Überlegt man heute, was die Geschichte Ungarns ausmacht, so denkt man wahrscheinlich zunächst einmal an den von der UdSSR dominierten Ostblockstaat, der eine der tragenden Rollen beim Fall des Eisernen Vorhangs hatte, oder vielleicht an die K. und K. Monarchie, den Vielvölkerstaat an der Donau, der von den österreichischen Habsburgern geführt wurde. Wer etwas tiefer in die Geschichte eintaucht, kommt bald darauf, dass bis ins späte Mittelalter hinein die Türken den größten Teil Ungarns beherrschten und nur ein sehr geringer Teil der Stephanskrone geblieben war.
So erscheint die Geschichte dieses Landes als eine Aneinanderreihung von Fremdherrschaften, die nur kurzzeitig von eigenständiger Staatenbildung unterbrochen wird.
Betrachtet man jedoch das frühe und hohe Mittelalter, also die Entstehungszeit des ungarischen Personenverbandsstaates, bietet sich jedoch ein völlig anderes Bild, ja beinahe ein völlig Gegenteiliges. Denn im 8. und 9. Jahrhundert waren es die Nachbarvölker der Ungarn, die jenen Tribut zollten, um sich ihrer militärischen Überlegenheit nicht vollständig auszuliefern. In dieser Zeit, als sich Ungarn als fester Nachbar des Reiches und Byzanz etablierte, kam es immer wieder zu Zusammenstößen vor allem zwischen den Ungarn und dem Reich, wobei, wie bekannt ist, unter Otto I. das Reich die Ungarn endgültig bezwang. Solch eine vernichtender Niederlage, wie sie die Ungarn hinnehmen mussten, konnte nicht ohne Folgen bleiben, weder für sie selbst und ihre Lebensweise, noch für die Sieger auf der anderen Seite der Enns, die damit eine der größten Gefahren der Zeit bezwungen hatten. In welcher Weise nun die Regierungszeit Ottos I. dazu beigetragen hat, diese Veränderungen herbeizuführen, soll Thema dieser Arbeit sein, um aufzuzeigen, welch einen Wandel der Lebensweisen die Menschen im Reich ebenso, wie in Ungarn erfahren haben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Reich und Ungarn vor dem Regierungsantritt Ottos I.
Reich und Ungarn unter Otto I.
Die Beziehungen zwischen Reich und Ungarn unter
den Nachfolgern Ottos I.
Fazit: Die Auswirkung der Herrschaft Ottos des
Großen auf das Reich und die Ungarn
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Überlegt man heute, was die Geschichte Ungarns ausmacht, so denkt man wahrscheinlich zunächst einmal an den von der UdSSR dominierten Ostblockstaat, der eine der tragenden Rollen beim Fall des Eisernen Vorhangs hatte, oder vielleicht an die K. und K. Monarchie, den Vielvölkerstaat an der Donau, der von den österreichischen Habsburgern geführt wurde. Wer etwas tiefer in die Geschichte eintaucht, kommt bald darauf, dass bis ins späte Mittelalter hinein die Türken den größten Teil Ungarns beherrschten und nur ein sehr geringer Teil der Stephanskrone geblieben war.
So erscheint die Geschichte dieses Landes als eine Aneinanderreihung von Fremdherrschaften, die nur kurzzeitig von eigenständiger Staatenbildung unterbrochen wird.
Betrachtet man jedoch das frühe und hohe Mittelalter, also die Entstehungszeit des ungarischen Personenverbandsstaates, bietet sich jedoch ein völlig anderes Bild, ja beinahe ein völlig Gegenteiliges. Denn im 8. und 9. Jahrhundert waren es die Nachbarvölker der Ungarn, die jenen Tribut zollten, um sich ihrer militärischen Überlegenheit nicht vollständig auszuliefern.
In dieser Zeit, als sich Ungarn als fester Nachbar des Reiches und Byzanz etablierte, kam es immer wieder zu Zusammenstößen vor allem zwischen den Ungarn und dem Reich, wobei, wie bekannt ist, unter Otto I. das Reich die Ungarn endgültig bezwang. Solch eine vernichtender Niederlage, wie sie die Ungarn hinnehmen mussten, konnte nicht ohne Folgen bleiben, weder für sie selbst und ihre Lebensweise, noch für die Sieger auf der anderen Seite der Enns, die damit eine der größten Gefahren der Zeit bezwungen hatten. In welcher Weise nun die Regierungszeit Ottos I. dazu beigetragen hat, diese Veränderungen herbeizuführen, soll Thema dieser Arbeit sein, um aufzuzeigen, welch einen Wandel der Lebensweisen die Menschen im Reich ebenso, wie in Ungarn erfahren haben.
Reich und Ungarn vor dem Regierungsantritt Ottos I.
Das Reich und das Gebiet der Ungarn –zwei Herrschaftsbereiche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten-, so kann man für das späte 9. und frühe 10. Jahrhundert sagen.
