Braucht die Partnerschaft noch die Ehe?


Essay, 2005

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


I. Einleitung

Eine Gesellschaft ohne partnerschaftliche Beziehungen existiert nicht und ist nicht möglich. Es ist höchstwahrscheinlich, dass jeder im Laufe seines Lebens eine Paarbeziehung eingeht. Die Formen des Zusammenlebens von Mann und Frau reflektieren seit jeher die in einer Gesellschaft, in Abhängigkeit von Kultur und Epoche, geltenden Normen und Werte. Die Institutionalisierung von Zweierbeziehungen zwischen Mann und Frau in Form von Ehe ist dabei immer dem sozialen Wandel ausgesetzt.

Der Fortbestand der Gesellschaft wäre ohne die durch gegengeschlechtliche Beziehungen garantierte Reproduktion schlichtweg unmöglich. Schon in frühen Gesellschaften wird das Zusammenleben von Mann und Frau in Form von Ehe institutionalisiert. Familiengründung ist demnach traditionell stark mit Ehe verknüpft, und wird durch sie legitimiert. Aufgrund des Wandels der formalen, rechtlichen und weltanschaulichen Normen ist die Familiengründung nicht mehr unbedingt an die Institution Ehe gebunden.

Beziehungsvorstellungen befinden sich weiterhin einem stetigen gesellschaftlichem Wandel. Die Betonung der traditionellen Zusammengehörigkeit von Ehe und Familie hat nachgelassen und sich zugunsten einer Hervorhebung von Partnerschaft verschoben. Die grundlegenden Unterschiede oder Gemeinsamkeiten von Ehe und Partnerschaft, ihre ideologischen Grundvoraussetzungen sowie deren Wandel sollen anhand dieser Arbeit aus soziologischer Perspektive aufgezeigt werden. Hierzu sollen zunächst wichtige Grundbegriffe wie Liebe und Ehe im soziologisch Sinne definiert werden. Dann soll in Abgrenzung vom Liebeskonzept als Grundlage von Ehe das Partnerschaftskonzept vorgestellt werden. Hierbei soll die Entwicklung der klassischen Ehe hin zu einer partnerschaftlichen Ehe aufgezeigt werden. Zuletzt soll geklärt werden, ob eine auf Partnerschaft basierende Ehe nicht ebenso auf Ehe verzichten kann. Dabei besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, da der Arbeit nur ein begrenzte Literaturauswahl zugrunde liegt.

II. Der Liebesbegriff in der Soziologie

Der Liebesbegriff bezeichnet zunächst allgemein „die Fähigkeit des Menschen, in Verbindung mit Sympathie und Zuneigung intensive gefühlsmäßige, persönliche und positiv empfundene Be-ziehungen zu einem anderen Menschen entwickeln zu können.“[1]

Diese Arbeit bezieht sich jedoch nur auf die von Niklas Luhmann entworfene Vorstellung von Liebe. Liebe ist hier kein Gefühl, sondern ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium bzw. ein Code für Gefühle. Liebe ist eine semantische Form, in der der gesellschaftliche Ausdifferenzierungsprozess für Intimbeziehungen zum Abschluss kommt. Die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Funktionssysteme führt zu einer zunehmenden Individualisierung und zu einer zunehmenden Differenz zwischen unpersönlichen und persönlichen Beziehungen. Da sich auch die Liebe nicht der funktionalen Differenzierung entziehen kann, konstruiert sie, weil ein erhöhter Bedarf nach höchstpersönlicher Kommunikation entsteht, ihr eigenes Funktionssystem: Das Kommunikationsmedium Liebe. Dieses formuliert die Bedingungen höchstpersönliche Kommunikation und muss über seine Semantik unwahrscheinliche Kommunikationen ermöglichen. Die Unwahrscheinlichkeit geht auf das Schwellenproblem der Liebe zurück: die Realisierung höchstpersönlicher Kommunikation. Die Besonderheiten liegen im Code des Kommunikationsprozesses. Das Begegnen zweier Personen beinhaltet zunächst das Aufeinandertreffen zweier individualisierter Weltansichten. Beide müssen zunächst den jeweiligen Weltentwurf des Anderen ablehnen oder bestätigen, so dass es überhaupt zu einer persönlicheren Beziehung kommen kann.

Das Problem der höchstpersönlichen Kommunikation in der Liebe liegt in der assymetrischen Zuordnung bzw. im Übertragen von Erleben auf Handeln. Luhmann unterscheidet hierzu zwei Positionen: ALTER (= Geliebter) und EGO (= Liebender). Das ALTER erlebt nur und projektiert seinen individuellen Lebensentwurf. Das EGO hingegen befindet sich in der handelnden Position und muss hierfür das Erleben des ALTERs adaptieren. Das Handeln besteht in folgender Adaption: das eigene Handeln und Erleben wird immer am Erleben des Erlebens durch das ALTER orientiert. Dieser Vorgang beinhaltet keine weitere Nutzenfunktion, sondern dient nur den Ausdruck der Liebe von Seiten des EGOs dem ALTER gegenüber. Durch den symbolischen Mechanismus der Sexualität können in der Liebe Kommunikationsprobleme deshalb auch ohne Kommunikation bzw. auch nur mittels indirekter Kommunikation gelöst werden. Darauf wird jedoch hier nicht näher eingegangen. Eine weitere Besonderheit für die Liebe als Medium ist ihre Selbstreferenz: Liebe wird nur durch Liebe motiviert und schließt sich dadurch immer selbst mit ein. Luhmann betont die Differenz der beiden abwechselnden Positionen: Handeln durch das ALTER und Beobachten von Seiten des EGOs. Der Unterschied zwischen dem eigenen Interesse des EGOs und seinem Handeln mit Rücksicht auf den Anderen bleibt dabei immer bestehen.

Liebe funktioniert nur dann, wenn das EGO als Basis für sein Tun den Weltentwurf des ALTERs zusätzlich zur objektiv gegebenen Situation zugrunde legt. Dies garantiert noch keinen Schutz vor Missverständnissen. Das Grundproblem der Liebe liegt darin, dass die wechselseitige Bestätigung der Liebe nur mittels Handeln erfolgen kann und, dass dieses Handeln Dauer versprechen muss. Handeln beinhaltet immer eine Identifikation des Handelnden mit seiner Handlung. Dies ist vor allem im Verlauf von Intimbeziehungen ein verkomplizierender Faktor. Man muss einerseits der Gleiche bleiben und sich doch stetig steigern. Hierin liegt die Unwahrscheinlichkeit der romantischen Liebe auf Lebenszeit.

[...]


[1] Karl-Heinz Hillmann (Hg.) (1994) – Wörterbuch der Soziologie. Alfred Kröner Verlag. Stuttgart

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Braucht die Partnerschaft noch die Ehe?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Soziologie)
Veranstaltung
Persönliche und unpersönliche Beziehungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V50571
ISBN (eBook)
9783638467667
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Braucht, Partnerschaft, Persönliche, Beziehungen
Arbeit zitieren
Stephanie Koch (Autor:in), 2005, Braucht die Partnerschaft noch die Ehe?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50571

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