Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Inhaltsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Abkurzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition
3. Diskussion
3.1 Das BGE im Kontext der aktuellen Situation in Deutschland
3.2 Unterschiedliche Finanzierungsmoglichkeiten fur ein BGE
3.3 Weitere Eindrucke aus Politik, Gewerkschaften und Verbanden
4. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Worum handelt es sich bei dem bedingungslosen Grundeinkommen? In einer ersten Idee konnte die Antwort lauten: Jeder Burger erhalt - unabhangig davon, ob sich der Mensch in Arbeit befindet Oder arbeitslos ist - ein monatliches Einkommen.
Dies klingt, soweit der Vergleich mit der Gegenwart gezogen wird, vielmehr nach einer Traumerei, als nach einer leicht umzusetzenden Moglichkeit, beherbergt diese nicht auch gleich elementare Veranderungen innerhalb der behordlichen Struktur. SchlieBlich gabe es dann doch keine Men- schen mehr, die in Arbeit gebracht werden mussten. Arbeit aus Lust und Laune! Am Anfang des Monats kommt das Geld ga- rantiert!
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Idee an sich ist nicht neu: Thomas Morus beschrieb bereits im 16. Jahrhundert in sei- nem „Entwurf eines Ideal- staats (De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia, kurz Utopia 1516) eine erste Befurwortung eines Gr- undeinkommens" (siehe Os- terkamp, 2015, Seite 10), wo- bei es sich bei dem durch ihn angedachten Grundeinkommen urn Naturalien handelte. In der Utopia-Gesellschaft sollte es kein Geld geben. Morus unterstellte seiner Utopia-Gesellschaft jedoch einen grundsatzlichen Willen zur Arbeit.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen trifft eine solche Annahme nicht, da es schlieBlich bedin- gungslos ist. In der Idee des Bedingungslosen Einkommens erhalt jeder Burger einmal im Monat einen Betrag, der den Menschen das bedingungslose Vertrauen schenkt, den eigenen Weg zu ge- hen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Mensch arbeitet Oder arbeitslos sein mochte.
In einer reprasentativen Umfrage der Welt zwischen dem 14. April und 1. Mai 2018, bei der knapp 5020 Menschen teilnahmen, sprach sich eine Mehrheit von 53 Prozent gegen das bedingungslose Grundeinkommen aus (siehe Grafik 1). Wie kommt es, dass die Idee des bedingungslosen Grund- einkommens von einem GroBteil der Gesellschaft abgelehnt wird? Welchen Standpunkt vertritt die Politik und welche entscheidenden Vor- und Nachteile werden in den Debatten rund urn das bedingungslose Grundeinkommen angefuhrt? Im Folgendem mochte ich naher auf die aktuelle Situation in Deutschland und die soziopolitischen sowie okonomischen Theorien rund urn dieses vielschich- tige Thema eingehen.
2. Definition
Um nun einen allgemeinen definitorischen Zugang zum Thema zu legen und dadurch einen Anker fur den nachfolgenden Diskurs setzen zu konnen, mochte ich zu Beginn zwei Perspektiven rund urn das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) einbringen.
Rigmar Osterkamp definiert das BGE z.B. aus okonomisch formaler Sicht wie folgt: ,,Unter einem »bedingungslosen Grundeinkommen« (BGE) wird meist eine regelmaBige, ublicherweise eine mo- natliche Zahlung an jedermann verstanden, die ohne Bedingungen gewahrt wird." (siehe Osterkamp, 2015, Seite 9)
Eine weitere und vielmehr philosophische Ansicht auf das BGE, die den Menschen in den sozial- politischen Fokus ruckt, formuliert Timo Reuter: „Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass der Staat die Menschen dafur bezahlt, dass sie am Leben sind. Ohne Zwang, ohne Bedingungen - und zwar fur alle.“ (siehe Reuter, 2016, Seite 1)
Beide Definitionen, ferner auch Sichtweisen auf das BGE zeigen, dass es unterschiedliche Mog- lichkeiten gibt, urn sich dem Thema zu nahern. Dabei werden sowohl emotionale/mentale als auch rein rationale/formale Argumente innerhalb der Debatte angebracht.
