Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Zielsetzung und Fragestellung der vorliegenden Hausarbeit
1.2 Über die Geschichte des Ruhms im Allgemeinen
1.3 Über Social Media im Speziellen
2 WEIBLICHESOCIALMEDIASTARS–DIEMECHANISMEN DESRUHMS
2.1 Vergleich von Social Media Profilen u.a. im Hinblick auf geschlechterbezogene Sprache: DagiBee und freekickerz
3 WELCHEBEDEUTUNG HAT WEIBLICHERRUHM INSOCIALMEDIA FÜR EINEGESELLSCHAFT? EINEZUSAMMENFASSUNG
4 LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 Einleitung
Was ist Ruhm? Diese Frage liegt auch der vorliegenden Arbeit zugrunde. Eine Definition von Ruhm kann wohl nur unzureichend gegeben werden. Beispielsweise wird der Begriff Ruhm im Duden definiert als "weitrei- chendes hohes Ansehen, das eine bedeutende Person aufgrund von her- ausragenden Leistungen, Eigenschaften bei der Allgemeinheit genießt". Verwiesen werden in den Beispielen des Duden ferner auf Caesar, Dich- terruhm und Ruhm eines Staatsdieners. Der Ruhm einer Sängerin wird ebenfalls als Beispiel genannt.1
Ruhm ist also ein Attribut, das vorrangig Menschen verliehen wird. Es mag zwar auch berühmte Tiere oder Gebäude geben, diese sind jedoch nicht per se und durch sich selbst berühmt, sondern sie erlangten Ruhm innerhalb einer Gesellschaft. Es scheint also, als wäre Ruhm ein Phäno- men, das zur menschlichen Kultur und zum menschlichen Dasein dazu gehören muss.
„Soziologische Termini wie ‚Reputation‘, ‚Renommee‘ oder ’Prestige‘ bezeichnen zwar ebenfalls Formen des Ansehens, beziehen sich aber auf die Gegenwart. Das Phänomen des Ruhms setzt dagegen einen großen zeitlichen Abstand zwi- schen individueller Leistung und kollektiver Anerkennung vo- raus. Der Tod wird dabei zur eigentlichen Bewährungsprobe für das Weiterleben des Individuums.“, schreibt etwa Detlev Schöttker.2
Der Begriff des Individuums, den Schöttker nennt, ist maßgeblich ent- scheidend für die Form, die Ruhm in der heutigen Gegenwart angenom- men hat. So sind es nicht mehr antike Völker oder siegreiche Kriegshel- den, die heute Ruhm nach sich ziehen, sondern im 21. Jahrhundert sind berühmt die sogenannten Promis und Stars. Die Celebrities, die Rich&Famous, die Crème de la Crème einer Gesellschaft. Auf diesem aktuellen Phänomen; der aktuellen Gestalt von Ruhm soll im Folgenden der Fokus liegen. Zuerst scheint der Begriff im Gegensatz zum histori- schen Ruhm, etwa dem Konzept das sich hinter dem mittelhochdeutschen Begriff „êre“ verbirgt, sehr viel einfach zu definieren. Doch John Rodden beschreibt 2006 den Ruhm der Gegenwart ebenfalls als komplexes Phä- nomen wenn er schreibt:
„…some distinctions to be made among honor, glory, fame, es- teem, recognition, renown, pres tige, celebrity, and reputation. For instance, glory is traditionally understood as a slate and especially a religious concept, whereas honor is a class-based Roman concept. Fame pertains to the num ber of people to whom one is known, whether lnany or few. Esteem is usually defined as the quality of regard that someone holds, wher eas recognition is the intensity or depth of regard within a certain world. Renown is a form of cosmopolitan recognition, whereas prestige is a status concept. Finally, celebrity is a de mocratic concept that has much to do with the transience of fame. “3
Ist es heute also gar nicht mehr Ruhm, über den wir sprechen, sondern Fame? Hat uns das Konzept des Ruhms in unserer heutigen Gesellschaft verlassen? Hat Fame eigene Mechanismen; folgt er eigenen Regeln, die es zu beherrschen gilt, um fame zu werden? Diesen Fragen soll unter an- derem in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.