Auf der einen Seite das Ostfränkische Reich, regiert von einem relativ starken König, dessen Reich in mehrere Regna gegliedert war, welche von unterschiedlich loyalen Herzögen regiert wurden, nämlich Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern.[1] Die Herrschaft war bis 918 von Franken ausgegangen, zunächst von den Karolingern und von 911 bis 918 von dem Konradiner Konrad I., erst seit 919 regierte der sächsische Herzog Heinrich als König.[2]
Die überwiegende Zahl der Menschen im Ostfränkischen Reich lebte als Bauern, regional unterschiedlich, entweder auf Einzelgehöften oder in Haufendörfern, wobei letztere vor allem im fränkischen Siedlungsgebiet am Main und in der Jülich-Zülpicher Börde anzutreffen waren.[3] Das von ihnen bearbeitete Land gehörte den Bauern entweder selbst, oder sie pachteten es von Grundherren gegen Naturalabgaben. Den weitestgehend kleinsten Teil der Bevölkerung bildeten dagegen der Klerus und die Großen, wobei aus den Reihen der letzteren die Herzöge, Grafen und Markgrafen stammten, die der König in ihre Ämter einsetzte. Zu erwähnen ist dabei, dass die Stände noch keineswegs unveränderliche Grenzen besaßen, sodass Emporkömmlinge ebenso in die Reihen der Großen aufsteigen konnten, wie Familien, deren Präsenz beim König aufgrund von schwindender wirtschafts- oder militärischer Kraft nachließ, aus diesem Kreis verschwinden konnten.[4]
Aufgrund des hohen Anteils von Subsistenzwirtschaft gab es auf Reichsboden nur eine geringe Anzahl von Städten, wobei die meisten, an Rhein und Donau gelegen, auf römische Gründungen zurückgehen.[i] So spielte im alltäglichen Leben eher der enge Familienverband als die Dorf- oder Stadtgemeinschaft die größte Rolle.[5]
Zu diesem Zeitpunkt, um 900, war die Anzahl der freien Bauern schon stark zurückgegangen, was vor allem mit dem Kriegsdienst der Freien zusammenhängt, denn jeder Freie musste auf Geheiß des Königs in den Krieg ziehen. Da die Kosten der immer häufiger werdenden Heerzüge stetig stiegen und durch die größer werdende Bedeutung der Reiterei noch zusätzlich anwuchsen, wurden viele kleinere Bauern dazu gebracht, sich unter die Herrschaft eines Grundherren zu stellen.[6] Dadurch konnten sie bei Kriegszustand weiter ihre Felder bestellen und der Grundherr auf der anderen Seite konnte sich aufgrund seines wachsenden Reichtums eigene Ritter und Söldner leisten, die mit ihm oder für ihn in den Krieg zogen und somit seine Stellung beim König noch verbessern.
Auf der anderen Seite die Ungarn: Ein, aus der Sicht der westelbischen Franken, barbarisches Volk, das in Pannonien, umgeben vom Karpatengürtel, siedelte.[7] Der Eindruck des barbarischen Lebenswandels entstand zweifellos aus der Beobachtung, dass die Ungarn, im Gegensatz zu Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern, keine Christen waren. Außerdem betrieben sie nur sehr wenig Landwirtschaft, sondern ernährten sich vor allem durch die Jagd, welche ihr halbnomadisches Leben bedingte.[8]
Auch der Mythos ihrer Herkunft, der bei Widukind ausführlich dargestellt wird, lässt genügend Platz für den „Beweis“, die Ungarn seien von Grund auf schlecht und barbarisch- stammten sie doch von einer wegen Giftmischerei verbannten Gruppe gotischer Frauen ab, die jahrhunderte lang in den mäotischen Sümpfen gelebt hatten.[9]
Natürlich waren solche Vermutungen nicht ohne Grund aufgekommen. Durch die immer häufiger werdenden Raubzüge der Ungarn wurden diese Eindrücke bestärkt und die Tatsache, dass die Ungarn mit Vorliebe Klöster und Kirchen plünderten, wurde eher auf die Gottlosigkeit der Ungarn zurückgeführt als darauf, dass an diesen Orten der größte Reichtum vorzufinden war.[10]
Aufgrund der fehlenden schriftlichen Überlieferung vor dem Regierungsantritt Stefans I. sind leider kaum Informationen über das alltägliche Leben der Ungarn auf uns gekommen. Allerdings könnte vielleicht durch eine verstärkte archäologische Forschung mehr über diesen wichtigen Teil der ungarischen Geschichte gefunden werden.
Die Begegnung der (Ost-) Franken mit den Ungarn sieht Widukind von Corvey damit, dass „Victi autem a magno Karolo et trans Danubium pulsi ac ingenti vallum circumclusi, prohibiti sunt a consueta gentium depopulatione“[11]
Da Widukind hier allerdings die Ungarn mit den Awaren verwechselt, die zu Karls des Großen Zeit dort lebten, sollte der Zeitpunkt der ersten Begegnung der beiden Völker mit dem Jahr 889 angesetzt werden, von dem Regino von Prüm zu berichten weiß, dass „[…] also […] nicht nur die erwähnten Gebiete [das sind Kärnten, Mähren und Bulgarien[12] ], sondern auch das italische Reich zum allergrößesten Theile verwüstet“[13] wurden.