Um nun im Folgenden einen Standpunkt herauszuarbeiten, ob die Idee des bedingungslosen Gr- undeinkommens Einzug in die aktuelle Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland erhalten soll- te, mochte ich im Vorwege auf die Vor- und Nachteile zur vorherrschenden Situation in Deutschland eingehen. Dabei werde ich aufgrund der Komplexitat auch auf juristische und ethische Aspek- te eingehen.
3.1 Das BGE im Kontext der aktuellen Situation in Deutschland
Die deutsche Gesellschaft altert, die Geburtenrate sinkt, die zunehmende Technologisierung forded technologiebedingte Entlassungen und gleichzeitig einen erhohten Bedarf an hochqualifizier- ten Kraften. Der sog. Demografische Wandel forded bereits jetzt erste Losungen, urn den Heraus- forderungen der Zukunft gerecht zu werden. Ein Lebenslanges Lernen und eine damit verbundene verlangerte Erwerbstatigkeit scheinen somit notwendig, urn auch in Zukunft handlungsfahig zu blei- ben.1 Durch den gesamtgesellschaftliche Wandel, kommt es innerhalb unserer Solidargemein- schaft auch zu fiskalischen Veranderungen. Zu dem Solidarprinzip gehort u.a. die Umverteilung: Mitglieder aus Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung zahlen vereinfachtzusam- mengefasst in einen gemeinsamen Topf, aus denen alle (z.B. auch Alte, kranke Menschen und Ar- beitslose) mit unterschiedlichen Leistungen bedient werden. (siehe Bellermann, 2011, Seite 95) Wie sehen diese Leistungen im Einzelnen aus? Fur eine erste nahere Betrachtung bietet es sich daher an, die institutionellen Strukturen der Sozialpolitik und deren MaBnahmen naher zu beleuch- ten.
Martin Bellermann, gliedert die wichtigsten offentlichen Sozialleistungen in zwei wesentliche Punk- te: Soziales Recht und Soziales Geld (Geld-, Sach- und Dienstleistungen. Das ,,Soziale Geld" um- fasst die Teilbereiche der „Versicherung“ (z.B. Arbeitsforderung SGB III, Krankenversicherung SGB V, Rentenversicherung SGB VI), von „Versorgung/Ausgleich“ (z.B. Wohngeld, Ausbildungsforde- rung, Leistungen fur Menschen mit Behinderung SGB IX) und der „Fursorge“ (z.B. Grundsicherung fur Arbeitssuchende SGB II, Kinder- und Jugendhilfe SGB VIII, Sozialhilfe SGB XII). (siehe Bellermann, 2011, Seite 92)
Seit der damaligen Einfuhrung der Krankenversicherung 1883 und der Unfallversicherung 1884, wurden im Kontext der Sozialgesetzgebung viele weitere sozialpolitische Entscheidungen getrof- fen, die zu weiteren Ausdifferenzierungen - auch im institutionellen Sinne - von Sozialleistungen und den damit verbundenen Funktionen gefuhrt haben. Eine der wohl gravierendsten Veranderun- gen war die Agenda 2010, die durch den Altkanzler Gerhard Schroder 2003 auf den Weg gebracht wurde: ,,Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wurde gekurzt, die Unterstutzung fur Langzeitar- beitslose auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt. Dazu wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zusammengelegt. In den Jobcentern wurden kommunale Sozialhilfe und staatliche Arbeitslosenvermittlung verzahnt. Im Gesundheitswesen wurden die Kranken- kassen durch Ausklammerung von Leistungen entlastet. Eingriffe gab es zur Stabilisierung der Rentenfinanzen, das Rentenniveau sank."2