1.1 Zielsetzung und Fragestellung der vorliegenden Hausarbeit
Das Thema Ruhm und besonders auch der sogenannte Fame spielt eine wichtige Rolle, seitdem sich eine Gesellschaft in den sozialen Netzwerken wiederfindet. Die sozialen Netzwerke sind mehr als ein Medium und verändern daher unsere Gesellschaft weitaus tiefer, als beispielsweise das Fernsehen in den 50er Jahren des 20. Jahrhun- derts. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb auf Social Medi a im Besonderen eingegangen werden. Es soll aufgezeigt werden, wie sich Ruhm gewandelt hat – vom Mythos der Antike, zum Kriegshel- den Napoleon bis zu den sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook. Wieso wandelt sich Ruhm, oder bleibt er stets dieselbe Form von Aufmerksamkeit und Unsterblichkeit und Anerkennung – lediglich die Form verändert sich?
Ein interessanter Aspekt den Social Media für die Wissenschaft mitbringt, ist die vereinfachte Forschung über demografische Daten und Werte. Stimmungsbilder, die anteilige Verteilung von Ge- schlechtern, Sprachen, sozialen Schichten oder Interessen lassen sich mit Analytics Werkzeugen leicht sammeln, visualisieren und auswerten. Die Daten sollen in dieser Hausarbeit sowohl quant itativ als auch qualitativ dazu erfasst und genutzt werden, um einen weite- ren interessanten Aspekt der Ruhmf orschung zu beleuchten, der in dieser Arbeit noch nicht angesprochen wurde.
Die Geschichte des Ruhmes ist nämlich hauptsächlich die Geschich- te berühmter Männer. Auf der Website geboren.am/top1004 sind un- ter den berühmtesten 100 Personen aller Zeiten nur 21 Personen Frauen und folglich 79 Männer. Die älteste berühmte Frau ist Hil de- gard von Bingen, die jüngste Audrey Hepburn. Diese Website ist keinesfalls statistisch repräsentativ. Dennoch untermalt sie eine Vermutung, die sich erweitert, wenn man sich beispielsweise durch die Bilderwut des sozialen Netzwerkes Instagram wühlt : Frauen sind unterrepräsentiert, sie sind objektifiziert und stereotypisiert. So un- terstreicht etwa die 2019 erschienene Studie der MaLisa Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler die se Vermutung.
„Das Verhältnis 1:2 von weiblichen zu männlichen Protago- nist*innen, das sich in Kino und TV gezeigt hat, ist auch bei den 100 beliebtesten Musikvideos, den 100 beliebtesten Y- ouTube-Kanälen und den Top 100 Instagrammer*innen in Deutschland zu finden. Die Geschlechterdarstellungen in den erfolgreichsten YouTube-Kanälen basieren zudem auf veraltet anmutenden Stereotypen: Während Frauen sich überwiegend im privaten Raum zeigen, Schminktipps geben und ihre Hob- bies präsentieren (Basteln, Nähen, Koch en), bedienen Männer deutlich mehr Themen: von Unterhaltung über Musik bis zu Games, Comedy und Politik“5
Als Zielsetzung dieser Hausarbeit kann weiter festgelegt werden, zu untersuchen, wo, wie und weshalb Frauen unterrepräsentiert und ste- reotypisiert im Zusammenhang mit dem Thema Ruhm in den sozia- len Netzwerken auftauchen. Wo sind die Mechanismen von Online - Ruhm, wieso greifen sie scheinbar nur in einem traditionellen Frau- enbild? Welche Auswirkungen hat Gender Marketing – eine Rich- tung, die bereits im Medium des Fernsehens geschlechteradressierte und stereotypisierte Werbung als Erfolgsrezept versprach?
Und schließlich soll auch versucht werden zu klären, welche Bedeu- tung weiblicher Ruhm in Social Media für eine Gesellschaft hat. Was sagt uns die vergangene und die aktuelle Beziehung einer Ge- sellschaft zum Ruhm über sich selbst? Wie sieht Ruhm heute aus und in welchem Verhältnis steht die Unsterblichkeitsidee der Antike zur neuen Währung der Aufmerksamkeit in den Medien, die etwa Siegfried Schmidt beschreibt?6
Die Fragen, die sich zu diesem Thema stellen lassen und die Schwierigkeit, den Begriff Ruhm zu definieren zeigen, dass ein komplexes kulturelles Phänomen wie dieses auch in der v orliegen- den Arbeit und in einem begrenzten Umfang nur unzureichend be- handelt werden kann.
