Die Haushaltstechnisierung und ihre Folgen


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

1. Technische Entwicklung der Haushaltsgeräte

2. Vorbehalte in der Gesellschaft

3. Technisierung als Teil der Rationalisierung

4. „Technikrevolution“ im Haushalt vor 1939
4.1 Abbau der Berührungsängste
4.2 Fortschreiten der Elektrifizierung

5. „Siegeszug“ der elektrischen Haushaltsgeräte

6. Folgen der Haushaltstechnisierung

7. Entwicklungstendenzen

Schlussbetrachtung

Literaturangaben

Einleitung

Die Anbindung der Privathaushalte an das Stromnetz und die darauf folgende Ausstattung mit elektrischen Haushaltsgeräten erscheint heute als einer der größten Verdienste der Technisierung der Gesellschaft. „Technik erspart heute den Frauen den Großteil der zermürbenden Arbeit, die ein Haushalt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts mit sich brachte“, so die landläufige Meinung. Der in den 50er Jahren entstandene Schlager „Das bisschen Haushalt macht sich von allein - sagt mein Mann!“[1] zeugt von dieser gesellschaftlichen Überzeugung und spricht dennoch einen Kritikpunkt an: Hat die Ausstattung der Haushalte mit elektrischen Geräten faktisch zu einer Reduktion der Arbeitszeit der Hausfrau geführt? Auch Energieversorgungsunternehmen (EVU) brüsten sich mit dem Verdienst, den modernen Frauen das Leben erleichtert zu haben.[2] Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings die Frage, ob die EVU tatsächlich so selbstlos agierten oder vordergründig andere Pläne als die Entlastung der Hausfrau im Sinn hatten. War die Elektrisierung des Haushaltes von den betroffenen Frauen überhaupt erwünscht? Falls dies nicht der Fall sein sollte, bleibt zudem zu untersuchen, wie es die Energieanstalten ermöglichten, die Haushalte zum heutigen Hauptabnehmer von Strom zu machen.[3]

1. Technische Entwicklung der Haushaltsgeräte

Das Kochen auf offener Flamme war, ohne grundlegende Veränderungen des Prinzips, noch bis teilweise ins 19. Jahrhundert die übliche Form der Speisenzubereitung. Dies ging einher mit einer enormen Bandgefahr und erheblichen Gesundheitsschäden. Doch Anfang des selbigen Jahrhunderts revolutionierte der sogenannte „Sparherd“ das Kochen. Dieser bestand aus schwarzem Gusseisen, während das Kochfeuer innerhalb des Herdes brannte.[4] Ein Ofenrohr diente als Abzug, so dass der Qualm aus den Zimmern herausgeleitet werden konnte und damit ein Großteil der gesundheitlichen Risiken eliminiert wurde.[5] Ab etwa 1880 wurde Gas als Brennstoff zum Kochen entdeckt, was den Vorteil hatte, dass es schnell erhitzte, exakt regulierbar war und keine Nachhitze erzeugte. Die Kochflamme wurde wieder sichtbar, während Gas an sich nicht zu sehen war, weshalb es trotz der positiven Aspekte von den Verbrauchern als gefährlich empfunden wurde. 1893 stellte Friedrich Wilhelm Schindler-Jeny auf der Chicagoer Weltausstellung erstmalig einen Herd vor, der durch Elektrizität erhitzte, wofür er die Goldmedaille gewann.[6] Elektrizität galt als „sauberer“ und „ungefährlicher“ als Gas.[7] Zudem wurden einzeln beheizbare Kochgeräte entwickelt, die jeweils an das Stromnetz angeschlossen wurden.[8] Elektrische Pfannen, Töpfe oder Kaffeetassen bildeten eine Alternative zum E-Herd. Auch Kombinationen aus Kohle- und Elektroherd bzw. Gasherd waren erhältlich.[9]

