Das Erlebensprotokoll als Methode der qualitativen Forschung. Grundlagen sowie Diskussion der psychologischen Wissenschaftlichkeit


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Grundlagen der qualitativen Forschung und theoretische Einordnung des Erlebensprotokolls

2. Reflexion des eigenen Erlebensprotokolls im Hinblick auf psychologische Wissenschaftlichkeit

Quellenverzeichnis

1.Grundlagen der qualitativen Forschung und theoretische Einordnung des Erlebensprotokolls

Im Folgenden wird auf die Grundlagen qualitativer Forschung eingegangen und das Beschreiben in Form des Erlebensprotokolls in der qualitativen Forschung als wissenschaftliche Erhebungsmethode dargestellt und eingeordnet.

Die Anwendungsmöglichkeiten und die Vielfalt der qualitativen Forschung sind in den letzten Jahren sehr gewachsen. So wird in vielen Disziplinen wie der Psychologie, der Soziologie bis hin zu Wirtschaftswissenschaften qualitativ geforscht und gearbeitet, zudem auch in eher praxisbezogenen Fächern wie den Pflegewissenschaften (vgl. Flick, von Kardorff Steinke, 2015). Die qualitativen Ansätze sind, im Vergleich zum quantitativen Forschungsansatz, breiter gestreut und weisen zum Teil sehr unterschiedliche Theorien hinter den vielfältigen Methoden auf. Trotzdem wird versucht, die verschiedenen Ausprägungen der qualitativen Forschung in ihren Grundlagen auf Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen und zu beschreiben. Es ist durchaus möglich, die Ziele der qualitativen Forschung zu definieren, da sie sich aus der anhaltenden Kritik am quantitativen Forschungsstil weiter entwickelte und so in vielerlei Hinsicht gegensätzlich zu diesem arbeitet.

Mayring definierte die wichtigsten Grundzüge des qualitativen Denkens in der Sozialforschung und daraus folgende Ableitungen für den Forschungsprozess selbst: Der wohl am weitesten verbreitete Punkt in der vergleichbaren Literatur ist, dass das Forschungsobjekt ‚Mensch‘ immer Ausgangspunkt und genau deshalb auch Bezugspunkt der qualitativen Sozialforschung sein muss. Während die quantitative Sozialforschung diesen Ausgangs- wie Bezugspunkt zu unberücksichtigt lässt und stattdessen den Fokus vor allem auf die Erstellung bestimmter Theorien und dazu passender Hypothesen legt, will die qualitative Forschung diesen Punkt nicht aus den Augen verlieren und gegenstandsbezogen arbeiten (vgl. Mayring, 2016). Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass qualitative Forschung nicht dazu konzipiert ist, lediglich bereits bestehende Hypothesen oder Theorien zu prüfen, wie dies in der quantitativen Forschung geschieht. Ihre Offenheit, sowohl in methodischer als auch theoretischer Hinsicht, bietet vielmehr die Möglichkeit, neue Phänomene zu entdecken und hinreichend zu beschreiben (vgl. Mayring, 2016).

Starke Standardisierungen haben in der qualitativen Forschung also keinen Platz, denn die Offenheit in den Methoden soll gewahrt bleiben, um den Gegenstand möglichst individuell und umfassend erforschen zu können. Dies folgt aus dem Gedanken, dass die ‚Operationalisierung’ der Wirklichkeit des Menschen dieser nicht angemessen sind. Dies wird auch in dem von Flick herausgegebenen Handbuch für qualitative Sozialforschung als Kriterium qualitativer Forschung betont.

Hier wird die Komplexität des Menschen als Untersuchungsobjekt hervorgehoben, sodass eine Separation in einzelne Merkmale innerhalb der quantitativen Forschung, beispielsweise zur Umsetzung eines Experiments, die vielschichtigen Konstrukte der Wirklichkeit oft nicht genügend berücksichtigen kann. Um dieses Problem zu vermeiden, werden dann entsprechende Phänomene z.B. erst gar nicht zum Forschungsobjekt gemacht (Flick, 2011).

Die qualitative Forschung hingegen legt ihr Erkenntnisinteresse auf das Verständnis vielschichtiger und komplexer Phänomene (vgl. Flick et al., 2015) und sie will sich diesen Gegenständen in einer angemessenen, auf sie bezogenen Weise zuwenden. Statt einer Zerteilung und Abspaltung in einzelne Variablen zielt die qualitative Forschung darauf, ihren Gegenstand in seiner Vollständigkeit zu erfassen.

Dieser Punkt wird bei Flick und vergleichbarer Literatur öfter unter dem Stichwort ‚Ganzheit‘ angesprochen (vgl. Flick, 2011). Mayring (2016) sieht unter der Wahrung und Beachtung der Ganzheit eines Untersuchungsobjekts, dass es angemessen, ausführlich und in seiner Entwicklung betrachtet und beschrieben wird.