1.2 Über die Geschichte des Ruhms im Allgemeinen
Einen Abriss über die Geschichte des Ruhms in einzelnen zeitlichen Epochen beschreibt Detlev Schöttker auf knapp zwei Seiten. So be- ginnt er mit der antiken Philosophie als Beispiel. Deren Idee des Nachruhms betont laut Schöttker bereits Platon. Begriffe wie Un- sterblichkeit, unsterblicher Ruhm und andauerndes Andenken prä- gen laut Schöttkers Platon-Verständnis die Antike.
Im Mittelalter verweist Schöttker auf eine Praxis, die aus heutiger Sicht völlig unverständlich erscheint: Als Autor seinen Namen im Werk nicht zu nennen. Schöttker erklärt dies unter anderem mit der Absicht, als Autor nicht der Geltungssucht – eine Sünde im christ- lich geprägten Mittelalter – zugewiesen zu werden. Doch auch hier scheint es mit dem Beispiel des Dichters Lamprecht einen Beweis dafür zu geben, dass der Künstlerruhm dennoch erstrebenswert war. So zitiert Schöttker Lamprecht , der laut Heinrich Klotz in einer sei- ner Dichtungen aus dem 13. Jahrhundert vermerkt hat: „Lamprecht ist genannt sîn name / den nenne ich mêr durch sîne schame dann durch werltlîchen roum“7 Der Hinweis des Dichters zeigt also, dass ein gewisser Ruhm und eventuell damit einhergehende Mittel w ie Geld oder ein sozialer Status oder Geschenke erstrebenswert waren - als Künstler ganz besonders.
Den Wandel von Ruhm hin zur „Unsterblichkeitsidee“8 und später zum „Geniegedanken“9 beschreibt Schöttker mit der Idee der Ver- gänglichkeit im Barock und nennt beispielhafte Namen wie Klopstock, Dennis Diderot. Auch das Dichter-Denkmal und die Kul- tur der Denkmäler, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzt e, reißt Schöttker an. Als Beispiel wäre hier das Schiller -Denkmal am Rathausplatz in Stuttgart zu nen nen, das aus eben jener Zeit stammt.
Nationalisierung und Politik und Militarisierung spielen laut Schött- ker in dieser Zeit eine zentrale Rolle in der Wirklichkeit der Gesell- schaft. Entsprechend viele Berühmtheiten und Denkmäler aus dieser Zeit lassen sich diesen Topoi zuordnen.
Die Brücke zum 21. Jahrhundert schlägt Schöttke r mit der Erklä- rung, dass Medien wie die Fotografie und das Fernsehen Einzug hielten und den bis heute vorherrschenden Starkult formten.
Und heute? Uns fehlt heute die Distanz, Ruhm in Zeiten von sozia- len Medien zu beurteilen. Das liegt unter anderem daran, dass Ruhm im Sinne einer Geschichtsschreibung eine gewisse zeitliche Distanz zu vorangegangenen Ereignissen benötigt. Der posthume Ruhm spielt oder spielte besonders im Militär vor den beiden Weltkriegen eine Rolle. Aber wird posthumer Ruhm in sozialen N etzwerken überhaupt noch möglich sein? In einer Zeit und in einem Medienum- feld, das von Aufmerksamkeit, Dauer-Online-Sein, erhöhter Pos- ting-Frequenz geprägt ist. Was passiert , wenn ein Leben auf Social Media endet?
Datenspeicherung existiert im eigentlichen Sinne, doch diese Spei- cherung ist weit davon entfernt, eine Ewigkeit wie antike Statuen und Paläste, mittelalterliche Überlieferungen und Schriften oder moderne Denkmäler vermitteln und überdauern zu können. Moore’s Law besagt, dass sich alle 18 Monate Transistoren in einem inte- grierten Schaltkreis verdoppeln, da sie immer kleiner gebaut wer- den. Das bedeutet für eine digitalisierte Welt die ständige Erneue- rung und Aussiebung alter Daten, die überschüssig oder (technisch gesehen) unbrauchbar geworden sind. Oder anders ausgedrückt: Wer hat heute noch den Zugang zu seinem studi.vz oder MySpace- Konto? Wer kennt noch MSN oder ICQ?