Das Konzept des SGB II umfasst z.B. die Leistungen rund urn den Bereich der Grundsicherung fur Arbeitssuchende, jedoch ebenso Bedingungen, die an die Leistungen geknupft sind. So heiBt es innerhalb des SGB II Konzeptes in § 2 Grundsatz des Forderns:„[1]Erwerbsfahige Leistungsberech- tigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen mussen alle Moglichkei- ten zur Beendigung Oder Verringerung ihrer Hilfebedurftigkeit ausschopfen." (siehe Munder, 2017, Seite 69) Der aktuelle Hochstsatz betragt 424,- Euro pro Person (betrifft Alleinerziehende, Allein- stehende und Volljahrige mit minderjahrigen Partner). Die im Regelsatz enthaltenen Gelder zur Existenzsicherung sind in der Grafik 2 aufgelistet. Des Weiteren gliedern sich weitere Leistungs- satze an, die z.B. im Faile volljahriger Partner einen Betrag von 382,- Euro und im Faile eines Kin- des unter 5 Jahren einen zusatzlichen Betrag von 245,- Euro vorsehen. AuBerdem gibt es in be- sonderen Lebenslagen (z.B. Schwangerschaft) die Moglichkeit einen Mehrbedarfanzumelden, der ab der 13. Schwangerschaftswoche eine prozentuale Erhohung des Leistungsbezugs ermoglicht.3
Hartz IV Regelsatz
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Im weiteren Kontext heiBt es in § 22 Bedarfe fur Unterkunft und Heizung des Sozialgesetzbuches II: ,,(1) [1]Bedarfe fur Unterkunft und Heizung werden in Hohe der tatsachlichen Aufwendungen aner- kannt, soweit diese angemessen sind.“. (siehe Munder, 2017, Seite 652)
Auf den ersten Blick lasst sich also feststellen, dass kein Mensch in Deutschland hungern und ohne ein Dach uber dem Kopf leben muss. Ebenfalls werden weitere finanzielle Moglichkeiten ge- schaffen, die dem Menschen in seinen individuellen Lebenslagen und damit im Rahmen des Fur- sorgeprinzips unterstutzen sollen. In erster Instanz gilt jedoch, dass zunachst auf Grundlage der Annahme, der Mensch konne sich selbst helfen, gepruft wird, ob eine Bedurftigkeit vorliegt. (siehe Bellermann, 2017, Seite 98f.) So gibt es zusatzliche Versorgungsleistungen, wie den Mehrbedarf furSchwangere und Alleinerziehende, derebenfalls beantragtwerden kann.
Betrachtet man diese Strukturen jedoch mit den tiefgreifenden Veranderungen der Agenda 2010, muss jedoch von einer Verscharfung der allgemeinen Bedingungen durch die Rahmung der Sozial- leistungen gesprochen werden. Gerhard Schroder formulierte im Zusammenhang der Agenda 2010: „Wir werden die Leistungen des Staates kurzen, Eigenverantwortung fordern und mehr Ei- genleistung von jedem Einzelnen abfordern mussen."4 Wie aber soil die Eigenverantwortung gefor- dert werden? Um hiervon einen genaueren Eindruck zu gewinnen, mochte ich nun auf die im Sozi- algesetzbuch II verankerten Rahmungen fur die Leistungsempfanger naher eingehen. In SGB II §31 werden die Pflichtverletzungen und in §31a die Rechtsfolgen beschrieben, die zum Einsatz kommen, wenn der erwerbsfahige Leistungsberechtigte den in der Eingliederungsvereinbarung be- schriebenen festgelegten Pflichten (z.B. eine zumutbare Arbeit, Meldepflicht, nachweisliche Bewer- bungsversuche) nicht nachkommt. So kann es bereits bei einem erstmaligen PflichtverstoB, zu ei- ner dreiBig prozentigen Leistungskurzung kommen, die fur drei Monate vollzogen wird. (siehe Munder, 2017, Seite 914)
In einem Verfahren urteilte das Sozialgericht Chemnitz 2011 (Az.: S 27 AS 2853/11), dass bei jeder Sanktionierung der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit gelte, der auch im Kontext eines Eingriffs in die Grundrechte betrachtet werden musse.5 So sei eine junge Mutter versehentlich einen Tag zu spat zu einem Termin beim Jobcenter erschienen, welche mit einer zehnprozentigen Kurzung der Regelleistungen sanktioniertwurde. Das Sozialgericht urteilte trotz VerstoB gegen die Meldepflicht, dass die Sanktionierung unverhaltnismaBig gewesen sei und ein schwerwiegendes Verhalten der Mutter nicht vorgelegen habe.
