesserung oder Stabilisierung der körperlichen Handlungsfähigkeit. (vgl. Möllers 2015, S. 31) Die Körpererfahrung wird ebenfalls in drei Aspekte unterteilt. Diese sind physiologische-, emotionale-, und kognitive Aspekte. Der physiologische Aspekt beschreibt die eigene Wahrnehmung vom Körper, dem so gesagten Körperschema. Diese wird als eine Karte vom eigenen Körper im Gehirn gesehen. Diese Karte verfügt alle Informationen über die funktionale Zusammengehörigkeit der einzelnen Körperabschnitte. Der eigene Körper ist somit das Bezugssystem, welches uns die Orientierung im Raum ermöglicht und uns die Dimension >rechts- links-unten- oben< erleben lässt. (vgl. Möllers 2015, S. 42) Die kognitiven Aspekte beinhalten die sprachliche Erfassung des eigenen Körpers. Der Mensch weiß also, welche Körperteile er hat, wo sie sich befinden und wozu sie nützlich sind. Beispielsweise sind die Augen zum Sehen und die Hände zum Greifen da. (vgl. Möllers 2015, S. 44) Die emotionalen Aspekte meinen die Körperwahrnehmung in Bezug auf die Gefühle. Einerseits wird die Begleitung der Bewegung durch Unwohl oder Wohlsein beobachtet, andererseits zeigt unsere Stimmung, unsere Gefühlswelt Auswirkung auf unsere Bewegung. Beispielsweise kann einem Kind an der Gestik, Mimik oder Körperhaltung gesehen werden ob es sich wohl oder unwohl fühlt. Auch kann beobachtet werden, wenn beispielsweise einem Kind die Nähe, der Körperkontakt zu viel wird, dass es mit einem Abwehrverhalten reagiert. (vgl. Möllers 2015, S. 45)

4.2. Materialerfahrung -Sachkompetenz

Ein weiteres Kompetenzfeld ist die Materialerfahrung. Auf diese werde ich nicht spezifisch eingehen, da es den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde. Die Materialerfahrung zielt vor allem auf die Erkenntnisse der materialen und funktionalen Bedingungen und die Bewegungshandlungen. Sie befasst sich mit Gegenständen (Beispielsweise: Was ist ein Reifen, eine Matte, oder ein Tuch?) Ebenfalls richtet sie sich auf Raum und Zeit. (Beispielsweise Wie hoch oder wie tief, wie weit oder wie eng ist ein Tunnel? Wie zeigen sich schnelle und langsame Abläufe?) Auch befasst sich die Materialerfahrung mit der Kausalität. Diese meint die Ursachen- Wirkungs-Prinzipe von Bewegungshandlungen. Beispielsweise: Wenn ich den Ball auf die Kegel rolle, fallen diese um. (vgl. Möllers 2015, S. 45) Durch diese Erfahrungen lernt die zu betreuende Person den Umgang mit den Gegebenheiten und Objekten seiner Umwelt umzugehen. Bei dieser Art der Erfahrung stellen sich sensorische und kognitiv wichtige Erkenntnisse. Alle Sinne die eine Person besitzt, Sehen, Hören, Tasten, Riechen wirken zusammen, um die Erweiterung der Handlungskompetenzen zu ermöglichen. (vgl. Möllers 2015, S. 47)

4.3. Sozialerfahrung -Sozialkompetenz

Da die Sozialerfahrung in der psychomotorischen Förderung eine bedeutungsvolle Rolle spielt, wird sie meist in Gruppen angeboten. Diese hat den positiven Effekt, dass die Kinder und Jugendlichen sich in der Gruppe mit Gleichaltrigen ungezwungener und spontaner verhalten. Die Gruppe bietet eine Vielzahl von Prozessen und Interaktionen zwischen den TeilnehmerInnen. Die Beteiligten können ihre soziale Verhaltensweise erproben und die Erfahrungen aus dessen Wirkung ziehen. Während des Prozesses ändert sich das Selbstbild. Somit werden dem/den GruppenteilnehmerInnen neue Möglichkeiten zur Fremd- und Selbstwahrnehmung geboten. Diese Erfahrung bietet sich äußerst besonders bei selbstverletzendem Verhalten. Den besonders bei diesem Verhalten stimmt das selbst konstruierte Selbstbild mit der Realität nicht überein. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo eine psychomotorische Förderung angeboten werden könnte in Bezug auf selbstverletzendem Verhalten, bietet es sich an die Gruppe von Kindern mit unterschiedlichsten Entwicklungsbesonderheiten und Verhaltensproblemen zusammen zu führen. So ist es am ehesten möglich, dass die Kinder und Jugendlichen voneinander lernen. Somit wird die Basis für eine positive Entwicklung der Bewältigungs- und Handlungsstrategien geschaffen. Positive Verhaltensweisen werden übertragen und negative Störung durch ähnliches Verhalten wird weniger gegeben. (vgl. Kuhlenkamp 2017, S. 45)

5. Perspektiven

Durch die intensive Recherche und der intensiven Beschäftigung mit diesem Thema, bin ich zum Entschluss gekommen, das zwei der folgenden beschriebenen Perspektiven miteinander verknüpft werden sollten, um eine optimale psychomotorische Förderung bei selbstverletzendem Verhalten anbieten zu können. Diese ist zu einem die kompetenztheoretische, erkenntnisstrukturierende, selbstkonzeptorientierte Perspektive und die sinnverstehende Perspektive.

