Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2.1. Grundlegende Theorien
2.1.1 von Thünen
2.1.2 Weber
2.2 Begriff und Wesen
2.3 Standortfaktoren
2.3.1 Beschaffungsorientierte Standortfaktoren
2.3.2 Fertigungsorientierte Standortfaktoren
2.3.3 Absatzorientierte Standortfaktoren
2.3.4 Staatliche Standortfaktoren
2.3.5 „Moderne“ Standortfaktoren
2.4 Entscheidungsmodelle bei Standortwahlen
2.4.1 Analytisch-quantitative Modelle
2.4.2 Heuristisch-qualitative Modelle
3. Nutzwertanalyse als Teil der Standortwahl
3.1 Merkmale und Vorgehensweise
3.1.1 Zielkriterienbestimmung und -gewichtung
3.1.2 Teilnutzenbestimmung
3.1.3 Nutzwertermittlung
3.2 Beispiel einer Nutzwertanalyse
4. Kritische Auseinandersetzung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Standortentscheidung hat in den letzten Jahren nachhaltig an Bedeutung gewonnen. Insbesondere seit die zunehmende Globalisierung und die damit verbundenen politischen Veränderungen die Ländergrenzen zunehmend in den Hintergrund rücken ließen und die Weiterentwicklung der Transport- und Informationssysteme die Überwindung von großen Entfernungen zwischen verschiedenen Standorten erleichtert haben, stehen den heutigen Unternehmen weltweite Standortalternativen zur Verfügung.
Auch innerhalb eines Landes sollte der Suche nach einem Standort ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet werden, da sie eine unternehmerische Entscheidung darstellt, die wie die Wahl der Rechtsform den Aufbau und die Entwicklung des Betriebes mitbestimmt. Durch Grundstücks- und Baupreise hat sie direkten Einfluss auf die Investitionskosten und bestimmt auf Dauer Kostengrößen wie Transportkosten, Regionalabgaben und Löhne. Somit hat die Wahl eines Standortes einen langfristigen Charakter, kann den Erfolg eines Unternehmens nachhaltig positiv wie auch negativ beeinflussen und ist nur schwer, und meist verbunden mit hohen Kosten, revidierbar.
Die nachfolgende Ausführung soll zeigen, wie mit Hilfe der Nutzwertanalyse bei der Standortsuche vorgegangen werden kann und wie möglichst alle wichtigen gewünschten Eigenschaften eines Standortes bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten.
Da die Standortwahl das zu Grunde liegende Problem ist, wird sich diese Hausarbeit zunächst mit dem Standort an sich befassen, bevor sie auf die Möglichkeiten der Lösungsfindung, bzw. die Anwendung der Nutzwertanalyse eingeht. Nach einem kurzen Überblick über die zwei grundlegenden historischen Standorttheorien wird erläutert, was unter dem Begriff der Standortwahl verstanden wird und welche Faktoren hierbei von Bedeutung sein können. Gerade für diese Faktoren haben sich sehr unterschiedliche Modelle mit differierenden Einteilungen entwickelt. Diese Arbeit legt ausschließlich eine sich an Behrens orientierte Gliederung der Standortfaktoren nach Beschaffung, Fertigung und Absatz zu Grunde. Sie wurde lediglich noch um „moderne“ Standortfaktoren ergänzt und führt die staatlichen Faktoren separat auf. Die Begründung für diese Wahl liegt neben der nachvollziehbaren Einteilung in der geschichtlichen Fortführung der grundlegenden Standorttheorien (von Thünen ð Weber ð Behrens).
Nach der Klassifizierung und Erklärung des Entscheidungsmodells „Nutzwertanalyse“ folgt ein fiktives Beispiel zur Erläuterung[1], gefolgt von einer kritischen Auseinandersetzung.
2. Standortwahl als Entscheidungsproblem
2.1. Grundlegende Theorien
2.1.1 von Thünen
Die erste bedeutsame wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem der Standortwahl erfolgte 1826 durch Johann Heinrich von Thünen mit seinem Werk „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“. In dieser Arbeit beschrieb von Thünen in Bezug zur Landwirtschaft den Zusammenhang und die Abhängigkeit zwischen den bis zu diesem Zeitpunkt als allein maßgeblich angenommenen gegebenen Bodenbeschaffenheiten und der neuen Idee einer ökonomischen Beeinflussung bei der Wahl des Standortes (und „der Art der Bodennutzung“). Er kreierte das Modell des „isolierten Staates“[2] und erläuterte mit dessen Hilfe die Konsequenzen, die sich neben den natürlichen Bodengegebenheiten auch aus der Entfernung von Anbaufläche zu Konsumort ergeben. Der für diese Arbeit relevante Schluss aus seiner Theorie ist, dass sich der Produktionsstandort transportintensiver[3] oder leicht verderblicher Güter in unmittelbarer Nähe zum Konsumort befinden muss. Je weiter der Standort vom Konsummarkt entfernt ist, desto mehr muss sich bei möglichst sinkenden Arbeitskosten das Verhältnis von Erlösen zu Transportkosten zugunsten des Erlöses verändern.[4]
Oberstes Kriterium für die Wahl des Standortes wäre somit das Ergebnis dieses Verhältnisses.