Dies ist als ein Beispiel fur eine innerdeutsche Wirklichkeit zu sehen, wo die Gewaltentrennung6 zu einem regulierenden Organ innerhalb der sozialpolitischen Landschaft wird. Die Judikative wird zum regulierenden MaB fur die Legislative. Maus schreibt in diesem Zusammenhang uber die Ein- fuhrung von moralischen Gesichtspunkten und Werten in die Rechtsprechung, dass eben jene zu einer Freisetzung der Justiz aus den gesetzlichen Bindungen" gefuhrt habe die einst die Kontrolle ihrer Ubereinstimmung mit dem Volkswillen garantieren sollten." (siehe Maus, 2018, Seite 25f.) Was aber ist der Volkswille? Und wie wirken sich die SGB II Sanktionen auf die Leistungs- empfanger aus? Wird dadurch tatsachlich die menschliche Eigenverantwortung gefordert?
Die Eigenverantwortung umfasst alle getroffenen Entscheidungen eines Menschen: eine Entschei- dung umfasst demnach das eigene Tun Oder auch Unterlassene.7 Im Kontext des eigenverantwort- lichen Handelns, steht im Faile derjungen Mutter (Az.: S 21 AS 2853/11) demnach auch unabding- bar die Kenntnis vom Rechtssystem und seiner Moglichkeiten. Hat der Leistungsberechtigte diese Kenntnisse nicht Oder fehlt ihm der Zugang (z.B. durch eingeschrankte Mobilitat, Intelligenzminde- rung, psychische Erkrankung), wird er die Sanktionen evtl. ungenutzt anderer Moglichkeiten hin- nehmen mussen. Eine 2017 publizierte Dokumentation zu den Auswirkungen von Sanktionen im SGB II des Deutschen Bundestags hielt bereits verschiedene Ergebnisse aus qualitativen Studien fest.8 So beschreibt eine Vermittlerin innerhalb des Interviews die Sanktionsregelungen des SGB II als ein zu scharfes Schwert, welche ebenso aus der Sicht der Autorinnen und des Autors im Er- gebnis des IAB- Kurzberichts uberdacht und uberarbeitet gehoren.9
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1 Quelle:URL:https://www.bpb.de/apuz/26510/auswirkungen-des-demographischen-wandels-auf-arbeit-und-
arbeitslosigkeit?p=all [letzterZugriff: 17.07.2019]
2 Quelle:URL:https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/hintergruende/article162235517/Agen- da-2010-lnhalt-Wirkung-Reformforderungen.html [letzter Zugriff: 17.07.2019]
3 Quelle:URL:https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des- Lebensunterhalts/2-teaser-artikelseite-arbeitslosengeld-2-sozialgeld.html [letzter Zugriff: 17.07.2019]
4 Quelle:URL:https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/hintergruende/article162235517/Agen- da-2010-lnhalt-Wirkung-Reformforderungen.html [letzter Zugriff: 17.07.2019]
5 Quelle:URL: https://www.hartziv.org/news/20120802-bei-hartz-iv-sanktionen-gilt-der-grundsatz-der-verhaelt- nismaessigkeit.html [letzterZugriff: 17.07.2019]
6 Gewaltentrennung: es handeltsich dabei urn ein Organisationsprinzip einer demokratischen Verfassung und urn ein Merkmal eines Rechtsstaates. Die Trennung der Gewalten erfolgt in Legislative (gesetzgebende), Judikative (rechtsprechende) und Exekutive (ausfuhrende). (siehe Weber, 2017, Seite 585)
7 Quelle:URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Eigenverantwortung [letzterZugriff: 17.07.2019]
8 Quelle:URL:https://www.bundestag.de/resource/blob/497906/f2a6382d0a8b3d3afbf9bb4dffdabc59/WD-6- 004-17-pdf-data.pdf [letzter Zugriff: 17.07.2019]
9 Quelle:URL: http://doku.iab.de/kuczber/2010/kb1010.pdf [letzter Zugriff: 17.07.2019]
- Arbeit zitieren
- Felix Mente (Autor), 2019, Das bedingungslose Grundeinkommen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508216
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