Für die christliche Kaiserherrschaft sowohl im oströmisch-byzantinischen Reich war in der historischen Abfolge der Weltreiche, die in der mittelalterlichen Geschichtsauffassung vorgegeben war, die Fortdauer des römischen Reiches ein tragendes Element der Legitimität. Die Rom-Idee und der daraus resultierende Gedanke einer "translatio imperii" hatten in der Traditionsgeschichte des russischorthodoxen Kulturkreises keine vergleichbare Entsprechung.
Als in der Umbruchphase nach der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 den Herrschern in Moskau ohne eigenes Zutun eine Führungsrolle innerhalb der orthodoxen Ökumene zufiel, vermieden sie es geflissentlich, in der internationalen Politik als Nachfolger der byzantinischen Kaiser zu agieren. Die von dem Mönch Filofej von Pskov ( 1465-1542) formulierte Idee "Moskau, das Dritte Rom" wurde zwar nie als offizielle Staatsideologie rezipiert, in ihrer Intention hatte sie aber unverkennbare
Auswirkungen auf das erwachende Selbstbewusstsein der Moskauer ("Heiliges Russland") und den russischen Messianismus des 19. Jahrhunderts. Darauf wird später noch dezidiert eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Die Idee der Translatio Imperii im Moskauer Russland
- Das erste Rom
- Das zweite Rom
- Die Entstehung der Theorie/des Mythos vom dritten Rom
- Wirkungen der Theorie vom Dritten Rom nach dem 16. Jahrhundert
- Hypothesen der Fortwirkung der „Dritten Rom-Theorie\" nach dem Ende des Zaren/Kaiser-Reiches
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung der „Dritten Rom-Theorie“, die in der Moskauer Rus entstand. Sie beleuchtet die historischen und ideologischen Wurzeln des Konzepts und zeigt, wie es das Selbstverständnis der Moskauer Fürsten und die Rolle Russlands in der orthodoxen Welt beeinflusste.
- Die Rolle des Byzantinischen Reiches im Kontext der „Translatio Imperii“
- Die Entstehung des Konzepts des „Dritten Rom“ und seine Bedeutung im 16. Jahrhundert
- Der Einfluss der „Dritten Rom-Theorie“ auf die russische Geschichte und Identität
- Die Fortwirkung des Konzepts nach dem Untergang des Zarenreichs
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Idee der Translatio Imperii im Moskauer Russland
Dieses Kapitel untersucht den historischen Kontext der „Translatio Imperii“-Theorie und ihre Relevanz für die christliche Kaiserherrschaft in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Es beleuchtet die Abwesenheit einer vergleichbaren Tradition im russisch-orthodoxen Kulturkreis und die Rolle Moskaus als Nachfolger Konstantinopels nach dessen Eroberung im Jahr 1453. - Kapitel 1.a: Das erste Rom
Dieses Kapitel analysiert den Gedanken des „ewigen Rom“ in der Antike und seinen Wandel in der christlichen Tradition. Es beleuchtet die Rolle Roms als geistiges Vaterland, den Einfluss von Vergils „Aeneis“ und Augustins Gedanken über das „Fortleben“ Roms durch das Christentum. - Kapitel 1.b: Das zweite Rom
Dieses Kapitel behandelt die Entstehung des Byzantinischen Reiches als „zweites Rom“ und die Auseinandersetzung mit dem Westen um den „wahren Rom“. Es untersucht die Bedeutung von Konstantinopel als neue Hauptstadt des Römischen Reiches und die Rolle des Bischofs Eusebius von Caesarea in der christlich-kaiserlichen Ideologie.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind „Translatio Imperii“, „Drittes Rom“, „Moskau“, „Byzanz“, „orthodoxe Ökumene“, „russischer Messianismus“, „Heiliges Russland“. Sie beleuchten die Entstehung, die Bedeutung und die Folgen des Konzepts des „Dritten Rom“ in der russischen Geschichte und Ideengeschichte.
- Quote paper
- Ullrich Michael Rasche (Author), 2015, Moskau. Das dritte Rom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508857