Auch nahezu alle anderen heute bekannten elektrischen Haushaltsgeräte wurden im 19. Jahrhundert entwickelt. Bereits in den 50er und 60er Jahren starteten Wissenschaftler erste Versuche, anstrengende Hausarbeiten wie Waschen, Bügeln, Geschirrspülen oder Teppichreinigen zu vereinfachen.[10] Aufgrund dieser Bemühungen existierten schon um die Jahrhundertwende heutige Alltagsgegenstände wie Tauchsieder (1883), Bügeleisen (1892), Staubsauger (1901), Kühlschrank (1910) oder Waschmaschine (1910). Doch erst durch die Erfindung des elektrischen Kleinmotors, dem sogenannten „Haushaltsmotor“, wurde es theoretisch möglich, diese Prototypen in den Privathaushalt zu übertragen.[11] Faktisch fanden die neu entwickelten Geräte zunächst jedoch hauptsächlich im Dienstleistungs-sektor ihren Platz.[12]

2. Vorbehalte in der Gesellschaft

Obwohl die technische Entwicklung elektrischer Haushaltsgeräte schon Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte, dauerte es noch einige Jahrzehnte, bis man diese tatsächlich in den privaten Haushalten finden konnte. Verantwortlich dafür waren verschiedene Gründe. 1922 waren erst etwa 11 % aller Haushalte in Deutschland an die Stromversorgung angeschlossen.[13] Die vorhandene Elektrizität wurde zudem hauptsächlich zu Beleuchtungszwecken verwendet. Strom war (nicht nur) zum Kochen für den Großteil der Gesellschaft zu teuer,[14] auch besaß der Sparherd mehrere Funktionen (Kochen, Heizen, Wäsche trocknen), während durch die Anschaffung eines E-Herdes zusätzliche Geräte nötig wurden.[15] Doch auch industrielle Gründe spielten bei der Verzögerung eine Rolle. Die Prototypen der Geräte bestanden größtenteils aus Holz, so dass sie nur sehr bedingt für eine Massenproduktion in Frage kamen, was zum Teil auch die hohen Anschaffungskosten erklärte.[16] So überstieg 1922 ein Staubsauger die durchschnittlich jährlichen Ausgaben für die Instandhaltung der Wohnung um ein Dreifaches (92 bis 150 RM) und ein Kühlschrank um ein Vierzigfaches (950 bis 2000 RM). Erschwinglich war lediglich ein Bügeleisen für 12,50 bis 15 RM.[17] Zudem war die Stromversorgung noch nicht auf 220 Volt vereinheitlicht, so dass man bei einem Umzug Lampen oder andere elektrische Geräte oft nicht wieder anschließen konnte.[18] Zusätzliche technische Mängel führten dazu, dass in den Haushalten kein großer Wunsch nach der neuen Energie existierte und die Bereitschaft fehlte, den Haushalt zu technisieren.[19] Die Gedanken, „Brot schmeckt elektrisch“[20] und man müsse Kochen wieder neu erlernen,[21] taten das ihrige.

3. Technisierung als Teil der Rationalisierung

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts herrschte in der Gesellschaft der Gedanke vor, dass der Haushalt die soziale Stellung der Familie ausdrücken würde.[22] Durch Industrialisierung und Verstädterung war ein Ideal entstanden, das besagte, dass sich das Familienleben hinter geschlossenen Türen abspielen solle und die Hauswirtschaft von Dienstboten erledigt würde.[23] Dies war jedoch nur für den geringsten Teil der Bevölkerung möglich, wodurch sich eine klaffende Divergenz zwischen Ideal und Realität entwickelte.[24] Reformer widmeten sich daraufhin der Hausfrauentätigkeit und stellten Evaluationstheorien auf. So formulierte Kühn 1912:

Die Haupteigenschaften einer Hausfrau müssen sein: Fleiß, Reinlichkeit, Ordnungsliebe und Sparsamkeit; nur bei deren Vorhandensein ist es möglich, den Haushalt so zu führen, wie es zum Glück und Wohlergehen einer Familie notwendig ist.“[25]

Tayloristische Arbeitsmethoden waren in der Industrie der Weimarer Republik sehr erfolgreich, weshalb man diese auch auf die Hausarbeit anwenden wollte.[26] Putzen, Wäschewaschen oder Kochen sollten effizienter organisiert werden (Beispiel: Frankfurter Küche). Als erster Versuch wurden ab 1917 Einküchenhäusern für 20 Familien eingerichtet, doch aufgrund persönlicher Zwietracht und den materiellen Schwankungen der einzelnen Familien wurde diese Bemühung bald wieder aufgegeben.[27] So wandten sich die Reformer wieder dem möglichst rationalen Einzelhaushalt zu.