Zu qualitativer Forschung gehört ebenfalls der Verzicht auf künstliche Untersuchungssituationen. Die qualitative Forschung geht von einer stärkeren Verzerrung des menschlichen Handelns z.B. in einem Laborexperiment aus, die durch verschieden Effekte der künstlichen Situation entsteht (Mayring, 2016). Die Versuchsperson ist sich der Untersuchung bewusst, hat auch hier immer die Möglichkeit, die Reaktionen oder Antworten in verschiedene Richtungen anzupassen und tut dies in künstlicher Umgebung eher, als an einem alltäglichen Ort. Zum Zwecke der Gültigkeit der Ergebnisse sollten qualitative Erhebungsmethoden also im möglichst natürlichen Kontext des Untersuchungsobjektes vollzogen werden.

Mayring (2016) hebt bezüglich der Verallgemeinerung von Forschungsergebnissen besonders hervor, dass es nicht sinnvoll ist, in den Sozial- beziehungsweise Humanwissenschaften zu universalen Gesetzmäßigkeiten gelangen zu wollen. Bereits in den Naturwissenschaften ist dieses Ziel äußerst fragwürdig. Menschliches Erleben und Verhalten entsteht immer situationsbedingt in einer bestimmten Zeit, ist also Kontext bezogen und richtet sich nicht nach überdauernden Gesetzmäßigkeiten. Des Weiteren lässt sich sagen, dass Forscher und Forschungsobjekt in den Sozialwissenschaften in einer kommunikativen Beziehung zueinander stehen. Die Person, die untersucht wird, reagiert auf den Forschenden und umgekehrt. Dies unterstützt den offenen und alltagsnahen Charakter der qualitativen Sozialforschung. Aufgrund des aufwendigeren Prozesses setzt die qualitative Forschung bei Einzelfällen an. Bei dieser meist kleinen Anzahl an Untersuchungspersonen muss die induktive Schließung höchstens auf Regeln, statt auf Gesetze erfolgen und in jedem Fall spezifisch begründet werden (vgl. Mayring 2016).

Sowohl bei Flick (2011) als auch bei Mayring (2016) werden die Deutungs- beziehungsweise Interpretationsmöglichkeiten und die Bewegung des Forschers während und mit dem Prozess hervorgehoben. Während die quantitative Forschung diese subjektiven Eindrücke aus dem Forschungsprozess weitestgehend heraushalten möchte, sieht sich die qualitative Forschung auf diese angewiesen. Die interindividuell unterschiedlichen Auslegungen von bestimmten Handlungen, besonders aber verbaler Daten jeglicher Form machen eine interpretative Sozialforschung unabdingbar (vgl. Mayring, 2016).

Der qualitative Ansatz verfolgt zusammengefasst also eine tiefergehende Erklärung komplexer Strukturen. Der Forschende soll lebensnah, offen und Kontext bezogen arbeiten und die alltäglichen Sinnzusammenhänge der zu untersuchenden Objekte in Form von fast ausschließlich verbalen Daten methodisch erarbeiten. Seine Flexibilität im Hinblick auf den Forschungsverlauf und seine Interpretationsmöglichkeiten sind dabei von großer Bedeutung.

In den unterschiedlichen Monografien und Sammelwerken zu qualitativer Forschung und qualitativer Sozialforschung finden sich, trotz einiger übereinstimmender oder ähnlich definierter Grundlagen und Kerngedanken auch Unterschiede.

Dabei handelt es sich nicht um gegensätzliche Aussagen, wohl aber um verschieden gesetzte Schwerpunkte. Dies mag mit den verschiedenen theoretischen Positionen hinter dem Methodenspektrum im Zusammenhang stehen.

Ein wichtiger Punkt wird jedoch kaum beachtet. So sind verbale Daten durchaus, mit Ausnahme von visuellem Material, die Quelle der qualitativen Forschung. Trotz verschiedener theoretischer Rahmungen versteht sich die qualitative Forschung schließlich „(…) überwiegend [als] eine Textwissenschaft (…)“ (Flick et al., 2015, S. 24). Lediglich bei Mayring wird das sorgfältige Beschreiben als Voraussetzung für die Erstellung angemessener verbaler Daten mit einem Verweis auf Dilthey besonders hervorgehoben (2016). Die genaue Beschreibung müsste zu Beginn einer jeden wissenschaftlichen Untersuchung stehen. Die weitreichende Erfassung eines Phänomens sollte in den qualitativen Sozialwissenschaften genauso erfolgen wie in den Naturwissenschaften, bei welchem die Gegenstände, beispielsweise eine Pflanze, zu Beginn exakt beschrieben und dokumentiert werden. In der qualitativen Forschung geschieht dies auch, um z.B. die Offenheit, beziehungsweise Unvoreingenommenheit der Forschenden zu garantieren.