Von den ersten kriegerischen Auseinandersetzungen mit zum Reich gehörigen Gebieten berichten die Hildesheimer und die Lamberti- Annalen, wo übereinstimmend von einem „[…] bellum magnum […] inter Bawarios et Ungarios“[14] beziehungsweise einem „Praelium magnum […] inter Baioarios et Ungarios“[15] im Jahr 893 berichtet wird. Acht Jahre später, 901, berichtet Regino dann von einem großen Sieg der Ungarn über die Langobarden, wobei deren „[…] Bischöfe und Große[n] […][16] zum größten Theile erschlagen“ wurden. Schon hier setzten die Ungarn ihren äußerst wirkungsvollen Langbogen ein,[17] von dem er an anderer Stelle berichtet, dass sie „[…] viele Tausende mit Pfeilen, die sie mit so großer Kunst aus Bogen von Horn entsenden […]“ töten, vor denen man sich „[…] schwerlich zu schützen vermöchte.“[18] Gleiches berichten die Fuldaer Annalen mit dem Zusatz, dass die Ungarn gleichzeitig in Friedensverhandlungen mit den Bayern traten und diese währenddessen ausspionierten Da sie nach ihrer Entdeckung jedoch rechtzeitig flohen, konnte nur ein abgetrennter Teil ihres Heeres von den heranrückenden Bayern nördlich der Donau besiegt werden. Als Reaktion auf diesen Angriff der Ungarn bauten die Bayern am Grenzfluss Enns eine Befestigung.[19]
[...]
[1] Althoff, Gerd: „Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat“. Stuttgart, Berlin, Köln 2000, S. 9
[2] ebenda, S. 39f
[3] Stier, Hans-Erich/ Kirsten, Ernst u. a. (Hg.): „Völker, Staaten und Kulturen. Ein Kartenwerk zur Geschichte. Erweiterte Ausgabe“. Karte 2: Hunneneinbruch und Ostgermanenzüge (375-476). Braunschweig 1973, S. 26
[4] Bookmann, Hartmut: „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“. München 2001, S. 28f
[5] Heimann, Heinz-Dieter: „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“. Stuttgart 1997‚S. 138f
[6] Bookmann, Hartmut: „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“. München 2001, S. 31
[7] Stier, Hans-Erich/ Kirsten, Ernst u. a. (Hg.): „Völker, Staaten und Kulturen. Ein Kartenwerk zur Geschichte. Erweiterte Ausgabe“. Karte 1: Die Gegner des Abendlandes. Araber, Wikinger, Ungarn (9.-10. Jh.). Braunschweig 1973, S. 32
[8] Regino von Prüm: „Die Chronik des Abtes Regino von Prüm”. In: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. 27 (Hg. Georg Heinrich Pertz u. a.) Leipzig o. J., S. 91
[9] Widukind von Corvey: „Res Gestae Saxonicae“. In: Monumenta Germaniae Histrorica Tomus III (Hg. Georg Heinrich Pertz) Hannover 1893, S. 425f
[10] Widukind von Corvey: „Res Gestae Saxonicae“. In: Monumenta Germaniae Histrorica Tomus III (Hg. Georg Heinrich Pertz) Hannover 1893, S. 431
[11] [11] Widukind von Corvey: „Res Gestae Saxonicae“. In: Monumenta Germaniae Histrorica Tomus III (Hg. H. Pertz) Hannover 1893, S. 426
[12] Regino von Prüm: „Die Chronik des Abtes Regino von Prüm”. In: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. 27 (Hg. Georg Heinrich Pertz u. a.) Leipzig o. J., S.92f
[13] ebenda, S.94
[14] „Annales Hildesheimenses“. In: Monumenta Germaniae Histrorica Scriptores (in folio) Tomus III (Hg. Georg Heinrich Pertz). Hannover 1839, S. 50
[15] „Lamberti Annales“. In: Monumenta Germaniae Histrorica Scriptores (in folio) Tomus III (Hg. Georg Heinrich Pertz). Hannover 1839, S. 50
[16] Regino von Prüm: „Die Chronik des Abtes Regino von Prüm”. In: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. 27 (Hg. Georg Heinrich Pertz u. a.) Leipzig o. J., S.114
[17] ebenda, S.114
[18] ebenda, S. 93
[19] „Annales Fuldenses sive Annales regni Francorum orientalis“. In: Monumenta Germaniae Historica Scriptores Rerum Germanicarum Tomus VII (Hg. Friedrich Kunze) Hannover 1891, S.134f
[...]
[i] So zum Beispiel Köln, Trier, Worms, Aachen, Regensburg. Vgl. auch: Stier, Hans-Erich/ Kirsten, Ernst u. a. (Hg.): „Völker, Staaten und Kulturen. Ein Kartenwerk zur Geschichte. Erweiterte Ausgabe.“ Braunschweig 1973, S. 22
- Arbeit zitieren
- Daniel Tatz (Autor:in), 2003, Die Sachsen und ihre Nachbarn im 10. Jahrhundert. Die Auswirkungen der Herrschaft Ottos des Großen auf die Lebensweise in Ungarn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50742
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