Ab 1920 herrschte ein „Neuer Geist“ in der Rationalisierungsbewegung. Die Hausfrauen sollten zu organisatorischem Denken und Handeln in Bezug auf Arbeitskraft, -zeit und Materialverbrauch erzogen und ihre körperliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt werden.[28] Der wichtigste Unterschied zur früheren Bewegung war, dass Hausarbeit zum Gegenstand der Wissenschaft geworden war.[29] Unzählige Arbeitsvorgänge wie Waschen, Spülen oder Fußbodenreinigen wurden von Forschern analysiert und aufgrund der Erkenntnisse Unterrichtsmaterialien für die einzig korrekte Durchführung erstellt.[30] Grete Lihotzky fragte 1927:

Wie können wir aber die bisher übliche kraft- und zeitvergeudende Arbeitsweise im Haushalt verbessern? Wir können die Grundsätze arbeitssparender, wirtschaftlicher Betriebsführung, deren Verwirklichung in Fabriken und Büros zu ungeahnten Steigerungen der Leistungsfähigkeit geführt hat, auf die Hausarbeit übertragen. Wir müssen erkennen, daß es für jede Arbeit einen besten und einfachsten Weg geben muß, der daher auch am wenigsten ermüdend ist.“[31]

Das Internationale Arbeitsamt veröffentlichte 1932 folgende Definition:

[...]


[1] Zit. n.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 166.

[2] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 120.

[3] Vgl.: R. Haase: „Wohne und arbeite elektrisch!“. S. 9.

[4] Vgl.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 163f.

[5] Durch das veränderte Kochen verwandelten sich auch die Essgewohnheiten: Aufgrund von mehreren

Kochstellen entstanden Mahlzeiten aus verschiedenen, einzeln zubereiteten Nahrungsmitteln, im Gegensatz

zum früher üblichen Eintopf (Vgl.: Ebd.).

[6] Vgl.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 165.

[7] Vgl.: C. Sachse: Technik im Haus. S. 78.

[8] Vgl.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 166.

[9] Vgl.: Ebd. S. 168.

[10] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 119.

[11] Vgl.: G. Grasmück: „ Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 166.

[12] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 119.

[13] Vgl.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 165f.

[14] Kochen mit Strom ist tatsächlich sehr unökonomisch, da zwei Drittel der eingesetzten Energie verloren geht

(Vgl.: R. Haase: „Wohne und arbeite elektrisch!“ S. 11.).

[15] Vgl.: G. Grasmück: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 165.

[16] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 119.

[17] Vgl.: Ebd. S. 122.

[18] Vgl.: F. Langguth: „Elektrizität in jedem Gerät“. S. 95.

[19] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 121.

[20] Zit. n.: G. Grasmück: „Der Wunsch jeder Frau - ein Elektroherd“. S. 167.

[21] Vgl.: R. Haase: „Wohne und arbeite elektrisch!“ S. 18.

[22] Vgl.: B. Orland: Einführung. S. 28.

[23] Vgl.: Ebd. S. 30.

[24] Vgl.: Ebd. S. 19.

[25] Zit. n.: B. Orland: Hausarbeit - eine Wissenschaft für sich? S. 38.

[26] Vgl.: G. Dörr: Der technisierte Rückzug ins Private. S. 179.

[27] Vgl.: R. Haase: „Der neue Haushalt“ S. 32.

[28] Vgl.: B. Orland: Einführung. S. 20.

[29] Vgl.: B. Orland: Hausarbeit - eine Wissenschaft für sich? S. 38.

[30] Vgl.: C. Sachse: Anfänge der Rationalisierung der Hausarbeit. S. 55.

[31] Zit. n.: R. Haase: „Der neue Haushalt“. S. 32.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Haushaltstechnisierung und ihre Folgen
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut: Kulturanthropologie / Volkskunde)
Veranstaltung
Elektrisierte Gesellschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V50783
ISBN (eBook)
9783638469227
ISBN (Buch)
9783638764780
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haushaltstechnisierung, Folgen
Arbeit zitieren
M.A. Nicole Nieraad (Autor:in), 2003, Die Haushaltstechnisierung und ihre Folgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50783

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