2.1.2 Weber
Im Jahr 1909 erschien mit „Über den Standort der Industrien“ von Alfred Weber eine weitere bedeutende, diesmal an die Strukturmerkmale einer industrialisierten Wirtschaft angepasste ökonomische Auseinandersetzung mit der Problematik der Standortbestimmung. In dieser Abhandlung entwickelte und führte Weber als erster den Begriff des „Standortfaktors“ in die Standortliteratur ein. Gemeint ist damit jede standortspezifische Einflussgröße, die auf die Entwicklung und den Erfolg eines Betriebes einwirkt – und damit ausschlaggebend für die Wahl des Standortes sein sollte. Er selbst definierte als Standortfaktoren insbesondere
- die Höhe der Arbeitskosten,
- die Höhe der Transportkosten und
- die Agglomeration[5] /Deglomeration. Zusätzlich
- natürlich-technische Gegebenheiten (z. B. Bodenbeschaffenheit),
- regional unterschiedliche Gegebenheiten (z. B. Zinsniveau, Kultur/ Gesellschaft),
- die für den jeweiligen Industriezweig speziellen Anforderungen und
- die regionale Bindung einzelner Industrien.[6]
Erkennbarer Schwerpunkt dieser Betrachtung ist vor allem die Kostenseite, wogegen die im Laufe der folgenden Zeit so wichtige Absatzseite nicht mit einbezogen wird.[7]
Nichtsdestotrotz war das Modell von Weber ein äußerst wichtiger Schritt in der Standortbestimmungslehre und bildet auch heute noch oft eine Grundlage wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit Standortentscheidungen.[8]
2.2 Begriff und Wesen
Das Problem der Standortwahl stellt sich jedem Betrieb mindestens einmal – bei der Unternehmensgründung. Aber auch darüber hinaus gibt es Motivationsgründe für einen Standortwechsel, bzw. die Suche nach weiteren:
- Marktmotiv Ziel: Märkte neu oder besser erschließen
- Kapazitätsmotiv Ziel: gewöhnlich Schaffung neuer Kapazitäten (Expansion), selten auch kleinerer Standort, wobei hier meist mit Teilstilllegung reagiert wird
- Innovationsmotiv Ziel: Schaffung neuer Möglichkeiten
- Auslagerungsmotiv (meist intraregional)
Ziele: Zusätzlicher, expansionsfähiger Standort. Oft gleichzeitig Beibehaltung der Mitarbeiter und Absatz-/Beschaffungsinfrastruktur – oder Dezentralisation zu Gunsten der räumlichen Lieferanten-/Kundennähe.
- Kostendruckmotiv Ziel: kostengünstigere, bzw. effizientere Standorte[9]
·Verlagerungsmotiv Grund: Verschlechterung, bzw. Nutzenabnahme wichtiger Standortfaktoren[10]
[...]
[1] Leider war keines der angeschriebenen, teilweise auf Standortsuche spezialisierten Unternehmen bereit, eine reale Nutzwertanalyse zur Verfügung zu stellen.
[2] autarker, kreisförmiger Staat mit einem Konsumzentrum in der Mitte; gleiche Bodenverhältnisse/Klima, ausschließlich gleichwertige Landverbindungen; Transportkosten steigen proportional zu Gewicht und Entfernung
[3] im Verhältnis zum Wert ein kostenintesiver Transport
[4] vgl. Behrens: Allgemeine Standortbestimmungslehre, S. 3ff
[5] Zusammenballung von Industrien an wenigen Standorten
[6] vgl. Behrens: a.a.O., S. 7f
[7] vgl. Behrens: Allgemeine Standortbestimmungslehre, S. 18
[8] vgl. Korndöfer: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 147
[9] vgl. Salmen: Standortwahl der Unternehmen. S. 35f
[10] vgl. Balfanz: Bausteine der Betriebswirtschaftslehre, S. 70