Die ersten sozialen Netzwerke in den Nuller-Jahren des 21. Jahr- hunderts sind längst auf dem Abstellgleis gelandet oder komplett abgeschaltet. Die Daten gelöscht oder archiviert – jedoch nicht mehr zugänglich. Eine mühsam aufgebaute Webpräsenz verschwindet ein- fach und mit ihr alle Erinnerungen.
Wie also wird Social Media das scheinbar urmenschliche Streben nach Ruhm verändern? Wie wird sich die Einstellung zum Ruhm ändern? Sind wir immer noch bereit, heroische Taten auf uns zu nehmen, um in die Geschichtsbücher einzugehen, wenn diese keine Ewigkeit mehr versprechen können?
Die tatsächlichen Auswirkungen und Veränderungen inner halb einer Geschichte des Ruhms werden sich gänzlich wohl erst in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten oder gar erst nach Ende der Ära Social Media feststellen lassen, wenn der retrospektiv e Blick ungetrübt und unvoreingenommene Beobachtungen zulässt. Den noch kann im Fol- genden bereits auf eine kleine Geschichte von Social Media zurück- geblickt werden. Nach einigen ersten Versuchen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, Menschen online zu ve rnetzen (SixDegrees 1997 und blogger.com 1999) war mit Wikipedia (2001) eine erste Wissensplattform mit Austausch- und Anmeldefunktion geboren. 2002 folgte Friendster.com und 2004 MySpace.10
Heute im Jahr 2019 ist die Vielfalt nahezu unüberschaubar , die meisten Nutzer sind in mehreren sozialen Netzwerken gleichzeitig aktiv. Facebook hat aktuell über 2 Milliarden Nutzer weltweit, Y- ouTube befindet sich in einer ähnlichen Größenordnung, beim Mes- sengerdienst WhatsApp sind es 1.5 Milliarden Anmeldungen, Insta- gram verzeichnet eine Milliar- de.11
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1 Dudenredaktion (o. J.): „Ruhm“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/690673/revisions/1999951/view (Abrufdatum: 13.03.2019)
2 Schöttker, Detlev: Ruhm und Rezeption. Unsterblichkeit als Voraussetzung der Lite- raturwissenschaft. In: Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung. Hrsg. von Jörg Schönert, Stuttgart 1998
3 Rodden, John: Reputation and its vicissitudes. In: Soc (Society). Jahrgang 43, Heft 3, 2006, S. 75-80.
4 Onlineredaktion (o. J.): 100 Personen der Weltgeschichte. URL: https://geboren.am/top100 (Abrufdatum: 13.03.2019)
5 MaLisa Stiftung (o. A.): Weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien. Die Ma- Lisa Stiftung präsentiert neue Studienergebnisse, Berlin 2019, S. 1
6 Schmidt, Siegfried J.: Aufmerksamkeit: Die Währung der Medien. In: Aufmerksam- keiten. Tagung des Arbeitskreises "Archäologie der literarischen Kommunikation" im Oktober 1998 in Wien. Hrsg. Assmann, Aleida; Assmann, Jan, München 2001
7 Klotz, Heinrich: Architektur. Texte zur Geschichte, Theorie und Kritik des Bauens. Ostfildern- Ruit 1996. S. 86
8 Schöttker, Detlev: Ruhm und Rezeption. Stuttgart 1998, S. 475
9 Ebd.
10 Pseudonym (Vivian): Die Geschichte der Social Networks. In: Der Social Media Ma- nager. URL: http://der-socialmediamanager.de/die-geschichte-der-social-networks/ (Letzter Abruf am 14.03.2019)
11 Siehe Abb.1; aus: Statista. Ranking der größten sozialen Netzwerke und Messenger nach Anzahl der monatlich aktiven User (MAU) im Januar 2019. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181086/umfrage/die-weltweitgroessten- social-networks-nach-anzahl-der-user/ (Letzter Abruf 14.03.2019)