5.1. Kompetenztheoretische, erkenntnisstrukturierende, selbstkonzeptorientierte Perspektive

... „Der Grundgedanke ist, dass Wahrnehmung und Bewegung als Strukturierungsleistungen des Individuums gelten, die vom Individuum zu einem zusammengeführt werden“ (Kuhlenkamp 2017, S. 27) Prof. Dr. F. Schilling erarbeitete in den 70er Jahren ein Persönlichkeitsmodell, dass das Individuum als aktiv handelndes, sich selbst regulierendes Subjekt in Interaktion mit der Umwelt sieht. Über die aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickelt es Handlungskompetenzen im Ich-, Sach- und Sozialbereich. Handlungen vollziehen sich in der Einheit von Wahrnehmung und Bewegung. Die Muster bilden somit die Handlungskompetenzen. Je größer die Zahl an Bewegungs- und Wahrnehmungsmuster (Körper-Material- Sozialerfahrung) und je sicherer die Beherrschung, desto flexibler können sie auf neue Umweltbedingungen angewandt werden. Bei einem unzureichenden Erwerb von Handlungsmustern entstehen Störungen, die sich negativ auf die Emotion und das Verhalten auswirken können. Der Mangel an Handlungskompetenzen wirkt sich somit negativ auf die Persönlichkeit aus. Die negativen Auswirkungen können zur Verschiebung des Selbstbildes führen. Das Selbstbild von einem selbst, stimmt mit dem Selbstbild in der Realität nicht überein. Deshalb ist in der kompetenztheoretischen, erkenntnisstrukturierenden, selbstkonzeptorientierten Perspektive nicht nur das Ziel die Verbesserung der Handlungsfähigkeit/ Handlungskompetenz, durch Erwerb neuer Wahrnehmungs- Bewegungsmuster, sondern auch die Stärkung des Selbstwertgefühls durch systematische Erfolgserlebnisse. (vgl. Kuhlenkamp 2017, S. 27) Das Kind, der Jugendliche soll während der Förderung indirekt in die Lage versetzt werden, seine Schwächen zu überwinden, oder damit adäquat umzugehen. Dabei sind Ziele die Förderung der Eigenständigkeit und des selbstständigen Handelns. Eine besondere Rolle spielt hier in Bezug auf Selbstverletzung die Stärkung der Selbstwahrnehmung. Die Förderung zielt ebenfalls auf die Erfahrung eigener Ressourcen, Kompetenzen und Selbstwirksamkeit. Durch die psychomotorische Förderung erweitert das Kind, der Jugendliche weitere Handlungskompetenzen und die Kommunikationsfähigkeit. Auch von hoher Bedeutung ist die Stärkung des Selbstbewusstseins während der Fördereinheit, welches sich bei selbstverletzendem Verhalten positiv auf die Persönlichkeit auswirkt. Ansatzpunkte dieser Perspektive bilden die Stärken und Vorlieben des Kindes/Jugendlichen. Durch die psychomotorische Förderung mit dieser Perspektive sollen neue Muster angewandt und automatisiert werden. Durch die im nachhinein erworbene Vielzahl an Wahrnehmungs- und Bewegungsmuster soll das Kind, oder der Jugendliche in seiner Handlungskompetenz gestärkt werden. Inhaltlich handelt es sich um die Stärkung des Selbstkonzepts durch Selbstwirksamkeitserfahrung in Problemlösesituationen durch das Handeln. Auch hier gibt es Vor- und Nachteile. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass die Probleme und Lösungen nicht auf einer Länge liegen, ... „sodass ein nichtlineares Denkmodell vertreten wird.“ (Kuhlenkamp 2017, S. 28) Ein weiterer Vorteil, welchem eine große Bedeutung in Bezug auf selbstverletzendes Verhalten zugeschrieben wird, ist das der/ die KlientIn als AkteurInnen gesehen werden. Diese schafft Raum für Gefühle und Bedürfnisse. Ein großer Nachteil ist hierbei das die Probleme die der/ die KlientIn hat, ihm selbst zugeschrieben werden. Das Lebensumfeld wird nicht einbezogen und somit werden die Probleme am Klienten festgemacht. Auch die Beziehung zwischen KlientIn und Fachkraft wird nicht genug reflektiert. Diese sind zwei große Nachteile, weshalb ich die Verknüpfung der beiden Perspektiven als effektiver und sinnvoller empfinde.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kinder und Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten. Wie kann eine psychomotorische Förderung eingesetzt werden?
Hochschule
Fachhochschule Nordhausen
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
18
Katalognummer
V505509
ISBN (eBook)
9783346062376
ISBN (Buch)
9783346062383
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychomotorik, Psychomotorische Fördereinheit, Selbstverletzung
Arbeit zitieren
Gizem Davulcu (Autor:in), 2019, Kinder und Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten. Wie kann eine psychomotorische Förderung eingesetzt werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505509

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