Das weitere methodische Vorgehen mit den Daten ist den verschiedenen theoretischen Rahmungen und ihren jeweiligen Verfahren anzupassen. Die Voraussetzung für die Deskription und weitere Erforschung des Gegenstandes ist die Fähigkeit, korrekt zu beschreiben, also eine Forderung an den Forschenden selbst. Im Duden findet man in der Bedeutungsübersicht zu ‚Beschreiben‘ Wörter wie ‚schildern, darstellen, erklären‘. Im alltäglichen Sprachgebrauch mag dies ausreichen, doch in der qualitativen Forschung ist das Beschreiben der wissenschaftliche Weg, um Daten zu produzieren und somit Erkenntnisse über die Phänomene zu erhalten sowohl für den Forscher - beispielsweise bei einer teilnehmenden Beobachtung - als auch bei Interviewpartnern, die eine Situation genau beschreiben sollen. Beschreiben muss in der Forschung also wissenschaftlichen Standards genügen und entsprechen. Es dürfte nicht ausreichend sein, so zu beschreiben wie man es auch alltäglich tut.

Die alltägliche Vorgehensweise muss, um ihrem Anspruch an Wissenschaftlichkeit zu entsprechen, ausgebaut und kultiviert werden.

Jedoch findet man in der verbreiteten Literatur zur Einführung in die allgemeine qualitative Sozialforschung zwar die mannigfaltigen Verfahren verschiedener Methoden, mit denen die Daten analysiert werden, aber wenig bis gar nichts über das wissenschaftliche Beschreiben selbst oder wie man dieses erlernen kann, obwohl dieses das wichtigste Instrument für die vielfältigen Verfahren ist. Das wissenschaftliche Beschreiben unterstützt die qualitative Forschung sowohl wie bereits angesprochen in ihrer methodischen und theoretischen Offenheit als auch in ihrer Objektbezogenheit.

Wenn die vielfältigen Phänomene eines Untersuchungsgegenstandes mit einbezogen, also ebenfalls beschrieben werden, schützt sich die qualitative Forschung vor zu frühzeitigen Erklärungsversuchen und bestätigt ihre grundlegenden Ziele im Forschungsprozess. Obwohl die qualitative Forschung verschiedene theoretische Ansätze und Methoden aufweist, gehört das wissenschaftliche Beschreiben immer zum Forschungsprozess dazu.

Ein wissenschaftliches Beschreiben erfordert zum einen eine Eingrenzung des zu Beschreibenden und zum anderen ein Wissen um die Bedeutsamkeit des sorgfältigen Beschreiben. Nicht nur innerhalb der qualitativen Forschung, sondern auch innerhalb der qualitativen Psychologie spalten sich verschiedene theoretische Grundgedanken und dementsprechende Methoden und Verfahren ab (vgl. Schulte, 2009, Folie 169). Um den Forderungen an qualitativer Forschung gerecht zu werden, ist auch in der qualitativen Psychologie das umfassende wissenschaftliche Beschreiben unabdingbar.

Das Beschreiben wurde wissenschaftstheoretisch in seiner Bedeutsamkeit erneut von Wilhelm Salber aufgegriffen, welcher ihm eine Schlüsselposition als methodisches Verfahren in der von ihm entwickelten morphologischen Psychologie zuwies. Das Erlebensprotokoll stellt ein qualitatives Verfahren dieser Psychologie dar, welche von Salber in der Mitte des letzten Jahrhunderts an der Universität zu Köln entwickelt wurde (Fitzek, 2010). Sie greift in ihrer theoretischem Rahmung Konzepte und Gedanken der Morphologie Goethes auf, aber auch unter anderem Aspekte der Theorien von Freud, Marx und Nietzsche (vgl. D. Salber, 2009).

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Erlebensprotokoll als Methode der qualitativen Forschung. Grundlagen sowie Diskussion der psychologischen Wissenschaftlichkeit
Hochschule
BSP Business School Berlin (ehem. Potsdam)
Note
1,0
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V508665
ISBN (eBook)
9783346067746
ISBN (Buch)
9783346067753
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschaftspsychologie Qualitative Methoden Erlebensprotokoll Morphologische Psychologie Tiefeninterview Fahrstuhl EP Theorie Methode
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Das Erlebensprotokoll als Methode der qualitativen Forschung. Grundlagen sowie Diskussion der psychologischen Wissenschaftlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508665

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